Medizin am Abend Fazit: Neu entdeckter Mechanismus der chronischen Entzündung bei Mukoviszidose
Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg zeigen im Tiermodell:
Abgestorbene Zellen in den Atemwegen lösen über bestimmten Signalweg
chronische Entzündungen aus / Bewährtes Medikament gegen rheumatoide
Arthritis blockiert diesen Signalweg und könnte als neuer
Behandlungsansatz dienen / Veröffentlichung im American Journal of
Respiratory and Critical Care Medicine
Die chronische Entzündung der Atemwege bei Mukoviszidose geht nicht allein
auf das Konto von Bakterien. Auch abgestorbene Zellen, die dem
Sauerstoffmangel in den von Schleim verstopften Atemwegen zum Opfer
gefallen sind, lösen eine heftige Reaktion des Immunsystems aus. Dies
zeigten Wissenschaftler des Zentrums für Translationale Lungenforschung
Heidelberg erstmals an Mäusen mit einer der Mukoviszidose vergleichbaren
Lungenerkrankung. Sie fanden außerdem heraus, welcher Signalweg diese
Immunreaktion auslöst und wie er sich blockieren lässt: Ein Medikament,
das für die Behandlung rheumatischer Gelenkentzündungen zugelassen ist,
unterdrückt im Mausmodell auch Entzündungen, die durch die abgestorbenen
Zellen hervorgerufen werden. Die Ergebnisse sind vorab online im „American
Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“ erschienen.
An Mukoviszidose, einer der häufigsten tödlich verlaufenden
Erbkrankheiten, leiden deutschlandweit rund 8.000 Menschen. Die angeborene
Multiorganerkrankung ist nicht heilbar. Fehler an einer bestimmten Stelle
im Erbgut lassen die Sekrete in den Atemwegen und Organen des
Verdauungstrakts austrocknen und führen so zu schweren Funktionsstörungen
von Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm. Zäher Schleim verstopft die
Atemwege, begünstigt chronische Entzündungen und Infektionen. Diese
zerstören die feinen Strukturen des Lungengewebes und verursachen
bleibende Schäden. Je länger sich dieser Prozess hinauszögern lässt, desto
besser die Prognose. Derzeit liegt die mittlere Lebenserwartung der
Patienten in Deutschland bei rund 40 Jahren.
Schleimpfropfen in der Lunge lassen Zellen ersticken
Bisher gingen Mediziner davon aus, dass chronische Entzündungen der
Atemwege bei Mukoviszidose sowie anderen chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankungen wie der COPD überwiegend die Folge einer Infektion mit
Bakterien oder Viren ist. Stutzig machten neuere Untersuchungen aus
Australien: Bei Säuglingen mit Mukoviszidose war zwar bereits in den
ersten Lebensmonaten eine Atemwegsentzündung, allerdings häufig noch kein
Bakterienbefall nachweisbar. „Aus anderen Organen kennen wir Entzündungen,
die nicht durch eine Infektion mit Erregern verursacht werden. Sie kommen
z.B. nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vor, wenn in Herz oder
Gehirn Zellen durch Sauerstoffmangel zugrunde gehen“, erklärt Professor
Dr. Marcus Mall, Ärztlicher Direktor der Abteilung Translationale
Pneumologie am Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg
(TLRC), einem Standort im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), und
Leiter des Mukoviszidose-Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg.
Eine wichtige Rolle bei diesen „keimfreien“ Entzündungen spielt der
Botenstoff Interleukin-1, der aus den absterbenden Zellen freigesetzt wird
und eine Immunantwort hervorruft. Diesen Botenstoff wiesen die
Heidelberger Wissenschaftler nun erstmals auch im Lungengewebe von Mäusen
mit einer der Mukoviszidose vergleichbaren chronischen Lungenerkrankung
nach. „Durch die Schleimpfropfen in den Atemwegen kommt es zu einem
Sauerstoffmangel in den dahinter liegenden Lungenabschnitten. Dort sterben
dann Zellen ab“, so Mall. „Je schlimmer die Verschleimung, desto mehr tote
Zellen.“ In den erkrankten Lungen ersticken kontinuierlich Zellen, die
Entzündung kommt daher nie zur Ruhe.
