Medizin am Abend Berlin Fazit: Brustkrebs in der letzten Lebensphase: effektive Schmerztherapie mit Kurz- od. Einzeitbestrahlung
Bei Brustkrebs-Patientinnen, bei denen alle Möglichkeiten für eine
Heilung ausgeschöpft sind, ist es die Aufgabe der Medizin, die
Lebensqualität so weit wie möglich zu sichern.
In der Palliativmedizin
spielt in diesem Zusammenhang die „High-Tech“-Radiotherapie eine große
Rolle, „denn sie ermöglicht wie kaum eine andere Therapie bei
minimierten Nebenwirkungen eine effektive Behandlung von
tumorassoziierten Symptomen.
Gerade Schmerzen bei Knochenmetastasierung
sprechen oft schon auf eine einmalige Bestrahlung an“, erklärt Prof. Dr.
med. Birgitt van Oorschot, Leiterin des Interdisziplinären Zentrums
Palliativmedizin, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie,
Universitätsklinikum Würzburg.
Brustkrebs ist die häufigste Krebsform bei Frauen.
Dank
Fortschritten der modernen Medizin haben die Heilungschancen in den
letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen [1, 2].
Die
5-Jahres-Überlebensrate liegt heute bei ca. 88 %, die
10-Jahres-Überlebensrate bei 82%. Auch bei weiter fortgeschrittenen
Fällen oder bei Rückfällen (Rezidiven) wird heute in der Regel versucht,
eine Komplettremission zu erzielen, also den Krebs vollständig
zurückzudrängen und alle Krebszellen zu zerstören.
Bei Patientinnen, die keine Aussicht auf Heilung haben, kommt
der
Palliativmedizin eine entscheidende Bedeutung zu, um die Lebensqualität
der verbleibenden Zeit so lange wie möglich so gut wie möglich zu
halten.
Durch
Metastasen- oder den Tumor-bedingte Symptome kann die
Lebensqualität jedoch erheblich vermindert werden.
- Metastasen können in
verschiedenen Organen auftreten, dazu gehören bei 20% der Patientinnen
die Knochen [3, 4], sowie Lunge, Gehirn und Leber.
- Neben Schmerzen
können in Abhängigkeit vom Ort der Metastasen auch Probleme wie Luftnot,
Schluckstörungen, Blutstauung, neurologische Symptome wie Lähmungen
oder lokale chronische Hautwunden, Entzündungen und Geschwüre
(Exulzerationen, z. T. mit Geruchsbildung) auftreten.
Eine an die Situation angepasste Bestrahlung kann solche belastenden
Symptome effektiv lindern.
„Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der
palliativ-präventiven Bestrahlung zur Sicherung der Lebensqualität – d.
h. drohende Komplikationen bzw. zu erwartende Symptome können im Vorfeld
verhindert oder abgeschwächt werden“, so Frau Prof. van Oorschot.
Eine Bestrahlung hat – bereits bei niedrigen Strahlendosen –
verschiedene Wirkmechanismen [3].
Sie wirkt nicht nur lokal
wachstumsbremsend und tumorverkleinernd, sondern auch
entzündungshemmend, abschwellend (antiödematös) und antisekretorisch –
das alles trägt zur schmerzlindernden Wirkung bei.
- Auch wenn eine
Lebensverlängerung nicht primäres Ziel einer palliativen Bestrahlung
ist, so kann es mit der verbesserten Lebensqualität auch zu etwas mehr
Lebenszeit kommen.
„Entscheidend ist, dass der Nutzen einer
palliativen Radiotherapie
eventuelle Nachteile oder Nebenwirkungen überwiegen muss, was
individuell auch unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird und
daher mit der Patientin besprochen werden sollte“, so Frau Prof. van
Oorschot.
Moderne radiologische Techniken helfen dabei, die Nebenwirkungen einer
Strahlentherapie zu reduzieren: So ist mit der
„stereotaktischen
Hochpräzisionsbestrahlung“ (auch Radiochirurgie) eine punktgenaue,
hochdosierte Bestrahlung einzelner Metastasen ohne Schädigung
umliegenden Gewebes möglich. Vorab erfolgt anhand von
Röntgen- und
CT-Bildern die exakte dreidimensionale Berechnung des Bestrahlungsfelds
(„virtuelle Simulation“).
Bei erneut auftretenden Metastasen kann die
Behandlung wiederholt werden.
Das Verfahren der „Rückenmarkschonung“ (durch exakte Berechnung und
Einstellung der Strahlenfelder) kommt bei Knochenmetastasen in der
Wirbelsäule zum Einsatz.
