Medizin am Abend Berlin Fazit: Studie mit Berner Beteiligung empfiehlt neues Vorgehen gegen Chlamydien
In der Schweiz wie auch in vielen weiteren Industrieländern sind Chlamydien die häufigste sexuell übertragbare Krankheit.
Ein internationales Forschungsteam mit Berner Beteiligung zeigt nun, dass bisherige Präventionsmassnahmen zu wenig greifen, und empfiehlt ein neues Vorgehen.
Prof. Dr. Nicola Low, Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern.
zvg
- Chlamydien sind eine weit verbreitete, aber heilbare und leicht zu diagnostizierende sexuell übertragbare Krankheit.
In der Schweiz wurden 2015 über 10'000 Fälle gezählt, wobei es sich womöglich nur um die Spitze des Eisberges handelt, da die Krankheit in den meisten Fällen ohne Symptome verläuft.
- Chlamydien sind gefürchtet, da sie bei Frauen zu schweren Komplikationen wie «pelvic inflammatory disease» (PID), Eileiterschwangerschaft und Unfruchtbarkeit führen können.
Weil die Krankheit schwer zu kontrollieren ist, empfehlen Gesundheitsbehörden in vielen Industrieländern umfassende Tests für junge Erwachsene. So wird unter anderem in Australien ein sogenanntes opportunistisches Screening durchgeführt:
- Alle Jugendlichen, die ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen, werden auf Chlamydien getestet – unabhängig davon, ob sie Symptome haben oder nicht.
Diese «Gelegenheitstests» verfehlen jedoch ihre Wirkung, wie die bisher umfassendste Studie zur Chlamydien-Testung bei 90'000 Personen in Australien zeigt: Obwohl die Tests unter den australischen 16- bis 29jährigen um 150 Prozent gesteigert werden konnten, führten sie nicht zu weniger Ansteckungen. Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen daher, die bisherigen Richtlinien zu einem breiten Screening aufzugeben und dafür die diagnostizierten Fälle besser zu behandeln. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal «The Lancet» publiziert. An der Studie, die unter der Leitung der University of Melbourne (AUS) durchgeführt wurde, war auch Nicola Low von Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern beteiligt.
Auch die Sexualpartner einbeziehen
«In der Schweiz steigen sowohl die Anzahl Chlamydien-Tests als auch die diagnostizierten Infektionen Jahr für Jahr an», sagt Nicola Low vom ISPM, Letztautorin der Studie. «Um eine evidenzbasierte Strategie gegen die Krankheit zu entwickeln, braucht es ein besseres Verständnis darüber, wie sich das Test-Volumen zur Ausbreitung verhält». Die Forschenden empfehlen, bei der Primärversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte stärker darauf zu achten, Chlamydien-Fälle besser zu behandeln, das heisst auch die sexuellen Partnerinnen und Partner einzubeziehen, statt die Anzahl Tests weiter zu erhöhen. Davon versprechen sich die Forschenden mehr Kontrolle. Tests sollen zwar weiter erfolgen, aber nach der einmal gestellten Diagnose brauche es ein besseres Management der einzelnen Fälle, so die Empfehlung.
«Einer der grössten Risikofaktoren für Entzündungen im Beckenbereich bei Frauen ist die Wiederansteckung mit Chlamydien – daher müssen wir die Reinfektion stoppen und auch die Sexualpartnerinnen und -partner behandeln», sagt Erstautorin Jane Hocking, Epidemiologin an der University of Melbourne.
- Zwar konnte die Steigerung von Gelegenheitstests bei 16- bis 29jährigen die Häufigkeit schwerer Entzündungskrankheiten im Beckenbereich, die einen Krankenhausaufenthalt erfordern, reduzieren – aber nicht die milderen Fälle, die oft unentdeckt bleiben.
Früh erkannt, lässt sich die Krankheit leicht behandeln und sich somit das Risiko von Schäden an den Eileitern und eine Unfruchtbarkeit senken.
«Im Idealfall wird die Krankheit schon bei der Hausärztin oder dem Hausarzt gestoppt, statt als schwerwiegender Fall im Krankenhaus», ist Jane Hocking überzeugt.
Grösste Studie weltweit
An der Studie waren vier australische Universitäten und die Universität Bern beteiligt. «Wir wurden von unseren Kolleginnen und Kollegen in Australien angefragt, bei der Studie mitzuwirken, da wir über eine jahrelange Expertise über Chlamydientests verfügen», sagt Nicola Low. Die Erhebungen wurden von 2009 bis 2015 in 130 ländlichen Hausarztpraxen in diversen Regionen Australiens durchgeführt. Über 1'200 Hausärztinnen und Hausärzte nahmen daran teil, und über 90'000 Personen im Altern von 16-29 Jahren wurden untersucht. Die Studie umfasste mehrere Tests pro Jahr und mass unter anderem die Häufigkeit von Entzündungen im Beckenbereich bei Frauen und der Nebenhodenentzündung bei Männern, die ebenfalls durch Chlamydien verursacht werden kann.
«Wir empfehlen, die begrenzte Zeit der Hausärztinnen und Hausärzte für ein besseres Fall-Management zu nutzen, um schwere Entzündungen mit potenziell verheerenden Folgen für Frauen besser verhindern zu können», sagt Low.
Studie mit Berner Beteiligung empfiehlt neues Vorgehen gegen Chlamydien
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com
Über Google: Medizin am Abend Berlin
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.
Prof. Dr. Nicola Low, Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern
Tel. +41 31 631 30 92, nicola.low@ispm.unibe.ch
Hochschulstrasse 6
3012 Bern
Schweiz
Bern
Nathalie Matter
Telefon: 0041-31-631 45 80
Fax: 0041-31-631 45 62
E-Mail-Adresse: nathalie.matter@kommunikation.unibe.ch
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen