Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Lichtverschmutzung unterdrückt „Dunkelhormon“ Melatonin bei Mensch und Tier
- Melatonin taktet die innere Uhr, dank einem hohen Melatoninspiegel werden wir abends müde.
Forschende vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben in einem internationalen Team Daten zur Auswirkung von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung beim Menschen und bei Wirbeltieren ausgewertet.
Das Ergebnis:
Selbst die niedrigen Lichtintensitäten einer städtischen Lichtglocke reduzieren die Bildung des sogenannten Dunkelhormons.
Der Himmel über Berlin bei Nacht Chris Kyba
Melatonin prägt den Tag-Nacht-Rhythmus beim Menschen und bei Wirbeltieren.
Organe, Gewebe und Zellen stellen abhängig von der Konzentration dieses Hormons ihre innere Uhr.
- Melatonin steuert auch Prozesse wie Fortpflanzung und Wachstum.
Über Lichtrezeptoren, beispielsweise auf der Netzhaut im Auge, nehmen Wirbeltiere und der Mensch Unterschiede in der Helligkeit ihrer Umgebung war.
- Wenn viel Licht auf die Rezeptoren wirkt, wird die Bildung von Melatonin unterdrückt;
- Bei Dunkelheit wird viel Melatonin gebildet.
Die Empfindlichkeitsschwelle beim Menschen liegt bei 6 Lux, Straßenbeleuchtung strahlt meist heller:
Künstliches Licht bei Nacht kann den Melatoninhaushalt stören, wenn mit der Dunkelheit eigentlich die Melatoninproduktion einsetzten sollte.
Die Forschenden identifizierten im Rahmen einer Literaturrecherche aus 1900 Studien 72 relevante Arbeiten, die ihre Kriterien zur Untersuchung von Lichtverschmutzung erfüllten.
Sie zeigen anhand der Datenlage, dass bereits sehr geringe Lichtintensitäten die Ausschüttung des Melatonins unterdrücken: bei Fischen liegt die Schwelle bei 0,01 Lux, bei Nagern bei 0,03 Lux und bei empfindlichen Menschen bei 6 Lux; bei Licht mit einem hohen Blaulichtanteil sogar weit darunter.
Dazu im Vergleich die Beleuchtungsstärken, welche die Lebewesen in der Nacht erfahren:
In einer sternenklaren Nacht liegt die Beleuchtungsstärke bei 0,001 Lux.
In einer Vollmondnacht erreicht sie ein Maximum von 0,3 Lux.
Die Lichtglocke einer Stadt kann Beleuchtungsstärken bis zu 0,1 Lux, eine Straßenbeleuchtung mehr als 150 Lux erreichen.
„Das Erstaunliche ist, dass schon die sehr geringen Intensitäten der Lichtglocke einer Stadt ausreichen, um bei bestimmten Wirbeltierklassen wie Fischen und Nagern die Melatoninproduktion zu unterdrücken“, sagt die Erstautorin Dr. Maja Grubisic vom IGB.
„Von dieser Art Lichtverschmutzung sind weltweit große Areale betroffen, wie wir aus der Auswertung von Satellitendaten wissen“, ergänzt ihr Kollege Dr. Andreas Jechow.
Denn das Licht von künstlicher Beleuchtung strahlt in den Himmel und wird an Wolken und Partikeln reflektiert, wodurch eine große Lichtglocke entsteht.
Die Forschenden stießen bei ihrer Datenauswertung auch auf Wissenslücken: „Bisher gibt es keine Studien zu den Folgen von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung bei Reptilien und Amphibien, Langzeitfolgen sind wenig erforscht. Und insbesondere die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind noch nicht hinreichend verstanden“, stellt IGB-Forscher Dr. Franz Hölker fest, der die Studie geleitet hat.
Ach, wie schlafen eigentlich Fische? Auch das wissen Franz Hölker oder Andreas Jechow, also gerne nachfragen!
Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
„Forschen für die Zukunft unserer Gewässer“ ist der Leitspruch des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels, die Renaturierung von Ökosystemen, der Erhalt der aquatischen Biodiversität sowie Technologien für eine nachhaltige Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin.
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