Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Sport bei starker Luftverschmutzung schadet Herz und Kreislauf
Bewegung an der frischen Luft kann ab einer gewissen Luftverschmutzung mehr schaden als nützen.
Denn bei hohen Feinstaubwerten beeinträchtigt Sport im Freien das Herz-Kreislauf-System.
Das belegt eine aktuelle Studie aus Südkorea mit knapp 1,5 Millionen jungen Erwachsenen.
Professor Thomas Münzel kommentiert eine Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Sport bei Luftverschmutzung. Peter Pulkowski
„Das Besondere an der Studie ist, dass sie erstmals eine Schwelle
für die Feinstaubbelastung angibt, ab der es für Herz und Kreislauf
nachteilig ist, draußen Sport zu treiben“, sagt Professor Thomas Münzel,
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung
(DZHK) an der Universitätsmedizin Mainz. Bei moderater
Feinstaubbelastung förderte die körperliche Bewegung die Gesundheit der
Studienteilnehmer. Bei höheren Luftverschmutzungswerten bewirkte der
Sport aber das Gegenteil und schadete dem Herz-Kreislauf-System. „Die
Feinstaub-Grenzwerte der EU liegen ganz nah an dem Bereich, in dem laut
der Studie körperliche Aktivität im Freien bereits schädlich für das
Herz-Kreislauf-System ist“, sagt Münzel. „Regional werden die Grenzwerte
in Deutschland sogar überschritten, etwa in Hochindustriegebieten.“
- Feinstaub gelangt über die Lungenbläschen ins Blut und somit zu allen anderen Organen.
- Im Herz und in den Gefäßen führt er zu chronischen Entzündungen, die Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall zur Folge haben können.
- Die kleinsten Partikel des Feinstaubs können sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Entzündungen im Gehirn auslösen.
Apps helfen bei der Entscheidung für oder gegen Sport im Freien
Ob man im Park joggen sollte oder besser zu Hause auf dem Laufband
trainiert, hängt von den Umweltbelastungen vor Ort ab.
Heutzutage gibt es immer mehr Messstationen, die Luftverschmutzung, Lärm und Temperatur erfassen.
Auch Satellitendaten können verwendet werden, um Umweltbelastungen vorherzusagen.
Spezielle Apps nutzen diese Daten und berechnen, ob Sport im Freien empfehlenswert ist oder nicht.
Wichtig ist
laut Münzel, dass die Apps es ermöglichen, die eingeatmete Dosis der
Luftverschmutzung individuell abzuschätzen, nämlich abhängig von der
geplanten Bewegung und den lokalen Messwerten. Denn das sei das beste
Maß, um zu entscheiden, ob Sport an der frischen Luft gesund ist.
Schwächen der Studie
Der Mainzer Kardiologe weist darauf hin, dass die koreanische Studie
einige Einschränkungen hat. So konnte nicht immer genau beurteilt
werden, ob die Teilnehmer draußen oder drinnen trainiert hatten.
Außerdem wurde einmal pro Woche per Fragebogen ermittelt, wie intensiv
sie Sport getrieben hatten. Das kann zu fehlerhaften Angaben führen, da
die Teilnehmer sich eventuell falsch erinnerten. Die gesundheitlichen
Auswirkungen, etwa ob Schlaganfälle oder verengte Herzkranzgefäße
auftraten, ermittelten die koreanischen Forscher über einen Zeitraum von
fünf Jahren. Laut Münzel sind daher weitere Studien notwendig, die auch
untersuchen, wie sich kurzfristige Veränderungen der Luftverschmutzung
zusammen mit einer veränderten sportlichen Aktivität auf das
Herz-Kreislauf-System auswirken.
Hintergrundinformation kritische Grenzwerte:
Emissionen, also Abgase aus Industrie und Verkehr, enthalten feste und
gasförmige Bestandteile.
Die festen Bestandteile, der sogenannte Feinstaub, werden nach ihrer Partikelgröße eingeteilt in grobe (10 µg), feine (2,5 µg) und ultrafeine (0,1 µg) Partikel.
PM ist die Abkürzung für das englische Wort für Feinstaub: particulate matter.
- Als moderat bis niedrig stuften die Studienautoren Messwerte von unter 26,4 µg/m3 für Partikel mit einer Größe von 2,5 µm (PM 2,5) ein.
Der Feinstaub-Grenzwert der EU für PM 2,5 liegt bei 25 µg/m3 im Jahresdurchschnitt.
- Die WHO empfiehlt 10 µg/m3, in den USA gelten 12 µg/m3 als Grenzwert für Feinstaubpartikel der Größe PM 2,5.
- Im Schnitt liegt der PM 2,5-Wert in Deutschland zwischen 10 und 20 µg/m3.
Professor Thomas Münzel, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, tmuenzel(at)uni-mainz.de
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Christine Vollgraf
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Originalpublikation:
Editorial: Thomas Münzel, Omar Hahad, Andreas Daiber, Running in polluted air is a two-edged sword — physical exercise in low air pollution areas is cardioprotective but detrimental for the heart in high air pollution areas, European Heart Journal, 2021; ehab227, doi: 10.1093/eurheartj/ehab139.https://academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ehab227...
Weitere Informationen:
https://academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ehab139... Originalarbeit: Seong Rae Kim, Seulggie Choi, Kyuwoong Kim, Jooyoung Chang, Sung Min Kim, Yoosun Cho, Yun Hwan Oh, Gyeongsil Lee, Joung Sik Son, Kyae Hyung Kim, Sang Min Park, Association of the combined effects of air pollution and changes in physical activity with cardiovascular disease in young adults, European Heart Journal, 2021; ehab139, doi: 10.1093/eurheartj/ehab139
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