Bei
metastasenbedingter erhöhter
Knochenbruchgefahr kann die Strahlentherapie die Knochendichte innerhalb
von 3–4 Monaten stabilisieren. Außerdem kann eine Bestrahlung
erfolgreich bei Knochenmetastasen zur Schmerzlinderung eingesetzt [5,
6]. In 70% kam es innerhalb eines Monats
zur Schmerzreduktion, bei 60%
hielt dies auch nach 2 Monaten noch an [6].
Damit die Vorteile der palliativen Bestrahlung überwiegen, müssen nicht
nur mögliche direkte Nebenwirkungen minimal gehalten werden, sondern
auch die allgemeine Behandlungsbelastung, die durch wiederholte
Bestrahlungstermine oder Klinikaufenthalte entstehen kann. Dies ist
besonders in der Schmerzbehandlung bei voraussichtlich sehr kurzer
Lebenszeit bedeutsam.
„In diesen Situationen kann die sogenannte
Einzeitbestrahlung mit einer höheren Einmaldosis sinnvoller sein als
eine fraktionierte Therapie“, erläutert Frau Prof. van Oorschot.
Die Schmerzlinderung ist bei unkomplizierten Knochenmetastasen mittels
Einzeitbestrahlung vergleichbar effektiv und fast so nebenwirkungsarm
wie bei Fraktionierung [3, 5, 6, 7, 8]. Das Update der S3-Leitlinien
„Strahlentherapie bei Knochenmetastasen“ [5] betont daher die Bedeutung
der Einzeitbestrahlung
(meist 1 x 8 Gy) und empfiehlt sie für die
Schmerzbehandlung bei einer Lebenserwartung von wenigen Wochen oder
Monaten. Bei längerer Prognose ist eine fraktionierte Bestrahlung zu
favorisieren
(z. B. 5 x 4 Gy oder 10 x 3 Gy), besonders wenn der
längerfristige Effekt auf die Knochendichte (frühestens nach 3 Monaten)
genutzt werden soll. Außerdem kann nach Einzeitbestrahlung eine
Re-Bestrahlung im Verlauf erforderlich sein, was aber problemlos möglich
ist.
In Deutschland konnte sich die Kurz- oder Einzeitbestrahlung noch nicht
durchsetzen.
- Das liegt an teilweise fehlender Erfahrung, Vorbehalten und
Bedenken wegen der Verträglichkeit (erhöhte Nebenwirkungsrate),
Notwendigkeit von Re-Bestrahlung und der allgemeinen
Behandlungsbelastung am Lebensende (Transporte und Lagerung).
„Wir hoffen, dass künftig die Einzeitbestrahlung mehr geeigneten
Patientinnen angeboten wird. Eine große Bedeutung kommt immer der
optimalen Zusammenarbeit von Strahlentherapeuten und Palliativmedizinern
zu“, ergänzt DEGRO, Professor Stephanie Combs.
„Dies
betrifft die Einschätzung der individuellen Situation (also
Allgemeinzustand, Lebenserwartung), um realistische Therapieziele zu
definieren, und die Wahl (gemeinsam mit der Patientin und ggf. den
Angehörigen) einer effektiven – bzw. der individuell sinnvollsten
Behandlung sowie die Anpassung aller Supportivmaßnahmen im Verlauf.“
Literatur
[1] Krebsregisterdaten Robert Koch Institut
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsges...
[2]
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/k...
[3] van Oorschot B, Beckmann G, Schulze W et al. Radiotherapeutic
Options for Symptom Control in Breast Cancer. Breast Care 2011; 6(1):
14-19
[4] Coleman RE: Clinical features of metastatic bone disease and risk of skeletal morbidity. Clin Cancer Res 2006; 12: 6243–49
[5] van Oorschot B, Höller U, Ottstadt M et al. Update – Palliative
Strahlentherapie von Knochenmetastasen. Onkologe 2018; online 30. Januar
https://doi.org/10.1007/s00761-018-0347-6
[6] Dennis K, Wong K, Zhang L et al. Palliative radiotherapy for bone
metastases in the last 3 months of life: worthwhile or futile? ClinOncol
2011; 10:709–715
[7] Chow R, Hoskin P, Hollenberg D et al. Efficacy of single fraction
conventional radiation therapy for painful uncomplicated bone
metastases: a systematic review and meta-analysis. Ann PalliatMed 2017;
6(2): 125–42
[8] Chow R, Hoskin P, Chan S et al. Efficacy of multiple fraction
conventional radiation therapy for painful uncomplicated bone
metastases: a systematic review. Radiother Oncol 2017; 122(3): 323–31
Medizin am Abend Berlin Fazit: DEGRO fordert: Therapievorteil der Hyperthermie zusätzlich zur Strahlentherapie ausschöpfen
Bei definierten Krebsformen, so auch bei lokalisierten
Brustkrebs-Rückfällen, ermöglicht ein altes, aber neu entdecktes bzw.
heute wissenschaftlich belegbares Verfahren eine deutliche Verbesserung
der Therapieeffektivität:
Hyperthermie (Wärmebehandlung) macht die
Krebszellen empfindlicher für die Strahlentherapie und erhöht so deren
Wirksamkeit.
