Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie das Gehirn echte und vorgetäuschte Schmerzen anderer unterscheidet
- Empathie ermöglicht es Menschen, die Gefühle anderer Personen zu teilen und zu verstehen.
Der Gesichtsausdruck des Gegenübers dient dabei oft als Hinweis und ist Auslöser empathischer Reaktionen.
Dieser kann aber auch eingesetzt werden, um Gefühle lediglich vorzutäuschen.
- Echte von vorgetäuschten Gefühlen genau unterscheiden zu können ist besonders wichtig, um adäquat auf die Bedürfnisse anderer reagieren zu können.
Welche Prozesse spielen sich dabei im Gehirn ab?
Der Neurowissenschafter Claus Lamm und sein Team von der Universität Wien fanden heraus, dass es einerseits der anteriore insuläre Kortex ist, der es ermöglicht, den Schmerz einer anderen Person adäquat nachzuempfinden.
Bislang gab es in der Fachliteratur etliche Hinweise, dass Hirnaktivierungen im vorderen insulären Kortex es uns ermöglichen, Empathie für den Schmerz einer anderen Person zu empfinden.
Dieses Gehirnareal wird jedoch auch in einer eher bereichsübergreifenden Weise aktiviert, wie z. B. bei der Wahrnehmung von besonders auffälligen oder bedeutsamen Reizen.
"Unser Ziel war es daher herauszufinden, was genau die Aktivierungen in diesem Bereich des Gehirns während der Empathie auslöst – ist es wirklich das Nachempfinden des Schmerzes?
Oder lediglich die Reaktion unseres Gehirns auf ein besonders auffälliges Ereignis, wie eben ein schmerzverzerrtes Gesicht?", erklärt Lamm.
Dazu
zeigten die Neurowissenschafter*innen der Universität Wien den
Versuchsteilnehmer*innen Videoclips von anderen Personen, die über ihren
Gesichtsausdruck echten bzw. lediglich vorgetäuschten Schmerz zeigten.
Die Gehirnaktivierung der Teilnehmer*innen wurde mittels funktioneller
Magnetresonanztomographie gemessen. "Die Ergebnisse zeigten, dass
vorgetäuschte Schmerzen tatsächlich den vorderen insulären Kortex
aktivierten. Entscheidend war aber, dass diese Gehirnregion durch die
tatsächlichen Schmerzen wesentlich stärker aktiviert wurde, und somit
zweifelsfrei auch mit dem Nachempfinden von echten Schmerzen in
Zusammenhang steht", so Erstautorin und Doktoratsstudentin Yili Zhao.
Wie unterscheidet aber dann unser Gehirn zwischen echten und lediglich
vorgetäuschten Schmerzen? Dies konnte durch spezifische Analysen der
sogenannten effektiven Konnektivität (also der Interaktion zwischen
Gehirnarealen) eruiert werden. Diese zeigten, dass die vordere Insel mit
dem rechten supramarginalen Gyrus systematisch interagiert, einem
Bereich des Gehirns also, der mit Selbst-Anderer-Unterscheidung und
somit auch mit der Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Gefühlen
in Verbindung gebracht wurde.
Um empathisch angemessen reagieren zu
können bedarf es also neben der Fähigkeit, auf die Gefühle anderer
reagieren zu können, auch der Fähigkeit, zwischen adäquaten vs. in
adäquaten Gefühlsreaktionen unterscheiden zu können.
Die Ergebnisse liefern ein verfeinertes Modell der Empathie und ihrer
neuronalen Grundlagen.
Die Erweiterung unseres Wissens darüber ist nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes von Bedeutung, sondern auch für die klinische Diagnostik von Schmerz und anderen körperlichen Symptomen.
So
ist denkbar, dass systematische Unterschiede in der Verschreibung von
Medikamenten (z.B. verschiedene Medikationen für Männer und Frauen sowie
Menschen mit anderer Hautfarbe) auf Unterschiede in den in dieser
Studie aufgezeigten Gehirnfunktionen zurückzuführen sind.
Publikation in "eLife":
Zhao, Y., Zhang, L., Rütgen, M., Sladky, R., Lamm, C. Neural dynamics
between anterior insular cortex and right supramarginal gyrus dissociate
genuine affect sharing from perceptual saliency of pretended pain.
eLife 2021;10:e69994 DOI: 10.7554/eLife.69994
Univ.-Prof. Mag. Dr. Claus Lamm
Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden
Universität Wien
1010 - Wien, Liebiggasse 5
+43-1-4277-471 30
claus.lamm@univie.ac.at
Universitätsring 1
1010 Wien
Österreich
Wien
Alexandra Frey
Universität Wien, Forschung und Lehre
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Fax: 0043 / 1 / 4277 - 9175
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