Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Mitgefühl: Ein Anreiz hilft nicht immer
- Wer anderen Menschen hilft, will dafür nicht unbedingt eine Belohnung erhalten.
- Menschen mit einem geringen Grad an Empathie kann eine Belohnung allerdings zur Hilfeleistung animieren.
Das zeigt eine neue Studie.
Es ist ein Klassiker der sozialpsychologischen Forschung:
Menschen
spenden weniger Blut, wenn sie dafür bezahlt werden. Ohne Bezahlung, das
heißt, nur aus dem Wunsch heraus, ihren Mitmenschen zu helfen, lassen
sie sich deutlich mehr Blut abnehmen. Der Rückgang ihrer
Spendenbereitschaft kann vermutlich auf ein Motiv zurückgeführt werden:
die Sorge, Dritte könnten zu dem Schluss kommen, dass sie allein das
Geld dazu antreibt, sich sozial zu engagieren.
Allerdings trifft dieser Befund nicht auf alle Menschen zu.
Wer ein vergleichsweise geringes Maß an Empathie – sprich: an Einfühlungsvermögen – besitzt, kann durch einen finanziellen Anreiz durchaus zu prosozialem Verhalten animiert werden.
Das zeigt eine neue
Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten
Würzburg und Frankfurt. Verantwortlich dafür ist Grit Hein, Professorin
für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Klinik und
Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des
Würzburger Universitätsklinikums. Veröffentlicht wurde die Studie in der
Fachzeitschrift Social Neuroscience.
Empathie und Egoismus
Auch wenn prosoziales Verhalten gut erforscht ist: „Die Erkenntnisse
über die Auswirkungen von Anreizen auf prosoziale Entscheidungen sind
widersprüchlich“, erklärt Grit Hein. Da diese Erkenntnisse hauptsächlich
auf Verhaltensbeobachtungen beruhen, würden sie keinen Einblick in die
zugrunde liegenden Motivationsprozesse geben. „Infolgedessen bleibt
unklar, ob und wie finanzielle Anreize andere Motive beeinflussen, aus
denen Menschen helfen“, so die Wissenschaftlerin.
Klar ist:
Anreize schüren Egoismus, also das Streben einen persönlichen Vorteil zu erzielen.
Helfen ohne Anreize basiert häufig auf Empathie, also der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen.
„Wer auf der Basis einer empathischen Motivation Hilfe leistet, will das Wohlergehen des anderen steigern, unabhängig von einer möglichen Belohnung.
Bei einem egoistischen Motiv ist der Nutzen für die anderen nur ein Nebenprodukt.
Eigentliches Ziel ist es, das eigene Wohlgefühl zu verbessern“, erklärt
Hein. Grit Hein und Kollegen haben nun untersucht, wie finanzielle
Anreize und eine daraus resultierende egoistische Motivation,
Empathie-getriebene Entscheidungen beeinflussen.
Die Studie
In der jetzt veröffentlichten Studien konnten die
Versuchsteilnehmerinnen – die Wahl viel ausschließlich auf weibliche
Probanden, um so die potenziellen Komplikationen einer
geschlechtsgemischten Paarung zu vermeiden –egoistische Entscheidungen
oder Entscheidungen zugunsten der anderen Person treffen, indem sie
Punkte zu ihrem eigenen Vorteil oder fair teilten.
In einer Versuchsbedingung teilten sie die Punkte, nachdem sie gesehen
hatten, dass sich die andere Person in einer unglücklichen Lage befand –
in diesem Fall einen schmerzhaften Schock am Handrücken erhielt. Hier
basierte die Entscheidung also auf Empathie mit der anderen Person.
In einer zweiten Versuchsbedingung wurde den Probandinnen zusätzlich ein Bonus versprochen, wenn sie der anderen Person „halfen“, also Punkte zu deren Gunsten vergaben.
Außerdem wurde ihnen zugesichert, dass ihre
Entscheidungen anonym bleiben würden, um auf diese Weise einen
potenziellen „Störfaktor“ – nämlich die Motivation, ein positives
öffentliches Image zu erzeugen – zu minimieren.
Blick auf die Vorgänge im Gehirn
Bei der Auswertung der Ergebnisse nutzten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler eine spezielle Methodik: die sogenannte
Drift-Diffusions-Modellierung (DDM), die es ermöglicht zu erkennen, wie
Empathie allein oder gekoppelt mit einem finanziellen Anreiz die
Verarbeitung der Entscheidung beeinflusst.
Beispielsweise kann
unterschieden werden, ob sich nur die Schnelligkeit und Effizienz der
Entscheidung ändert, oder auch die Präferenz einer Person für eine
egoistische oder faire Entscheidung verändert wird.
Die Autorinnen und Autoren wendeten diese Methode zur Analyse von
Hirnaktivierungen an, die während der Entscheidungen mit funktioneller
Resonanz-Tomographie (fMRT) aufgezeichnet wurden.
Die Ergebnisse zeigten, dass wenig empathische Personen Entscheidungen zugunsten der anderen Person effizienter treffen, wenn sie dafür finanziell belohnt werden.
Bei Personen, die ohnehin aus Empathie heraus helfen, haben finanzielle Anreize keinen, oder sogar einen entgegengesetzten Effekt.
CAVE: Keine Veränderung bei hochempathischen Menschen
Auch bei Hirnaktivierungen in der sogenannten anterioren Insel, einer Hirnregion, die mit der Verarbeitung von Empathie in Verbindung steht, führten finanzielle Anreize zu einer stärkeren Aktivierung bei niedrig empathischen Personen, aber keiner Veränderung bei hochempathischen Menschen.
- „Diese Befunde zeigen, dass finanzielle Anreize nur bei Personen wirken, die von Hause aus wenig empathisch und prosozial eingestellt sind – und auch bei diesen Personen erhöhen sie nur die Effizienz der konkreten Entscheidung.
Die grundlegende Präferenz einer Person sich egoistisch oder zugunsten einer anderen Person zu entscheiden, wird durch finanzielle Anreize nicht verändert“, fasst Grit Hein die Ergebnisse der Studie zusammen.
Prof. Grit Hein, PhD, Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften, Universität und Universitätsklinikum Würzburg, T: +49 931 201-77411, hein_g@ukw.de
Sanderring 2
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E-Mail-Adresse: gunnar.bartsch@uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Vassil Iotzov, Anne Saulin, Jochen Kaiser, Shihui Han & Grit Hein (2022) Financial incentives facilitate stronger neural computation of prosocial decisions in lower empathic adult females, Social Neuroscience, DOI: 10.1080/17470919.2022.2115550
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