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Kinder ein Schädelhirntrauma...

Ein Sturz beim Spielen, ein Zusammenstoß beim Sport – schon ist es passiert: 

Jedes Jahr erleiden in Deutschland tausende Kinder ein Schädelhirntrauma. Meist handelt es sich um eine milde Form, die zwar ärztlich kontrolliert werden muss, aber selten lebensbedrohlich ist. Dennoch verbringen jährlich rund 92.000 Kinder sicherheitshalber Zeit im Krankenhaus – oft unnötig. Für Familien ist das sehr belastend, für das Gesundheitssystem teuer. Das Team des Projekts SaVeBRAIN.Kids verfolgt einen neuen Ansatz, um die Zahl von Krankenhausaufnahmen zu reduzieren. Die Konsortialführung liegt bei Privatdozentin Dr. Nora Bruns, sie forscht an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.

Im Zuge einer Studie wird erstmals eine digital gestützte Versorgung getestet, die Kindern eine sichere Betreuung zuhause ermöglichen soll. „Wir entwickeln eine Alternative zur stationären Überwachung, von der alle profitieren – die kleinen Patient:innen, ihre Familien und das gesamte Gesundheitssystem“, sagt PD Dr. Nora Bruns. Sie ist Konsortialführerin und arbeitet als Oberärztin an der Klinik für Kinderheilkunde I des Universitätsklinikums Essen.

Im Mittelpunkt stehen zwei digitale Werkzeuge: ein Arztcockpit für die strukturierte Untersuchung in der Klinik und eine Smartphone-App für die Eltern der betroffenen Kinder. Das Arztcockpit hilft Ärzt:innen, die Befunde präzise zu erfassen. Die App hingegen erinnert die Familien nach der Entlassung zu festen Zeitpunkten und mit einfachen Fragen an die Überprüfung des Gesundheitszustand des Kindes. So behalten Eltern die wichtigsten Symptome im Blick und haben alle Informationen griffbereit. Die App ersetzt keinen Besuch bei einer Ärztin oder einem Arzt, sondern ergänzt ihn um eine verlässliche und leicht verständliche Anleitung.

„Unser Ziel ist, die Anzahl stationärer Aufnahmen um 20 Prozent zu verringern. Denn viele Kinder können zuhause genauso sicher überwacht werden, wenn Eltern gut unterstützt werden und behandelnde Ärzt:innen auf standardisierte Daten zurückgreifen können“, sagt PD Dr. Bruns.

Die Studie läuft seit September 2025 und schließt knapp 1.400 Kinder ein. Dabei wird nicht nur untersucht, wie wirksam die neue Versorgung medizinisch ist. Auch wirtschaftliche Aspekte und die Erfahrungen von Eltern, Kindern und medizinischem Personal spielen eine Rolle Am Ende sollen klare Empfehlungen stehen, wie sich digitale Lösungen dauerhaft in die Regelversorgung integrieren lässt. Getragen wird SaVeBRAIN.Kids von einem Konsortium aus Instituten, Kliniken, Krankenkassen, Hochschulen und Technologiepartner:innen. Gefördert wird es vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses über 3,5 Jahre mit rund 5,9 Millionen Euro. An die Wissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät fließen davon knapp 2,8 Millionen Euro.

Martin Rolshoven, Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Tel. 0201/723-6274, martin.rolshoven@uk-essen.de

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PD Dr. Nora Bruns, Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinderheilkunde I, Tel. 0201/723-7192, nora.bruns@uk-essen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
https://savebrain.de

Zelluläre Überlebens- und Heilungsprozesse

Von Max-Planck-Chemikern entwickelte neuartige Substanz stört die Stressbewältigung der Krebszellen

Krebszellen sind ziemlich clever und auch dreist – sie kapern zelluläre Überlebens- und Heilungsprozesse, um ihr Wachstum anzukurbeln, sich im Körper auszubreiten und ihr eigenes Überleben so zu sichern. 

Die „Unfolded Protein Response“ (UPR), die Zellen vor Stress schützt, ist ein solcher Überlebensmechanismus. 

Einer ihrer wichtigsten Regulatoren, das „inositol-requiring enzyme 1“ (IRE1), ist ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung von Therapien gegen Krebs und eine Vielzahl anderer schwerer Krankheiten. Nun hat ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund unter der Leitung von Forschungsgruppenleiter Peng Wu eine neuartige Substanz entwickelt, die IRE1 durch einen Mechanismus hemmt, der sich von den bereits existierenden Inhibitoren unterscheidet. Dies könnte neue therapeutische Wege für die Behandlung von Krebs und anderen menschlichen Krankheiten eröffnen.

Die Wäsche ist noch nicht gewaschen, das Fahrrad muss repariert werden und die Rechnungen sind auch noch nicht bezahlt. Unerledigte Aufgaben verursachen Stress. 

Das gleiche Prinzip gilt auch für unsere Zellen. 

Wenn zu viele Proteine falsch oder sogar fehlgefaltet sind, können sie ihre Funktionen nicht erfüllen und die Zelle gerät unter Stress. 

Um mit diesem Stress fertig zu werden, haben Zellen die „Unfolded Protein Response“ (UPR) entwickelt. Sobald diese durch Stress im Endoplasmatischen Retikulum (ER) – der proteinproduzierenden Organelle in der Zelle – aktiviert wird, wird eine Kaskade von Schutzmechanismen ausgelöst, um die ordnungsgemäße Proteinfaltung wiederherzustellen. Einer der wichtigsten Antreiber des UPR ist IRE1, ein Protein, das in die ER-Membran eingebettet ist. IRE1 ist an einer Vielzahl von Krankheiten beteiligt, darunter Immun-, Stoffwechsel- und neurodegenerative Erkrankungen sowie Krebs, und ist daher zu einem relevanten therapeutischen Ziel geworden.

Krebszellen leben unter ständigem Stress::

Tumore werden oft als „Wunden, die niemals heilen“ beschrieben. Krebszellen schaffen eine toxische Umgebung, die sauer, nährstoff- und sauerstoffarm ist. Obwohl dies kontraproduktiv erscheint, ist es tatsächlich eine clevere Strategie: Die lebensfeindlichen Bedingungen aktivieren evolutionäre, zelluläre Überlebenswege, die von den Krebszellen gekapert und umfunktioniert werden, um das Tumorwachstum und -überleben zu unterstützen. „Es ist bekannt, dass die Aktivierung des UPR über IRE1 zur Entstehung und zum Fortschreiten der meisten Krebsarten beiträgt, darunter Leukämie, Glioblastom, Myelom, Brust- und Darmkrebs. Eine hohe IRE1-Aktivität ist auch mit einer zunehmend schlechteren Prognose verbunden“, sagt Peng Wu. In den letzten zehn Jahren sind Signalproteine des UPR zu attraktiven Zielen für die Entwicklung neuartiger Krebstherapien geworden, und es steht mittlerweile eine wachsende Auswahl an medikamentenähnlichen Molekülen zur Verfügung. Viele dieser Verbindungen sind jedoch nur beschränkt einsetzbar.

Ein neuer Hemmmechanismus – hier binden, dort hemmen
Die Gruppe um Wu hat nun einen hochwirksamen IRE1-Inhibitor mit einem einzigartigen Hemmmechanismus entwickelt. In einem ersten Schritt entwickelten die Forschenden einen robusten Assay, um die Wirkung potenzieller IRE1-Inhibitoren zu bewerten. Mit diesem Assay durchsuchten sie eine Bibliothek von ca. 10.000 chemisch unterschiedlichen Verbindungen und identifizierten indolbasierte Gerüste als besonders vielversprechende „Treffer“. Eine systematische Strukturoptimierung dieser Substanzen ergab eine Leitverbindung, die anschließend biochemisch, biophysikalisch und hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit IRE1 charakterisiert wurde. Dabei zeigte sich ihr einzigartiger Hemmungsmechanismus: Anstatt eine der beiden katalytischen Stellen von IRE1 (die Kinase- oder die RNAse-Domäne) durch Bindung zu hemmen, bindet die Verbindung an die Kinase-Domäne und unterdrückt durch diese Wechselwirkung allosterisch die RNAse-Aktivität, die die UPR antreibt. Mit anderen Worten: Die Verbindung „bindet hier, hemmt aber dort”.

Neue therapeutische Möglichkeiten
Unser Verständnis der Unfolded Protein Response hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt, und die ersten medikamentenähnlichen Moleküle, die auf diesen Prozess abzielen, haben sich in präklinischen Krankheitsmodellen als vielversprechend erwiesen. Viele der bestehenden Wirkstoffe leiden jedoch unter einer schlechten Pharmakokinetik und verursachen erhebliche Nebenwirkungen – insbesondere eine hohe Pankreastoxizität. Es wird vermutet, dass bestimmte reaktive Molekülteile in diesen Verbindungen zelluläre Prozesse stören, die nichts mit der IRE1-Aktivität zu tun haben. Darüber hinaus sind einige Hemmmechanismen noch nicht vollständig verstanden.

 „Strukturelle und funktionelle Studien wie die unsere, die den Wirkmechanismus klar aufzeigen, sind von großem Wert und werden die Entwicklung von IRE1-Inhibitoren der nächsten Generation beschleunigen“, sagt Wu. Solche Verbindungen könnten auch als Werkzeuge in der Krebsforschung genutzt werden, um zu bestimmen, welcher Ansatz zur Krebsbekämpfung in der klinischen Praxis am besten geeignet ist und welche Krankheiten beim Menschen durch die gezielte Beeinflussung der Unfolded Protein Response am effektivsten behandelt werden können.

Originalpublikation:
Liu Y, Goebel L, Avathan Veettil AK, Gasper R, Jian M, Wagner L, Hastürk O, Wu P (2025). Harnessing Indole Scaffolds to Identify Small-molecule IRE1α Inhibitors Modulating XBP1 mRNA Splicing. Nat Commun.
Doi: 10.1038/s41467-025-64291-4
https://www.nature.com/articles/s41467-025-64291-4

Muskel-Leber-Gesundheit Labor AST + ALT

Forscher*innen verknüpfen körperliche Fitness mit Biomarkern – Aspartat tritt als Schlüsselmetabolit hervor

Kann ein einfacher Bluttest zeigen, wie gut jemand altert? Ein Forscherteam um Wolfram Weckwerth von der Universität Wien und der Nankai-Universität hat fortschrittliche Metabolomik mit modernster künstlicher Intelligenz und einem neuartigen Netzwerkmodellierungs-Tool kombiniert, um die zentralen molekularen Prozesse des aktiven Alterns zu entschlüsseln. Ihre Studie, veröffentlicht im Fachjournal npj Systems Biology and Applications (Nature Publishing Group), identifiziert Aspartat als dominanten Biomarker für körperliche Fitness und kartiert die dynamischen Interaktionen, die ein gesünderes Altern unterstützen.

Dass Bewegung Mobilität schützt und das Risiko chronischer Erkrankungen senkt, ist seit Langem bekannt. Doch die genauen molekularen Prozesse, die körperliche Aktivität in gesünderes Altern übersetzen, waren bislang kaum erforscht. Die Forscher*innen stellten sich daher eine scheinbar einfache Frage: Lassen sich die Vorteile eines aktiven Lebensstils bei älteren Menschen direkt im Blut erkennen – und welche Moleküle spielen dabei die größte Rolle?

Von Fitnesstests zu Blut-Fingerprints: Body Activity Index und Metabolomics Index

Die Forscher entwickelten zunächst einen "Body Activity Index" (BAI), indem sie mittels kanonischer Korrelationsanalyse die Ergebnisse aus Gehstrecke, Aufsteh-Tests, Handkraftmessungen und Gleichgewichtstests zusammenführten. 

Dieser zusammengesetzte Leistungswert erfasst Ausdauer, Kraft und Koordination in einem robusten Maß. Unabhängig davon wurde ein "Metabolomics Index" aus den Blutkonzentrationen von 35 niedermolekularen Metaboliten berechnet. In 263 Blutproben älterer Erwachsener zeigten beide Indizes eine Pearson-Korrelation von 0,85 (p < 1 × 10⁻¹⁹), was belegt, dass die molekulare Signatur im Blut die körperliche Fitness widerspiegelt.

