Medizin am Abend Berlin Fazit: Pflegenotstand in den Krankenhäusern
In den Krankenhäusern besteht nach Darstellung von Betriebsräten ein gefährlicher Pflegenotstand.
Anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/7568) am vergangenen Mittwoch appellierten Arbeitnehmervertreter an den Gesetzgeber, verbindliche Personalstandards in den Kliniken einzuführen.
Die Betriebsräte warnten in ihren schriftlich an den Ausschuss übermittelten Appellen, für Pflegekräfte seien die zumutbaren Belastungsgrenzen längst überschritten. Dies berge erhebliche Gefahren für das Personal wie auch für die Patienten.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesundheit und Pflege
Die Mitarbeitervertretung des St. Marien-Krankenhauses in der Erzdiözese Berlin sprach von "unhaltbaren Zuständen". Seit Jahren verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Immer mehr Arbeit solle von immer weniger und geringer qualifizierten Pflegekräften bewältigt werden, bei steigenden Qualitätsanforderungen. Mitarbeiter müssten kurzfristig einspringen und würden genötigt, Dienste zu übernehmen. Die Folge seien steigende Krankmeldungen und psychische Erkrankungen sowie ein immenser Anstieg von Überstunden. Die Pflegekräfte würden zwischen Selbstausbeutung und Fremdausbeutung zerrieben.
Der Betriebsrat der AKH-Gruppe Klinikum Peine warnte, die viele Arbeit sei für die Beschäftigten nicht zu schaffen. Das bedeute für die Patienten konkret eine verzögerte Abgabe von Medikamenten und eine völlig unzureichende Versorgung. Für die Fragen von Angehörigen, allgemeine Informationen oder Zuwendung für Demenzpatienten gebe es keine Zeit. Viele Kollegen litten unter Schlafstörungen und Angstzuständen, weil sie befürchteten, eine Verordnung während der Schicht vergessen zu haben. An Pausen oder einen pünktlichen Feierabend sei nicht zu denken. Nur mit einer gesetzlichen Personalbemessung und einer adäquaten Finanzausstattung der Kliniken könnte das nötige Personal bereitgestellt werden.
Nach Angaben des Betriebsrates des Gesundheitszentrums Odenwaldkreis droht die "Abwärtsspirale für Mitarbeiter und Patienten" völlig aus dem Ruder zu laufen. Nach jahrelanger Leistungsverdichtung, Reduzierung der Fachkraftquote bei gleichzeitiger Fallzahlsteigerung und zunehmend multimorbiden Patienten glaubten Pflegekräfte nicht mehr daran, dass der Krankenhausträger allein für eine ausreichende Personalausstattung sorgen könne. Vielmehr erwarteten die Beschäftigten konkrete Hilfe vom Gesetzgeber.
Auch der Betriebsrat des Elisabeth Klinikums Schmalkalden monierte, der Kosten- und Leistungsdruck werde von oben nach unten durchgereicht. Die zu dünne Personaldecke, ein hohes Durchschnittsalter der Pflegekräfte und hoher Krankenstand brächten viele Mitarbeiter an ihr Limit. Es sei inzwischen eine echte Herausforderung, Fachkräfte aller Bereiche und geeignete Auszubildende in der Krankenpflege zu finden. Das "Holen aus dem Frei" gehöre zum Alltag in der Pflege, jeder Krankheitsfall bringe die Dienstplaner in Not. Das Pflegestellenförderprogramm habe sich als nutzlos erwiesen.
