Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Auch bei Rezeptoren kommt es auf die Lage an
Forschungsteams aus Würzburg, München, Erlangen und Berlin haben erstmals die Lage spezieller Rezeptoren auf Herzmuskelzellen bestimmt.
Ihre Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Therapie der chronischen Herzschwäche.
Rezeptoren in Herzmuskelzellen: Links beta1-Rezeptoren markiert an der Zelloberfläche (gelb) und in den T-Tubuli (grün). Rechts beta2-Rezeptoren –nur in den T-Tubuli (grün), aber nicht an der Zelloberfläche (die deshalb im Bild nicht sichtbar ist). M. Bathe-Peters & H-H. Boltz
- Im Herzen gibt es zwei verschiedene Subtypen der beta-adrenergen Rezeptoren, beta1 und beta2, die von den Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin aktiviert werden.
- Beide bewirken die stärkste Stimulation von Schlagkraft und Frequenz des Herzens, die wir kennen.
Biochemisch
sind die beiden Subtypen sich höchst ähnlich – aber funktionell und auch
therapeutisch zeigen sie große Unterschiede.
Zwar können beide Rezeptortypen kurzfristig das Herz stimulieren.
- Bei einer längerfristigen Aktivierung zeigt jedoch der beta1-Rezeptor eine Reihe weiterer Wirkungen, der beta2-Rezeptor aber nicht:
- Beta1 kann eine Reihe anhaltender Veränderungen verursachen und durch die Aktivierung verschiedener Gene ein – oft schädliches – Wachstum der Herzmuskelzellen einleiten.
Neueste Untersuchungen von Forschern der Universitäten Würzburg und
Erlangen, des Max-Delbrück-Centrums in Berlin und des ISAR Bioscience
Instituts in München/Planegg zeigen nun, wie diese unterschiedlichen
Wirkungen zustande kommen. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten haben die
Forschungsteams in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National
Academy of Sciences USA veröffentlicht.
Spezielle Liganden und neue Mikroskopiemethoden
„Wir konnten mit Hilfe eines an der Universität Erlangen synthetisierten
fluoreszierenden Liganden und mit hochsensitiven, neu entwickelten
Mikroskopiemethoden erstmals zeigen, wo diese Rezeptoren auf
Herzmuskelzellen sitzen“, erklärt Professor Martin Lohse vom Institut
für Pharmakologie und Toxikologie der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg (JMU). Er ist gemeinsam mit Paolo Annibale einer der
Hauptautoren der Studie.
Dabei stellte sich heraus, dass die beta1-Rezeptoren sich überall auf
der Oberfläche der Herzmuskelzellen finden, die beta2-Rezeptoren aber
ausschließlich in sogenannten T-Tubuli.
Diese Tubuli bilden ein
röhrenartiges System durch Einstülpungen der Zelloberfläche, das das
gesamte Innere von Herzmuskelzellen durchzieht.
„Die spezifische besondere Lage der beta2-Rezeptoren erklärt, warum sie
längst nicht so viel können wie beta1-Rezeptoren und sich auf eine
direkte und kurzfristige Stimulation des Herzens beschränken“, erklärt
Marin Lohse.
Diese wird nämlich durch lokal auf die Zellmembran begrenzte Signale vermittelt.
Dagegen geschieht die Aktivierung von
Genen und die Stimulation des Zellwachstums über weiter reichende
Signale, die nur an der Zelloberfläche ausgelöst werden können, wo sich
nur die beta1-Rezeptoren finden.
Ein weiterer überraschender Befund der Arbeiten ist, dass nicht alle
Herzmuskelzellen diese Rezeptoren aufweisen.
„Offensichtlich gibt es unterschiedliche Typen oder verschiedene Zustände von Herzmuskelzellen, so dass nicht alle Zellen auf Adrenalin reagieren“, so Lohse.
Bisher war
man davon ausgegangen, dass die Herzmuskelzellen der großen Herzkammer
alle gleich sind.
Neuer Ansatzpunkt für Therapie der Herzschwäche
- Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass bei chronischer Herzschwäche zu viel Adrenalin und Noradrenalin im Blut kursieren und das Herz so stark stimulieren, dass es sich verändert und seine Zellen wachsen.
- Anfänglich kompensiert das die Herzschwäche, aber langfristig schädigt das übermäßige Wachstum das Herz.
- Auch auf der Basis von früheren Ergebnissen des Würzburger Teams hat sich deshalb die Blockade von beta-Rezeptoren als Therapie bei chronischer Herzschwäche durchgesetzt.
Die neuen Befunde zeigen nun, warum bei diesen schädlichen Wirkungen den
beta1-Rezeptoren eine viel größere Bedeutung zukommt als den
beta2-Rezeptoren.
- Weil beta1-Rezeptoren auf der gesamten Zelloberfläche vorkommen, können sie vielfältiger wirken als beta2-Rezeptoren.
Das neue Wissen um die unterschiedliche Lokalisation und Wirkung von
beta1- und beta2-Rezeptoren im Herzen lässt sich möglicherweise für
bessere Therapien der chronischen Herzschwäche nutzen.
Diese würden die schädlichen Wirkungen von beta-Rezeptoren – das Wachstum der Herzmuskelzellen – punktgenau hemmen, die positiven Wirkungen – die Stimulation der Herzfunktion – hingegen gezielt aktivieren.
Prof. Dr. Martin Lohse
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
lohse@toxi.uni-wuerzburg.de
Gunnar Bartsch Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Sanderring 2
97070 Würzburg
Deutschland
Bayern
Telefon: (0931) 31-82172
Fax: 0931/31-2610
E-Mail-Adresse: gunnar.bartsch@uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Visualization of β-adrenergic receptor dynamics and differential localization in cardiomyocytes, Marc Bathe-Peters, Philipp Gmach, Horst-Holger Boltz, Jürgen Einsiedel, Michael Gotthardt, Harald Hübner, Peter Gmeiner, Martin J. Lohse, and Paolo Annibale, Proceedings of the National Academy of Sciences USA, https://doi.org/10.1073/pnas.2101119118
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