Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neuer Therapieansatz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz entdecken bisher unbekannten Mechanismus zur Regulation der Blutgefäßfunktion:
Die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel, Stellvertretender Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, hat herausgefunden, dass das Protein TBCE (Tubulin-folding cofactor E) einen wesentlichen Faktor für die Funktion der Blutgefäßinnenhaut (Endothel) darstellt.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bieten einen neuartigen Ansatz für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie der Koronaren Herzerkrankung.
Die Studie der Mainzer Forscher wurde jetzt im „European Heart Journal“ veröffentlicht.
Die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel hat herausgefunden, dass das Protein TBCE einen wesentlichen Faktor für die Funktion des Endothels darstellt. Peter Pulkowski Universitätsmedizin Mainz
„Die aktuell publizierte Arbeit zeigt das Potential, am
Biotechnologie-Standort Mainz mit strategischem Einsatz von
Forschungsmitteln wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die einen
unmittelbaren Vorteil für die Gesundheitsfürsorge der Menschen haben
können“, betont Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I
im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stellen weltweit die häufigste
Todesursache dar. Kennzeichnend für diese sogenannten kardiovaskulären
Erkrankungen ist eine Funktionsstörung der Blutgefäßinnenhaut
(Endotheldysfunktion). Die Wissenschaftler des Zentrums für Kardiologie
der Universitätsmedizin Mainz haben entdeckt, dass das Protein
Tubulin-folding cofactor E (TBCE) eine entscheidende Rolle bei der
Entstehung der Endotheldysfunktion spielt. TBCE gehört zu den Proteinen,
die wichtig sind, um den Zellen Struktur und Form zu geben und damit
die normale Funktionsweise ermöglichen.
Die Forscher der Universitätsmedizin Mainz konnten zeigen, dass ein
Mangel oder eine Mutation des Proteins TBCE zu einer Stressreaktion in
der Gefäßwand führt. Betroffen ist dabei das endoplasmatische Retikulum,
das innere Netzwerk der Zellen.
- Der vaskuläre Stress geht unter anderem mit einer Entzündungsreaktion und einer vermehrten Gefäßsteifigkeit einher.
Aus Vorstudien war bekannt, dass TUDCA (Tauroursodeoxycholic acid; Tauroursodeoxycholsäure) Stressreaktionen im endoplasmatischen Retikulum unterbinden kann.
Im Rahmen der Mainzer Studie verbesserte
sich die Endothelfunktion im Tiermodell durch eine gezielte
pharmakologische Therapie mit TUDCA, auch wenn das Protein TBCE defekt
war.
- Das Endothel ist die Innenhaut der Blutgefäße und bespannt wie eine feine Membran aus spezialisierten Zellen das Gefäßbett im ganzen Körper von innen.
- Es sorgt für die Weit- und Engstellung der Gefäße und damit für einen geregelten Blutfluss im Körper.
- Störungen des Endothels sind damit der Nährboden für Atherosklerose, Koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für Thrombosen und Lungenembolien.
- Zusätzliche Faktoren wie Rauchen und Bluthochdruck können die endotheliale Dysfunktion verstärken.
Die ersten Hinweise auf den jetzt neu entdeckten Mechanismus zur
Regulation der Blutgefäßfunktion ergab die Auswertung von genetischen
Daten aus der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS). In der Studie der
Universitätsmedizin Mainz werden seit rund 14 Jahren Daten zu
Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung der
Rhein-Main-Region gesammelt und zusammen mit molekularbiologischen
Messungen erfasst. „Es ist faszinierend zu sehen, dass die GHS in der
Lage ist, diese Informationen zu liefern“, berichtet Univ.-Prof. Dr.
Philip Wenzel.
„Durch unser experimentelles Know-how war es darüber hinaus möglich, aus
den komplexen Daten eine bisher unbekannte Funktionsweise
herauszuarbeiten. Unsere Forschungsergebnisse zu TBCE liefern
vielversprechende Hinweise, dass dieser Mechanismus medikamentös
beeinflusst werden kann, um die Gefäßfunktion bei den betroffenen
Patienten zu verbessern. Dies ist insbesondere deshalb von großer
Bedeutung, weil die bisherige Therapie der Endotheldysfunktion mit
Vitaminen oder Spurenelementen nur unzureichende Erfolge zeigt“,
erläutert Professor Wenzel.
Die Studie „Tubulin-folding cofactor E deficiency promotes vascular
dysfunction by increased endoplasmic reticulum stress“ wurde durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Boehringer Ingelheim Stiftung
unterstützt.
Originalpublikation:
Efentakis P, Molitor M, Kossmann S, Bochenek ML, Wild J, Lagrange J,
Finger S, Jung R, Karbach S, Schäfer K, Schulz A, Wild P, Münzel T,
Wenzel P. Tubulin-folding cofactor E deficiency promotes vascular
dysfunction by increased endoplasmic reticulum stress. Eur Heart J. 2021
Jun 16:ehab222. Online ahead of print. PMID: 34132336
DOI: 10.1093/eurheartj/ehab222
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die
einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in
Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort.
Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die
fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 350.000
Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte
Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der
Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. 3.400 Studierende
der Medizin und Zahnmedizin sowie mehr als 600 Fachkräfte in den
verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen
Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.500 Mitarbeitenden ist die
Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region
und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere
Informationen im Internet unter https://www.unimedizin-mainz.de.
Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel, Stellvertretender Direktor des Zentrums für Kardiologie - Kardiologie I, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-6903, E-Mail: wenzelp@uni-mainz.de
Veronika Wagner M.A., Universitätsmedizin Mainz,
Telefon: 06131 17-8391, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
Originalpublikation:
Efentakis P, Molitor M, Kossmann
S, Bochenek ML, Wild J, Lagrange J, Finger S, Jung R, Karbach S,
Schäfer K, Schulz A, Wild P, Münzel T, Wenzel P. Tubulin-folding
cofactor E deficiency promotes vascular dysfunction by increased
endoplasmic reticulum stress. Eur Heart J. 2021 Jun 16:ehab222. Online
ahead of print. PMID: 34132336
DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab222
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