Neu entdeckter Mechanismus befeuert chronische Entzündungen
Bei Mäusen mit Mukoviszidose-ähnlicher Lungenerkrankung, denen durch eine
genetische Veränderung der Rezeptor für Interleukin-1 fehlte, kam es trotz
Verschleimung kaum zu Entzündungen in der Lunge. Bei ihnen lief der
Signalweg ins Leere, die absterbenden Zellen lösten keine Immunantwort
aus. Die Lungenfunktion blieb erhalten und die Lebenserwartung verbesserte
sich deutlich. Für den Lungen-Experten Mall bedeutet das: „Dieser neu
entdeckte Krankheitsmechanismus um Interleukin-1 spielt möglicherweise
eine entscheidende Rolle in der Chronifizierung und im Fortschreiten der
Lungenerkrankung bei Mukoviszidose und COPD. Damit tun sich neue
Behandlungsmöglichkeiten auf.“ Patienten erhalten bei Lungenentzündung
derzeit Antibiotika gegen die Infektion. Sind keine Bakterien im Spiel,
sind Antibiotika aber nutzlos.
Ein passendes Medikament gegen den neuen Entzündungsmechanismus gibt es
bereits: Der Wirkstoff Anakinra wird bei chronisch-entzündlichen
Erkrankungen wie der rheumatischen Arthritis gespritzt und blockiert die
Interleukin-Andockstelle, den IL-1-Rezeptor. Bei erwachsenen, chronisch
lungenkranken Mäusen linderte das Medikament die Entzündungen und
verringerte so die Zerstörung des Lungengewebes. Ob Anakinra auch bei
Patienten mit Mukoviszidose als entzündungshemmende Therapie wirksam ist,
muss noch in klinischen Studien geprüft werden.
Literatur:
Fritzsching B, Zhou-Suckow Z, Trojanek JB, Schubert SC, Schatterny J,
Hirtz S, Muley T,
Kahn N, Sticht C, Gunkel N, Welte T, Randell SH, Länger F, Schnabel P,
Herth FJF, Mall MA: Hypoxic epithelial necrosis triggers neutrophilic
inflammation via IL-1 receptor signaling in cystic fibrosis lung disease.
Am J Respir Crit Care Med. 2015; 2015 Jan 21. [Epub ahead of print].
Medizin am Abend DirektKontakt
Prof. Dr. Marcus Mall
Ärztlicher Direktor Abteilung Translationale Pneumologie
Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg und
Leiter Sektion Pädiatrische Pneumologie & Allergologie und Mukoviszidose-
Zentrum
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Tel.: 06221 / 56 4502
E-Mail: Marcus.Mall@med.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der
Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten
biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist
die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche
Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund
12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung
und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca.
1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw.
teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das
Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der
medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500
angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Welcome.132002.0.html Zentrum für Translationale Lungenforschung HeidelbergAllergologie und Mukoviszidose Zentrum
http://www.dzl.de/ Deutsches Zentrum für Lungenforschung
Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg zeigen im Tiermodell:
Abgestorbene Zellen in den Atemwegen lösen über bestimmten Signalweg
chronische Entzündungen aus / Bewährtes Medikament gegen rheumatoide
Arthritis blockiert diesen Signalweg und könnte als neuer
Behandlungsansatz dienen / Veröffentlichung im American Journal of
Respiratory and Critical Care Medicine
Die chronische Entzündung der Atemwege bei Mukoviszidose geht nicht allein
auf das Konto von Bakterien. Auch abgestorbene Zellen, die dem
Sauerstoffmangel in den von Schleim verstopften Atemwegen zum Opfer
gefallen sind, lösen eine heftige Reaktion des Immunsystems aus. Dies
zeigten Wissenschaftler des Zentrums für Translationale Lungenforschung
Heidelberg erstmals an Mäusen mit einer der Mukoviszidose vergleichbaren
Lungenerkrankung. Sie fanden außerdem heraus, welcher Signalweg diese
Immunreaktion auslöst und wie er sich blockieren lässt: Ein Medikament,
das für die Behandlung rheumatischer Gelenkentzündungen zugelassen ist,
unterdrückt im Mausmodell auch Entzündungen, die durch die abgestorbenen
Zellen hervorgerufen werden. Die Ergebnisse sind vorab online im „American
Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“ erschienen.
An Mukoviszidose, einer der häufigsten tödlich verlaufenden
Erbkrankheiten, leiden deutschlandweit rund 8.000 Menschen. Die angeborene
Multiorganerkrankung ist nicht heilbar. Fehler an einer bestimmten Stelle
im Erbgut lassen die Sekrete in den Atemwegen und Organen des
Verdauungstrakts austrocknen und führen so zu schweren Funktionsstörungen
von Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm. Zäher Schleim verstopft die
Atemwege, begünstigt chronische Entzündungen und Infektionen. Diese
zerstören die feinen Strukturen des Lungengewebes und verursachen
bleibende Schäden. Je länger sich dieser Prozess hinauszögern lässt, desto
besser die Prognose. Derzeit liegt die mittlere Lebenserwartung der
Patienten in Deutschland bei rund 40 Jahren.