KI identifiziert aktive und weniger aktive Gruppen sowie deren metabolische Signatur

Um komplexe, nichtlineare Muster zu erfassen, trainierten die Forscher fünf verschiedene KI-Modelle – von einfachen statistischen Verfahren (Generalisiertes Lineares Modell, GLM) bis hin zu fortgeschrittenen Methoden wie Entscheidungsbaum-Boosting (Gradient Boosting Machine, GBM; XGBoost) und einem Deep-Learning-Autoencoder-Netzwerk. Jedes Modell wurde mit wiederholter Kreuzvalidierung abgestimmt und an unabhängigen Datensätzen getestet. Die Boosting-Modelle (GBM und XGBoost) erzielten eine hohe Genauigkeit und unterschieden "aktive" von "weniger aktiven" Teilnehmern in über 91 % der Fälle (AUC > 0,91). Acht Metaboliten traten in allen fünf Algorithmen konsistent als Prädiktoren für Aktivitätsniveau hervor: Aspartat, Prolin, Fruktose, Apfelsäure, Pyruvat, Valin, Citrat und Ornithin. Aspartat stach dabei mit einem Faktor von zwei bis drei besonders hervor und bestätigte seine zentrale Rolle als molekularer Marker des aktiven Alterns.

Netzwerk-Umschaltung durch COVRECON

Korrelation allein erklärt nicht, warum bestimmte Moleküle mit Fitness verknüpft sind. Um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, nutzte das Team das datengetriebene Modellierungs-Tool COVRECON. Einfach gesagt analysiert COVRECON, wie Metaboliten gemeinsam variieren, und rekonstruiert daraus das Netzwerk biochemischer Interaktionen. Mathematisch wurde eine differentielle Jacobimatrix geschätzt – ein Verfahren zur Identifikation enzymatischer Verbindungen, die sich zwischen aktiven und weniger aktiven Gruppen am stärksten verändern. 

Dabei wurden zwei bekannte Enzyme, Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT), als zentrale Knotenpunkte im Netzwerk identifiziert. 

Beide sind Standardmarker in klinischen Lebertests, doch hier zeigten sie, wie Aktivität den Stoffwechsel umgestaltet. 

Die Vorhersagen wurden durch routinemäßige Bluttests bestätigt: 

Über den sechsmonatigen Studienzeitraum schwankten AST und ALT bei aktiven Teilnehmern deutlich stärker als bei ihren weniger aktiven Vergleichspersonen – ein Hinweis auf größere metabolische Flexibilität in Leber- und Muskelstoffwechsel.

Bedeutung für Gehirngesundheit und Demenz

Aspartat ist mehr als nur ein einfacher Stoffwechsel-Zwischenmetabolit: 

Im Gehirn dient es auch als Vorläufer von Neurotransmittern und aktiviert NMDA-Rezeptoren, die für Lernen und Gedächtnis essenziell sind. 

Diese doppelte Funktion bietet eine mögliche Verbindung zwischen körperlicher Fitness und kognitiver Gesundheit. 

Unabhängige Studien zeigen, dass niedrige AST- und ALT-Werte im mittleren Lebensalter – oder ein erhöhter AST/ALT-Quotient – mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer und altersbedingten kognitiven Abbau verbunden sind. 

Indem die vorliegende Studie zeigt, dass körperliche Aktivität dynamische Veränderungen im Aspartat-Stoffwechsel und in der Plastizität dieser beiden Enzyme bewirkt, deutet sie auf eine molekulare Brücke zwischen Muskel-Leber-Gesundheit und neuronaler Widerstandsfähigkeit hin.

Die Ergebnisse vermitteln eine klare Botschaft: Körperliche Aktivität trägt nicht nur zur Erhaltung von Kraft und Mobilität bei, sondern könnte auch das Gehirn vor Demenz schützen – durch messbare Veränderungen in aminosäurebasierten Signalwegen. "Körperliche Aktivität bewirkt mehr als nur Muskelaufbau", erklärt Wolfram Weckwerth: "Sie verändert unseren Stoffwechsel auf molekularer Ebene. Indem wir diese Veränderungen entschlüsseln, können wir verfolgen – und sogar steuern – wie gut jemand altert."

Forschungsplattformen der Universität Wien, die dieses Projekt initiiert haben:
VIENNA METABOLOMICS CENTER:

 https://metabolomics.univie.ac.at/


Research Platform Active Ageing: 

https://activeageing.univie.ac.at/

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Prof. Dr. Wolfram Weckwerth
Vienna Metabolomics Center & Molecular Systems Biology Lab
Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie
Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
T +43-1-4277-76510
wolfram.weckwerth@univie.ac.at

Originalpublikation:
Jiahang Li, Martin Brenner, Iro Pierides, Barbara Wessner, Bernhard Franzke, Eva-Maria Strasser, Steffen Waldherr, Karl-Heinz Wagner & Wolfram Weckwerth. Machine learning and data-driven inverse modeling of metabolomics unveil key processes of active aging. In npj Systems Biology and Applications.
DOI: 10.1038/s41540-025-00580-4
https://doi.org/10.1038/s41540-025-00580-4
https://www.nature.com/articles/s41540-025-00580-4

RückenOP

Bergmannsheil setzt neues Endoskopiesystem in der Neurochirurgie ein

Ein Schnitt von wenigen Millimetern genügt, um komplexe Operationen an der Wirbelsäule ausführen zu können: Das funktioniert dank eines hochmodernen Endoskopiesystems, das jetzt im BG Universitätsklinikum Bergmannsheil im Einsatz ist. Es erlaubt hochpräzises Arbeiten, verkürzt die Wundheilung und den Krankenhausaufenthalt. Auch mögliche Folgerisiken der Operation können so verringert werden.

Die Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie hat das neue System vor wenigen Wochen in Betrieb genommen und bereits die ersten Patienten erfolgreich auf diese Weise operiert. Bei diesem Verfahren führt der Operateur über einen winzigen Hautschnitt ein dünnes Röhrchen mit Kamera und Lichtquelle in den Zielbereich ein. Das Bild aus dem Inneren wird live auf einen Monitor übertragen, sodass der Operateur genau sieht, wo er arbeitet. Über einen separaten Kanal im Endoskop lassen sich feine Instrumente einführen, um krankhaftes Gewebe oder einen Bandscheibenvorfall gezielt zu entfernen. Ein integriertes Spül- und Absaugsystem sorgt dafür, dass das Sichtfeld jederzeit sauber bleibt.

Verkürzte Wundheilung, weniger Folgeprobleme

So kann der Eingriff besonders schonend durchgeführt werden, da Nerven und umgebendes Gewebe weitgehend unberührt bleiben. Das senkt das Risiko von Wundheilungsstörungen und verkürzt den Heilungsprozess gegenüber herkömmlichen OP-Verfahren. „Das neue Endoskopiesystem ist eine hervorragende Ergänzung unseres minimal-invasiven therapeutischen Spektrums“, erklärt Prof. Dr. Ramón Martínez-Olivera.

Beim alternativen mikrochirurgischen Operationsverfahren ist ein etwas größerer Schnitt von wenigen Zentimetern erforderlich. Bei dem Eingriff blickt der Chirurg mit einem OP-Mikroskop direkt in das Operationsgebiet. „In manchen Situationen ist die größere Handlungsfreiheit der Mikrochirurgie gegenüber der endoskopischen Methode im Vorteil, deshalb muss immer die individuelle Krankheitssituation betrachtet werden“, so Prof. Martínez-Olivera.

„So können wir jedem Patienten das Behandlungsverfahren anbieten, das für ihn am besten geeignet ist.“ Derzeit wird es im Bergmannsheil vor allem für Bandscheibenoperationen und die Behandlung von Spinalkanalstenosen verwendet. Die Anschaffungskosten für das neue System beliefen sich auf rund 130.000 Euro.

Über das Bergmannsheil

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil zählt zu den größten Akutkliniken der Maximalversorgung im Ruhrgebiet. 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung verunglückter Bergleute gegründet, vereint das Bergmannsheil heute 23 Kliniken und Fachabteilungen unter einem Dach und ist Teil des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum. Über 2.000 Beschäftigte stellen die Versorgung von mehr als 80.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr sicher. Weitere Informationen: www.bergmannsheil.de

Über die BG Kliniken

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken. Die BG Kliniken sind spezialisiert auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen. An 13 Standorten versorgen über 18.000 Beschäftigte mehr als 550.000 Fälle pro Jahr. Damit sind die BG Kliniken der größte öffentlich-rechtliche Krankenhauskonzern in Deutschland. Träger der BG Kliniken sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Weitere Informationen: www.bg-kliniken.de

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Robin Jopp

Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH
Bürkle de la Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: +49 (0)234 302-6125
E-Mail: robin.jopp@bergmannsheil.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- Website des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil

Der Hefepilz Candida albicans

𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 produziert ein Toxin, das krank macht – aber in geringen Mengen hilft es dem Pilz, um dauerhaft in der Mundschleimhaut zu überleben

Der Hefepilz 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 setzt das Toxin Candidalysin nicht nur für Infektionen ein, sondern nutzt es auch, um die Mundschleimhaut unauffällig zu besiedeln – allerdings nur in fein austarierter Menge. 

Zu wenig Gift verhindert die orale Besiedlung, zu viel ruft das Immunsystem auf den Plan und führt zu einer entzündlichen Abwehrreaktion, wie ein internationales Forschungsteam aus Zürich, Jena und Paris herausfand. Die Ergebnisse erschienen im Fachjournal Nature Microbiology.

𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 ist ein Hefepilz, der natürlicherweise im Mikrobiom des Menschen vorkommt und dabei meist harmlos bleibt. 

Unter bestimmten Bedingungen kann er jedoch von der runden Hefeform in fadenförmige Hyphen übergehen und Infektionen auslösen, die insbesondere bei immungeschwächten Patient*innen fatale Folgen haben können. 

MaAB - CAVE:

In dieser Hyphenform produziert 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 das Toxin Candidalysin, ein Eiweiß, das Wirtszellen direkt angreift.

„Wir wussten, dass das Pilzgift Candidalysin Krankheiten verursachen kann. 

Neu ist, dass es auch nötig ist, damit der Pilz im Mund überleben kann“, erklärt Bernhard Hube, Leiter der Abteilung Mikrobielle Pathogenitätsmechanismen am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) und Professor am Lehrstuhl für Mikrobielle Pathogenität an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 „Der Hefepilz 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 nutzt das Toxin wie einen Türöffner, um sich in der Schleimhaut zu verankern. 

Solange er es nur in kleinen Mengen bildet, bleibt er dabei unter dem Radar des Immunsystems und überlebt langfristig in der Mundhöhle.“

Um diesen Zusammenhang zu klären, arbeitete ein internationales Team mit Mäusemodellen. Dabei zeigten Forschende um Salomé LeibundGut-Landmann an der Universität Zürich, wie das Immunsystem auf unterschiedliche Pilzstämme reagiert. Am Leibniz-HKI in Jena wurden zudem die genetischen Grundlagen untersucht: 

Mit gezielten Eingriffen veränderte das Team Gene, die Hyphenbildung und Toxinproduktion des Hefepilzes steuern. Forschende am Institut Pasteur in Paris ordneten die Ergebnisse außerdem mit bioinformatischen Analysen in einen evolutionären Kontext ein.

Verglichen wurden zwei sehr unterschiedliche Stämme: Der aggressive Laborstamm SC5314 bildet lange Hyphen und produziert große Mengen Candidalysin. Dadurch reagiert das Immunsystem sofort mit einer starken Entzündung und eliminiert den Pilz nach kurzer Zeit. Ganz anders verhält sich Stamm 101, der natürlicherweise im Mund vorkommt: Er produziert das Toxin nur in geringen Mengen und kann sich so unauffällig in der Schleimhaut halten, ohne eine starke Immunantwort hervorzurufen. 

„Der Pilz fährt gewissermaßen mit angezogener Handbremse“, so Hube. „Ein bisschen Toxin braucht er, aber zu viel wird sofort bestraft.“

„Gerade diese Unterschiede zwischen den Stämmen zeigen, wie wichtig die feine Regulierung von Candidalysin für die Besiedelung unterschiedlicher Nischen im Körper ist“, ergänzt Tim Schille, Doktorand im Jenaer Team. 

„Nur wenn 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 das richtige Maß findet, kann der Pilz langfristig im Mund bestehen, ohne vom Immunsystem bekämpft zu werden.“

Eine Schlüsselrolle spielt dabei auch das Gen EED1. Es reguliert die Hyphenbildung und beeinflusst damit indirekt die Produktion von Candidalysin. 

