Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Arbeitspsychologe Prof. Matthias Weigl ist neuer Direktor des Instituts für Patientensicherheit
Das Institut für Patientensicherheit (IfPS) am Universitätsklinikum Bonn erforscht die vielschichtigen Ursachen von Fehlern in der Patientenversorgung und überprüft die Effektivität von Maßnahmen zu deren Vermeidung.
Es ist deutschlandweit das einzige Forschungsinstitut mit dieser Schwerpunktsetzung. Prof. Dr. Matthias Weigl übernimmt jetzt die Leitung des IfPS.
Seine Forschungsschwerpunkte reichen von Teamarbeit in der Akutversorgung bis hin zur Arbeitssituation im Gesundheitswesen.
Dazu erforscht der 44-Jährige auch Effekte von Digitalisierung auf Stress und Leistungsfähigkeit sowie für die Qualität der klinischen Versorgung.
Experte widmet sich der Gestaltung sicherer Patientenversorgung: Arbeitspsychologe Prof. Matthias Weigl ist neuer Direktor des Instituts für Patientensicherheit (IfPS) am Universitätsklinikum Bonn. © Rolf Müller / UK Bonn
Prof. Weigl kommt von der LMU München wo er am Institut für
Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin 15 Jahre tätig war. Internationale
Forschungsaufenthalte führten ihn an das Center for Patient Safety and
Service Quality des Imperial College London sowie mehrfach in die USA.
„Patienten sollten keinem unnötigem Risiko ausgesetzt sein. Aber was
trägt dazu bei, dass sie gut versorgt werden?“, beschreibt Prof. Weigl
eine zentrale Fragestellung für Patientensicherheit.
Obwohl es in Deutschland weltweit gesehen eine sehr hohe Sicherheit gibt, kritisiert er, dass im europäischen Vergleich kein übergreifendes Monitoring unerwünschter Ereignisse – wie das anonymisierte CIRS-Meldesystem in Krankenhäusern – praktiziert wird.
„Wir brauchen aber auch die
methodisch schwer zu erfassenden Daten aus dem niedergelassenen Bereich
und den Pflegeheimen, um den Status Quo zu sehen. Denn nur, wenn wir
Sicherheitsprobleme und unerwünschte Ereignisse erfassen, wissen wir
auch, wo wir uns verbessern können.“
Weg von plakativen Aussagen über Lösungen
Der neue Institutsdirektor betont aber auch, dass es für
Patientensicherheit keine Patentrezepte gibt, sondern erfolgreiche
Verbesserungen eher aus vielfältigen Mosaiksteinen zu einem großen
Ganzen bestehen. Dazu gehören beispielweise die Versorgungsfinanzierung,
Arbeitsorganisation und Qualifizierung, aber vor allem auch die
Wertschätzung für die Arbeit des Personals im Gesundheitswesen. Laut
Prof. Weigl seien das zentrale Stellschrauben: „Wir müssen aber weg, von
plakativen Aussagen über Lösungen. Das wird der Komplexität des Systems
mit seinen vielen Einflüssen, Möglichkeiten aber auch Widrigkeiten
nicht gerecht.“
Teamarbeit in der Notfallversorgung senkt Fehlerrate
Sein wissenschaftliches Augenmerk legt Prof. Weigl unter anderem auf die
Arbeitssituation und interprofessionelle Teamarbeit, gerade dort wo
schnell gearbeitet werden muss, also in der Akutversorgung und im
Operationssaal. Neben der fachlichen Kompetenz spielen für die
Versorgungsqualität gerade hier Koordination, Kommunikation,
Kooperation, Führung und Aufmerksamkeit eine zentrale Rolle – aber auch
auf das Stresserleben. „Man kann als Chirurgin und Chirurg noch so gut
sein, wenn man nicht kommunikativ ist, leidet die Teamarbeit und somit
steigt auch das Fehlerpotenzial“, sagt Prof. Weigl.
In dem Zusammenhang untersuchte er auch die Wirkung von Arbeitsunterbrechungen.
„Solche sind
für eine schnelle, patientenorientierte Versorgung wie bei einem
Notfall ein Stück weit nötig“, betont der neue Institutsdirektor und
denkt dabei beispielweise an die Mitteilung wichtiger Informationen wie
Laborbefunde. Auf der anderen Seite bergen häufige Unterbrechungen bei
der Versorgung ein hohes Stresspotenzial und können sogar zu
gesundheitlichen Problemen führen. Auch haben Unterbrechungen, die ihre
Ursache auch in schlechter Organisation haben, direkt Auswirkungen auf
die Patientensicherheit, da der Arzt häufiger einen Fehler macht.
Arbeitssituation spielt Rolle bei der Versorgungsqualität
Auch die Digitalisierung bringt neben vielen positiven Effekten auch
Stress für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit sich. So ist eine
roboter-assistierte Operation zwar besonders schonend für den Patienten,
aber das OP-Team hat neue Barrieren: Es sieht sich nicht mehr und die
Kommunikation ist eingeschränkt. Neben vielen Vorteilen der elektrischen
Patientenakte ist es zunächst schwieriger und zeitaufwendiger die Daten
dort einzutragen. Laut Prof. Weigl müsse jeder zur Selbstpflege auch
lernen, auf sich selbst zu achten: „Bei den Arbeitsbedingungen geht es
schnell, eine Depression oder ein Burnout zu entwickeln – eine weitere
Gefahrenquelle für Fehler.“
Leuchtturm für die Forschung zu Patientensicherheit
Trotz europaweit ähnlicher Probleme im Gesundheitswesen ist Deutschland
bezüglich der Forschung zur Patientensicherheit nicht optimal
aufgestellt. Als Ursache dafür sieht Prof. Weigl auch, dass es
deutschlandweit nur ein einziges Institut für das Fach
„Patientensicherheit“ gibt – und zwar das IfPS in Bonn. „Ein schon
bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal, das bisher aber auch dazu
führte, dass es vergleichsweise wenige Forschungsarbeiten hierzulande
gibt“, konstatiert Prof. Weigl. Für eine Belebung von
Forschungsaktivitäten strebt er daher an, das IfPS als
wissenschaftliches Kompetenzzentrum nicht nur vor Ort am
Universitätsklinikum Bonn und in NRW sondern auch überregional und
international noch stärker zu vernetzen. Auch freut Prof. Weigl sich
über eine Verankerung seines Fachs im Lehrplan zukünftiger Mediziner.
Zudem setzt er auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis
Patientensicherheit e.V. (APS), das vor zwölf Jahren zusammen mit der
Medizinischen Fakultät das IfPS an der Universität Bonn einrichtete und
bis 2017 durch eine Stiftungsprofessur unterstützte.
„Es ist insgesamt eine interessante fachliche Aufgabe und bestärkt mich
in meiner Entscheidung für Bonn“, sagt Prof. Weigl, der hofft als
relativ frischgebackener Pilot mit einem Motorflieger seine neue Heimat
zu erkunden.
Über Google: Medizin am Abend Berlin
Prof. Dr. Matthias Weigl
Direktor des Instituts für Patientensicherheit (IfPS)
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-13783
E-Mail: Matthias.Weigl@ukbonn.de
Poppelsdorfer Allee 49
53115 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
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