Medizin am Abend Berlin Fazit: Neue Therapiemöglichkeit für Marmorknochenkrankheit
Die Marmorknochenkrankheit (Osteopetrose) ist eine meist genetisch bedingte Krankheit, die durch das Fehlen oder die Unterfunktion von knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) verursacht wird.
Dadurch kommt es zu erheblichen Störungen der Knochenstruktur und mechanischen Stabilität.
Eine Knochenmarktransplantation ist die derzeit einzige Behandlungsmöglichkeit, die aber oft nur partiell erfolgreich ist.
Forscher des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) in Jena haben jetzt im Mausmodell entdeckt, dass Osteoklasten einen anderen zellulären Ursprung haben als bisher angenommen.
Damit eröffnen sich neue therapeutische Optionen zur Osteopetrose-Behandlung.
Bei der Marmorknochenkrankheit (Osteopetrose) wird durch fehlerhafte knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) stetig Knochengewebe angehäuft (r.), so dass die Mikroarchitektur des Knochens gestört ist. (Quelle: Gruppe Waskow / FLI)
Die Osteopetrose, auch Marmorknochenkrankheit genannt, ist eine meist genetisch bedingte Krankheit, die durch das Fehlen oder die Unterfunktion von knochenabbauenden Zellen, den Osteoklasten, verursacht wird.
- Durch die stetige Anhäufung von Knochengewebe wird die Mikroarchitektur des Knochens gestört und die mechanische Stabilität gemindert.
- Trotz der erheblichen Vermehrung von Knochenmasse neigen die Patienten häufig zu Knochenbrüchen, die oft nur schwer verheilen.
- Darüber hinaus können schwere Knochen- und Gesichtsdeformationen, Zahnlosigkeit und Blindheit auftreten.
Osteoklasten sind Zellen, die direkt am Knochen anliegen und für den kontinuierlich stattfindenden Knochenabbau verantwortlich sind. Fehlen Osteoklasten oder sind sie defekt, dann wird keine Knochenmatrix mehr abgebaut.
Es kommt zur Knochenverdickung und zum Fehlen von Knochenaussparungen, die aber wichtig sind für z.B. den Durchbruch von Zähnen, die direkte Verbindung zwischen den Augen und dem Gehirn über den Sehnerv, und auch für die Blutstammzellen, die im Knochenmark ansiedeln und lebenslang für die Blutbildung verantwortlich sind.
Deshalb ist das Krankheitsbild der Marmorknochenkrankheit sehr divers.
- Die Behandlungsmethode der Wahl ist die Bereitstellung von normalen Blutstammzellen aus gesunden Patienten über eine Knochenmarktransplantation.
Jedoch sind die Nebeneffekte einer Transplantation oft sehr schwerwiegend und die Erfolgsaussichten mit 40-60% relativ gering.
Alternative Behandlungsmethoden sind daher wünschenswert. Bisher ging man davon aus, dass durch eine Knochenmarktransplantation neue blutbildende Stammzellen zur Verfügung gestellt werden, aus denen sich gesunde Osteoklasten entwickeln können. Forscher konnten nun aber nachweisen, dass die Osteoklasten in Wirklichkeit einen ganz anderen Ursprung haben.
Forschern um Prof. Dr. Claudia Waskow, Seniorgruppenleiterin am Jenaer Leibniz-Institut für Alternsforschung und der Technischen Universität Dresden sowie Professorin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, gelang es in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Memorial Sloan Kettering Institute in New York, USA, im Mausmodell zu zeigen, dass Osteoklasten einen anderen Ursprung haben, als bisher angenommen. Sie nutzten dieses Wissen, um eine neue therapeutische Methode zur Prävention bzw. Behandlung der Marmorknochenkrankeit in der Maus erfolgreich zu testen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature erschienen.
Osteoklasten werden im Embryo gebildet und bleiben lebenslang erhalten
„Wir fanden heraus, dass die Osteoklasten sich nicht aus den blutbildenden Stammzellen im erwachsenen Tier bilden, sondern bereits im Embryo gebildet werden“, berichtet die Biologin und Alternsforscherin. „Sie entwickeln sich aus Erythro-Myeloiden-Vorläuferzellen, einem Stammzelltyp, der nur während einer kurzen Zeitspanne existiert und aktiv ist“.
In dieser Entwicklungsphase bilden sich neben den Osteoklasten noch weitere Fresszelltypen, die ebenfalls lebenslang in den Geweben verbleiben und deren Funktion zurzeit intensiv erforscht wird.
Die Osteoklasten wandern in die Knochenanlagen ein, die zu diesem Zeitpunkt noch sehr weich sind, und fangen an, Knochensubstanz abzubauen. Das führt zur Entstehung von Knochenmarkhöhlen.