So bleibt der Pilz meist unauffällig in der Mundschleimhaut. Kippt dieses Gleichgewicht jedoch, können Infektionen entstehen. „Bemerkenswert ist, wie gut der Pilz sein Verhalten austariert“, sagt Schille. 

„Diese Balance erklärt auch, warum das Toxin evolutionär erhalten geblieben ist: 

Es ermöglicht dem Pilz, dauerhaft in der Mundschleimhaut zu leben, macht ihn aber zugleich als potenziellen Krankheitserreger gefährlich.“

Die Studie zeigt, dass Candidalysin ein wichtiger Faktor für die Besiedelung bestimmter Körperregionen durch 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢-Hefen sein kann. 

Für die Medizin ergeben sich aus den Ergebnissen bislang nur vorsichtige Perspektiven. 

„Für einen oralen Befall mit Candida können wir derzeit noch keine therapeutischen Anwendungen ableiten“, so Hube.

 „Bei vaginalen Infektionen hingegen konnten wir in früheren Studien bereits zeigen, dass sich das Toxin neutralisieren lässt. 

Damit können Gewebeschäden durch𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴, die typisch für vaginale Pilzinfektionen sind, deutlich reduziert werden.“

Das Projekt wurde von Forschenden in Zürich initiiert und koordiniert, unter maßgeblicher Beteiligung des Leibniz-HKI in Jena sowie des Institut Pasteur in Paris. Gefördert wurde die Studie unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters ‚Balance of the Microverse‘ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Sonderforschungsbereichs/Transregio 124 ‚FungiNet‘.

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Prof. Dr. Bernhard Hube
Mikrobielle Pathogenitäts-mechanismen
Leiter
+49 3641 532-1401
bernhard.hube@leibniz-hki.de

Originalpublikation:
Frois-Martin R, Lagler J, Schille TB, Elshafee O, Martinez de San Vicente K, Mertens S, Stokmaier M, Kilb I, Sertour N, Bachellier-Bassi S, Mogavero S, Sanglard D, d’Enfert C, Hube B, LeibundGut-Landmann S (2025) Dynamic Expression of the Fungal Toxin Candidalysin Governs Homeostatic Oral Colonization. Nat Microbiol, https://www.nature.com/articles/s41564-025-02122-4

Kardiogener Schock

Große Auswertung in Deutschland zeigt: Patienten mit kardiogenem Schock profitieren von Behandlung in Zentren mit hohen Fallzahlen.

Ob Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock überleben, hängt auch davon ab, in welchem Krankenhaus sie behandelt werden.

Das zeigt eine neue Studie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und Partnern im European Journal of Heart Failure.

Der kardiogene Schock ist die schwerste Form der akuten Herzschwäche, meist nach einem Herzinfarkt. In Deutschland sind jedes Jahr rund 44.000 Menschen betroffen, mehr als die Hälfte verstirbt noch im Krankenhaus. Um die Durchblutung aufrechtzuerhalten, kommen zunehmend mechanische Kreislaufunterstützungssysteme (MCS) wie die ECMO oder die Impella-Pumpe zum Einsatz. Deren Handhabung ist komplex und erfordert erfahrene Teams.

Große Unterschiede zwischen Kliniken

Für die Studie wurden die Daten von mehr als 220.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die zwischen 2017 und 2021 in Deutschland mit kardiogenem Schock behandelt wurden. Das Ergebnis:

- In Krankenhäusern mit hoher Fallzahl sank das Sterberisiko deutlich.
- Wer in einer Klinik behandelt wurde, die jährlich mehr als 90 Fälle von kardiogenem Schock versorgt, hatte ein besseres Überleben.
- Bei MCS-Therapien zeigte sich sogar ein noch stärkerer Effekt: In Zentren mit mehr als 25 MCS-Einsätzen pro Jahr war das Sterberisiko um rund 20 Prozent geringer.

Zentralisierung könnte Leben retten

„Unsere Daten zeigen klar: Erfahrung rettet Leben“, sagt Studienleiter PD Dr. Benedikt Schrage, Klinik und Poliklinik für Kardiologie des UKE und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). „Wenn Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock systematisch in spezialisierte Zentren verlegt würden, könnten viele Todesfälle vermieden werden.“

Die Forschenden schlagen deshalb vor, die Versorgung nach dem Vorbild von Schlaganfall- oder Herzinfarktnetzwerken stärker zu zentralisieren. So könnten Patientinnen und Patienten schneller in Kliniken gelangen, die die nötige Expertise und Ressourcen für diese Hochrisikosituation haben.

Hintergrund kardiogener Schock

Der kardiogene Schock ist die schwerste Form der akuten Herzschwäche. Das Herz schafft es nicht mehr, den Körper ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Meist passiert das nach einem schweren Herzinfarkt, manchmal auch durch eine Herzmuskelentzündung, eine Lungenembolie oder nach einer Operation. Typische Anzeichen sind ein starker Blutdruckabfall, Atemnot, kalte Haut oder Verwirrtheit. Ohne schnelle Behandlung – mit Medikamenten, Notfallmaßnahmen oder Kreislaufunterstützung – können lebenswichtige Organe versagen, was häufig tödlich endet.

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PD Dr. Benedikt Schrage
Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)
b.schrage@uke.de

Originalpublikation:
Higher hospital volume is associated with lower mortality for patients with cardiogenic shock and mechanical circulatory support. Dettling et al., Eur J Heart Fail, 2025 Aug 31, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ejhf.70025

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern

Juckende oder schmerzende Rötungen im Genitalbereich, eine Aufhellung der Genitalhaut und narbige Veränderungen der Genitalarchitektur kennzeichnen den Lichen sclerosus (LS). 

Die Symptome der chronisch verlaufenden, entzündlichen und nicht-infektiösen Dermatose sind für Betroffene (Frauen, Männer und Kinder) sehr belastend. 

Die klinischen Symptome und Komplikationen mindern die Lebensqualität. 

Die neue S3-Leitlinie zu Lichen sclerosus, die unter der gemeinsamen Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) entstanden ist, will Fachleute und Laien für die Erkrankung sensibilisieren.

Nur durch eine frühe Diagnose und eine Therapie mit hochpotenten topischen Glukokortikoiden kann die Krankheitskontrolle verbessert werden.

Die Symptome sind belastend und unangenehm: Es juckt und brennt in der Genitalregion, es schmerzt beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr. 

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern vorkommt. Sie kann in jedem Alter auftreten, die Verteilung zwischen den Geschlechtern, Männer zu Frauen, ist nicht sicher zu sagen, Frauen sind aber deutlich häufiger betroffen. Über die Ursachen gibt es noch keine Klarheit und auch die Verbreitung lässt sich nur schätzen. Expertinnen und Experten betonen, dass Lichen sclerosus nicht selten sei, oft aber nicht erkannt werde. Die vermutete Prävalenz variiert zwischen 0,1% und 3% bei Kindern bzw. postmenopausalen Frauen.

 „Lichen sclerosus ist bei Medizinerinnen und Medizinern zu wenig bekannt. Daher ist die Therapie häufig mangelhaft“, kritisiert Dr. med. habil. Gudula Kirtschig, Dermatologin am Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz). Um Fachleute und auch Laien umfassend über das Krankheitsbild, Komorbidität, Diagnostik, Therapie und Nachsorge zu informieren, ist nun die aktuelle europäische Leitlinie zu LS für Deutschland angepasst worden. „Früherkennung und Therapie sind das A und O. Zudem muss konsequent behandelt werden, denn Folgeschäden können für die betroffenen Menschen massiv sein“, erklärt Kirtschig, die federführend sowohl an der europäischen als auch der deutschen Leitlinie beteiligt war. Zu den möglichen Komplikationen gehören sexuelle Dysfunktion und auch die Entwicklung anogenitaler Karzinome. Vor allem auch die psychische Komponente ist nicht zu unterschätzen. „Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden“, sagt Kirtschig.

LS führt zu veränderten Schamlippen und kann Scheideneingang verengen

LS macht sich anfangs durch unangenehme Beschwerden wie Juckreiz oder Brennen bemerkbar, es treten Rötungen und feine Risse auf und die kleinen Schamlippen verändern sich. 

Später entstehen elfenbeinfarbene, ovale und scharf umschriebene Papeln und Plaques der Haut im Anogenitalbereich. Die Haut wird dünner (Atrophie) und verletzlicher, im Verlauf bildet sich Narbengewebe. Häufig treten Probleme beim Wasserlassen, Störungen bei der Stuhlentleerung und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) auf. Die Folge der Erkrankung ist bei Frauen möglicherweise eine Verengung des Scheideneinganges, was beim Geschlechtsverkehr Schmerzen und Einrisse verursacht oder ihn sogar unmöglich macht. Juckreiz und ein brennendes Gefühl gehört bei Frauen zum Leitsymptom, Männern klagen eher über Schmerzen und eine Vorhautverengung mit sexueller Dysfunktion.

Frühzeitige Therapie mit Kortison auf der äußeren Genitalhaut ist essenziell
„Mit der Behandlung können wir das Fortschreiten der Krankheit stoppen und Beschwerden lindern. Allerdings soll diese möglichst früh einsetzen, um Folgen wie Vernarbungen, die Entstehung von Karzinomen aufgrund der chronischen Entzündung und Einbußen der Lebensqualität zu verhindern“, sagt Prof. Dr. med. Linn Wölber, Koordinatorin der Leitlinie und Leiterin des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zentral bleibt eine frühzeitige Therapie mit potenten lokalen Glukokortikoiden der Klasse III oder IV. Dabei empfehlen die Expertinnen und Experten der Leitliniengruppe Glukokortikoide in Salben- anstelle von Cremes- oder Lotions-Grundlage. „Das Wort Kortison ruft noch immer bei vielen Menschen Ängste hervor. Diese sind aber bei lokaler Anwendung im Bereich der äußeren Genitalhaut aufgrund der begrenzten Fläche unbegründet“, sagt Wölber.

Entfernung der Vorhaut als Therapieoption für Jungen und Männer
Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit werden topische Glukokortikoide der Klasse III oder IV wie Clobetasolpropionat 0,05% oder Mometasonfuroat 0,1% Salbe (oder Creme) als bevorzugte Behandlung empfohlen, sowohl bei akuten Schüben als auch in der Erhaltungstherapie. Sie bewirken in der Regel eine rasche Verbesserung der subjektiven Symptome und klinischen Zeichen. Zudem können Emollientien (feuchtigkeitsspendende und hautpflegende Substanzen) nach einer initialen Behandlung mit topischen Glukokortikoiden bei LS eine zusätzliche Linderung der Symptome bewirken. „Wir empfehlen unseren Patientinnen und Patienten mindestens zweimal täglich Emollientien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken“, ergänzt Kirtschig. Wenn der therapeutische Effekt bei Jungen und Männern nicht überzeugt, sollte – so die Empfehlung in der Leitlinie – eine vollständige Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) erfolgen.

Schulung der Betroffenen kann Therapietreue verbessern
Ein ebenfalls in der Leitlinie akzentuiertes Thema ist die Patientinnen- und Patientenschulung, die mit einer ausführlichen Informationsvermittlung (bei betroffenen Kindern auch der Eltern) einhergehen soll. „Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig. Die Patientin oder der Patient soll unterstützt werden, mit ihrer oder seiner Erkrankung konstruktiv umzugehen. Dazu gehört auch, den Krankheitsverlauf selbst zu beobachten. Das kann die Therapietreue immens verbessern“, ist sich Kirtschig sicher.

Für optimale Behandlung sind fachübergreifende Teams notwendig
„Die Leitlinie zu Lichen sclerosus fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, sagt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG. „Für die Behandlung des LS bräuchte es idealerweise interdisziplinäre Teams oder LS-Zentren mit fachübergreifenden Teams“, sagt Hofmann. Nach dem Vorbild interdisziplinärer Kliniken in den Niederlanden, Dänemark oder dem Vereinigten Königreich sollten auch in Deutschland Spezialistinnen und Spezialisten aus Dermatologie, Gynäkologie, Urologie, Kinderchirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie und Sexualtherapie zusammenarbeiten.

Zu der Leitlinie von DDG und DGGG, an deren Zustandekommen zahlreiche weitere Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt waren, gibt es eine Implementierungshilfe in Form eines Vortragsfoliensatzes, der ausdrücklich für die ärztliche Weiterbildung genutzt werden darf.

