Medizin am Abend Berlin: Neu entdecktes Fettzellen-Hormon könnte Therapie verbessern
Eine neue Studie im Fachmagazin „Cell“ zum seltenen Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom lässt auch die Diabetes-Forscher aufhorchen:
Die Autoren entdeckten ein neues Hormon und erkannten, dass dieses bei Mäusen sowohl den Blutzucker als auch das Insulin ansteigen lässt.
- Sie stellten weiterhin fest, dass das sogenannte „Asprosin“ möglicherweise auch bei Menschen mit Diabetes Typ 2 eine Rolle bei der Regulation des Blutzuckerstoffwechsels spielt.
- Bei Menschen mit Übergewicht und Diabetes Typ 2 sind Blutzucker und meist auch Insulin erhöht.
Welche Mechanismen zu dieser Störung des Glukose-Insulin-Stoffwechsels führen, ist bislang noch nicht vollständig geklärt. „Die Entdeckung des Hormons Asprosin der Kollegen aus Houston, USA, könnte jetzt aber dazu beitragen, dass wir ein besseres Bild vom Typ-2-Diabetes sowie Adipositas erhalten“, kommentiert Professor Dr. med. Norbert Stefan, Leiter der klinisch-experimentellen Diabetologie am Universitätsklinikum Tübingen, die neue Cell-Studie.
Die amerikanischen Wissenschaftler analysierten ursprünglich das Erbgut von Patienten mit dem seltenen Weidemann-Rautenstrauch-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine Progeroid-Störung, bei der Kinder bereits das Aussehen von Greisen annehmen.
Im Zuge der Genom-Analyse fanden die Forscher um den Genetiker Atul Chopra dann heraus, dass bei diesen Patienten ein Mangel an einem bislang unbekannten Hormon besteht.
- Sie nannten es „Asprosin“, nach dem griechischen Wort für „Weiß“, da den Betroffenen das weiße Unterhautfettgewebe fehlt.
- Weitere Untersuchungen ergaben, dass Asprosin normalerweise im Fettgewebe gebildet wird. Über das Blut gelangt es zur Leber. Dort steigert es die Freisetzung von Glukose, also Zucker, ins Blut. Menschen mit Weidemann-Rautenstrauch-Syndrom haben, weil ihnen Asprosin fehlt, niedrige Insulinkonzentrationen.
„Ob sich allerdings das neu entdeckte Hormon für die Behandlung des Typ-2-Diabetes oder die Frühdiagnose einer Insulinresistenz eignet, müssen weiterführende klinische Studien erst klären“, erklärt Professor Dr. med. Matthias Blüher, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie am Universitätsklinikum Leipzig. „Pharmakologische Ansätze zur Hemmung von Asprosin, etwa durch spezifische Antikörper, könnten nach den Daten der aktuellen Studie den Blutzucker senken und die Insulinempfindlichkeit verbessern“, so Blüher.
„Indirekt könnte durch eine Asprosin-Hemmung vielleicht auch das Übergewicht vieler Patienten mit Typ-2-Diabetes reduziert werden“, vermutet der DDG Experte.
An Mäusen mit Diabetes konnten die Autoren bereits zeigen, dass ein Antikörper, der an Asprosin bindet, die Wirkung des Hormons neutralisiert.
„Schon nach einer Injektion mit diesem Mittel waren Blutzucker und Insulinwerte im Normalbereich“, resümiert Professor Dr. med. Matthias Tschöp, Wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz-Diabeteszentrums am Helmholtz Zentrum München. „Eine längere Behandlung könnte die Insulinresistenz womöglich auf Dauer reduzieren.“
Ob Asprosin-Hemmer sich als neues Diabetesmittel eignen, lässt sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vorhersagen. „Zunächst sind weitere Experimente im Labor und an Tieren notwendig. Danach könnten erste klinische Tests begonnen werden“, so DDG Experte Tschöp. Die Vertreter der DDG sind jedoch gespannt, welche Folgen die Entdeckung des Hormons für die Diabetologie haben könnte
Hintergrund zum Wiedemann-Rautenstrausch-Syndrom (Neonatal Progeroid Syndrome):
Weltweit gibt es nur etwa ein Dutzend Menschen mit Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom. Es gehört zu den seltenen Progeroid-Störungen, bei denen Kinder bereits das Aussehen von Greisen annehmen.
Beim Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom ist dies auf eine ungünstige Verteilung des Fettgewebes zurückzuführen, die als Lipodystrophie bezeichnet wird:
- Bauch und Beine lagern viel Fettgewebe ein, das Unterhautfettgewebe fehlt dagegen vollkommen.
Weitere Informationen: http://www.omim.org/entry/264090
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