„Die Kombination mit Hyperthermie verbessert bei bestimmten
Brustkrebsrezidiven gegen über alleiniger Bestrahlung die lokale
Tumorkontrollrate um über 20% – das ist für mich ein Grund, das
Verfahren allen entsprechend geeigneten Patientinnen anzubieten“, so
Prof. Dr. med. Stephan Bodis, Chefarzt am Radio-Onkologie-Zentrum
KSA-KSB, Aarau, Schweiz.
-
Nach der Therapie einer Brustkrebserkrankung kommt es bei bis zu
einem Drittel der Patientinnen, meist innerhalb von fünf Jahren, zu
einem lokalen Wiederauftreten des Tumors, besonders, wenn in der
Primärtherapie keine adjuvante Bestrahlung enthalten war [1].
Nach
Bestrahlung im Rahmen der Primärbehandlung können dennoch 5–15% der
Patientinnen betroffen sein.
In diesen Situationen kommen – mit
kurativer Zielsetzung – therapeutisch erneut Operation und/oder
Strahlentherapie mit oder ohne Chemo- oder Hormontherapie zum Einsatz.
Auch nach einer vollständigen Entfernung der Brustdrüse können örtliche
Rezidive, sogenannte Brustwandrezidive (Thoraxwandrezidive) auftreten,
die nicht selten „problematisch zu operieren sind, da oftmals ein Teil
des Brustkorbes mit entfernt werden müsste“, erläutert Prof. Dr. med.
Stephan Bodis, Chefarzt am Radio-Onkologie-Zentrum KSA-KSB, Aarau,
Schweiz.
-
Gerade für Brustwandrezidive stellt Bestrahlung eine effektive
Therapiemöglichkeit dar.
Bei vorbestrahlten Patientinnen muss jedoch
eine
erneute Radiotherapie mit einer reduzierten Strahlendosis erfolgen,
um Nebenwirkungen und Toxizität möglichst gering zu halten. Für diese
Situation, aber auch für bestimmte andere Krebserkrankungen,
wird an
einigen onkologischen Zentren Europas eine Kombination von Bestrahlung
mit dem Verfahren der Hyperthermie durchgeführt (Thermo-Radiotherapie).
Auch die Kombination mit medikamentösen Krebstherapien ist möglich.
-
In der modernen Onkologie wird Hyperthermie nie alleine eingesetzt,
sondern in Kombination mit einer Strahlen- und/oder Chemotherapie.
Der
biologisch-physiologische Effekt der Hyperthermie besteht darin [2, 3],
dass sie Tumorzellen empfindlicher macht hinsichtlich der eigentlichen
Krebsbehandlung – sowohl Bestrahlung als auch Medikamenten.
Dies ist
schon in Temperaturbereichen von 41–43°C der Fall, wo gesunde
Körperzellen noch relativ wärmeunempfindlich sind, weshalb die
Hyperthermie per se bei korrekter Durchführung praktisch ohne
Langzeitfolgen einhergeht.
Der Sensibilisierung der Tumorzellen durch Hyperthermie liegen
verschiedene Mechanismen zugrunde:
Zum einen werden zelluläre
Reparatursysteme gehemmt, zum anderen bilden Tumorzellen verstärkt
sogenannte Hitzeschockproteine, die wiederum ein Signal für das
körpereigene Immunsystem („natürliche Killerzellen“) darstellen, die nun
geschwächten Krebszellen zu zerstören.
Als drittes
bewirkt Hyperthermie
eine Zunahme der Durchblutung im überwärmten Tumorbereich, wodurch zum
einen mehr Immunzellen oder auch Chemotherapeutika in den Tumor gelangen
und zum anderen die Sauerstoffversorgung der Krebszellen verbessert
wird.
- Unter Anwesenheit von Sauerstoff kommt es dann bei einer
Bestrahlung zu einer verstärkten chemischen Radikalbildung (Moleküle mit
großer Reaktionsfreudigkeit), was zur Zerstörung von Krebszellen weiter
beiträgt.