Die Gewerkschaft verdi machte die Einführung der Fallpauschalen (DRG) in den Kliniken für die Entwicklung mitverantwortlich. Die Abrechnungsmethode beinhalte einen massiven Anreiz zum Personalabbau, auch in der Pflege. Derzeit fehlten in den Kliniken 162.000 Vollzeitstellen, darunter 70.000 in der Pflege. Besonders kritisch sei die Personalsituation nachts. Es werde über gefährliche Situationen berichtet, die mit mehr Personal hätten verhindert werden können. Eine Gewerkschaftssprecherin sagte in der Anhörung: "Ohne verbindliche Vorgaben hat das Fass keinen Boden." Nötig sei eine kurzfristige Entlastung, der Markt allein richte es nicht.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wies darauf hin, dass es bereits Instrumente gebe, um die Personalausstattung in den Krankenhäusern zu verbessern. So stünden mit dem zweiten Pflegestellen-Förderprogramm im Zeitraum 2016 bis 2018 rund 660 Millionen Euro für die "Pflege am Bett" zur Verfügung. Ab 2019 verblieben jährlich rund 330 Millionen Euro dauerhaft im System. Die Fehler des ersten Pflegestellen-Förderprogramms (2009 bis 2011) dürften nicht wiederholt werden, darunter der Wegfall der Nachweispflicht zur Verwendung der Mittel nach Ende des Förderzeitraums. So sei nicht belegbar, ob die bereitstehenden Mittel tatsächlich für Pflegepersonal aufgewendet würden.
Der Versorgungszuschlag für die Kliniken im Umfang von jährlich 500 Millionen Euro werde ab 2017 in einen Pflegezuschlag umgewandelt. Die Verteilung der Mittel sei nun abhängig von den Kosten, die das Krankenhaus für pflegerisches Personal ausgebe. Kliniken mit guter Pflegepersonalausstattung hätten somit einen Anreiz, diese Stellen beizubehalten. Aus der amtlichen Statistik lasse sich zwar ablesen, dass die Zahl der Fälle pro Pflegekraft gestiegen ist, mit der Einführung des DRG-Systems sei aber die Verweildauer der Patienten in den Kliniken deutlich gesunken. Im Ergebnis sei die Zahl der belegten Betten seit 1991 um rund 30 Prozent gesunken, erklärte die GKV. Pflege finde heute vermehrt in Pflegeheimen statt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) räumte ein, dass es in "pflegesensiblen Bereichen" angemessen sein könne, qualitative und quantitative Personalvorgaben festzulegen. Allgemeinverbindliche Personalvorgaben seien jedoch weder sachgerecht noch zielführend. Personalvorgaben könnten allenfalls als Orientierungswert dienen. Zudem sei eine Refinanzierung der tarifbedingten Mehrkosten unerlässlich. Nach Angaben der DKG sind die Pflegestellen in den Krankenhäusern seit 2008 stetig erhöht worden, auf nunmehr rund 321.000 im Jahr 2015. Zudem gebe es in den Kliniken zahlreiche Initiativen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ein DKG-Sprecher wies in der Anhörung auf die erheblichen Dokumentationspflichten hin, die dazu führten, dass Ärzte und Pfleger viel Zeit mit Dingen verbrächten, für die sie nicht ausgebildet worden seien. Er forderte, den "Dokumentations-Overkill" zu beenden. Dann wäre wieder mehr Zeit übrig für die Patienten. Einfache Aufgaben in der Pflege sollten dazu an Pflegeassistenten weitergereicht werden.
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag, in den Krankenhäusern mindestens 100.000 Vollzeitstellen in der Pflege zu schaffen. Die neuen Pflegestellen müssten außerhalb der Fallpauschalen finanziert werden. Zudem sollte eine verbindliche Personalbemessung in die Krankenhausplanung aufgenommen werden. Auch in der Altenpflege sei eine bundeseinheitliche, verbindliche Personalbemessung für den stationären und ambulanten Bereich einzuführen.
Die Pflegeberufe müssen durch den Abbau übermäßiger Arbeitsbelastungen attraktiver gestaltet werden. Schließlich fordert die Linksfraktion in ihrem Antrag die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung, um in diesem Bereich finanzielle Stabilität und Gerechtigkeit zu gewährleisten.
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Redaktionsmitglieder: Jörg Biallas (verantwortlich)
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Anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/7568) am vergangenen Mittwoch appellierten Arbeitnehmervertreter an den Gesetzgeber, verbindliche Personalstandards in den Kliniken einzuführen.