Osteoklasten halten sich mit Hilfe jüngerer Zellen fit
Das Forscherteam um Prof. Waskow konnte weiterhin zeigen, wie sich Osteoklasten jung halten.
- Dafür fusionieren die Osteoklasten im Erwachsenenalter mit speziellen Blutzellen, den Monozyten.
Durch diese Verbindung wird der Zellkern des jungen Monozyten dem bereits bestehenden Osteoklasten hinzugefügt; der Kern der jungen Monozyten-Zelle bleibt in der älteren Empfängerzelle aktiv.
„Wir konnten diesen Transfer durch spezielle Färbungsexperimente im Mausmodell bestätigen, indem sich nur die Osteoklasten farblich veränderten“, erklärt Prof. Waskow. Die Experimente wiesen nach, dass das genetische Material des Spenderzellkerns in den Empfängerzellen, den Osteoklasten, weiterhin aktiv war.
Den Forschern gelang darüber hinaus der Nachweis, dass sich mit Hilfe des Transfers von Monozyten aus gesunden Spendertieren in ein an Marmorknochenkrankheit-leidendes Tier die Osteopetrose verbessern lässt.
“Unsere Experimente könnten die Grundlage für eine neue Behandlungsstrategie für Patienten darstellen, die dann nicht mehr den schweren Nebenwirkungen einer Knochenmarktransplantation ausgesetzt wären und bessere Heilungschancen hätten,“ prognostiziert Prof. Waskow die Studienergebnisse.
Publikation
Christian E. Jacome-Galarza, Gulce I. Percin, James T. Muller, Elvira Mass, Tomi Lazarov, Jiri Eitler, Martina Rauner, Vijay K. Yadav, Lucile Crozet, Mathieu Bohm, Pierre-Louis Loyher, Gerard Karsenty, Claudia Waskow, Frederic Geissmann. Developmental origin, functional maintenance, and genetic rescue of osteoclasts. Nature (2019).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-019-1105-7.
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Originalpublikation:
Christian E. Jacome-Galarza, Gulce I. Percin, James T. Muller, Elvira Mass, Tomi Lazarov, Jiri Eitler, Martina Rauner, Vijay K. Yadav, Lucile Crozet, Mathieu Bohm, Pierre-Louis Loyher, Gerard Karsenty, Claudia Waskow, Frederic Geissmann. Developmental origin, functional maintenance, and genetic rescue of osteoclasts. Nature (2019).DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-019-1105-7.
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In einem trilateralen Projekt wollen deutsche, israelische und palästinensische Wissenschaftler die Marmorknochenkrankheit (Osteopetrose) erforschen.
- Diese eigentlich seltene Erbkrankheit kommt in palästinensischen Großfamilien auffällig häufig vor.
Im Zuge des Forschungsprojekts ist es den Wissenschaftlern um Prof. Jan Tuckermann von der Universität Ulm nicht nur gelungen, die Stammbäume betroffener Familien zu rekonstruieren.
Sie haben zudem wichtige molekulare Grundlagen der Osteopetrose aufgedeckt.
Der politisch angespannten Lage zum Trotz arbeiten die Forschenden hervorragend zusammen: Kinder mit der lebensbedrohlichen Krankheit werden in israelischen Krankenhäusern behandelt.
Oben: Oberschenkel-CT einer gesunden Maus und eines Osteopetrose-Mausmodells (rechts). Unten: Eingefärbte Oberschenkel-Schnitte einer gesunden Maus und eines Osteopetrose-Modells (rechts) Abbildung: Merle Stein
Die „Marmorknochenkrankheit“ (Osteopetrose) ist eine Erberkrankung mit schweren Folgen: Durch eine Störung beim Knochenabbau und einer dementsprechend erhöhten Knochendichte ist das Wachstum betroffener Kinder gehemmt. Darüber hinaus kann eine Schädigung der Hirn- und Sehnerven zu geistigen Defiziten und zur Erblindung führen. Eigentlich gilt die Osteopetrose als seltene Erkrankung, doch bei palästinensischen Großfamilien tritt sie auffällig häufig auf. Um die Ursachen dieser Erbkrankheit zu ergründen und neue Therapieansätze zu entwickeln, bündeln deutsche, israelische und palästinensische Forschende ihre Kompetenzen. Ihre Forschungsergebnisse kommen nicht nur von Osteopetrose betroffenen Familien in den Palästinensergebieten zugute, sie könnten auch zu einem tieferen Verständnis der Volkskrankheit Osteoporose („Knochenschwund“) führen. Nun hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Weiterförderung des trilateralen Projekts bis 2022 mit rund 570 000 Euro beschlossen.
Ein ausgeglichener Knochenauf- und -abbau ist die Grundlage eines gesunden Skeletts.
