Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Chronische Nierenerkrankung: Unterschiedliche biologische Eigenschaften des Nebenschilddrüsenhormons durch Oxidation
Wissenschaftler warnen vor Fehleinschätzungen bei der Therapiesteuerung, da gebräuchliche iPTH-Assays nicht zwischen bioaktivem und inaktivem Hormon unterscheiden.
Viele Funktionen des menschlichen Körpers werden über Hormone reguliert.
Krankheitszustände können diese Botenstoffe beeinflussen.
In der klinischen Praxis wird der Status bestimmter Botenstoffe genutzt, um Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zu ziehen und daraus die weitere Therapie abzuleiten.
- Ein Beispiel aus der gängigen Praxis ist die Erfassung des Nebenschilddrüsenhormons (Parathormon, PTH) bei der chronischen Nierenerkrankung, da bekannt ist, dass die Konzentration des PTH mit abnehmender Nierenfunktion progressiv ansteigt.
Eine Forschergruppe aus der V. Medizinischen Klinik der
Universitätsmedizin Mannheim (UMM), um Professor Dr. med. Berthold
Hocher, konnte schon vor einigen Jahren zeigen, dass PTH bei
nierenkranken Patienten oxidiert wird, und dass dies zum
Funktionsverlust des Hormons führt.
In ihrer aktuellen Arbeit gingen die
Forscher der Frage nach, inwieweit die Oxidation von PTH den
Krankheitsverlauf beeinflusst und ob der Zustand von PTH – ob oxidiert
oder nicht-oxidiert – für die Therapieentscheidung relevant sein könnte.
Die Forscher untersuchten dazu das Zusammenspiel von PTH und einem
weiteren Hormon, des von Knochenzellen produzierten
Fibroblasten-Wachstumsfaktors 23 (FGF 23), bei nierenkranken Patienten.
Beide Hormone spielen eine wesentliche Rolle in der Regulation des Kalzium- und Phosphathaushaltes.
- Störungen in diesem System verursachen Knochenerkrankungen, aber insbesondere auch eine Verkalkung von Blutgefäßen – eine wesentliche Ursache von Gefäßschäden und der hohen Sterblichkeit von nierenkranken Patienten.
In den meisten früheren Studien waren PTH und der FGF 23-Serumspiegel
eng miteinander korreliert und es wird vermutet, dass FGF 23 und PTH
sich gegenseitig in einer negativen Rückkopplungsschleife regulieren.
Bei diesen Studien wurde allerdings nicht zwischen oxidiertem und
nicht-oxidiertem PTH unterschieden.
Die Mannheimer Arbeitsgruppe konnte in der Zellkultur zeigen, dass nur
nicht-oxidiertes PTH, nicht aber oxidiertes PTH, die Synthese von FGF 23
stimuliert. Mit diesem Befund stimmen auch die klinischen Daten aus
zwei unabhängigen Kohortenstudien überein. Die Ergebnisse lassen den
Schluss zu, dass nur das nicht-oxidierte PTH Teil dieses wichtigen
hormonellen Regelkreises ist.
Die Wissenschaftler machten eine weitere, in diesem Zusammenhang
wichtige Beobachtung:
Sie konnten nachweisen, dass der in vielen
Lehrbüchern beschriebene deutliche Anstieg des Nebenschilddrüsenhormons
PTH bei abnehmender Nierenfunktion hauptsächlich auf einen Anstieg des
oxidierten, inaktiven PTH zurückzuführen ist, wohingegen das biologisch
aktive, nicht-oxidierte PTH, nur mäßig ansteigt.
„Wir müssen die Eignung der in der klinischen Routine gebräuchlichen
iPTH-Assays für darauf fußende Therapieentscheidungen kritisch
hinterfragen“, warnt Professor Hocher.
Denn: Die iPTH-Assays erlauben keine Unterscheidung zwischen bioaktivem (nicht-oxidiertem) und inaktivem (oxidierten) PTH, sondern messen lediglich das Gesamt-PTH.
„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass diese Assays zu einer
Fehleinschätzung der Menge an wirklich wirksamem Hormon führen und eine
korrekte Therapiesteuerung damit nicht möglich ist. In der Zukunft
sollten nur PTH-Assays Verwendung finden, die ausschließlich das
bioaktive PTH messen.“
Die Bedeutung der vorliegenden Ergebnisse könnte weit über das
Verständnis der biologischen Eigenschaften von PTH hinausgehen.
Denn viele Peptidhormone haben ebenso wie PTH Aminosäuren in ihrer Aminosäuresequenz, die unter Bedingungen des oxidativen Stresses oxidiert werden können.
Wenn die Oxidation die biologischen Eigenschaften auch dieser Hormone verändert, könnte dies ähnliche Folgen haben wie es für PTH gezeigt wurde: F
Funktionsverlust der oxidierten Hormone und Fehleinschätzung der Menge an wirksamem Hormon.
Prof. Dr. med. Berthold Hocher
Leiter der Arbeitsgruppe für experimentelle und translationale Nephrologie
Universitätsmedizin Mannheim
V. Medizinische Klinik
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Telefon 0621/383-5172
Berthold.Hocher@medma.uni-heidelberg.de
Dr. Eva Maria Wellnitz Universitätsmedizin Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Deutschland
Baden-Württemberg
Telefon: 0621 / 383-71115
Fax: 0621 / 383-71103
E-Mail-Adresse: eva.wellnitz@medma.uni-heidelberg.de
Originalpublikation:
Relationship between GFR, intact PTH, oxidized PTH, nonoxidized PTH as well as FGF23 in patients with CKD
Shufei Zeng, Uwe Querfeld, Martina Feger, Dieter Haffner, Ahmed A.
Hasan, Chang Chu, Torsten Slowinski, Thomas Bernd Dschietzig, Franz
Schäfer, Yingquan Xiong, Bingbing Zhang, Steffen Rausch, Katarina
Horvathova, Florian Lang, Bernhard Karl Krämer, Michael Föller, Berthold
Hocher
The FASEB Journal. 2020;00:1–13.
DOI: https://doi.org/10.1096/fj.202000596R
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