Schleimpfropfen in der Lunge lassen Zellen ersticken
Bisher gingen Mediziner davon aus, dass chronische Entzündungen der
Atemwege bei Mukoviszidose sowie anderen chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankungen wie der COPD überwiegend die Folge einer Infektion mit
Bakterien oder Viren ist. Stutzig machten neuere Untersuchungen aus
Australien: Bei Säuglingen mit Mukoviszidose war zwar bereits in den
ersten Lebensmonaten eine Atemwegsentzündung, allerdings häufig noch kein
Bakterienbefall nachweisbar. „Aus anderen Organen kennen wir Entzündungen,
die nicht durch eine Infektion mit Erregern verursacht werden. Sie kommen
z.B. nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vor, wenn in Herz oder
Gehirn Zellen durch Sauerstoffmangel zugrunde gehen“, erklärt Professor
Dr. Marcus Mall, Ärztlicher Direktor der Abteilung Translationale
Pneumologie am Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg
(TLRC), einem Standort im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), und
Leiter des Mukoviszidose-Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg.
Eine wichtige Rolle bei diesen „keimfreien“ Entzündungen spielt der
Botenstoff Interleukin-1, der aus den absterbenden Zellen freigesetzt wird
und eine Immunantwort hervorruft. Diesen Botenstoff wiesen die
Heidelberger Wissenschaftler nun erstmals auch im Lungengewebe von Mäusen
mit einer der Mukoviszidose vergleichbaren chronischen Lungenerkrankung
nach. „Durch die Schleimpfropfen in den Atemwegen kommt es zu einem
Sauerstoffmangel in den dahinter liegenden Lungenabschnitten. Dort sterben
dann Zellen ab“, so Mall. „Je schlimmer die Verschleimung, desto mehr tote
Zellen.“ In den erkrankten Lungen ersticken kontinuierlich Zellen, die
Entzündung kommt daher nie zur Ruhe.
Neu entdeckter Mechanismus befeuert chronische Entzündungen
Bei Mäusen mit Mukoviszidose-ähnlicher Lungenerkrankung, denen durch eine
genetische Veränderung der Rezeptor für Interleukin-1 fehlte, kam es trotz
Verschleimung kaum zu Entzündungen in der Lunge. Bei ihnen lief der
Signalweg ins Leere, die absterbenden Zellen lösten keine Immunantwort
aus. Die Lungenfunktion blieb erhalten und die Lebenserwartung verbesserte
sich deutlich. Für den Lungen-Experten Mall bedeutet das: „Dieser neu
entdeckte Krankheitsmechanismus um Interleukin-1 spielt möglicherweise
eine entscheidende Rolle in der Chronifizierung und im Fortschreiten der
Lungenerkrankung bei Mukoviszidose und COPD. Damit tun sich neue
Behandlungsmöglichkeiten auf.“ Patienten erhalten bei Lungenentzündung
derzeit Antibiotika gegen die Infektion. Sind keine Bakterien im Spiel,
sind Antibiotika aber nutzlos.
Ein passendes Medikament gegen den neuen Entzündungsmechanismus gibt es
bereits: Der Wirkstoff Anakinra wird bei chronisch-entzündlichen
Erkrankungen wie der rheumatischen Arthritis gespritzt und blockiert die
Interleukin-Andockstelle, den IL-1-Rezeptor. Bei erwachsenen, chronisch
lungenkranken Mäusen linderte das Medikament die Entzündungen und
verringerte so die Zerstörung des Lungengewebes. Ob Anakinra auch bei
Patienten mit Mukoviszidose als entzündungshemmende Therapie wirksam ist,
muss noch in klinischen Studien geprüft werden.
Literatur:
Fritzsching B, Zhou-Suckow Z, Trojanek JB, Schubert SC, Schatterny J,
Hirtz S, Muley T,
Kahn N, Sticht C, Gunkel N, Welte T, Randell SH, Länger F, Schnabel P,
Herth FJF, Mall MA: Hypoxic epithelial necrosis triggers neutrophilic
inflammation via IL-1 receptor signaling in cystic fibrosis lung disease.
Am J Respir Crit Care Med. 2015; 2015 Jan 21. [Epub ahead of print].
Medizin am Abend DirektKontakt
Prof. Dr. Marcus Mall
Ärztlicher Direktor Abteilung Translationale Pneumologie
Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg und
Leiter Sektion Pädiatrische Pneumologie & Allergologie und Mukoviszidose-
Zentrum
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Tel.: 06221 / 56 4502
E-Mail: Marcus.Mall@med.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der
Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten
biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist
die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche
Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund
12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung
und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca.
1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw.
teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das
Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der
medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500
angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Welcome.132002.0.html Zentrum für Translationale Lungenforschung HeidelbergAllergologie und Mukoviszidose Zentrum
http://www.dzl.de/ Deutsches Zentrum für Lungenforschung
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