Bei häufigen Erkrankungen wie Osteoporose oder bei der seltene Marmorknochenkrankheit (Osteopetrose) ist diese Balance gestört. Wird die Erbkrankheit Osteopetrose frühzeitig erkannt, können betroffene Kinder durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden – doch diese Behandlung ist riskant. Jetzt wurde bei Osteopetrose-Patienten aus den besonders betroffenen Palästinensergebieten eine Erbgutveränderung entdeckt, die der Schlüssel zu alternativen Therapieansätzen sein könnte. Dieser Erbgutveränderung geht eine internationale Forschergruppe um den Ulmer Biologen Professor Jan Tuckermann auf den Grund – insbesondere mithilfe von genetischen und zellbiologischen Methoden. In ihrem trilateralen Forschungsprojekt arbeiten die Naturwissenschaftler der federführenden Universität Ulm eng mit dem renommierten israelischen Weizmann-Institut sowie mit der Bethlehem University (Palästinensische Autonomiegebiete) zusammen.
Als erster Erfolg ist es den Forschenden gelungen, die Stammbäume von Trägern der Erbgutveränderung zu rekonstruieren und zu erweitern: Es handelt sich um zwei palästinensische Großfamilien, in denen oftmals arrangierte Eheschließungen unter Cousinen und Cousins zu einer Verbreitung der mit Osteopetrose verbundenen Mutation geführt haben. „Aufgrund unserer Ergebnisse konnten wir eine Aufklärungskampagne anstoßen. Zudem soll im Heimatdorf der betroffenen Familien eine Außenstelle des Krankenhauses in Hebron aufgebaut werden“, berichtete der palästinensische Wissenschaftler Professor Moien Kanaan.
Und auch den molekularen Ursachen der Marmorknochenkrankheit sind die Forschenden auf der Spur: Ausgehend von der neu entdeckten Mutation haben die israelischen Kooperationspartner um Professor Ari Elson die Osteopetrose in Mausmodellen simuliert. So können die Forschenden die Auswirkung der Erbgutveränderung bis auf die molekulare Ebene ergründen. „Als Ursache der Osteopetrose hatten wir mit einer fehlerhaften Bildung der knochenabbauenden Zellen, der so genannten Osteoklasten, gerechnet. Doch im Modell haben wir einen ganz anderen Mechanismus entdeckt: Tatsächlich vereinigen sich Vorläuferzellen aus dem blutbildenden System zu gigantischen Osteoklasten. Eine ,Bremse‘, die den Fusionsprozess stoppt, greift hier nicht“, erklärt Professor Jan Tuckermann. Die Bildung dieser Riesenzellen könnte also Krankheitsursache und therapeutischer Ansatzpunkt sein. Wie beim menschlichen Patienten bessern sich die Symptome der Osteopetrose im Mausmodell nach einer Knochenmarktransplantation: Die Größe der „Riesenzellen“ normalisiert sich und auch die Anzahl knochenaufbauender Zellen (Osteoblasten) steigt wieder an. Im Modell hatten die Forschenden nämlich weiterhin eine Abnahme der Osteoblasten beobachtet – womöglich durch eine fehlerhafte Informationsübertragung zwischen knochenabbauenden und knochenaufbauenden Zellen.
Würde es gelingen, bei der Osteoklastenfusion die molekulare Bremse anzuziehen und somit die Bildung von Riesenzellen zu verhindern, könnte das Fortschreiten der Marmorknochenkrankheit gestoppt werden. Von dieser Erkenntnis würden nicht nur von Osteopetrose betroffene palästinensische Familien profitieren. Auch bei der Volkskrankheit Osteoporose, bei der zu viel Knochen abgebaut wird, scheint die molekulare Bremse eine Rolle zu spielen. Somit könnte ein tieferes Verständnis einer seltenen Erbkrankheit (Häufigkeit ca. 1:200 000) rund acht Millionen Osteoporose-Patienten alleine in Deutschland zugutekommen.
Das Forschungsprojekt wird als „Trilaterale Fernost-Kooperation“ seit 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit insgesamt rund 1,5 Millionen Euro gefördert und hat in mehreren Ländern zur Gründung neuer Osteopetrose-Konsortien beigetragen – in Europa unter Beteiligung der Professoren Jan Tuckermann und Ansgar Schulz von der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin.
„Allen politischen Widrigkeiten zum Trotz, arbeiten die deutschen, israelischen und palästinensischen Forschenden hervorragend im Projekt zusammen. Palästinensische Kinder mit Osteopetrose werden seit jeher in israelischen Krankenhäusern behandelt“, resümiert Professor Tuckermann.
Prof. Jan Tuckermann, Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie der Tiere, forscht mit israelischen und palästinensischen Wissenschaftlern zur Erbkrankheit Osteopetrose
Foto: Eberhardt/Uni Ulm
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