Tipps für Patientinnen und Patienten:

+ Seife oder andere reizende lokale Anwendungen vermeiden
+ Tägliche, lebenslange Basispflege (2-mal pro Tag eine fetthaltige, parfümfreie Salbe)
+ Zustimmen, dass Befund und Verlauf von Arzt oder Ärztin mit Fotos dokumentiert werden für Verlaufskontrollen
+ Kratzen unbedingt unterlassen, da sich sonst die Symptomatik erheblich verschlimmern kann
+ Auf enge Kleidung verzichten
+ Baumwoll- oder Seidenwäsche bevorzugen
+ Bei Sport wie Reiten oder Fahrradfahren auf geeigneten Sattel und eine angepasste Sitzposition achten
+ Den Austausch mit anderen suchen (Patientenorganisationen)

Literatur:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG): S3 Leitlinie Lichen sclerosus (AWMF-Reg.-Nr. 013-105). Version 1.0, 06/2025. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-105
Kirtschig G et al., 2023. Guideline on lichen sclerosus https://www.guidelines.edf.one//uploads/attachments/clmub3q4l0an5uhjrluc4r0yq-li...

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Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Dagmar Arnold
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de

Negative Wirkungen von Curcumin oder anderen bioaktiven Substanzen auf die nächste Generation

Epigenetische Effekte des bioaktiven Kurkuma-Inhaltsstoffs könnten Einfluss auf Nachkommen haben – Studie von JLU-Forschungsteam mit Modellorganismus

Curcumin, einem bioaktiven Inhaltsstoff von Kurkuma, werden vielfältige gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Mittlerweile sind eine Vielzahl verschiedener Curcumin-Supplemente auf dem Markt, die auch durch Influencerinnen und Influencer als Nahrungsergänzungsmittel auf Social Media stark beworben werden. 

Neben den anti-entzündlichen und anti-oxidativen Wirkungen vermittelt Curcumin auch epigenetische Effekte. 

Dies sind reversible chemische Veränderungen der DNA oder der Proteine, die die DNA verpacken, sogenannte Histone. 

Diese Veränderungen können Einfluss auf die Genexpression haben – und sie können auf die nächste Generation übertragen werden, ohne dass die Erbinformation selbst verändert wird. Ein Gießener Forschungsteam hat nun untersucht, wie sich eine Curcumin-Supplementierung in einem Modellorganismus auf die Nachkommen auswirkt: Bei Fruchtfliegen zeigt sich ein negativer Effekt.

Die Forschenden nutzten die Fruchtfliege Drosophila melanogaster als Modell und fütterten diese mit unterschiedlichen Mengen Curcumin. Sie konnten damit zeigen: 

Curcumin vermittelt seine Wirkungen sowohl geschlechtsspezifisch als auch dosisabhängig. 

Von einer Curcumin-Supplementation profitierten die weiblichen und die männlichen Elterntiere. 

Sie zeigten eine gesteigerte Kletteraktivität und lebten länger. Bei ihren Nachkommen, die lediglich das Kontrollfutter ohne Curcumin bekamen, wurde dies nicht beobachtet. Im Gegenteil: Die Nachkommen Curcumin-supplementierter Mütter wiesen eine deutlich verkürzte Lebensspanne auf. Auch bei den Nachkommen Curcumin-supplementierter Väter zeigte sich eine verkürzte Lebensdauer – allerdings nur bei den weiblichen Fliegen.

Auch wenn sich die mit Fruchtfliegen erzielten Ergebnisse nicht direkt auf den Menschen übertragen lassen, liefern sie wichtige Hinweise: 

Curcumin könnte transgenerationale Effekte haben, die bislang nur wenig erforscht sind.

 „Derzeit existieren kaum systematische Studien, die potenziell negative Wirkungen von Curcumin oder anderen bioaktiven Substanzen auf die nächste Generation untersuchen“, so Prof. Dr. Anika Wagner vom Institut für Ernährungswissenschaft der JLU. „Dies unterstreicht, dass weitere Studien dringend notwendig sind, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und mögliche schädliche Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären.“

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Prof. Dr. Anika Wagner
Professur für Ernährung & Immunsystem
Institut für Ernährungswissenschaft
Telefon: 0641 99-39041
E-Mail: anika.wagner@uni-giessen.de

Instagram: @prof_nutritionista
LinkedIn: Anika Wagner

Originalpublikation:
Silvana Hof-Michel, Belén Olga Ferrando Hernandez, Andreas Vilcinskas, Anika E. Wagner: Curcumin Induces Transgenerational and Sex-Specific Effects on Lifespan, Gene Expression, and Metabolism in the Fruit Fly Drosophila melanogaster. BioFactors Volume 51, Issue 4, Juli/August 2025, e70039, https://doi.org/10.1002/biof.70039

Sphingolipid-Stoffwechsel: Und daran beteiligte Enzyme die Vermehrung von Coronaviren beeinflussen

Virologie-Forschungsteam aus Gießen und Berlin entschlüsselt die Rolle von Sphingolipiden für die Bildung von Replikationsorganellen

Coronaviren verändern die Zellen, die sie infizieren, um sich optimal vermehren zu können. 

Ein entscheidender Schritt dabei ist die Bildung spezieller Strukturen im Zellinneren – sogenannter Replikationsorganellen. 

Dabei reorganisieren Coronaviren die inneren Zellmembranen erheblich.

Dieser Prozess hängt maßgeblich von der Bildung von bestimmten Membranbausteinen, den Sphingolipiden, ab. Forschende des Instituts für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Instituts für Pharmazie der Freien Universität Berlin haben nun herausgefunden, wie der Sphingolipid-Stoffwechsel und daran beteiligte Enzyme die Vermehrung von Coronaviren beeinflussen.

„Die Stärke der Studie liegt im Vergleich mehrerer humaner Coronaviren“, so die JLU-Virologin Dr. Christin Müller-Ruttloff, federführende Letztautorin der Studie. „Diese Erkenntnisse verbessern unser Verständnis darüber, wie verschiedene Coronaviren die Sphingolipid-Landschaft ihrer Wirtszellen umgestalten, um ihre Vermehrung zu sichern.“ Die gezielte Beeinflussung des Sphingolipid-Stoffwechsels könnte neue Forschungsansätze für antivirale Strategien eröffnen.

Die Untersuchungen zeigten, dass vor allem die Enzymgruppe der Sphingomyelinasen eine entscheidende Rolle bei einem frühen Schritt der Virusvermehrung spielt: der Bildung der Replikationsorganellen. Der Virologe Florian Salisch (JLU), Erstautor der Arbeit, erläutert: 

„Coronaviren setzen einen massiven Umbau von intrazellulären Membranen in Gang, um die Zellen zu zwingen, zahlreiche Replikationsorganellen auszubilden, in deren Inneren dann die Produktion der viralen Bestandteile beginnt.“ Sphingolipide bilden dabei wichtige Bausteine dieser Strukturen, und die Sphingomyelinasen beteiligen sich aktiv an deren Entstehung.

Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift mBio erschienen. Unterstützt wurde die Forschung durch das GRK2581 („SphingoINF-Stoffwechsel, Topologie und Kompartimentierung von Lipid- und Signalkomponenten bei Infektionen“) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch die Von Behring-Röntgen-Stiftung.

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Dr. Christin Müller-Ruttloff
Institut für Medizinische Virologie
Tel.: 0641 99-47751
E-Mail: christin.mueller@viro.med.uni-giessen.de

Originalpublikation:
Salisch F., Schumacher F., Gärtner U., Kleuser B., Ziebuhr J., Müller-Ruttloff C. Targeting sphingolipid metabolism: inhibition of neutral sphingomyelinase 2 impairs coronaviral replication organelle formation. mBio0:e00084-25. https://doi.org/10.1128/mbio.00084-25

Auswirkungen von Homocystein auf die Aorta

Neben Cholesterin spielt auch die Aminosäure Homocystein eine Rolle bei der Aortenversteifung. 

Dies haben Forscher*innen der TU Graz, Uni Graz und der Med Uni Graz in einer neuen Studie nachgewiesen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor die häufigste Todesursache. In Europa sind sie für über 40 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Bekannte Risikofaktoren wie hoher Cholesterinspiegel oder Bluthochdruck können jedoch weder die Sterblichkeitsrate noch die Anzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen vollständig erklären. Grazer Wissenschafter*innen haben nun einen neuen Faktor genauer erforscht, der eng mit der kardiovaskulären Sterblichkeit verknüpft ist: 

Erhöhte Werte der Aminosäure Homocystein im Blut führten im Tiermodell zu einer steiferen und weniger elastischen Hauptschlagader. 

Diese Ergebnisse ergänzen das aktuelle Verständnis der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Atherosklerose, bei denen die Rolle des Cholesterins bisher stärker im Fokus stand.

MaAB: Augenmerk auf die Aorta

Die Aorta ist das größte Blutgefäß im menschlichen Körper. Sie muss sich bei jedem Herzschlag zusammenziehen und ausdehnen, um sauerstoffreiches Blut vom Herzen zu den Organen zu transportieren. „Viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben ihren Ursprung in einer Funktionsstörung der Aorta“, erklärt Gerhard A. Holzapfel vom Institute of Biomechanics der TU Graz. Gemeinsam mit Francesca Bogoni (TU Graz) und Oksana Tehlivets vom Institut für Molekulare Biowissenschaften (Uni Graz) erforscht er die mechanischen Eigenschaften der Hauptschlagader.

In einer aktuellen Publikation untersuchten die Wissenschafter*innen gemeinsam mit Partner*innen der Medizinischen Universität Graz die Auswirkungen von Homocystein auf die Aorta.

Dieses „Zellgift“ entsteht als Zwischenprodukt beim Stoffwechsel einer anderen Aminosäure, Methionin.

 „Wird es nicht schnell abgebaut, kommt es zur Homocystein-Akkumulation. 

Dies ist häufig bei älteren Menschen zu beobachten. 

Zudem könnten auch eine fettreiche Ernährung und Bewegungsmangel den Homocysteinspiegel im Blut erhöhen“, erklärt Oksana Tehlivets.

Zu viel Homocystein macht die Aorta steif

In ihren Studien konzentrierten sich die Forscher*innen auf die Rolle dieser Aminosäure. „Den Einfluss von Cholesterin haben wir bewusst außen vor gelassen, da wir bereits wissen, dass zu viel davon die Blutgefäße verdickt. Dass erhöhte Homocystein-Werte die Blutgefäße jedoch steifer und weniger elastisch machen, wurde als Risikofaktor bisher weniger beachtet“, erklärt Francesca Bogoni.

Die Forschungsergebnisse legen den Grundstein für ein besseres Verständnis der Mechanismen, die Atherosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Allgemeinen verursachen. Die Forschung wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und BioTechMed-Graz, dem gemeinsamen Forschungsnetzwerk für Gesundheit der Universität Graz, der Medizinischen Universität Graz und der Technischen Universität Graz, gefördert.

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Gerhard A. Holzapfel
Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c.
TU Graz | Institute of Biomechanics
Tel.: +43 316 873 35500
holzapfel@tugraz.at

Oksana Tehlivets
Priv.-Doz. Dr.
Universität Graz | Institut für Molekulare Biowissenschaften
Tel: +43 316 380 1995
oksana.tehlivets@uni-graz.at

Originalpublikation:
Bogoni et al. Homocysteine leads to aortic stiffening in a rabbit model of atherosclerosis. Acta Biomaterialia, 2025. DOI: https://doi.org/10.1016/j.actbio.2025.06.003

Tehlivets et al. Homocysteine contributes to atherogenic transformation of the aorta in rabbits in the absence of hypercholesterolemia. Biomedicine & Pharmacotherapy, 2024.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.biopha.2024.117244

Bogoni et al. On the experimental identification of equilibrium relations and the separation of inelastic effects of soft biological tissues. Journal of the Mechanics and Physics of Solids, 2024.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.jmps.2024.105868

Regelmässig Koffein

Forschende aus Bielefeld und Warwick erheben Daten über vier Wochen

Menschen, die regelmäßig Koffein konsumieren, sind nach einer Tasse Kaffee meist in besserer Stimmung – besonders am Morgen. Das belegt eine neue Studie von Forschenden der Universität Bielefeld und der britischen University of Warwick, die in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde. Die Befragten fühlen sich laut eigener Angabe nach morgendlichem Kaffeekonsum in der Regel deutlich glücklicher und enthusiastischer als ohne Kaffee an anderen Tagen um die gleiche Uhrzeit.


