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Frühkindliche Epilepsie

Medizin am Abend Fazit: Neues Krankheitsgen für frühkindliche Epilepsie entdeckt

Bestimmte Formen frühkindlicher Epilepsien werden durch bislang unbekannte Mutationen eines Kalium-Ionenkanal-Gens ausgelöst. Die entdeckten Veränderungen stören auf zwei Arten das elektrische Gleichgewicht im Gehirn: Bei einigen Patienten ist der Kaliumfluss stark reduziert, während er bei anderen massiv erhöht ist. Beides kann zu schlecht behandelbaren epileptischen Anfällen sowie zu einem Stillstand oder Rückschritten in der geistigen und motorischen Entwicklung führen. Das zeigt die aktuelle Nature Genetics Publikation einer europäischen Arbeitsgruppe unter Leitung von Wissenschaftlern der Universitäten Leipzig und Tübingen.


Die Funktionsfähigkeit des Gehirns beruht unter anderem auf dem Zusammenspiel vieler verschiedener Ionenkanäle, welche eine überschießende Ausbreitung elektrischer Aktivität durch ein sensibles Gleichgewicht zwischen hemmenden und fördernden Einflüssen verhindern. Sie sitzen, gemeinsam mit vielen weiteren Poren und Kanälen, in der Zellwand einer Nervenzelle. „Zu diesen zahlreichen Kanälen gehört auch der Kaliumkanal „KCNA2“. Durch Öffnen und Schließen bestimmt er den Durchfluss von Kaliumionen und beeinflusst damit die elektrische Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn“, erklärt Professor Dr. Johannes Lemke, kommissarischer Leiter des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Leipzig. Mutationen in verschiedenen Ionenkanälen sind eine wesentliche Ursache von Epilepsien. „Deshalb ist die Identifikation des jeweils gestörten Ionenkanals wichtig für die Diagnose des individuellen Epilepsie-Syndroms und damit auch für dessen Behandlung“, sagt Professor Dr. Holger Lerche, Vorstand am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) der Universität Tübingen und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie des Universitätsklinikums Tübingen.

Krankheitsgen löst Epilepsie aus und beeinflusst Kalium-Ionenkanal zweifach

Bei ihren Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass die entdeckten genetischen Mutationen die Funktion des Kaliumkanals auf zwei Arten stört: Bei einigen Patienten ist der Kaliumfluss stark eingeschränkt, während er bei anderen massiv erhöht ist. Bei den Patienten mit eingeschränkter Funktion des Kaliumkanals traten erste epileptische Anfälle im Alter von etwa einem Jahr auf und verloren sich im Kindes- oder Jugendalter. Bei Patienten mit gesteigerter Funktion desselben Kanals begann die Epilepsie jedoch noch früher und blieb bis ins Erwachsenenalter bestehen. Auch der Grad der geistigen Behinderung und weiterer Begleitprobleme war bei der zweiten Gruppe stärker ausgeprägt. Die durch die Störung des Kalium-Ionenkanals ausgelösten frühkindlichen Epilepsien bilden ein eigenständiges Krankheitsspektrum innerhalb der sogenannten epileptischen Enzephalopathien, schwerwiegenden Epilepsien mit Beginn im Kindesalter, die mit unterschiedlich stark ausgeprägten Entwicklungsstörungen, Intelligenzminderungen und weiteren neuropsychiatrischen Symptomen, wie Autismus und Koordinationsstörungen (Ataxie), verbunden sind.

Wie helfen die neuen Erkenntnisse den Patienten?

Für die Patienten, bei denen der Kaliumfluss erhöht wird, ergibt sich eine unmittelbare Behandlungsoption, da ein verfügbares und zugelassenes Medikament, das 4-Aminopyridin, diesen Kanal spezifisch blockiert. Erste Patienten sollen jetzt damit behandelt werden. Die Wissenschaftler und Ärzte hoffen auf eine Besserung der Anfälle aber auch der geistigen Fähigkeiten. Eine schwere Entwicklungsverzögerung, die darauf beruht, dass sich während der Hirnentwicklung ganz andere Verschaltungen ergeben haben oder Nervenzellen gar nicht richtig ausgebildet wurden, wird sich natürlich nicht zurückbilden können. Deshalb ist es in der Zukunft so wichtig, die Gendefekte möglichst früh zu erkennen, um Entwicklungsstörungen so weit wie möglich zu vermeiden. Auch bei den Patienten mit einem Funktionsverlust des Kaliumstroms wollen die Wissenschaftler durch weitere Experimente herausfinden, wie die epileptischen Anfälle genau entstehen, um daraus neue Therapiemöglichkeiten abzuleiten. So wären sie zumindest in der Lage, einem kleinen Teil der Patienten mit epileptischen Enzephalopathien zu einer verbesserten und individualisierten Therapie zu verhelfen.

Fachveröffentlichung in nature genetics, doi: 10.1038/ng.3239

Medizin am Abend DirektKontakt

Prof. Dr. med. Johannes Lemke
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Leipzig
Telefon: +49 341 97 23800
E-Mail: johannes.lemke@medizin.uni-leipzig.de
Diana Smikalla

Weitere Informationen:

http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.3239.html Link zur Fachveröffentlichung

 

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