Medizin am Abend Fazit: Wissenschaftlicher Durchbruch für die "Thrombektomie"
Verstopft ein Blutgerinnsel – ein sog. Thrombus – eine Hirnarterie, kommt es zu einem akuten Schlaganfall. Ohne Blutzufuhr droht das nicht mehr durchblutete Hirngewebe innerhalb von Minuten abzusterben mit der Folge schwerer und unter Umständen bleibender Behinderung des Patienten. Seit ca. vier Jahren setzen die Neuroradiologen und Neurologen am Universitätsklinikum Düsseldorf ein innovatives Verfahren ein, bei dem ein Thrombus mechanisch, mit Hilfe eines speziell ausgerüsteten Katheters, aus dem betroffenen Hirngefäß entfernt wird, um die Blutzufuhr wiederherzustellen. Mediziner nennen das Verfahren „Thrombektomie“.
Bislang haben die beiden Abteilungen rd. 500 Patienten auf diese Weise behandelt. Nun haben vier große Studien weltweit die Überlegenheit dieser Methode bei Verschlüssen großer Hirnarterien gegenüber der alleinigen medikamentösen Auflösung (Lyse) solch großer Thromben bestätigt. Den Durchbruch brachte die niederländische Studie MR CLEAN, die am Neujahrstag 2015 im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde und in rascher Folge von zwei weiteren, im gleichen Organ publizierten Studien eindrucksvoll bestätigt wurde.
Rund 15 Prozent aller Patienten mit akutem Schlaganfall können von dieser spektakulären Methode profitieren: Entscheidend ist vor allem, ob und wo ein Gefäßverschluss vorliegt, welche Ausprägung festgestellt wird und wie schnell der Patient in ein spezialisiertes Zentrum kommt. Für den Vergleich zu den herkömmlichen Methoden haben die Studien gemessen, ob mehr betroffene Patienten nach Einsatz dieses Verfahrens mit geringeren oder ohne funktionelle Beeinträchtigungen ein selbständiges Leben führen können. In allen Studien war die Thrombektomie bei Thromben in den Hirnarterien deutlich überlegen.
Das können die Düsseldorfer Mediziner bestätigen: Prof. Dr. Bernd Turowski, Neuroradiologe am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Uniklinik, hat die Thrombektomie 2011 in der Uniklinik Düsseldorf etabliert. Er nennt die Voraussetzungen für einen solchen Eingriff: „Bei jedem Patienten wird eine Analyse der Blutversorgung im Gehirn bzw. der Ausprägung des Schlaganfalls mit moderner Bildgebung vorgenommen. Das ist unabdingbar, um Chancen und Risiken abwägen zu können. Sehen wir, dass das durch den Hirninfarkt unterversorgte Hirngewebe noch gerettet werden kann, können wir das Verfahren einsetzen.“ Für einen Einsatz rund um die Uhr werden mehrere Ärzte benötigt, die entsprechend trainiert sind. Es dauert ca. ein bis eineinhalb Jahre, bis man das Verfahren beherrscht. Außerdem müssen alle Abläufe so optimiert sein, dass nicht kostbare Zeit verloren geht. Denn: Zeit ist gleich Hirngewebe. Der Eingriff selbst dauert zwischen 25 und 50 Minuten.
Auch Prof. Dr. Sebastian Jander, Neurologe und Leiter der Stroke Unit, betont die Bedeutung des Zeitfaktors: „Jeder Schlaganfall ist ein Notfall, therapeutische Fenster schließen sich, wenn der Gewebeschaden unwiderruflich ist, weil vielleicht zu lange gewartet wurde oder die Abläufe in der Versorgungskette nicht optimal ineinander greifen. Das gilt auch für die Thrombektomie. Dabei geht es buchstäblich um Minuten.“ Bei Verdacht auf einen Schlaganfall müsse sofort eine Einweisung in eine Neurologische Klinik mit Stroke Unit erfolgen, sagt Jander.
Die beiden Spezialisten sehen sich durch die Studienergebnisse bestätigt. Bernd Turowski und Sebastian Jander vermuten, dass die Entfernung von Thromben aus den großen Arterien nach den eindeutigen Studienergebnissen auch in die Leitlinien zur Schlaganfallbehandlung bei Hirnarterienverschlüssen eingehen wird.
Medizin am Abend DirektKontakt:
Prof. Dr. Bernd Turowski, Leiter des Bereichs Neuroradiologie, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Tel.: 0211 / 08565, E-Mail: bernd.turowski@med.uni-duesseldorf.de
Prof. Dr. Sebastian Jander, Leiter der Stroke Unit, Neurologische Klinik,
Tel.: 0211 / 81-18978, E-Mail: jander@uni-duesseldorf.de
Susanne Dopheide
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