Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Verunreinigungen im AstraZeneca-Impfstoff gefunden: Proteine könnten Qualität des Vakzins beeinträchtigen
Forschende der Ulmer Universitätsmedizin haben Verunreinigungen im Corona-Impfstoff von AstraZeneca nachgewiesen.
Gefunden wurden menschliche und virale Eiweiße – darunter so genannte Hitzeschock-Proteine.
Ob diese Verunreinigungen die Wirksamkeit des Impfstoffs beeinflussen oder mit Impfreaktionen zusammenhängen, beantwortet die Studie nicht.
- Die zunächst auf einem Preprint-Server erschienene Publikation zeigt jedoch, wie AstraZeneca Herstellungs- und Qualitätssicherungsprozesse optimieren kann.
Die Studie befindet sich in einem Review-Verfahren bei einem anerkannten Fachjournal.
Schematische Darstellung eines Adenovirus: Im Impfstoff von AstraZeneca werden solche für Menschen ungefährliche Viren als „Genfähren“ genutzt M. Krutzke Abteilung für Gentherapie
Bei dem Vakzin „Vaxzevria“ des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca handelt es sich um einen so genannten Vektorimpfstoff. Als Vektor dient ein für Menschen ungefährliches Adenovirus: Diese „Genfähre“ schleust ein Oberflächeneiweiß des neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) in die körpereigenen Zellen. Im Zuge der darauf folgenden Immunreaktion werden Antikörper gebildet, die Impflinge gegen COVID-19 schützen sollen.
Kurze Zeit nach der Immunisierung mit „Vaxzevria“ (ChAdOx1 nCoV-19) treten bei Impflingen relativ häufig grippeähnliche Symptome als Impfreaktion auf; in sehr seltenen Fällen entwickelten vor allem jüngere Frauen bis zu 16 Tage nach der Impfung lebensbedrohliche Sinusvenenthrombosen.
Vor diesem Hintergrund haben Forschende um Professor Stefan Kochanek, Leiter der Abteilung Gentherapie der Ulmer Universitätsmedizin, drei Chargen des AstraZeneca-Impfstoffs mit biochemischen Methoden und Proteomanalysen untersucht.
Neben Proteinen des adenoviralen Vakzins
selbst fanden sie beträchtliche Mengen menschlicher Proteine und auch
regulatorischer viraler Proteine, die nicht Teil des Impfstoffs sind.
Um diese Verunreinigungen aufzuspüren, haben die Studienautorinnen und
-autoren unter anderem mit Proteingelen und Silberfärbungen gearbeitet:
Konkret verglichen sie die Färbemuster der AstraZeneca-Proben mit denen
eines laboreigenen Vergleichsvektors (HAdV-C5-EGFP), der mittels
Ultrazentrifugation aufgereinigt worden war. „Das Bandenmuster im
Proteingel hat sich in den beiden Proben deutlich unterschieden: Im
Vergleich zu dem eigenen Adenovirus-Vektor wiesen die AstraZeneca-Proben
deutlich mehr Proteinbanden auf, die nicht durch den adenoviralen
Impfstoff erklärbar waren“, erläutert Professor Kochanek.
Daraufhin
wurde zunächst der Proteingehalt der Vaxzevria-Impfstoffchargen bestimmt
– mit eindeutigem Ergebnis. Der Proteingehalt pro Impfdosis lag
deutlich über den theoretisch zu erwartenden 12,5 µg – und in einer
genauer untersuchten Charge betrug er sogar 32 µg.
Doch welche Proteine sind in dem AstraZeneca-Impfstoff in größerer Menge
vorhanden? Um diese Frage zu beantworten, wurden massenspektrometrische
Untersuchungen durchgeführt. Im Ergebnis war mindestens die Hälfte der
Eiweiße menschlichen Ursprungs. Unter den humanen Proteinen, die aus der
menschlichen Zelllinie zur Vektorproduktion stammen, fiel insbesondere
die Häufung so genannter Hitzeschockproteine auf. „Insgesamt haben wir
über 1000 Proteine in den Chargen detektiert: Die Mehrzahl dürfte keine
negativen Auswirkungen auf Impflinge haben.
Extrazelluläre Hitzeschockproteine sind jedoch bekannt dafür, dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können.
Sie wurden zudem auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht“, erklärt Professor Kochanek.
- In weiteren Studien muss untersucht werden, inwiefern diese Protein-Verunreinigungen die Wirksamkeit des Vakzins mindern oder mit der oftmals starken Impfreaktion zeitnah nach der Injektion des Impfstoffes in den Muskel zusammenhängen könnten.
In der Pharmaindustrie gilt die möglichst weitgehende Entfernung solcher
Verunreinigungen aus biotechnologisch hergestellten therapeutischen
Proteinen als ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal.
Im Fall des adenoviralen COVID-Impfstoffs von AstraZeneca reicht die Kontrolle mit den bisher verwendeten Standard-Nachweisverfahren offenbar nicht aus.
Die Ulmer Forschenden empfehlen ergänzende Methoden wie Gel- und Kapillarelektrophoresen sowie massenspektrometrische Untersuchungen.
„Die Vielzahl der gefundenen Verunreinigungen, von denen zumindest einige negative Effekte haben könnten, macht es nötig, den Herstellungsprozess und die Qualitätskontrolle des Impfstoffs zu überarbeiten.
Dadurch ließe sich neben der Sicherheit womöglich auch die Wirksamkeit des Vakzins erhöhen“, so Professor Kochanek.
Prof. Dr. Stefan Kochanek
Tel.: 0731 500-4610
stefan.kochanek@uni-ulm.de
Helmholtzstraße 16
89081 Ulm
Deutschland
Baden-Württemberg
Annika Bingmann
Telefon: 0731-50 22121
E-Mail-Adresse: annika.bingmann@uni-ulm.de
Originalpublikation:
Lea Krutzke, Reinhild Rösler,
Sebastian Wiese, Stefan Kochanek: Process-related impurities in the
ChAdOx1 nCov-19 vaccine. Preprint- Research Square. DOI:
10.21203/rs.3.rs-477964/v1
https://www.researchsquare.com/article/rs-477964/v1
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