Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Fluglärm in der Nacht kann zum Herz-Kreislauf-Tod führen
- Zum ersten Mal hat eine Studie gezeigt, dass lauter Fluglärm in der Nacht innerhalb von zwei Stunden zum Herz-Kreislauf-Tod führen kann.
Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und Partner haben die Sterblichkeitsdaten mit der akuten nächtlichen Lärmbelastung um den Flughafen Zürich zwischen 2000 und 2015 verglichen.
Die Ergebnisse der Studie wurden heute im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.
Die meisten Studien über Verkehrslärm und Herz-Kreislauf-Sterblichkeit konzentrierten sich bisher auf die langfristige Lärmbelastung.
Diese Studien zeigen auf, dass chronische Lärmbelastung ein Risikofaktor für die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ist.
Insgesamt können in Europa rund 48’000 Fälle von ischämischen
Herzerkrankungen pro Jahr auf Lärmbelastung zurückgeführt werden,
insbesondere auf Strassenverkehrslärm.
Zum ersten Mal wurde im Rahmen einer Studie unter der Leitung des Swiss
TPH nun aufgezeigt, dass akuter nächtlicher Fluglärm innerhalb von zwei
Stunden ab der Lärmbelastung einen Herz-Kreislauf-Tod auslösen kann.
Die
heute in der Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlichte
Studie ergab, dass das Risiko eines Herz-Kreislauf-Todes bei einer
nächtlichen Lärmbelastung zwischen 40 und 50 Dezibel um 33 Prozent und
bei einer Belastung über 55 Dezibel um 44 Prozent steigt.
«Wir haben festgestellt, dass zwischen 2000 und 2015 bei ungefähr 800
von 25’000 Herz-Kreislauf-Todesfällen in der Nähe des Flughafens Zürich
Fluglärm die Ursache war.
Dies entspricht drei Prozent aller beobachteten Herz-Kreislauf-Todesfälle», sagt Martin Röösli, Korrespondenzautor der Studie und Leiter der Einheit «Environmental Exposures and Health» am Swiss TPH.
- Gemäss Martin Röösli zeigen die Ergebnisse, dass Fluglärm ähnliche Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit haben kann wie Emotionen (zum Beispiel Wut oder Aufregung).
«Die Ergebnisse überraschen nicht, denn wir wissen, dass eine Lärmbelastung in der Nacht Stress verursacht und den Schlaf beeinträchtigt», erklärt er.
In ruhigen Gegenden mit wenig Eisenbahn- und Strassenverkehrslärm war die nächtliche Fluglärmwirkung stärker ausgeprägt.
- Dies war auch der Fall bei Menschen, die in älteren, weniger isolierten und damit lärmanfälligen Häusern wohnen.
Am Flughafen Zürich gilt ein Flugverbot zwischen 23.30 und 6.00 Uhr.
«Auf Basis unserer Studienergebnisse können wir folgern, dass dieses
nächtliche Flugverbot zusätzliche Herz-Kreislauf-Todesfälle verhindert»,
so Röösli.
Innovatives Studiendesign zum Ausschluss von Bias
Im Rahmen der Studie wurde ein Case-Crossover-Design verwendet, um
herauszufinden, ob die Fluglärmbelastung zum Zeitpunkt der Todesfälle im
Vergleich zu zufällig gewählten Kontrollzeiträumen ungewöhnlich hoch
war.
«Dieses Studiendesign ist sehr hilfreich, wenn man akute Auswirkungen der Lärmbelastung mit einer hohen täglichen Variabilität untersuchen möchte, wie im Falle von Fluglärm wegen wechselnden Wetterbedingungen oder Flugverspätungen», meint Apolline Saucy, Hauptautorin der Studie und Doktorandin am Swiss TPH.
«Mit diesem
zeitlichen Analyseansatz können wir die Wirkung ungewöhnlich hoher oder
niedriger Lärmbelastungen auf die Sterblichkeit von anderen Faktoren
abgrenzen. Faktoren, die auf den Lebenswandel zurückgehen, wie z. B.
Rauchen oder schlechte Ernährung, stellen in diesem Studiendesign keine
Verzerrung dar.»
Die Lärmbelastung wurde anhand einer Liste aller Flugzeugbewegungen beim
Flughafen Zürich zwischen 2000 und 2015 und in Verbindung mit bereits
vorhandenen Berechnungen der Fluglärmbelastung modelliert. Dabei
berücksichtigt wurde der Flugzeugtyp, Flugroute sowie Tages- und
Jahreszeit.
Über die Studie
Saucy, A., Schäffer, B., Tangermann, L., Vienneau, D., Wunderli, J. M.,
Röösli, M. Does nighttime aircraft noise trigger mortality? A
case-crossover study on 24,886 cardiovascual deaths. (2020) European
Heart Journal. DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa957
Die Studie wurde vom Swiss TPH in Zusammenarbeit mit der Empa und mit
Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds durchgeführt
(Förderungsnummer 324730_173330).
Sabina Beatrice-Matter Swiss Tropical and Public Health Institute
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Basel-Stadt
Anna Wegelin
Telefon: +41 61 284 86 83
E-Mail-Adresse: anna.wegelin@swisstph.ch
Telefon: +41 61 284 8683
E-Mail-Adresse: danielle.powell@swisstph.ch
Martin Röösli, Leiter der Einheit «Environmental Exposures and Health» am Swiss TPH, martin.roosli@swisstph.ch
+41 61 284 8383
Originalpublikation:
https://academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ehaa957...
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