Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gelassen durch die Schwangerschaft: Besserer Umgang mit Stress vorteilhaft für das Neugeborene
Eine Forschungsgruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnte nachweisen, dass sich das psychische Wohlergehen werdender Mütter während der Schwangerschaft positiv auf die neugeborenen Kinder auswirkt.
Längere Telomere – Schutzkappen an den Enden der Chromosomen – weisen darauf hin, dass ihre Zellalterung verringert ist, was sich auf die zukünftige Gesundheit der Kinder auswirken könnte.
Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin American Journal of Psychiatry* veröffentlicht.
Verschiedene Aspekte während der Schwangerschaft können sich auf die Entwicklung des Kindes auswirken.
Bisher wurden vor allem negative Einflüsse von Stress, Übergewicht oder schlechter Ernährung untersucht – etwa auf die Funktion der Plazenta, Frühgeburten oder die allgemeine Kindesgesundheit.
Auf zellulärer Ebene können sich verschiedene Einflüsse während der Schwangerschaft direkt auf die Telomere auswirken – spezielle Strukturen, die die Enden von Chromosomen bei der Zellteilung schützen und die durch das Enzym Telomerase verlängert werden können.
- Die Telomerlänge ist ein molekularbiologischer Marker der Zellalterung, der mit der Lebensdauer und einer Reihe altersbedingter Erkrankungen in Zusammenhang steht.
Obwohl der Einfluss von mütterlichem Stress gut
untersucht ist, gibt es bisher nur sehr wenige Befunde zu protektiven
mütterlichen Faktoren und ihren positiven Effekten auf die
Kindesentwicklung.
Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Sonja Entringer am Institut für
Medizinische Psychologie der Charité konnte nun zeigen, dass die
psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress – die sogenannte
Resilienz – während der Schwangerschaft mit der Telomerlänge
zusammenhängt.
- Je positiver die werdenden Mütter eingestellt sind, desto länger sind auch die Telomere in Zellen der Kinder.
- „Positive mütterliche psychologische Charakteristika werden also biologisch beim Fötus eingebettet und wirken sich protektiv aus“, sagt Prof. Entringer.
Bereits in einer vorhergehenden Studie hatten die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler untersucht, wie sich mütterlicher Stress während der
Schwangerschaft auf die Telomerlänge der Nachkommen auswirkt.
Für die aktuelle Arbeit konnte das Team um Prof. Entringer – zusammen mit Forschenden um Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn von der University of California sowie einem Team in Finnland – auf eine große Probandengruppe mit über 650 Mutter-Kind-Paaren zurückgreifen.
Die Telomerlänge wurde bereits bei Geburt in Zellen des Nabelschnurblutes bestimmt.
Die positive Einstellung von Schwangeren trotz Stressbelastung
bestimmten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch einen
Index der Resilienz, in den auch das psychische Wohlergehen und die
wahrgenommene soziale Unterstützung einflossen.
„Die Studie unterstreicht die Wichtigkeit des psychischen Wohlergehens
der Mutter während der Schwangerschaft für die Programmierung von
Krankheit und Gesundheit des Kindes während des gesamten Lebens, sowie
die Bedeutung verbesserter Maßnahmen zur psychosozialen Betreuung
während der Schwangerschaft“, erklärt Prof. Entringer, die auch
Associate Professor an der University of California in Irvine ist.
Bereits 2016 war sie mit einem „Starting Grant“ des Europäischen
Forschungsrats (ERC) ausgezeichnet worden, durch dessen Finanzierung sie
eine eigene Forschungsgruppe aufbauen konnte.
Aktuell widmet sich die Gruppe molekularen Mechanismen, die bei der Verankerung der psychosozialen Effekte in den Zellen des ungeborenen Kindes zugrunde liegen.
In einem weiteren Schritt ist eine Interventionsstudie zur
Stressreduktion im Alltag von Schwangeren geplant.
*Verner G et al. Maternal psychological resilience during pregnancy and
newborn telomer length: a prospective study. Am J Psychiatry (2020),
DOI:10.1176/appi.ajp.2020.19101003
Prof. Dr. Sonja Entringer
Institut für Medizinische Psychologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 529 216
E-Mail: sonja.entringer@charite.de
Manuela Zingl Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Deutschland
Berlin
Fax: 030 / 450 570 940
E-Mail-Adresse: manuela.zingl@charite.de
Originalpublikation:
https://ajp.psychiatryonline.org/doi/10.1176/appi.ajp.2020.19101003
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