Medizin am Abend Berlin Fazit: Depressiven Herzschwächepatienten kein Antidepressivum verabreichen?
Dass ein erkranktes, schwaches Herz auf‘s Gemüt schlagen kann, ist bekannt.
Depression ist eine der häufigsten Begleiterkrankungen der Herzinsuffizienz (Herzschwäche).
Je schwerer sie ist, desto mehr belastet sie Prognose und Lebensqualität Betroffener. Forscher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI), einer Forschungs- und Behandlungseinrichtung von Universität und Uniklinikum Würzburg, haben jetzt gezeigt, dass depressive Herzschwächepatienten weder in puncto Überleben oder Häufigkeit von Krankenhausaufnahmen, noch hinsichtlich ihrer Stimmung von einer antidepressiven Behandlung mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Escitalopram profitierten.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Studienprotokoll der Herzschwäche
Mehrere Jahre lang untersuchte und behandelte die Kardiologin Professor Christiane Angermann (DZHI) gemeinsam mit Herzspezialisten aus 15 weiteren deutschen Zentren chronische Herzschwächepatienten mit Depression in einer randomisierten, kontrollierten und doppel-blinden klinischen Studie, bei der das häufig verschriebene Antidepressivum Escitalopram auf seine Wirksamkeit getestet wurde, Sterblichkeit und Krankenhausaufnahmen zu vermindern und die Depression zu mildern (MOOD-HF Studie).
Als Partner mit dabei waren Psychiater oder Psychologen der jeweiligen Einrichtungen und speziell für die Betreuung von herzinsuffizienten Patienten ausgebildete Krankenschwestern. Zu ihrer Überraschung konnten die Wissenschaftler keinen therapeutischen Effekt der Arznei feststellen: „Das Antidepressivum half weder die Stimmung aufzuhellen, noch verminderte es ungünstige klinische Ereignisse.
- Wir empfehlen, Escitalopram bei solchen Patienten mit chronischer Herzschwäche und Depression, wie sie in der MOOD-HF Studie untersucht wurden, nicht zu verabreichen“, so die Schlussfolgerung der Würzburger Medizinerin.
Die Wissenschaftler ordneten 372 Patienten, die an eingeschränkter Pumpleistung ihres Herzens, Herzinsuffizienzsymptomen und Depression litten, zufällig zwei Studienarmen zu. Die eine Hälfte bekam Escitalopram in der vom Hersteller empfohlenen Dosierung, die andere Hälfte nahm ein Placebo ein. „Unsere Studie ist nach unserer Kenntnis die erste, die Langzeiteffekte eines Antidpressivums bei chronischer Herzschwäche untersucht. Als wir MOOD-HF planten, gingen wir davon aus, dass wir mit diesem Medikament, dessen stimmungsaufhellende Wirkung gut belegt ist, nicht nur die Depression der Patienten, sondern gleichzeitig auch Sterblichkeit und Krankenhausaufnahmen vermindern würden. Offenbar ist die Wirkung von Escitalopram bei herzinsuffizienten Patienten aber nicht mit der bei körperlich gesunden depressiven Menschen zu vergleichen“, so Christiane Angermann.
Während einer medianen Behandlungsdauer von 18 Monaten, in der die Spiegel des Medikamentes im Serum der Patienten immer im therapeutischen Bereich lagen, kam es bei 63% der 185 Patienten in der Escitalopram-Gruppe und 64% der 187 Patienten in der Placebo-Gruppe zu einer Krankenhausaufnahme oder die Patienten verstarben, also vergleichbar häufig. Auch die Depression blieb im Vergleich zu Placebo unverändert. „Wir können nicht ausschließen, dass Escitalopram bei manchen Studienteilnehmern sogar ungünstige Langzeiteffekte auf das Herz hatte, die zu einer Zunahme unerwünschter Ereignisse vor allem bei den schwerer kranken Patienten führte“, warnt die Forscherin.