Die Betriebsräte warnten in ihren schriftlich an den Ausschuss übermittelten Appellen, für Pflegekräfte seien die zumutbaren Belastungsgrenzen längst überschritten. Dies berge erhebliche Gefahren für das Personal wie auch für die Patienten.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesundheit und Pflege
Die Mitarbeitervertretung des St. Marien-Krankenhauses in der Erzdiözese Berlin sprach von "unhaltbaren Zuständen". Seit Jahren verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Immer mehr Arbeit solle von immer weniger und geringer qualifizierten Pflegekräften bewältigt werden, bei steigenden Qualitätsanforderungen. Mitarbeiter müssten kurzfristig einspringen und würden genötigt, Dienste zu übernehmen. Die Folge seien steigende Krankmeldungen und psychische Erkrankungen sowie ein immenser Anstieg von Überstunden. Die Pflegekräfte würden zwischen Selbstausbeutung und Fremdausbeutung zerrieben.
Der Betriebsrat der AKH-Gruppe Klinikum Peine warnte, die viele Arbeit sei für die Beschäftigten nicht zu schaffen. Das bedeute für die Patienten konkret eine verzögerte Abgabe von Medikamenten und eine völlig unzureichende Versorgung. Für die Fragen von Angehörigen, allgemeine Informationen oder Zuwendung für Demenzpatienten gebe es keine Zeit. Viele Kollegen litten unter Schlafstörungen und Angstzuständen, weil sie befürchteten, eine Verordnung während der Schicht vergessen zu haben. An Pausen oder einen pünktlichen Feierabend sei nicht zu denken. Nur mit einer gesetzlichen Personalbemessung und einer adäquaten Finanzausstattung der Kliniken könnte das nötige Personal bereitgestellt werden.
Nach Angaben des Betriebsrates des Gesundheitszentrums Odenwaldkreis droht die "Abwärtsspirale für Mitarbeiter und Patienten" völlig aus dem Ruder zu laufen. Nach jahrelanger Leistungsverdichtung, Reduzierung der Fachkraftquote bei gleichzeitiger Fallzahlsteigerung und zunehmend multimorbiden Patienten glaubten Pflegekräfte nicht mehr daran, dass der Krankenhausträger allein für eine ausreichende Personalausstattung sorgen könne. Vielmehr erwarteten die Beschäftigten konkrete Hilfe vom Gesetzgeber.
Auch der Betriebsrat des Elisabeth Klinikums Schmalkalden monierte, der Kosten- und Leistungsdruck werde von oben nach unten durchgereicht. Die zu dünne Personaldecke, ein hohes Durchschnittsalter der Pflegekräfte und hoher Krankenstand brächten viele Mitarbeiter an ihr Limit. Es sei inzwischen eine echte Herausforderung, Fachkräfte aller Bereiche und geeignete Auszubildende in der Krankenpflege zu finden. Das "Holen aus dem Frei" gehöre zum Alltag in der Pflege, jeder Krankheitsfall bringe die Dienstplaner in Not. Das Pflegestellenförderprogramm habe sich als nutzlos erwiesen.
Die Gewerkschaft verdi machte die Einführung der Fallpauschalen (DRG) in den Kliniken für die Entwicklung mitverantwortlich. Die Abrechnungsmethode beinhalte einen massiven Anreiz zum Personalabbau, auch in der Pflege. Derzeit fehlten in den Kliniken 162.000 Vollzeitstellen, darunter 70.000 in der Pflege. Besonders kritisch sei die Personalsituation nachts. Es werde über gefährliche Situationen berichtet, die mit mehr Personal hätten verhindert werden können. Eine Gewerkschaftssprecherin sagte in der Anhörung: "Ohne verbindliche Vorgaben hat das Fass keinen Boden." Nötig sei eine kurzfristige Entlastung, der Markt allein richte es nicht.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wies darauf hin, dass es bereits Instrumente gebe, um die Personalausstattung in den Krankenhäusern zu verbessern. So stünden mit dem zweiten Pflegestellen-Förderprogramm im Zeitraum 2016 bis 2018 rund 660 Millionen Euro für die "Pflege am Bett" zur Verfügung. Ab 2019 verblieben jährlich rund 330 Millionen Euro dauerhaft im System. Die Fehler des ersten Pflegestellen-Förderprogramms (2009 bis 2011) dürften nicht wiederholt werden, darunter der Wegfall der Nachweispflicht zur Verwendung der Mittel nach Ende des Förderzeitraums. So sei nicht belegbar, ob die bereitstehenden Mittel tatsächlich für Pflegepersonal aufgewendet würden.
Der Versorgungszuschlag für die Kliniken im Umfang von jährlich 500 Millionen Euro werde ab 2017 in einen Pflegezuschlag umgewandelt. Die Verteilung der Mittel sei nun abhängig von den Kosten, die das Krankenhaus für pflegerisches Personal ausgebe. Kliniken mit guter Pflegepersonalausstattung hätten somit einen Anreiz, diese Stellen beizubehalten. Aus der amtlichen Statistik lasse sich zwar ablesen, dass die Zahl der Fälle pro Pflegekraft gestiegen ist, mit der Einführung des DRG-Systems sei aber die Verweildauer der Patienten in den Kliniken deutlich gesunken. Im Ergebnis sei die Zahl der belegten Betten seit 1991 um rund 30 Prozent gesunken, erklärte die GKV. Pflege finde heute vermehrt in Pflegeheimen statt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) räumte ein, dass es in "pflegesensiblen Bereichen" angemessen sein könne, qualitative und quantitative Personalvorgaben festzulegen. Allgemeinverbindliche Personalvorgaben seien jedoch weder sachgerecht noch zielführend. Personalvorgaben könnten allenfalls als Orientierungswert dienen. Zudem sei eine Refinanzierung der tarifbedingten Mehrkosten unerlässlich. Nach Angaben der DKG sind die Pflegestellen in den Krankenhäusern seit 2008 stetig erhöht worden, auf nunmehr rund 321.000 im Jahr 2015. Zudem gebe es in den Kliniken zahlreiche Initiativen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ein DKG-Sprecher wies in der Anhörung auf die erheblichen Dokumentationspflichten hin, die dazu führten, dass Ärzte und Pfleger viel Zeit mit Dingen verbrächten, für die sie nicht ausgebildet worden seien. Er forderte, den "Dokumentations-Overkill" zu beenden. Dann wäre wieder mehr Zeit übrig für die Patienten. Einfache Aufgaben in der Pflege sollten dazu an Pflegeassistenten weitergereicht werden.
- Der Einzelsachverständige Klaus Stegmüller von der Hochschule in Fulda sagte in der Anhörung, Studien aus den USA zeigten, dass bestimmte Personalvorgaben notwendig seien.
- Freiwillige Selbstverpflichtungen hätten keinen Effekt. Auch seien positive Effekte nur dann sichergestellt, wenn Pflegefachkräfte eingestellt würden.
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag, in den Krankenhäusern mindestens 100.000 Vollzeitstellen in der Pflege zu schaffen. Die neuen Pflegestellen müssten außerhalb der Fallpauschalen finanziert werden. Zudem sollte eine verbindliche Personalbemessung in die Krankenhausplanung aufgenommen werden. Auch in der Altenpflege sei eine bundeseinheitliche, verbindliche Personalbemessung für den stationären und ambulanten Bereich einzuführen.
Die Pflegeberufe müssen durch den Abbau übermäßiger Arbeitsbelastungen attraktiver gestaltet werden. Schließlich fordert die Linksfraktion in ihrem Antrag die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung, um in diesem Bereich finanzielle Stabilität und Gerechtigkeit zu gewährleisten.
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