Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Welche Bedeutung hat die Darmgesundheit für das Gehirn und den Körper?
Wissenschaftler:innen der Universität Magdeburg erforschen den Einfluss von Darmbakterien bei der Entstehung von chronisch-entzündlichen und neurodegenerativen Krankheiten wie Multipler Sklerose (MS) oder Parkinson.
Die Doktorandin Antonia Lipp und Alexander Duscha sind Teil des 10-köpfigen Forschungsteams in dem Neuroimmunologischen Forschungslabor der Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg. David Dettbarn Universitätsmedizin Magdeburg
- Der Darm, in dem sich gut zwei Kilogramm unterschiedlicher Bakterien tummeln, nimmt nicht nur Einfluss auf die Verdauung, sondern auch auf unsere Hirnfunktion und ist ein wichtiger Modulator unseres Immunsystems.
Die Forschungsgruppe „Translationale Neuroimmunologie und
Neurodegeneration“ der Universitätsklinik für Neurologie in Magdeburg
unter der Leitung von Prof. Dr. med. Aiden Haghikia untersucht den
Einfluss der Ernährung und des Darm-Mikrobioms auf die Mechanismen, die
zum Absterben von Nervenzellen des Gehirns bei chronisch-entzündlichen
und neurodegenerativen Erkrankungen wie Multipler Sklerose (MS) oder
Parkinson führen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen innovative
Therapien entwickelt werden.
- „Viele neurologische Erkrankungen sind trotz jahrzehntelanger intensiver Forschung zwar gut therapierbar, aber leider nach wie vor unheilbar.
Es ist je nach Krankheit sehr unterschiedlich und nur in Teilen bekannt, was letztlich zum Absterben der Nervenzellen führt.
Bei der MS können zum Beispiel eine ganze Reihe verschiedener Komponenten wie genetische Faktoren, Umwelteinflüsse sowie der individuelle Lifestyle, das heißt also die Ernährung oder ob jemand Raucher ist, potentielle Risiken darstellen“, erläutert Prof. Haghikia und betont vor welcher Herausforderung sein Team dabeisteht:
„Das Gehirn ist eine der komplexesten Strukturen des menschlichen Körpers, was kaum von außen zugänglich bzw. zu untersuchen ist.
Interaktionen zwischen autoimmun
agierenden Immunzellen und Gehirngewebe wie im Falle der MS sind nicht
einfach nachzubilden. Zudem stellt auch die Untersuchung der Interaktion
von zwei sehr unterschiedlichen Organen wie dem Gehirn und dem Darm,
die man normalerweise nicht annehmen würde, eine große Herausforderung
im Labor dar.“
Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie dem MRT sowie biologischen und
immunologischen Analysen identifizieren die Wissenschaftler:innen für
den Krankheitsverlauf relevante Signalwege und Zellen in Patient:innen
und testen basierend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen in
etablierten Modellsystemen innovative Behandlungsansätze. Das
Leitungsteam der Arbeitsgruppe, bestehend aus Christiane Desel, Tobias
Hegelmaier und Alexander Duscha, arbeitet gemeinsam mit einem
10-köpfigen Team aus jungen Nachwuchswissenschaftler:innen. Alexander
Duscha erläutert erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit: „Wir
haben uns mit den Fettsäuren als bedeutenden Bestandteil westlicher
Ernährung beschäftigt und konnten bereits 2015 beschreiben, dass die
Länge der Fettsäuren die Entstehung und Vermehrung von entzündlichen
oder regulatorischen Immunzellen in der Darmwand fördern kann.
- Nun haben wir in einer Studie eine Mangelerscheinung der immunaktiven, kurzkettigen Fettsäure Propionsäure bei Patienten mit MS nachweisen können.“
- Setze man nun Propionsäure als Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich zur angewandten Immuntherapie ein, zeigte sich bei den betroffenen Patienten laut den Neurowissenschaftler:innen ein positiver Einfluss auf Anzahl und Funktion von regulatorischen T-Zellen, welche im Verlauf der Erkrankung eine wichtige Rolle in der Regulation von autoimmunen Entzündungsreaktionen spielen.
„Zudem konnten wir unter
mehrjähriger Einnahme von Propionsäure eine Reduktion des Gewebeverlusts
im Gehirn sowie eine Stabilisierung des individuellen
Krankheitsverlaufes beobachten“, erklärt er weiter.
Diese Erkenntnisse werden nun in aktuellen Forschungsarbeiten auf andere
neurologische Erkrankungen übertragen und intensiv untersucht.
Dabei nutzt das Team eine Vielzahl an molekular- und immunologischen Methoden zur Bearbeitung von menschlichem Material, wie z.B. die Isolation von peripheren Immunzellen aus dem Blut von Patient:innen.
„Für unsere Forschungsarbeit kommt auch die sogenannte Durchflusszytometrie sehr häufig zum Einsatz.
Hierbei können wir z.B. Art, Anzahl, Verhältnis und Funktion verschiedener Immunzellen im Blut, der Zellkulturschale und/oder Gewebe von Patient:innen bestimmen und anhand dessen die Wirkung bzw. Effizienz neuartiger Behandlungsoptionen testen.“
Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie, Mail: aiden.haghikia@med.ovgu.de
Tobias Hegelmaier, Assistenzarzt/Clinician Scientist der Universitätsklinik für Neurologie, Mail: tobias.hegelmaier@med.ovgu.de
Alexander Duscha, Christiane Desel, Laborleiter des Neuroimmunologischen
Labors der Universitätsklinik für Neurologie, Mail:
alexander.duscha@med.ovgu.de, christiane.desel@med.ovgu.de
Friederike Süssig-Jeschor Universitätsmedizin Magdeburg
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Deutschland
Sachsen-Anhalt
Telefon: +49-391-67-27123
E-Mail-Adresse: friederike.suessig-jeschor@med.ovgu.de
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