Die praktische Durchführung einer Hyperthermie ist zeitintensiv (mit
Vorbereitungszeit ca. 1,5 Stunden 1–2mal wöchentlich über 3–6 Wochen)
und muss in räumlicher Nähe der Strahlentherapie-Einrichtung
stattfinden, damit die Thermo- und Radiotherapie ohne unnötigen
Zeitabstand erfolgen können. Der nach einer vorherigen CT-gestützten
3D-Planung definierte Tumorbereich wird für eine Stunde durch
elektromagnetische Wellen (über ein mit Wasser gefülltes Silikonkissen)
kontrolliert auf eine Temperatur von 41,5 bis 43°C erwärmt. Die
Behandlung erfolgt immer innerhalb von Studien.
Eine große Metaanalyse gibt einen detaillierten systematischen Überblick
über die Studienlage der letzten 30-40 Jahre [1], sie analysierte und
evaluierte gemeinsam aus 34 einzelnen Studien die Effektivität der
Thermo-Radiotherapie. Insgesamt wurden über 2.000
Brustkrebs-Patientinnen mit Lokalrezidiv einbezogen, davon sogar fast
1.000 vorbehandelte Frauen. Der untersuchte primäre Endpunkt war die
vollständige lokale Tumorkontrolle („complete response“).
Mit der Thermo-Radiotherapie wurde bei 60-65% der Patientinnen (abhängig
vom Studiendesign) eine komplette lokale Remission erzielt; mit
alleiniger Radiotherapie nur in ca. 40%. Bei vorbestrahlten Frauen wurde
mit der Thermo-Radiotherapie sogar bei über 65% eine Komplettresponse
erreicht. Über akute Nebenwirkungen (Grad 3/4) wurde bei knapp 15%, über
später auftretende bei 5% der Patientinnen berichtet. Zum
Gesamtüberleben konnte keine Auswertung erfolgen, da dies entweder nicht
Ziel der Einzelstudien war oder die Nachbeobachtung nicht ausreichend
lange erfolgt war. „Die Kombination mit Hyperthermie verbessert bei
lokalisierten Brustkrebsrezidiven gegenüber alleiniger Radiotherapie die
lokale Tumorkontrollrate um mindestens 20% – sogar zwei Drittel der
vorbestrahlten Frauen erreichen darunter mit einer erneuten moderaten
Bestrahlung eine Komplettremission, was für mich ein Grund ist, allen
entsprechenden Frauen, insbesondere bei Inoperabilität, die
Thermo-Radiotherapie anzubieten“, so Prof. Bodis.
Während bereits in den Niederlanden und in der Schweiz seit letztem Jahr
nach einer kritischen Wirtschaftlichkeits-Zweckmäßigkeitsstudie des
Bundesamtes für Gesundheit eine Kostenübernahmepflicht für Hyperthermie
bei definierten Krebserkrankungen durch die Krankenversicherungen
besteht, so werden in Deutschland „...die Kosten für eine
Hyperthermie-Behandlung von den Krankenkassen nicht generell übernommen,
sondern nur für Behandlungen bestimmter Tumorerkrankungen an Kliniken,
die die Qualitätsrichtlinien der European Society for Hyperthermic
Oncology (ESHO) erfüllen und die mit den gesetzlichen Krankenkassen
entsprechende Verträge vereinbart haben“ [4].
Laut Pressesprecherin, Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs, setzt
sich die DEGRO für die Kostenübernahme des Verfahrens ein. „Die
Datenlage zeigt, dass gerade vorbestrahlte Frauen profitieren – diesen
Therapievorteil müssen wir zum Wohle der Patientinnen ausschöpfen.“
Literatur
[1] Datta NR, Puric E, Klingbiel D et al. Hyperthermia and Radiation
Therapy in Locoregional Recurrent Breast Cancers: A Systematic Review
and Meta-analysis. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2016; 94(5): 1073-87
[2] Stutz E, Puric E, Timm O et al. Hyperthermie in der Krebsbehandlung. Pipette 2017; 6: 13-14
[3] Stutz E, Datte N, Puric E et al. Stellenwert der regionären
Hyperthermie in der Krebstherapie. Swiss Medical Forum 2017; 17(48)
1074-76
[4]
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/t... (zuletzt aufgerufen am 22.08.2018)].
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com
Über Google: Medizin am Abend Berlin
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.
Dr. Bettina Albers
Telefon 03643 / 776423
Mobil 0174 / 2165629
albers@albersconcept.de
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://www.degro.org