- Diese Ergebnisse sind besonders relevant, weil Antidepressiva aus derselben Wirkstoffklasse wie Escitalopram, sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, immer häufiger auch von Hausärzten und Internisten verschrieben werden, wenn sie bei ihren Patienten eine Depression als Begleiterkrankung der Herzschwäche vermuten.
MOOD-HF
zeigt zwar nicht, dass die fehlende Wirksamkeit dieses Antidepressivums
ein Klasseneffekt ist, aber die Möglichkeit besteht.
„Man darf andererseits auch nicht vergessen, dass Depression ein heterogenes Krankheitsbild ist“, fügt die Wissenschaftlerin einschränkend hinzu.
„Man darf andererseits auch nicht vergessen, dass Depression ein heterogenes Krankheitsbild ist“, fügt die Wissenschaftlerin einschränkend hinzu.
Patienten, die an speziellen Ausprägungen der
Depression litten, also z.B. sogenannten bipolaren Störungen, wurden von
der Studienteilnahme von vornherein ausgeschlossen.
„MOOD-HF beweist
nicht, dass Antidepressiva bei allen herzkranken Patienten nutzlos sind.
Es scheint mir deshalb besonders wichtig, eine optimale Diagnostik
durch den Spezialisten anzustreben und danach erst eine antidepressive
Behandlung in Betracht zu ziehen. „Patienten mit Herzschwäche
versuchsweise ein Antidepressivum zu verordnen und einfach zu schauen,
was passiert, ist nicht akzeptabel“, erklärt Angermann.
- Die Daten aus MOOD-HF könnten dafür sprechen, dass der Depression bei Herzschwäche möglicherweise andere Entstehungsmechanismen zugrunde liegen, die durch klassische Stimmungsaufheller nicht oder weniger beeinflußbar sind.
„Vielleicht ist Depression bei Herzschwäche ja gar
nicht selbst ein Risikofaktor“, mutmaßt die Wissenschaftlerin, „sondern
nur ein Marker für ein erhöhtes Risiko für Tod oder
Krankenhausaufenthalte im Rahmen der Herzschwäche.
Zukünftige Forschung
muss darauf abzielen, die Entstehungsmechanismen besser zu verstehen“,
sagt Angermann. „Das könnte nicht nur zu gezielteren
Behandlungsmöglichkeiten für die Depression, sondern vielleicht
insgesamt zu einem neuen Krankheitsverständnis bei der Herzinsuffizienz
beitragen“.
Was für eine Behandlung können wir Patienten mit Herzschwäche und Depression heute schon anbieten?
Was für eine Behandlung können wir Patienten mit Herzschwäche und Depression heute schon anbieten?
In MOOD-HF besserte sich die Stimmung
in beiden Studienarmen vergleichbar, so dass offenbar die
Studienteilnahme selbst sich positiv auswirkte.
Zudem war die
Sterblichkeit in der Studie gering. Alle Patienten erhielten eine gute,
multidisziplinäre Betreuung, bei der Herzinsuffizienzmedikamente
optimiert und die Teilnehmer motiviert wurden, aktiv an der
Krankheitsbewältigung mitzuarbeiten.
„Wenn man auch die Ergebnisse
anderer Forscher berücksichtigt, scheint heute ein ‚klassisches‘ Disease
Management, in dem Spezialisten und Hausärzte eng zusammenarbeiten und
dabei individuelle Patientenbedürfnisse berücksichtigen, ein guter
Ansatz“, sagt Angermann.
„Kombiniert werden sollte er mit
Bewegungstraining und Elementen der kognitiven Verhaltenstherapie“.
Um
depressiven Herzschwächepatienten diese Behandlungsform anbieten zu
können, muss allerdings erst die Diagnose korrekt gestellt werden.
Dazu
bietet das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz eine interdisziplinäre
Sprechstunde an.
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Sabine Kluge Universitätsklinikum Würzburg
97080 Würzburg
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