Medizin am Abend Berlin Fazit: Bild statt Biopsie bei Brustkrebsverdacht?
Jedes Jahr nehmen in Deutschland rund 2,8 Millionen Frauen am Mammografie-Screening teil. Bei etwa 35 000 von ihnen zeigt das Röntgenbild eine auffällige Veränderung, die Ärzte mit einer Gewebeentnahme abklären. Doch nur etwa die Hälfte dieser Frauen ist tatsächlich an Brustkrebs erkrankt. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg haben nun in Zusammenarbeit mit den Mammographie-Einheiten in Heidelberg und Mannheim erste Daten veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass eine moderne diffusionsgewichtete Magnetresonanz-Tomographie den Betroffenen eventuell viele Kontrollbiopsien ersparen könnte. Die Dietmar Hopp-Stiftung fördert die Studie mit 300 000 Euro.
Der auffällige Befund der Röntgen-Mammographie (links) bestätigt sich bei der kombinierten diffusionsgewichteten Brust-MRT (rechts): Das orangefarbene Signal lässt auf einen bösartigen Tumor schließen. Eine anschließende Gewebeuntersuchung bestätigte das MRT-Ergebnis. Quelle: DKFZ
- Etwa jede zwanzigste Frau, die am Mammographie-Screening teilnimmt, muss damit rechnen, einen auffälligen Befund zu erhalten. Falls sich der Krebsverdacht bei weiteren Untersuchungen erhärtet, schlagen die Screeningärzte vor, eine Gewebeprobe (Biopsie) zu entnehmen. Das betrifft jährlich knapp 35 000 Frauen.
- In der Mammographie, der Röntgenaufnahme der Brust, sieht man den Unterschied zwischen bösartig und gutartig verändertem Gewebe häufig nicht deutlich genug, um einen bösartigen Tumor mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Wenn auch weitere Untersuchungen wie etwa Ultraschall keine Klarheit bringen, muss eine invasive Biopsie erfolgen.
Speziell für diese Fragestellung optimierten die DKFZ-Radiologen die diffusionsgewichtete Magnetresonanz-Tomographie.
„Das besondere an einer diffusionsgewichteten MRT ist, dass man die Bewegung der Wassermoleküle im Gewebe sieht“, erklärt Professor Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Radiologie im DKFZ. „Da Tumoren die Bewegung der Moleküle stark einschränken, wollten wir nun prüfen, ob unsere optimierte Brust-MRT das Potential hat, verdächtige Befunde ohne Biopsie abzuklären.“
In enger Kooperation mit den niedergelassenen Kollegen der radiologischen Gemeinschaftspraxis der Heidelberger ATOS-Klinik um Dr. Wolfgang Lederer sowie dem Radiologiezentrum Mannheim um Dr. Heidi Daniel, in deren Praxen das Mammographie-Screening stattfindet, planten die DKFZ-Forscher daher eine Studie. Bei auffälligen Screening-Befunden werden die Frauen für die weiteren Untersuchungen und im Regelfall auch die Gewebeentnahmen ins Radiologiezentrum Mannheim geladen.
„Wir haben die Frauen gefragt, ob sie bereit wären, für unsere Studie vor der Gewebeentnahme eine optimierte Brust-MRT machen zu lassen“, erklärt Heidi Daniel. „Von der hohen Teilnahmebereitschaft waren wir überrascht, ohne sie wäre die Studie zu diesem Zeitpunkt noch nicht so fortgeschritten. Daher gilt unser Dank auch den vielen Teilnehmerinnen“, schließt sich Wolfgang Lederer an.
Anschließend verglichen die DKFZ-Radiologen die MRT-Bilder mit den Biopsie-Ergebnissen. „Wir waren bereits nach den ersten 50 untersuchten Frauen begeistert: Durch die zusätzliche optimierte Brust-MRT konnten wir über 90 Prozent der auffälligen Befunde richtig klassifizieren. Das ist gegenüber der Rate von 50 Prozent, wie sie mit der Mammografie und anschließendem Ultraschall erreicht wird, eine enorme Steigerung“, sagt Sebastian Bickelhaupt.
Das Mammografie-Screening nun durch eine Brust-MRT-Screening zu ersetzen, hält Schlemmer nicht für den richtigen Weg: „Die Stärke der Studie liegt in der Nutzung der MRT als zusätzliche Abklärungsmaßnahme.“
- Die Röntgen-Mammografie entdeckt im Gegensatz zur MRT auch feinste Mikroverkalkungen, die auf nicht-invasiven Brustkrebs (DCIS) hinweisen.
Um verdächtige Befunde abzuklären, ist die optimierte Brust-MRT nach Schlemmers Meinung gut geeignet. Eine Biopsie wäre nur noch dann erforderlich, wenn die MRT einen positiven Befund sehr wahrscheinlich macht.
Die Wissenschaftler hatten für ihre Studie die diffusionsgewichtete MR-Mammographie weiterentwickelt und speziell für die Fragestellung optimiert. Dazu haben sie in Kooperation mit Kollegen aus dem DKFZ ein Qualitätsmanagement-System zur Standardisierung und Qualitätssicherung der Brust-MRT etabliert, das mit allen gängigen MR-Geräten funktioniert.
„Wir danken sehr der Dietmar Hopp-Stiftung, die unsere Studie durch ihre großzügige Unterstützung erst ermöglicht hat“, ergänzt Heinz-Peter Schlemmer. „Wenn sich die Ergebnisse im weiteren Verlauf bestätigen, sind wir auf einem guten Weg, die enorme emotionale Belastung der Frauen mit unklaren Befunden im Mammographie-Screening zu reduzieren.“
Die Wissenschaftler veröffentlichten ihr vielversprechendes Zwischenergebnis jetzt in der amerikanischen Zeitschrift Radiology. „Wir gehen davon aus, dass wir bis Oktober die vorgesehenen 250 Frauen untersuchen können und hoffen natürlich, dass sich unsere bisherigen Ergebnisse bestätigen“, sagt Sebastian Bickelhaupt.
Bis es soweit ist, dass allein auf Grundlage der MRT auf Biopsien verzichtet werden kann, und die Kosten der diffusionsgewichteten Brust-MRT von den Kassen übernommen werden, sind anschließend noch deutlich größere Studien erforderlich.
- Die DKFZ-Radiologen wollen nun auch bei anderen Tumorarten untersuchen, wie sich die diffusionsgewichtete Magnetresonanz-Tomographie zur Abklärung verdächtiger Befunde und zur Verlaufskontrolle eignet.
Bickelhaupt, S; Laun, F; Tessdorf, J; Lederer, M; Daniel, H; Stieber, A; Delorme, S; Schlemmer, HP: Fast and Noninvasive Characterization of Suspicious Lesions Detected at Breast Cancer X-Ray Screening: Capability of Diffusion-weighted MR Imaging with MIPs1.
Radiology 2015, DOI: 10.1148/radiol.2015150425
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
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