Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gefahr durch „dickes Blut“: Corona-Gerinnsel besonders dicht und stabil
Internationales Forschungsteam unter der Leitung der JLU findet neue Ursachen für das Thromboserisiko bei COVID-19
- Eine Infektion mit Sars-CoV2 kann nicht nur aufgrund einer schweren Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen tödlich verlaufen.
Die Erkrankung ist auch in hohem Maße mit einer gesteigerten Gerinnselbildung und damit einhergehenden thromboembolischen Komplikationen verbunden, was oft mit dem Tod der Patientinnen und Patienten endet.
Medizin am Abend Berlin ZusatzLink: PICS - Nachsorge Intensivstation
- Dies äußert sich unter anderem durch die Entwicklung einer Lungenembolie, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts bis hin zum Multiorganversagen in Verbindung mit einem COVID-19 Krankheitsbild.
Die intensivmedizinische Behandlung wird dann nicht nur wegen der
Ursprungsinfektion, sondern zusätzlich wegen der Thrombose nötig.
Der Zusammenhang zwischen Sars-CoV2-Infektion und Thrombosen sowie
Embolien ist signifikant:
Venöse Thromoboembolien – einschließlich tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien – treten bei bis zu jeder dritten Sars-CoV2-infizierten Person in der Intensivstation auf, selbst wenn eine prophylaktische Antikoagulation angewandt wurde.
Eine Infektion mit dem Coronavirus führt aus medizinischer Sicht nicht nur zu einer generalisierten Entzündung im Körper, sondern auch zu einer Überreaktion weiterer Abwehrmechanismen, darunter auch das Blutgerinnungssystem.
So wurde schon zu Beginn der Pandemie aus
klinischen Studien berichtet, dass erhöhte Spiegel des
Gerinnungsproteins Fibrinogen und weiterer spezifischer
Thrombose-Biomarker im Blut der Infizierten nachweisbar waren, was auf
eine gesteigerte Aktivierung der Blutgerinnung hinwies.
An dieser Stelle setzte ein internationales Forschungsteam unter der
Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) an: In einer in der
Zeitschrift „BLOOD Advances“ veröffentlichten Studie untersuchten die
Medizinerinnen und Mediziner die Gerinnungsparameter, die Struktur der
gebildeten Fibrin-Thromben und die Gerinnbarkeit im Blutplasma bei
COVID-19 und Influenza.
- Die mikroskopischen und funktionellen
Untersuchungen zeigen, dass „Coronathromben“ viel effektiver gebildet
wurden und ein dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk aufwiesen als
solche von Influenza-Patientinnen oder -Patienten oder der gesunden
Kontrollgruppe.
Das Team um Prof. Malgorzata Wygrecka (Center for Infection and Genomics of the Lung, Fachbereich Medizin der JLU) und Prof. em. Klaus T. Preissner (Senior Scientist am Kerckhoff-Herzforschungs-Institut, Fachbereich Medizin der JLU) rückte den Gerinnungsfaktor XII ins Zentrum der weiteren Untersuchungen: „Wir beobachten in Corona-Patientenplasmen, dass der dort aktivierte Gerinnungsfaktor die Blutgerinnung zusätzlich anheizen und so zur gesteigerten Gerinnselbildung beitragen kann“, erläutert Prof. Wygrecka.
- Hinzu kam, dass die Thromben aus den Corona-Patientenplasmen sehr resistent gegenüber einer Auflösung (Fibrinolyse) waren, da die Betroffenen auch erhöhte Spiegel von Fibrinolyse-Inhibitoren in ihrem Blut aufwiesen.
- Dies spricht dafür, dass „Coronathromben“ eine längere Lebenszeit haben können und damit zu thromboembolischen Komplikationen in den betroffenen Personen beitragen können.
Zudem fanden sich im Lungengewebe von
verstorbenen Corona-Patientinnen und -Patienten massive
Thrombus-Ablagerungen in Gefäßen und Lungenbläschen, an die Faktor
XII/XIIa gebunden war, was die bisherigen Ergebnisse unterstützt.
Die Untersuchungen des aus Gießen koordinierten Forscherteams, das schon
seit Jahren zusammenarbeitet und in mehreren Forschungsverbünden durch
die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, lassen den
Schluss zu, dass die bereits bekannte „Hyperkoagulation“ im Blut von
Corona-Infizierten sich vor allem auf die Aktivierung des
Gerinnungsfaktors XII und die beschriebenen Folgereaktionen zurückführen
lässt.
Das Team empfiehlt den medizinischen Fachgesellschaften, den
Faktor XII/XIIa als einen Kausalfaktor für Thrombose in ihren Leitlinien
zur Thrombose-Prophylaxe und -Therapie von Corona-Patientinnen und
Patienten aufzunehmen.
„Da die Möglichkeit besteht, Faktor XIIa durch bereits erforschte
spezifische Inhibitoren zu hemmen, könnte so eine wirksame
antithrombotische Therapie bei Corona-Patienten erfolgen, ohne dass
deren physiologische Hämostase und Wundheilung beeinträchtigt ist“,
erklärt Prof. Preissner. Inwieweit sich diese Schlussfolgerungen aus der
wissenschaftlichen Arbeit auch klinisch umsetzen lassen, soll in naher
Zukunft durch weitere Studien überprüft werden.
Prof. Dr. Malgorzata Wygrecka
Center for Infection and Genomics of the Lung (CIGL)
Telefon: 0641 99-36460
E-Mail: malgorzata.wygrecka@innere.med.uni-giessen.de
Prof. em. Dr. Klaus T. Preissner
Senior Scientist am Kerckhoff-Herzforschungs-Institut
Tel.: 06032-99-42242
E-Mail: klaus.t.preissner@biochemie.med.uni-giessen.de
Lisa Dittrich Justus-Liebig-Universität Gießen
Ludwigstraße 23
35390 Gießen
Deutschland
Hessen
Fax: 0641 99-12049
E-Mail-Adresse: lisa.dittrich@admin.uni-giessen.de
Originalpublikation:
Wygrecka M, Birnhuber A,
Seeliger B, Michalick L, Pak O, Schultz AS, Schramm F, Zacharias M,
Gorkiewicz G, David S, Welte T, Schmidt JJ, Weissmann N, Schermuly RT,
Barreto G, Schaefer L, Markart P, Brack MC, Hippenstiel S, Kurth F,
Sander L, Witzenrath M, Kuebler W, Kwapiszewska G, Preissner KT. Altered
fibrin clot structure and dysregulated fibrinolysis contribute to
thrombosis risk in severe COVID-19. Blood Adv. 2021 Dec 3
DOI: 10.1182/bloodadvances.2021004816. Epub ahead of print.
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34861681/
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