Kaffee wirkt der Erhebung zufolge auch gegen negative Stimmungslagen wie Traurigkeit und Ärger – dieser Zusammenhang ist aber weniger stark. Nach dem Konsum von Kaffee berichteten die Befragten auch etwas weniger Traurigkeit oder Verärgerung als an vergleichbaren Tagen, wenn sie keinen Kaffee getrunken hatten. Im Gegensatz zu den positiven Emotionen hing dies aber nicht von der Uhrzeit ab.

Insgesamt wurden 236 junge Erwachsene über bis zu vier Wochen untersucht. Die Studienteilnehmer*innen beantworteten dabei sieben Mal täglich einen kurzen Fragebogen auf ihrem Handy und gaben dabei jeweils an, wie ihre aktuelle Stimmung ist und ob sie in den vorangehenden 90 Minuten ein koffeinhaltiges Getränk getrunken hatten.

Wahrgenommener Effekt unabhängig von Konsumgewohnheiten

Die Forschenden gingen auch der Frage nach, ob Kaffee individuell unterschiedlich wirkt. „Wir waren überrascht, dass wir keine Unterschiede zwischen Personen mit unterschiedlich starken Konsumgewohnheiten, unterschiedlicher Depressivität, Ängstlichkeit oder Schlafproblemen finden konnten“, sagt der Erstautor der Studie, Justin Hachenberger von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. „Der Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und positiven und negativen Emotionen war in all diesen Gruppen relativ ähnlich.“

So erwarteten die Forschenden, dass Personen mit höherer Ängstlichkeit negative Stimmungsveränderungen wie erhöhte Nervosität nach dem Koffeinkonsum erleben. „Es ist jedoch möglich, dass Personen, die wissen, dass sie nicht gut auf Koffein reagieren, einfach kein Koffein trinken. Solche Personen waren in der Studie nicht vertreten, da nur die Daten der Koffein-Konsument*innen ausgewertet wurden“, so Justin Hachenberger.

Rolle von Koffein-Entzugserscheinungen bleibt unklar

Die in der Studie belegte stimmungsaufhellende Wirkung erklären die Forschenden so: Koffein blockiert die Adenosin-Rezeptoren im Gehirn, wodurch man sich wacher und energiegeladener fühlt. Co-Autorin Professorin Anu Realo PhD von der University of Warwick erklärt: „Koffein wirkt, indem es Adenosin-Rezeptoren blockiert, was die Dopaminaktivität in wichtigen Hirnregionen erhöhen kann – ein Effekt, den Studien mit einer verbesserten Stimmung und gesteigerter Wachsamkeit in Verbindung gebracht haben.“

Eine offene Frage bleibt jedoch, ob diese Effekte mit einer Verringerung von Entzugserscheinungen nach der Nacht zusammenhängen. „Selbst Menschen mit nur mäßigem Koffeinkonsum können leichte Entzugserscheinungen verspüren, die mit dem ersten Kaffee oder Tee am Morgen verschwinden“, so Anu Realo.

Koffeinkonsum: eine universelle Gewohnheit

„Weltweit konsumieren etwa 80 Prozent der Erwachsenen koffeinhaltige Getränke und der Konsum von Tee und Kaffee reicht geschichtlich weit zurück“, sagt Professor Dr. Sakari Lemola von der Universität Bielefeld, der Letztautor der Studie. „Sogar bei wildlebenden Tieren ist Koffeinkonsum belegt, so bevorzugen Bienen- und Hummelarten Nektar von Pflanzen mit Koffeingehalt.“

Das Forschungsteam weist darauf hin, dass Koffeinkonsum zu Abhängigkeit führen kann. Übermäßiger Koffeinkonsum ist demnach mit verschiedenen Gesundheitsrisiken verbunden, und Koffeinkonsum zu späterer Tageszeit wird mit Schlafproblemen in Verbindung gebracht.

Publiziert in vielzitiertem Fachmagazin

Das Journal Scientific Reports, in dem die Studie veröffentlicht wurde, ist nach Eigenangaben die drittmeistzitierte wissenschaftliche Zeitschrift der Welt. Laut dem Datendienstleister Clarivate liegt der Impact-Factor bei 3,9 (2024).

Die Studie steht in Bezug zum Fokusbereich InChangE der Universität Bielefeld, der sich mit Individualisierung in sich ändernden Umwelten befasst.

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Justin Hachenberger, Universität Bielefeld
Arbeitseinheit Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie
Telefon 0521 106-67934
E-Mail: 

justin.hachenberger@uni-bielefeld.de

Originalpublikation:
Justin Hachenberger, Yu-Mei Li, Anu Realo, Sakari Lemola: The association of caffeine consumption with positive affect but not with negative affect changes across the day. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-025-14317-0, veröffentlicht am 5. August 2025.

HILDE steht für Haptische Interfaces für lebendige, digitale Erfahrungen

Im Projekt HILDE wollen Forschende der HTW Dresden älteren Menschen digitale Kommunikation über haptische Interaktion ermöglichen.

Ältere Menschen sind oft einsam, insbesondere wenn sie gesundheitlich eingeschränkt oder auf Pflege angewiesen sind. Smartphone oder Tablet bieten zwar Kontaktmöglichkeiten, doch sind viele Ältere nicht in der Lage, die moderne Technik zu nutzen. Hier setzt das Projekt HILDE der HTW Dresden an. 

Das dreijährige Forschungsvorhaben hat das Ziel, durch leicht handhabbare digitale Kommunikationsmittel die sozialen Kontakte zu verbessern und der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken.

„HILDE steht für Haptische Interfaces für lebendige, digitale Erfahrungen“, erklärt Projektleiterin Joanna Dauner, Professorin für Gestaltung an der Fakultät Design der HTWD. „Mittels einer einfach anwendbaren, barrierearmen Technologie möchten wir den Austausch mit Nahestehenden über Distanzen hinweg ermöglichen.“ Interaktive Gegenstände sollen die Nutzung leicht machen und dazu verhelfen, selbstbestimmt und spielerisch mit Freundinnen und Freunden oder Verwandten in Verbindung zu treten.

Suche nach bedarfsgerechter Lösung
Die Projektidee entstand während der Corona-Pandemie, als jüngere Menschen auf digitalem Weg ihre sozialen Kontakte pflegen konnten, dies vielen Älteren aber verwehrt blieb. Wie ließe sich das mithilfe geeigneter Technik ändern? Um Bedarf und Akzeptanz zu analysieren, wurden Seniorinnen und Senioren in die Forschungsarbeit mit eingebunden. Über persönliche Beziehungen zur Heimleitung gelang es trotz Corona-Einschränkungen, das Gulielminetti Seniorenwohn- und Pflegeheim in Marktoberdorf im Allgäu als Kooperationspartner zu gewinnen. „Zehn Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung nehmen an dem Projekt teil“, so Joanna Dauner. „Für Angehörige und das Pflegepersonal haben wir im Vorfeld Workshops organisiert und sie in das Projekt einbezogen, weil ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen unverzichtbar sind.“

Ein erster Ansatz bestand darin, ein Tablet mit seniorenfreundlicher Benutzeroberfläche um haptische interaktive Elemente zu erweitern. Es stellte sich jedoch heraus, dass daran kein Interesse besteht, weil diejenigen, die ein Tablet nutzen, mit den vorhandenen Geräten gut klarkommen. Dagegen sind Menschen, die unter Einschränkungen wie fehlender Feinmotorik, kognitiven Störungen oder Demenz leiden, mit dieser Technik generell überfordert. Sie benötigen eine einfachere Lösung.

Interaktion über einen Gegenstand
Der neue Ansatz basiert auf einem leicht zu bedienenden Tonabspielgerät ähnlich der von der Firma Tonies für Kinder konzipierten würfelförmigen Toniebox. Die Anwendung ist denkbar einfach: Wird ein kleiner Gegenstand auf diese Lautsprecherbox gestellt, startet die Audiowiedergabe. Die Box erlaubt so eine intuitive Steuerung über eine haptische Interaktion.

Gemeinsam mit Partnerinnen und Patnern und in enger Zusammenarbeit mit dem Gulielminetti-Haus entwickelte das Team der HTWD eine derartige Box speziell für ihre Zielgruppe. Doch nicht Hörbücher oder Musik sollen aus dem Lautsprecher ertönen, sondern individuelle Aufnahmen mit ganz persönlichen Inhalten unter dem Motto „Weißt du noch?“

Erfahrungen zeigen, dass kognitiv eingeschränkte Menschen auf Geschichten positiv reagieren. Die Idee ist, dass Kinder, Enkel oder Bekannte von Erlebnissen berichten oder Geschichten erzählen und dies aufnehmen. Beim Abspielen der Audiodatei sind dann die vertrauten Stimmen zu hören, die vielleicht Erinnerungen wachrufen und Nähe zu den sprechenden Personen herstellen. „Wir haben das im Seniorenheim ausprobiert“, berichtet Joanna Dauner. 

„Ein Sohn hat für seine demente Mutter Gebete gesprochen. Die digitale Aufnahme wurde mit einer kleinen Marienfigur verknüpft, die der alten Frau viel bedeutet. Immer, wenn sie diese auf die Box stellt, hört sie die Stimme ihres Sohnes, was ihr sichtlich Freude macht.“

Weitere Anwendungsmöglichkeiten::

Bis Jahresende wollen die Partner an der Weiterentwicklung der Demonstrator-Box arbeiten. 

Die Firma Awesome Technologies stellt das Backend, das die Datenverarbeitung steuert, und gewährleistet den Datenschutz. 

Auch bietet sie ein eigenes datenschutzkonformes Chat-System für weitere Anwendungsmöglichkeiten wie das Senden und Empfangen von Nachrichten. Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung entwickelt eine Anzeige am Gerät, die durch Formgedächtnislegierungen – Materialien mit der Fähigkeit, ihre Form zu ändern und ihre ursprüngliche Gestalt wieder anzunehmen – gesteuert wird.


Mit den ethischen Aspekten der Technik und der Durchführung der Studien beschäftigt sich die Forschungsgruppe Geriatrie der Charitè – Universitätsmedizin Berlin.

Anfang 2026 soll eine Abschlussstudie zeigen, ob das Gerät die nötige Akzeptanz findet und dabei hilft, Einsamkeit zu überwinden. 

„Für den mehrwöchigen Test suchen wir noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagt die Projektleiterin.

 „Erfüllt die Box ihren Zweck, könnte man sie langfristig auf den Markt bringen, zumal die technologische Basis größtenteils vorhanden ist. 

Wir haben in dem Projekt aber auch viele zusätzliche Erkenntnisse gewonnen, die wir gerne weitergeben möchten.“

Das Projekt „HILDE” wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert und läuft bis April 2026.

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Prof. M.A. Joanna Maria Dauner
Professorin für Grundlagen der Gestaltung
joanna.dauner@htw-dresden.de

Das Calcium: Die Schlüsselrolle

Jedes Mal, wenn ein Muskel kontrahiert wird oder im Gehirn ein Gedanke entsteht, ist Calcium daran beteiligt, den Prozess in Gang zu setzen. 

Ist die Signalübertragung abgeschlossen, muss das Calcium schnell wieder aus der Zelle entfernt werden, um sie für den nächsten Impuls bereit zu machen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität des Saarlandes und der Universität Freiburg zeigten nun, dass dies nicht etwa nur durch intrazelluläre Puffer geschieht, wie man bislang glaubte, sondern hauptsächlich durch Plasmamembran-Calcium-Pumpen, die mit einer mehr als 100-mal höheren Transportgeschwindigkeit arbeiten als bisher angenommen.

Die gemeinsame Forschungsarbeit wurde jetzt in Nature Communications veröffentlicht.

