Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Bürstenzellen wittern Erreger und wehren sich
Die Gallenblase schützt sich vor Infektionen, indem spezialisierte Zellen rechtzeitig Substanzen aufspüren, die von bakteriellen Erregern ausgeschüttet werden; die Zellen sondern dann Stoffe ab, die Abwehrreaktionen der Gallenblase hervorrufen.
Dieses Szenario schließt eine mittelhessische Forschungsgruppe aus Experimenten, mit denen sie erstmals untersucht hat, welche Funktion die Bürstenzellen der Gallenblase bei der Verteidigung gegen Bakterien erfüllt.
Das Team um Professor Dr. Burkhard Schütz von der Philipps-Universität Marburg und Professor Dr. Wolfgang Kummer von der Justus-Liebig-Universität Gießen berichtet im Fachblatt „Science Immunology“ über ihre Ergebnisse.
Ein Team um Wolfgang Kummer, Maryam Keshavarz und Burkhard Schütz (von links) untersuchte, welche Funktion Bürstenzellen der Gallenblase bei der Abwehr bakterieller Infektionen erfüllen.
- Die Gallenblase speichert die Gallenflüssigkeit zwischen den Mahlzeiten und entleert sich bei Bedarf in den Zwölffingerdarm; sie ist somit den Mikroben des Darms ausgesetzt.
„Dieser Umstand erhöht den Bedarf an antibakteriellen Faktoren“, erklärt Wolfgang Kummer, einer der Leitautoren der aktuellen Studie.
„Welche Funktion hierbei den
Bürstenzellen der Gallenblase zukommt, war bislang unbekannt“, ergänzt
Mitverfasser Burkhard Schütz.
Die beiden Forscher nutzten die Kooperationsmöglichkeiten des
Forschungscampus Mittelhessen, um die Bürstenzellen der Maus
zellbiologisch zu charakterisieren.
Wodurch werden die Zellen angeregt?
Wie reagieren sie darauf?
Um dies herauszufinden, stimulierte das Team
in einem ersten Schritt die Zellen mit blauem Licht im Mausmodell und
studierte, welche Auswirkung dies hat. Im zweiten Schritt ermittelten
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, was die Aktivität der
Bürstenzellen hervorruft.
„Wir haben die kurzkettige Fettsäure Propionat als diejenige Substanz
ausgemacht, die Bürstenzellen aktiviert“, berichtet Dr. Maryam Keshavarz
aus Kummers Labor, die Erstautorin des Fachaufsatzes.
Bei Propionat
handelt es sich um eines der häufigsten, natürlich vorkommenden
Stoffwechselprodukte von Darmbakterien.
- „Unsere Daten zeigen, dass durch die Anregung der Zellen der Botenstoff Acetylcholin ausgeschüttet wird, was sich positiv auf die Schleimausscheidung der Gallenblase auswirkt“, führt Schütz aus.
- Erhöhte Schleimproduktion kennt man seit langem als Verteidigungsmechanismus einer infizierten Gallenblase.
Die Bürstenzellen sondern außerdem Leukotriene ab; diese Botenstoffe
wirken kontrahierend auf die Muskulatur der Gallenblase.
„Dies führt
dazu, dass sie sich entleert und gegenüber dem Dünndarm verschließt“,
erläutert Kummer.
In der Zusammenschau zeigen die Daten, dass Bürstenzellen als Sensoren
für Stoffwechselprodukte dienen, die von Bakterien im Darm stammen.
Die Zellen setzen bei Gefahr einen Abwehrmechanismus in Gang, um das ungewollte Aufsteigen von Mikroorganismen zu verhindern.
„Inwieweit
diese Forschungsergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, muss nun
in weiteren Untersuchungen geklärt werden“, sagt Schütz.
Professor Dr. Wolfgang Kummer ist Leiter der Arbeitsgruppe
„Kardiopulmonale Neurobiologie“ am Institut für Anatomie und
Zellbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Professor Dr.
Burkhard Schütz leitet einen Projektbereich am Institut für Anatomie und
Zellbiologie der Philipps-Universität Marburg. Neben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Gießen und
Marburg beteiligten sich Arbeitsgruppen aus Bad Nauheim, Frankfurt und
München an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das
zugrundeliegende wissenschaftliche Projekt finanziell, das aus dem
LOEWE-Schwerpunkt „Non-Neuronale Cholinerge Systeme“ hervorgegangen ist.
Die wissenschaftliche Arbeit zu Infektionen und Entzündungen gehört zu
den Profilbereichen des Forschungscampus Mittelhessen (FCMH).
Der FCMH
ist eine hochschulübergreifende Einrichtung der
Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und
der Technischen Hochschule Mittelhessen, deren Aufgabe in der Stärkung
der regionalen Verbundbildung in der Forschung, Nachwuchsförderung und
Forschungsinfrastruktur liegt.
Originalveröffentlichung: Maryam Keshavarz & al.: Cysteinyl
leukotrienes and acetylcholine are biliary tuft cell cotransmitters,
Science Immunology 2022
Telefon: 06421/2825866
Fax: 06421/2828903
E-Mail-Adresse: johannes.scholten@verwaltung.uni-marburg.de
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