Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gute Bakterien gegen Depressionen
Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit – auch für die psychische.
Forschende der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel zeigen nun, dass Probiotika die Wirkung von Antidepressiva unterstützen und Depressionen mildern können.
Wenn der «schwarze Hund» bei ihm war, verliess Winston Churchill kaum das Bett. Keinerlei Energie, keine Interessen, kein Appetit.
Obwohl
der britische Premier diese Metapher für Depressionen nicht erfunden
hat, wurde sie durch ihn berühmt.
Mit Medikamenten und Psychotherapie versuchen Fachleute Betroffenen zu
helfen, diesen «schwarzen Hund» wieder los zu werden.
Bei manchen hält er sich jedoch hartnäckig.
Deshalb suchen Forschende nach Möglichkeiten, die bestehenden Therapien zu verbessern und neue zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist die sogenannte Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse.
Unter dem Mikrobiom versteht man generell die Gesamtheit der Mikroorganismen, die im oder auf dem menschlichen Körper leben, etwa die Darmflora.
Unter anderem über Stoffwechselprodukte können Darmbakterien
das Nervensystem beeinflussen.
Ein Forschungsteam der Universität Basel und der Universitären
Psychiatrischen Kliniken zeigt nun in einer Studie, dass Probiotika die
Therapie mit Antidepressiva unterstützen können. Davon berichten sie im
Fachjournal «Translational Psychiatry».
Die Darmflora beeinflusst die Psyche
Aus früheren Studien weiss man, dass bei Patientinnen und Patienten mit
einer Depression Darm- und Verdauungsprobleme überdurchschnittlich
häufig auftreten. Pflanzt man Mäusen, die steril – also ohne Darmflora –
aufgezogen wurden, die Darmflora von depressiven Personen ein,
entwickeln die Tiere ebenfalls ein depressions-ähnliches Verhalten. Sie
sind beispielsweise energieloser und zeigen weniger Interesse an der
Umgebung als ihre Artgenossen. Forschende vermuten daher, dass die
Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm eine wichtige Rolle
für die depressive Symptomatik spielt.
In ihrer neuen Studie haben die Forschenden um PD. Dr. André Schmidt und
Prof. Dr. Undine Lang systematisch untersucht, wie sich die Einnahme
von Probiotika bei Patientinnen und Patienten mit einer Depression
auswirkt. Alle Teilnehmenden waren zur stationären Behandlung in den
Universitären Psychiatrischen Kliniken und erhielten zusätzlich zu
Antidepressiva während 31 Tagen ein Probiotikum (21 Personen) oder ein
Placebo (26 Personen). Weder die Teilnehmenden noch das Studienpersonal
wussten während des gesamten Studienzeitraums, welches Präparat die
Probandinnen und Probanden erhielten. Direkt vor der Behandlung, am Ende
der 31 Tage sowie noch einmal vier Wochen später unterzogen die
Forschenden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Reihe von Tests.
Die Analyse ergab, dass zwar dank der Antidepressiva die depressiven
Symptome bei allen Teilnehmenden abnahmen. In der Probiotika-Gruppe
verbesserte sich der Zustand der Probandinnen und Probanden jedoch
deutlich stärker als in der Placebo-Gruppe.
Zudem veränderte sich bei ihnen die Zusammensetzung der Darmflora
zumindest zeitweise:
In der Probiotika-Gruppe zeigte eine Analyse von Stuhlproben eine Zunahme von Milchsäurebakterien am Ende der Behandlung; ein Effekt, der mit der Abnahme der depressiven Symptomatik einher ging.
Allerdings nahm der Anteil dieser gesundheitsfördernden Darmbakterien im Laufe der folgenden vier Wochen wieder ab.
«Womöglich
sind vier Wochen Behandlung nicht lang genug und die neue
Zusammensetzung der Darmflora stabilisiert sich erst nach einem längeren
Zeitraum», erklärt Anna-Chiara Schaub, eine der Erstautorinnen der
Studie.
Verarbeitung emotionaler Reize verändert sich
- Ein weiterer interessanter Effekt der Probiotika-Einnahme betraf die Hirnaktivität beim Anschauen neutraler und ängstlicher Gesichter.
Dies untersuchten die Forschenden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT).
- Bei Patientinnen und Patienten mit Depressionen verhalten sich bestimmte Hirnregionen für emotionale Verarbeitung anders als bei psychisch Gesunden.
Nach der vierwöchigen
Probiotika-Einnahme normalisierte sich diese Hirnaktivität bei den
Teilnehmenden, in der Placebo-Gruppe jedoch nicht.
«Die Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse ist zwar schon einige Jahre Thema der
Forschung, die genauen Mechanismen sind bis heute allerdings nur
teilweise klar», so Schaub.
Auch deshalb war den Forschenden wichtig, eine breite Palette an Bakterien in Form von Probiotika einzusetzen, wie sie bereits auf dem Markt sind.
«Mit zusätzlichem Wissen über die spezifische Wirkung bestimmter Bakterien wäre es möglich, die Auswahl der Bakterien zu optimieren und die beste Mischung einzusetzen, um die Therapie bei Depressionen zu unterstützen», sagt die Forscherin – sie betont jedoch, dass sich Probiotika als alleinige Therapie gegen eine Depression nicht eignen.
Anna-Chiara Schaub, Universität Basel, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Tel. +41 61 325 58 56, E-Mail: Anna-Chiara.Schaub@upk.ch
Dr. Angelika Jacobs Universität Basel
Petersgraben 35
Basel
Postfach
4001 Basel
Schweiz
Basel-Stadt
Originalpublikation:
Anna-Chiara Schaub, Else Schneider, Jorge F. Vazquez-Castellanos et al.
Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressed patients: A randomized controlled trial
Translational Psychiatry (2022), doi: 10.1038/s41398-022-01977-z
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