Ob bei der Kontraktion eines Muskels oder der Signalübertragung im Gehirn: Alle diese Prozesse beruhen auf elektrischen Signalen in den Nervenzellen. Ausgelöst werden sie durch das Zusammenspiel von Ionen, unter denen Calcium eine Schlüsselrolle spielt: „Wenn Calcium in die Zelle kommt, wirkt es wie ein Einschaltknopf, mit dem eine Funktion eines Proteins in Gang gesetzt oder ausgeschaltet wird“, sagt Heiko Rieger, Professor für Theoretische Physik an der Universität des Saarlandes. Wird beispielsweise ein Signal von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen, so geschieht dies durch Neurotransmitter, die aus kleinen Vesikeln an den Synapsen freigesetzt werden. Die Vesikel fusionieren dabei mit der Membran der Synapse, und ihr Inhalt gelangt durch den synaptischen Spalt zur benachbarten Nervenzelle. „Auslöser für diesen Prozess sind Calcium-Ionen. Sie setzen die Maschinerie in Gang, die die Vesikel an die Membran ziehen, diese öffnen und den Neurotransmitter freisetzen“, erläutert Rieger. Entscheidend sei, dass die intrazelluläre Calcium-Konzentration anschließend sofort wieder abgesenkt werde, um die Zelle für die nächste Signalübertragung bereit zu machen.

Wie also gelangen die Calcium-Ionen so rasch ins Zellinnere – und, vor allem, wieder hinaus? Für das Einströmen in die Zelle sei das enorme Konzentrationsgefälle verantwortlich, erklärt Heiko Rieger. „Da außerhalb der Zelle sehr viel höhere Calcium-Konzentrationen herrschen als im Zellinneren, diffundieren Calcium-Ionen mit dem Gradienten in die Zelle hinein. Dazu öffnen sich Calcium-Kanäle, und pro Sekunde strömen rund 100.000 Calcium-Ionen durch jeden Kanal.“ Sobald das Signal beendet ist, müssen sie so schnell wie möglich aus der Zelle hinausbefördert werden – und zwar gegen das Konzentrationsgefälle. „Bisher nahm man an, dass entweder Calcium-Puffer innerhalb der Zelle diese Aufgabe übernehmen oder Pumpen in den Zellwänden – wobei man glaubte, dass diese viel zu langsam arbeiten und deshalb für die rasche Entsorgung doch eher die Puffer zuständig sind.“

In ihrem neuen Paper konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität des Saarlandes (Prof. Heiko Rieger, Prof. Dieter Bruns, Dr. Yvonne Schwarz und Barbara Schmidt) und der Universität Freiburg zeigen, dass es doch die Calcium-Pumpen in der Plasmamembran sind, die zum größten Teil für das schnelle Abpumpen von Calcium-Ionen aus dem Zellinneren verantwortlich sind (wobei sie als Energiequelle ATP, also Adenosintriphosphat, nutzen). Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung: „Diese sogenannten Plasmamembran-Calcium-ATPasen (kurz „PMCA“) arbeiten nicht etwa, wie lange geglaubt, mit 100 Hertz, also mit 100 Zyklen pro Sekunde, sondern im hohen Kilohertz-Bereich: Das heißt, sie pumpen 10.000 oder mehr Calcium-Ionen pro Sekunde aus der Zelle heraus und arbeiten damit mehr als 100-mal schneller als bisher angenommen. So sind sie in der Lage, die Calcium-Konzentrationen im Zellinneren präzise und schnell zu regulieren“, legt Heiko Rieger dar. Diese Erkenntnis widerlege bisherige wissenschaftliche Annahmen und habe sich aus einer Pionierleistung der Freiburger Kollegen ergeben: „Ihnen ist es nämlich zum ersten Mal gelungen, die Arbeit der PMCAs in voll funktionsfähigem Zustand zu messen.“

Dabei wirken die PMCA-Pumpen mit dem Membranlipid PtdIns(4,5)P2 zusammen. Die so entstehenden sogenannten PMCA2-Neuroplastin-Komplexe erlauben unter anderem die schnelle Bindung und Abgabe der Calcium-Ionen und ermöglichen so die außergewöhnlich hohe Pumpleistung. Ohne diese Lipidbindung verlangsamt sich der Transport massiv.

Für seine funktionellen Experimente nutzte das Freiburger Team ultraschnelle Sensoren (und zwar Calcium-aktivierte Kaliumkanäle), die Änderungen der Kalziumkonzentration im Bereich von Millisekunden sichtbar machen. Zusammen mit den durch Elektronenmikroskopie ermittelten Dichten der Pumpenkomplexe in den Zellmembranen (rund 55 Komplexe pro Quadratmikrometer) konnten die Forscherinnen und Forscher mithilfe eines mathematischen Modells von Professor Heiko Rieger erstmals zuverlässig die Transportgeschwindigkeit der PMCA-Pumpen berechnen.

Die gewonnenen Einblicke in die entscheidenden Funktionsmechanismen ultraschneller Calcium-Pumpen eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis neuronaler Erkrankungen. Eine Vielzahl neurodegenerativer Erkrankungen, wie die Alzheimer-Krankheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, werden mit Störungen des intrazellulären Calcium-Spiegels in Verbindung gebracht. Insofern könnten die Forschungsergebnisse neue Angriffspunkte für Wirkstoffe schaffen, die gezielt in Calcium-regulierte Signalwege eingreifen.

Originalpublikation:
Cristina E. Constantin, Barbara Schmidt, Yvonne Schwarz, Harumi Harada, Astrid Kollewe, Catrin S. Müller, Sebastian Henrich, Botond Gaal, Akos Kulik, Dieter Bruns, Uwe Schulte, Heiko Rieger & Bernd Fakler: Ca2+-pumping by PMCA-neuroplastin complexes operates in the kiloHertz-range. Nature Communications 16, 7550 (2025)
Link zur Veröffentlichung: https://doi.org/10.1038/s41467-025-62735-5

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Professor Dr. Heiko Rieger
Universität des Saarlandes
Professur für Theoretische Physik, Arbeitsgruppe für theoretische Biophysik, statistische Physik und Computerphysik
Tel.: +49 681 302-3969 (Sekretariat: 302-2423)
E-Mail: heiko.rieger@uni-saarland.de
https://www.rieger.uni-saarland.de/

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41467-025-62735-5

Psychotherapie etablierte Behandlungsmethode ist die kognitive Verhaltenstherapie

Psychotherapie führt zu messbaren Veränderungen der Hirnstruktur. 

Das haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Münster erstmals in einer Studie am Beispiel der kognitiven Verhaltenstherapie nachgewiesen. 

Die Arbeit erschien im Fachjournal "Translational Psychiatry". 

Hierfür untersuchte das Team die Gehirne von 30 Patientinnen und Patienten mit einer akuten Depression. 

Die meisten davon zeigten nach der Therapie Veränderungen in Bereichen, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind. 

Die beobachteten Effekte ähneln denen, die bereits aus Studien zu Medikamenten bekannt sind.

Weltweit sind rund 280 Millionen Menschen von einer schweren Depression betroffen. 

Dabei kommt es zu Veränderungen der Hirnmasse des vorderen Hippocampus und der Amygdala – beide Areale sind Teil des limbischen Systems und vorwiegend für die Verarbeitung und Kontrolle von Emotionen verantwortlich. 

Eine in der Psychotherapie etablierte Behandlungsmethode ist die kognitive Verhaltenstherapie.

 „Die kognitive Verhaltenstherapie bewirkt eine positive Veränderung der Denkmuster, Emotionen und Verhaltensweisen. 

Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess auch mit funktionellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn verbunden ist. Für Therapien mit Medikamenten oder Elektrostimulationen ist dieser Effekt bereits nachgewiesen, für die Psychotherapie allgemein bislang jedoch nicht valide“, sagt Prof. Dr. Dr. Ronny Redlich, Leiter der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie ander MLU.

Dieser Nachweis ist den Forschenden der MLU und der Universität Münster nun gelungen – in einer umfangreichen Studie mit 30 an einer akuten Depression leidenden Menschen. Die Gehirne der Betroffenen wurden vor und nach 20 Sitzungen einer Verhaltenstherapie mit der strukturellen Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. „MRT-Aufnahmen liefern Informationen über Form, Größe und Lage von Gewebe“, erklärt die Psychologin Esther Zwiky von der MLU. Zusätzlich zu den MRT-Aufnahmen wurden klinische Interviews geführt, um die Symptome der Erkrankung, etwa Schwierigkeiten beim Identifizieren und Beschreiben von Gefühlen, zu analysieren. Außerdem nahmen zu Vergleichszwecken 30 gesunde Kontrollpersonen an der Studie teil, die keine Therapie durchliefen.

Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: 

19 von 30 Patientinnen und Patienten hatten nach der Therapie kaum noch eine akute depressive Symptomatik.

Erstmals haben die Forschenden auch konkrete anatomische Veränderungen dokumentiert. „Wir haben eine deutliche Zunahme des Volumens grauer Hirnmasse in der linken Amygdala und im vorderen rechten Hippocampus festgestellt“, sagt Esther Zwiky. Die Forschenden sehen hier einen klaren Zusammenhang mit den Symptomen: Personen mit höherem Zuwachs grauer Hirnmasse in der Amygdala zeigten auch einen stärkeren Rückgang ihrer Gefühlsstörungen.

„Dass die kognitive Verhaltenstherapie wirkt, war bereits bekannt. Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur. 

Einfacher ausgedrückt:

Psychotherapie verändert das Gehirn“, erklärt Ronny Redlich. 

Redlich betont, dass es keine grundsätzlich bessere oder schlechtere Therapie gibt – bei manchen Menschen schlagen Medikamente besser an, bei anderen funktionieren Elektrostimulationen sehr gut, dritten wiederum hilft Psychotherapie am besten. 

„Umso erfreulicher ist, dass wir durch unsere Studie zeigen konnten, dass Psychotherapie auch aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine gleichwertige Alternative ist“, so Redlich.

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und dem Land Sachsen-Anhalt gefördert.

Originalpublikation:
Studie: Zwiky E. et al. Limbic gray matter increases in response to cognitive behavioural therapy in major depressive disordner. Translational Psychiatry (2025). doi: 10.1038/s41398-025-03545-7

Tinnitus

Medizintechniker arbeiten an der Erforschung des Mechanismus des pulssynchronen Tinnitus und eröffnen neue Wege zur Diagnose und Therapie

Medizintechniker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben erstmals in Computermodellen den Mechanismus für die Entstehung von Ohrgeräuschen beim sogenannten pulssynchronen Tinnitus patientenspezifisch modelliert und simuliert, wie das durch Engstellen im Gehirn entstehende quälende Rauschen im Ohr mit einer Gefäßstütze (Stent) behandelt werden kann. Die Studienergebnisse des Teams um den Ingenieur Janneck Stahl vom Forschungscampus STIMULATE der Universität Magdeburg eröffnen neue Möglichkeiten für eine schonende und nichtinvasive Diagnose und Behandlung der für die Patientinnen und Patienten belastenden Beschwerden.

„Das rhythmische Rauschen im Takt des Herzschlags macht diese Form des Tinnitus zu einer besonders quälenden Erkrankung, für die es bisher noch großen Forschungsbedarf gibt“, so Janneck Stahl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizintechnik der Universität. Aber im Gegensatz zum klassischen Tinnitus lasse sich das Geräusch beim pulssynchronen Tinnitus auf eine körperliche Ursache zurückführen, in diesem Fall die sogenannte Sinusstenose, eine Verengung einer großen Hirnvene nahe am Ohr, so der Ingenieur weiter. „Der krankhaft beschleunigte Blutfluss erzeugt an dieser Stelle Wirbel, die das störende Pulsgeräusch hervorrufen können. Verlangsamen wir den Blutfluss durch die Verbreiterung des Gefäßes mittels eines Stents, verschwinden die auftretenden Komplexitäten im Blutfluss und damit auch die belastenden Geräusche.“

Das Forschungsteam wertete Bilddaten von Patientinnen und Patienten aus, die sie vom Team des US-amerikanischen Neurochirurgen Prof. Ali Alaraj von der University of Illinois in Chicago erhalten haben, und entwickelte daraus detailgetreue Computermodelle des Blutflusses im Kopf. Die Simulationen zeigten: Um die Engstelle steigt die Strömungsgeschwindigkeit an der Gefäßwand sowie der Druckabfall entlang des Gefäßinnenraumes – Faktoren, die das Rauschen im Ohr erklären. Nach dem virtuellen Einsetzen eines Stents beruhigte sich der Blutfluss deutlich. Aufnahmen aus der Rotationsangiographie erwiesen sich dabei als verlässliche Grundlage für die Diagnose des behandlungsentscheidenden Druckabfalls.

