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360° TOP-Hinweis: Hodentumor + Versorgungsstärkungsgesetz

Medizin am Abend Berlin Fazit: 5000 Hodentumor-Zweitmeinungen verbessern Behandlungsqualität

10 Jahre Zweitmeinung in der Urologie

Fast 90 Prozent der Deutschen würden bei ernsthaften Erkrankungen eine ärztliche Zweitmeinung einholen. 


Etwa jeder Vierte hat diese Möglichkeit bereits genutzt, und drei von vier Patienten haben daraufhin, wie Barmer GEK und Bertelsmann Stiftung jüngst repräsentativ erhoben, ihre ursprüngliche Behandlungsentscheidung geändert. 

Strukturierte Zweitmeinungsverfahren sind allerdings noch längst nicht etabliert – lediglich für bestimmte, planbare Eingriffe im Versorgungsstärkungsgesetz verankert. 
 
Eine Ausnahme gibt es in der Urologie: 

„Das Zweitmeinungsprojekt Hodentumor der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) kann 2016 auf zehn Jahre gelebte internetbasierte Zweitmeinungspraxis zurückblicken – es ist hiermit weltweit einzigartig“, sagt DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing. Das Netzwerk der Deutschen Hodentumor Studiengruppe zählt in diesen Tagen fast 5000 Zweitmeinungs-Konsultationen und ist als Erfolgsmodell für einen systematischen Zweitmeinungsabgleich bei der Therapiefestlegung anerkannt. „Jüngste Daten zeigen eine hohe Akzeptanz und eine signifikant verbesserte Behandlungsqualität, weshalb das Projekt bereits als Modell für den Aufbau eines nationalen Zweitmeinungszentrums Peniskarzinom und eines nationalen Zweitmeinungszentrums Sarkom fungiert“, so Prof. Wülfing weiter.

  • Über die Internetseite „www.zm-hodentumor.de“ können Urologen anonymisiert die Daten ihrer Patienten mit einem diagnostizierten Hodentumor und ggf. die eigene Therapieplanung online an eines der 32 Zweitmeinungszentren in Deutschland und Österreich übermitteln. 
  • Auf dieser Datengrundlage folgen in der Regel binnen 36 Stunden die Behandlungsempfehlungen der Spezialisten aus dem Netzwerk als Antwort“, so Prof. Dr. Mark Schrader, Leiter des Zweitmeinungsprojektes Hodentumor. 
Der Chefarzt der Klinik für Urologie am Klinikum Berlin-Buch weiter: „In 40 Prozent der Fälle unterscheiden sich Erst- und Zweitmeinung.

Etwa jede 6. Zweitmeinung führte zu einer Änderung der Therapieplanung.

In jedem vierten Fall konnte der Therapieumfang reduziert und damit die Lebensqualität des Patienten gesteigert werden.

In vielen Fällen ist die gemeinsame Diskussion der Fälle mit Hodentumorspezialisten für die Patienten aus den unterschiedlichsten Gründen äußerst hilfreich!“

Hodenkrebs ist in der Regel gut heilbar und zählt mit einem Anteil von 1,6 Prozent an allen Krebserkrankungen unter Männern zu den selteneren. Das Robert Koch-Institut erwartet für 2016 etwa 4200 Neufälle. Ältere Studien hätten den Schluss nahe gelegt, dass aktuellste Therapiestandards für Hodentumor nicht flächendeckend zeitnah implementiert werden, so Prof. Dr. Schrader. Dies habe 2006 den Ausschlag für den Aufbau des Zweitmeinungsprojektes Hodentumor gegeben.

Wegen des kostenfreien und unkomplizierten Zugangs zum Zweitmeinungsnetzwerk fand die dortige Expertise rasch breite Akzeptanz. Projektleiter Prof. Dr. Schrader: „Wir erwarten, dass 2016 etwa 25 Prozent der neu diagnostizierten Fälle in dem Netzwerk vorgestellt werden.“

Er rät auch Patienten, ihren behandelnden Arzt zu bitten, eine geplante Hodentumorbehandlung mit einem der am Netzwerk beteiligten Zweitmeinungszentren abzustimmen.

Das Netzwerk wird von der Deutschen Krebshilfe und der DGU unterstützt. 
  • Die Techniker Krankenkasse wird ihren Versicherten grundsätzlich die Einholung einer Zweitmeinung in dem Netzwerk bei außerbudgetärer Kostenvergütung ab Herbst 2016 ermöglichen. 
Zudem prüft eine der größten deutschen Automotive-Unternehmensstiftungen gegenwärtig, das Projekt finanziell zu unterstützen, mit dem Ziel, ein partizipativeres Entscheidungsverfahren zu entwickeln.

Auch für den DGU-Generalsekretär und Direktor der urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock, Prof. Dr. Oliver Hakenberg, ist das Zweitmeinungsprojekt Hodentumor ein probater Ansatz der Urologie, die Qualität der uroonkologischen Versorgung in der Fläche zu stärken. Derzeit bauen die Urologen ihre Vorreiterrolle aus: Mit dem „Prototyp nationales Zweitmeinungszentrum Peniskarzinom“ ist ein weiteres Zweitmeinungsprojekt im Aufbau, das in Kooperation zwischen dem Studiengang „Medizininformatik“ der Fachhochschule Brandenburg und der Universität Rostock entsteht. Diese ist bereits Standort des Peniskarzinomregisters in Deutschland und bietet damit beste Voraussetzungen für ein nationales Zweitmeinungszentrum zu dieser Krebserkrankung. Prof. Hakenberg: „Unsere internetbasierten Zweitmeinungsverfahren zeigen Lösungsmöglichkeiten, die Versorgungsqualität mit begrenztem Aufwand zu verbessern und können bei der Ausgestaltung des im Versorgungsstärkungsgesetz vorgesehenen Anspruchs auf eine ärztliche Zweitmeinung als Rollenmodell dienen.“

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