„Unsere Ergebnisse liefern einen klaren mechanischen Beleg, dass eine Gefäßstenose den pulssynchronen Tinnitus verursachen kann und dass eine minimalinvasive Intervention Aussicht auf Erfolg besitzt“, so Stahl.

Für die Veröffentlichung der Studie im international renommierten Journal of Neurointerventional Surgery wurde das Magdeburger Forschungsteam soeben beim 17. Kongress der European Society of Minimally Invasive Neurological Therapy ESMINT im französischen Marseille mit dem Award „Best European Publication 2025“ ausgezeichnet.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure des Forschungscampus STIMULATE kooperieren auch bei diesem Forschungsprojekt eng mit der Universitätsklinik für Neuroradiologie Magdeburg. Um künftig mehr Patientinnen und Patienten helfen zu können, ist dort eine Spezialsprechstunde für Betroffene von pulssynchronem Tinnitus eingerichtet worden. Ziel sei eine schonende, nicht-invasive Bilddiagnostik, die verlässliche Hinweise für die Therapie gibt.

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Janneck Stahl
Institut für Medizintechnik
0391-67-57272
janneck.stahl@ovgu.de

Weitere Informationen finden Sie unter
Studie

Herzschrittmacher vs Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

In einer deutschlandweiten klinischen Studie untersuchen Forschende des LMU Klinikums München und des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) eine neuartige Methode der Schrittmachertherapie, die helfen könnte, eine durch klassische Schrittmacher hervorgerufene Herzschwäche zu vermeiden.

Herzschrittmacher retten Leben – insbesondere bei Menschen mit einem sogenannten AV-Block. 

Dabei handelt es sich um eine Störung der elektrischen Signale, die normalerweise dafür sorgen, dass das Herz im richtigen Takt schlägt. 

In solchen Fällen übernimmt der Schrittmacher diese Aufgabe.

Herzschrittmacher: Lebenswichtig, aber nicht ohne Nebenwirkungen

Allerdings hat die klassische Methode der Stimulation einen Nachteil: 

Der Herzmuskel wird an einer Stelle (der Herzspitze) stimuliert, die von der natürlichen Signalweiterleitung abweicht. 

Auf Dauer kann das dazu führen, dass die beiden Herzkammern nicht mehr optimal zusammenarbeiten – was die Pumpleistung des Herzens schwächt und langfristig eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) verursachen kann.

Natürlichere Erregung – bessere Herzfunktion

Die neue Methode, das sogenannte physiologische Linksbündel-Pacing (Left Bundle Branch Area Pacing, LBBAP), ahmt die natürliche Signalweiterleitung des Herzens deutlich besser nach. 

Statt das elektrische Signal künstlich „von außen“ zu starten, wird gezielt das innere Reizleitungssystem des Herzens – das sogenannte His-Purkinje-System – aktiviert. 

Dieses System sorgt im gesunden Herzen dafür, dass alle Herzmuskelzellen im richtigen Moment kontrahieren und das Herz effizient Blut durch den Körper pumpt.

„Die herkömmliche Stimulation kann die Herzleistung auf Dauer beeinträchtigen – besonders bei Patientinnen und Patienten, deren Herz fast ständig durch den Schrittmacher gesteuert werden muss“, erklärt PD Dr. Moritz Sinner, Kardiologe an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums München und einer der wissenschaftlichen Leiter der Studie. „Die neue Technik könnte hier eine deutlich schonendere und effektivere Lösung sein.“

Gemeinsam stark – multizentrische Studie mit über 20 Kliniken

An der Studie beteiligen sich über 20 Kliniken in ganz Deutschland. Insgesamt sollen etwa 200 Patientinnen und Patienten mit höhergradigem AV-Block teilnehmen – also Menschen, die dauerhaft auf einen Schrittmacher angewiesen sind.

Die wissenschaftliche Leitung teilen sich PD Dr. med. Florian Blaschke (DHZC) und PD Dr. med. Moritz Sinner (LMU Klinikum München). 

Die Charité übernimmt zudem die rechtliche Verantwortung für das Projekt.

„Eine so enge und produktive Zusammenarbeit zwischen zwei führenden Universitätskliniken ist nicht selbstverständlich“, sagt PD Dr. Florian Blaschke. 

„Umso mehr freut es uns, wie zielgerichtet und engagiert wir dieses wichtige Projekt gemeinsam voranbringen.“

Frühphase der Forschung – aber mit Potenzial für die Zukunft

Gefördert wird die Studie vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Sie gehört zur Kategorie der sogenannten „Early Clinical Trials“, also Studien in einem frühen Forschungsstadium. Dabei wird nicht direkt untersucht, ob Patientinnen und Patienten länger leben oder seltener ins Krankenhaus müssen – vielmehr wird zunächst geschaut, ob die neue Methode günstige Auswirkungen auf messbare Werte wie die Herzfunktion hat. Solche sogenannten Surrogat-Endpunkte gelten als wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu einer späteren breiteren Anwendung.

Sollten sich die positiven Effekte des Linksbündel-Pacings bestätigen, könnte das Verfahren schon bald Eingang in medizinische Leitlinien finden – also in die offiziellen Behandlungsempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte. 

Die aktuelle Studie legt hierfür eine wichtige wissenschaftliche Grundlage. Weitere Untersuchungen sind geplant, um die Erkenntnisse zu festigen und die Methode langfristig in der klinischen Praxis zu etablieren.

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PD Dr. med. Florian Blaschke, Deutsches Herzzentrum Charité, florian.blaschke@dhzc-charite.de

PD Dr. med. Moritz Sinner, MPH, Medizinische Klinik und Poliklinik I, LMU Klinikum München, moritz.sinner@med.uni-muenchen.de


Weitere Informationen finden Sie unter


Studientitel: Left Bundle Branch Area Pacing versus Right Ventricular Pacing to Maintain Physiological Ventricular Activation in Patients with Normal or Mildly Reduced Left Ventricular Ejection Fraction (Preserve-Synch-DZHK30)

Weiße Blutkörperchen und zentraler Bestandteil des Immunsystems.

Neutrophile Granulozyten (kurz Neutrophile) sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und zentraler Bestandteil des Immunsystems. 

Häufig sind sie ein erster Indikator für eine Infektion und bekämpfen diese frühzeitig im entzündeten Gewebe. 

Bei einem Überschuss können sie jedoch auch zu schweren Gewebeschädigungen führen und den Krankheitsverlauf verschlechtern. 

Einem Forschungsteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) ist es nun gelungen, Neutrophile mit einem theranostischen Ansatz sichtbar zu machen und ihre Funktion gezielt zu modulieren, wie in der Fachzeitschrift Advanced Science berichtet wurde.

Unter „Theranostik“ versteht man die enge Verzahnung von Therapie und Diagnostik. Ziel dieses Ansatzes ist es, Behandlungen individuell auf Patientinnen und Patienten zuzuschneiden und den optimalen Zeitpunkt für eine Therapie bereits im Rahmen der Diagnose exakt zu bestimmen.

Neutrophile gehören zum unspezifischen angeborenen Immunsystem. Durch ihre Effektor-Funktionen übernehmen sie eine Schlüsselrolle in der Erstabwehr von Bakterien und unterstützen den Körper bei der Bekämpfung von Infektionserregern in betroffenem Gewebe. 

Eine übermäßige Ausschüttung kann jedoch den Heilungsprozess behindern und zu Gewebeschädigungen führen. Insbesondere bei älteren Menschen ist die Funktion der Neutrophilen häufig eingeschränkt und eine gezielte Modulation ihrer Wirkweise könnte daher erhebliches therapeutisches Potenzial mit sich bringen.

Die Studie entstand unter Zusammenarbeit des Instituts für Molekulare Kardiologie, der Klinik für Anästhesiologie, des Institut für Physikalische Chemie I und des Instituts für Translationale Pharmakologie der HHU. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. Ulrich Flögel vom Institut für Molekulare Kardiologie. Ziel des Forschungsteams war es, die Funktionalisierung von Neutrophilen sichtbar zu machen und steuerbar zu gestalten, um langfristig die Behandlungsergebnisse zu verbessern.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzten die Forschenden in einem experimentellen Colitis-Modell in der Maus neutrophilenspezifische Peptide (NP) ein, die an fluorhaltige Nanopartikel (FNP) gekoppelt wurden. Dadurch ließ sich in der Magnetresonanztomografie (MRT) die Wanderung der Neutrophilen präzise verfolgen, ohne deren Funktion zu beeinträchtigen. Zudem gelang es, die Neutrophilen mithilfe inhibitorischer oder stimulierender Liganden zelltypspezifisch in unterschiedliche Richtungen zu steuern. So konnte eine übermäßige Ausschüttung von Neutrophilen im entzündeten Gewebe gezielt verhindert werden.

„Die gezielte Aktivierung von Neutrophilen könnte perspektivisch eine Möglichkeit darstellen, eine eingeschränkte Immunfunktion bei älteren Menschen zu überwinden“, erklärt Prof. Flögel. „Dabei ist jedoch entscheidend, die Stärke der Stimulation streng zu überwachen, um eine Überreaktion zu verhindern.“ Dies könnte durch die gleichzeitige Beobachtung der Neutrophilendynamik mittels MRT gewährleistet werden. „Gleichzeitig konnten wir zeigen, dass sich auch theranostische Ansätze zur Abschwächung der Neutrophilenfunktion realisieren lassen, die die Zellen in einem inaktivierten Zustand halten“ so Prof. Flögel abschließend.

Der theranostische Ansatz eröffnet so die Möglichkeit, entweder die Immunantwort gezielt zu verstärken, um Infektionen effizienter zu bekämpfen, oder eine überschießende Abwehrreaktion abzumildern und damit Heilungsprozesse entscheidend zu fördern. Der hier entwickelte Ansatz könnte eine Grundlage zur Funktionalisierung von Neutrophilen darstellen.

 Schema des verwendeten Forschungsansatzes: Funktionalisierte FNPs (links oben) binden nach intravenöser Gabe (oben Mitte) an zirkulierende Neutrophile (oben rechts) und modulieren deren Effektorfunktionen (unten rechts). Deren Infiltration in die entzündete Darmwand kann mittels MRT sichtbar gemacht werden (unten links; coronaler MRT-Schnitt entlang des Darms) und dämpft zugleich die Folgen einer experimentell induzierten Colitis.

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Prof. Dr. Ulrich Flögel

Originalpublikation:
Theranostic Toolbox for Neutrophil Functionalization

P. Bouvain, K.-M. Thomy, A. M. Prinz, B. Steckel, S. Kadir, A. Röhs, J. Schmitz, C. Dohle, M. Karg, M. Grandoch, U. Flögel, S. Temme. Advanced Science 2025.

DOI: 10.1002/advs.202504412
Link: https://advanced.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.1002/advs.202504412

Vorhofflimmerlast

Eine Analyse von Tele-EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie ergab: Eine niedrige Vorhofflimmerlast von weniger als sechs Prozent im ersten Jahr der frühen rhythmuserhaltenden Therapie war mit niedrigen Raten kardiovaskulärer Ereignisse in den folgenden vier Jahren der Nachbeobachtung verbunden.

Patient:innen mit einer höheren Vorhofflimmerlast während der frühen rhythmuserhaltenden Behandlung erlitten mehr Komplikationen. 

Die Ergebnisse wurden heute von AFNET Vorstandsmitglied Prof. Ulrich Schotten, Universität Maastricht, in einer Hotline Sitzung auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Madrid vorgestellt (1,2).


Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die zu schweren Komplikationen wie Schlaganfall, Herzschwäche und kardiovaskulärem Tod führt. Derzeit wird Vorhofflimmern durch ein EKG diagnostiziert, was zu einer lebenslangen, binären Diagnose führt, die auf dem Vorhandensein von Vorhofflimmern in einem einzigen EKG beruht. Neuere Daten zeigen die Unzulänglichkeiten dieser binären Diagnose und legen nahe, dass die Vorhofflimmerlast (AF Burden) als quantitativer Parameter, definiert als den Anteil der überwachten Zeit, die im Vorhofflimmern verbracht wurde, die Schwere der Erkrankung besser widerspiegelt und das Risiko für Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Ereignisse beeinflusst (3,4).

Prof. Schotten erklärt: "Tele-EKGs oder Wearables, mit denen die Patient:innen selbst eine intermittierende Überwachung ihres Herzrhythmus durchführen, liefern eine Schätzung der Vorhofflimmerlast, die die Diagnose verfeinern und eine individuell angepasste Therapie ermöglichen könnte. Wenn die mittels von den Patient:innen aufgezeichneten EKGs geschätzte Vorhofflimmerlast mit kardiovaskulären Ereignissen in Zusammenhang steht, würde sich die Nutzung für ein digitales Patient:innenmanagement aus der Ferne anbieten. Um diese Frage zu untersuchen, haben wir EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie analysiert."

Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat gezeigt: Ein frühzeitiger Rhythmuserhalt – durch Antiarrhythmika oder eine Vorhofflimmerablation – innerhalb eines Jahres nach der Diagnose Vorhofflimmern erzielte über einen Zeitraum von fünf Jahren bessere Ergebnisse als die übliche Behandlung (5). Eine Reihe von Subanalysen des EAST – AFNET 4 Datensatzes verifizierte die Ergebnisse für verschiedene Untergruppen. (6-17).

In der aktuellen Analyse wurde bei Patient:innen, die im Rahmen der EAST – AFNET 4 Studie eine frühe rhythmuserhaltende Therapie erhielten, die Vorhofflimmerlast anhand von Tele-EKGs geschätzt, wobei eine auf künstlicher Intelligenz basierende Rhythmusklassifizierung vorgenommen wurde.

1178 Patient:innenen (Durchschnittsalter 70 Jahre, 47 Prozent Frauen, CHA2DS2-VA 2-8±1-2) übermittelten 303308 EKGs über 5,1 Jahre. Die mediane Vorhofflimmerlast lag im ersten Beobachtungsjahr bei sechs Prozent. Eine Vorhofflimmerlast unterhalb des Medians war mit niedrigen Raten von kardiovaskulären Todesfällen, Schlaganfällen oder ungeplanten Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom verbunden. Eine Vorhofflimmerlast über dem Medianwert ging mit höheren Ereignisraten einher, vergleichbar mit den Komplikationen bei üblicher Behandlung.

Prof. Schotten schlussfolgert: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die aus Tele-EKGs geschätzte Vorhofflimmerlast die mit Vorhofflimmern verbundenen Komplikationen bei der rhythmuserhaltenden Behandlung beeinflusst. Sie sprechen dafür, die Rolle der Vorhofflimmerlast im Hinblick auf eine personalisierte rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern genauer zu untersuchen."


Publikationen
(1) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 AF trial. Abstract ESC Congress 2025
(2) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
(3) Linz D, Andrade JG, Arbelo E, Boriani G, Breithardt G, Camm AJ, Caso V, Nielsen JC, De Melis M, De Potter T, Dichtl W, Diederichsen SZ, Dobrev D, Doll N, Duncker D, Dworatzek E, Eckardt L, Eisert C, Fabritz L, Farkowski M, Filgueiras-Rama D, Goette A, Guasch E, Hack G, Hatem S, Haeusler KG, Healey JS, Heidbuechel H, Hijazi Z, Hofmeister LH, Hove-Madsen L, Huebner T, Kaab S, Kotecha D, Malaczynska-Rajpold K, Merino JL, Metzner A, Mont L, Ng GA, Oeff M, Parwani AS, Puererfellner H, Ravens U, Rienstra M, Sanders P, Scherr D, Schnabel R, Schotten U, Sohns C, Steinbeck G, Steven D, Toennis T, Tzeis S, van Gelder IC, van Leerdam RH, Vernooy K, Wadhwa M, Wakili R, Willems S, Witt H, Zeemering S, Kirchhof P. Longer and better lives for patients with atrial fibrillation: the 9th AFNET/EHRA consensus conference. Europace. 2024 Mar 30;26(4) DOI:10.1093/europace/euae070
(4) Becher N, Metzner A, Toennis T, Kirchhof P, Schnabel RB. Atrial fibrillation burden: a new outcome predictor and therapeutic target. Eur Heart J. 2024 Aug 16;45(31):2824-2838. DOI:10.1093/eurheartj/ehae373
(5) Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med. 2020; 383:1305-1316. DOI:10.1056/NEJMoa2019422
(6) Metzner A, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Kuck KH, Mont L, Ng GA, Szumowski L, Themistoclakis S, van Gelder IC, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Kirchhof P. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST - AFNET 4 trial. EP Europace. 2022; 24:552–564. DOI:10.1093/europace/euab200
(7) Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation. 2021;144(11):845-858. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323
(8) Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022; 43:1219-1230. DOI:10.1093/eurheartj/ehab593.
(9) Goette a, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P, MD. Presenting Pattern of Atrial Fibrillation and Outcomes of Early Rhythm Control Therapy. J Am Coll Cardiol. 2022; 80:283-95. DOI:10.1016/j.jacc.2022.04.058
(10) Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 2022 Sep 13;146(11):836-847. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274
(11) Jensen M, Suling A, Metzner A, Schnabel R, Borof K, Goette A, Haeusler KG, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Diener H-C, Thomalla G, Kirchhof P. Early rhythm-control therapy for atrial fibrillation in patients with a history of stroke: a subgroup analysis of the EAST- AFNET 4 trial. Lancet Neurol. 2023; 22: 45–54. DOI:10.1016/PIIS1474-4422(22)00436-7
(12) Eckardt L, Sehner S, Suling A, Borof K, Breithardt G, Crijns HJGM, Goette A, Wegscheider K, Zapf A, Camm AJ, Metzner A, Kirchhof P. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):4127-4144. DOI:10.1093/eurheartj/ehac471
(13) Van Gelder IC, Ekrami NK, Borof K, Fetsch T, Magnussen C, Mulder BA, Schnabel R, Wegscheider K, Rienstra M, Kirchhof P; EAST-AFNET 4 Trial Investigators. Sex Differences in Early Rhythm Control of Atrial Fibrillation in the EAST-AFNET 4 Trial. J Am Coll Cardiol. 2023 Feb 28;81(8):845-847. DOI:10.1016/j.jacc.2022.12.011.
(14) Gottschalk S, Kany S, König H-H, Crijns HJGM, Vardas P, Camm AJ, Wegscheider K, Metzner A, Rillig A, Kirchhof P, Dams J. Cost- effectiveness of early rhythm-control versus usual care in atrial fibrillation care: an analysis based on the German subsample of the EAST-AFNET 4 trial. EP Europace. 2023 May 19;25(5). DOI:10.1093/europace/euad051
(15) Kany S, Al-Taie C, Roselli C, Pirruccello JP, Borof K, Reinbold C, Suling A, Krause L, Reissmann B, Schnabel R, Zeller T, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Ellinor PT, Kirchhof P. Association of genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Cardiovasc Res. 2023 Aug 7;119(9):1799-1810. DOI:10.1093/cvr/cvad027
(16) Fabritz L, Chua W, Cardoso VR, Al-Taie C, Borof K, Suling A, Krause L, Kany S, Magnussen C, Wegscheider K, Breithardt G, Crijns HJGM, Camm AJ, Gkoutos G, Ellinor PT, Goette A, Schotten U, Wienhues-Thelen U-H, Zeller T, Schnabel RB, Zapf A, Kirchhof P. Blood-based cardiometabolic phenotypes in atrial fibrillation and their associated risk: EAST-AFNET 4 biomolecule study. Cardiovasc Res. 2024. DOI:10.1093/cvr/cvae067
(17) Fabritz L, Al-Taie C, Borof K, Breithardt G, Camm J, Crijns HJGM, Cardoso VR, Chua W, van Elferen S, Eckardt L, Gkoutos G, Goette A, Guasch E, Hatem S, Metzner A, Mont L, Murukutla AV, Obergassel J, Rillig A, Sinner MF, Schnabel RB, Schotten U, Sommerfeld LC, Wienhues-Thelen U-H, Zapf A, Zeller T, Kirchhof P. Biomarker-based prediction of sinus rhythm in atrial fibrillation patients: the EAST-AFNET4 biomolecule study. Eur Heart J. 2024 Dec 14;45(47):5002-19. DOI:10.1093/eurheartj/ehae611

X: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.
Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.
Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.
Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT

Dr. Angelika Leute
Tel: 0202 2623395
a.leute@t-online.de

Originalpublikation:
Zeemering S et al. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Antiallergisches Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin das Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen signifikant senken kann

Ein Forschungsteam der Universität des Saarlandes hat in einer klinischen Studie nachgewiesen, dass ein weit verbreitetes antiallergisches Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin das Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen signifikant senken kann. Die Ergebnisse der placebo-kontrollierten Studie mit 450 gesunden Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden jetzt in JAMA Internal Medicine, einem renommierten US-amerikanischen Fachjournal, veröffentlicht.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Studienleiter Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Direktor der Klinik für Innere Medizin V am Universitätsklinikum und Professor für Innere Medizin an der Universität des Saarlandes, haben 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe, 227 Personen, erhielt dreimal täglich ein Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin für insgesamt 56 Tage. 223 Personen der Kontrollgruppe sprühten sich im selben Zeitraum ebenfalls dreimal täglich ein Placebo in die Nase. „2,2 Prozent der Azelastin-Gruppe hat sich im Beobachtungszeitraum mit SARS-CoV-2 infiziert, in der Kontrollgruppe, die das Placebo erhielt, war der Anteil mit 6,7 Prozent infizierter Personen dreimal so hoch“, fasst Robert Bals das zentrale Ergebnis zusammen. Bestätigt wurden die Infektionen mit einem PCR-Test.

Neben dem Rückgang an Corona-Infektionen zeigten sich in der Azelastin-Gruppe auch weniger symptomatische SARS-CoV-2-Verläufe, eine insgesamt geringere Anzahl an nachgewiesenen Atemwegsinfektionen und hierbei überraschenderweise auch eine niedrigere Rate an Rhinovirus-Infektionen – einem weiteren bedeutenden Erreger für Atemwegserkrankungen. Von den 227 Personen, die das azelastin-haltige Nasenspray erhielten, entwickelten 1,8 Prozent eine Rhinovirus-Infektion. „In der Kontrollgruppe lag der Anteil der Infizierten mit 6,3 Prozent ähnlich hoch wie bei SARS-CoV-2“, so Robert Bals.

Azelastin-Nasenspray wird seit Jahrzehnten als rezeptfreies Medikament zur Behandlung von allergischem Schnupfen eingesetzt. Bereits zuvor haben In-vitro-Studien antivirale Effekte gegenüber SARS-CoV-2 und anderen respiratorischen Viren gezeigt. „Die aktuelle klinische Studie ist nun die erste, die eine präventive Schutzwirkung in einem realen Anwendungsszenario belegt“, erläutert der Direktor der Klinik für Innere Medizin V des Universitätsklinikums.

Für den Mediziner leiten sich daraus praktische Hinweise ab: „Insbesondere für Risikogruppen, in Hochinzidenzphasen oder bei bevorstehenden Reisen könnte das Nasenspray eine einfach zugängliche Ergänzung zu bestehenden Schutzmaßnahmen darstellen“, so Professor Bals, der für Folgestudien großes Potenzial sieht: „Die Studienergebnisse bekräftigen die Notwendigkeit größerer, multizentrischer Studien, um den Einsatz von Azelastin-Nasenspray als ‚On-Demand‘-Prophylaxe weiter zu untersuchen und das Potenzial auch gegenüber anderen Atemwegserregern zu prüfen.“

Neben Professor Bals als Studienleiter waren an der randomisierten, doppelblinden Phase-2-Studie „CONTAIN“ zudem das Institut für Klinische Pharmazie (Prof. Dr. Thorsten Lehr, Dr. Dominik Selzer), das Institut für Virologie (Prof. Dr. Sigrun Smola) und die Saarbrücker URSAPHARM Arzneimittel GmbH beteiligt, Sponsor der klinischen Studie und Hersteller des Prüfpräparats. Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) war bei der Studie über die Arbeitsgruppen von Prof. Smola und Prof. Bals eingebunden. Das Projekt ist ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung, Industriepartnern und öffentlicher Gesundheitsvorsorge in der Region Saarland.

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Prof. Dr. Dr. Robert Bals
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E-Mail: robert.bals@uks.eu

Originalpublikation:
Lehr T, Meiser P, Selzer D, et al; The CONTAIN Study Group. Azelastine nasal spray for prevention of SARS-CoV-2 infection: a phase 2 randomized clinical trial. JAMA Intern Med. Published online September 2, 2025. doi:10.1001/jamainternmed.2025.4283