Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Warum Aortenaneurysmen am Gefäßbogen oder im Bauchabschnitt entstehen
Platzt eine Gefäßaussackung an der Hauptschlagader, bedeutet das akute Lebensgefahr.
Solche sogenannten Aortenaneurysmen bilden sich typischerweise an immer denselben Stellen des großen Blutgefäßes: entweder am oberen Bogen oder im Bauchraum.
„Wir wollten wissen, warum es immer ausgerechnet diese Stellen sind – was unterscheidet sie von anderen?“, erklärt Prof. Dr. Daniela Wenzel, Leiterin des Lehrstuhls für Systemphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum.
Untersuchungen der Genaktivität der innersten Gefäßschicht zeigten, dass es schon bei gesunden Mäusen Auffälligkeiten an genau diesen Stellen gibt.
Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Angiogenesis vom 4. Juli 2024.
Daniela Wenzel erforscht Aortenerkrankungen in Bochum und Bonn. © RUB, Marquard
Stempeltechnik erlaubt RNA-Analyse des Endothels
Um herauszufinden, was die immer wieder betroffenen Gefäßregionen von
anderen unterscheidet, entwickelten Daniela Wenzel und ihr Team aus
Bochum und Bonn, welches dem Sonderforschungsbereich/Transregio 259
„Aortenerkrankungen“ angehört, eine Methode, um gezielt das Endothel der
Aorta zu untersuchen: die innerste Schicht des Blutgefäßes.
„Von
anderen Gefäßerkrankungen wie zum Beispiel Arteriosklerose ist bekannt,
dass es schon lange vor dem Auftreten von Symptomen Veränderungen in
dieser innersten Schicht gibt“, so die Forscherin.
Es gelang den Forschenden, mittels einer Stempeltechnik unter großer
Kälte ausschließlich die Endothelzellen der Aorta gesunder Mäuse zu
isolieren. Aus diesen kleinen Proben, die nur rund 350 einzelne Zellen
umfassten, konnten sie die RNA isolieren und untersuchen. Sie
analysierten so die Genaktivität an verschiedenen Stellen der Aorta und
verglichen die Stellen, an denen sich häufig Aneurysmen bilden, mit
solchen, die diese Tendenz nicht zeigen.
Genetische Auffälligkeiten
„An den Stellen, an denen sich häufig Aussackungen bilden, haben wir
bestimmte Muster hochregulierter Gene gefunden“, berichtet Alexander
Brückner, Doktorand in der Arbeitsgruppe am Institut für Physiologie I
des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Bonn und Erstautor
der Studie. „Diese auffällig aktiven Gene beeinflussen zum Beispiel
Veränderungen der extrazellulären Matrix, die Neubildung von Gefäßen und
bestimmte Entzündungsreaktionen.“ Solche genetischen Auffälligkeiten
findet man auch in Gewebe aus humanen Aneurysmen. Die Forschenden
bestimmten zusätzlich die Steifigkeit des Endothels an den gesunden
Aortenproben zusammen mit Kooperationspartnern aus dem Institut für
Physiologie der Universität Lübeck. Je weniger elastisch das Endothel
ist, desto schlechter ist das für die Gefäßgesundheit. Sie konnten
nachweisen, dass das Endothel an den Stellen, an denen häufig Aneurysmen
entstehen, steifer war als an den Vergleichsstellen.
Im nächsten Schritt nutzte das Team ein etabliertes Modell einer
Knock-out-Maus, die aufgrund einer gezielten genetischen Veränderung zur
Bildung von Aneurysmen neigt. Löst man bei diesen Mäusen zusätzlich
Bluthochdruck aus, bilden sich Aortenaneurysmen. Sie verglichen die
genetische Aktivität im Aortenendothel der genetisch veränderten Mäuse
ohne Aneurysma mit der bei Mäusen, die durch zusätzlichen Bluthochdruck
ein Aneurysma entwickelt hatten. „Bei den Mäusen mit Aneurysma haben wir
in erheblich stärkerem Ausmaß Genveränderungen vorgefunden, die
derselben Kategorie angehören wie die Genveränderungen bei gesunden
Mäusen“, so Alexander Brückner. Bei den Mäusen mit einem Aneurysma war
zusätzlich die Gefäßwand verändert.“
Die Forschenden schließen daraus, dass die Stellen, an denen sich häufig
Aneurysmen bilden, von vornherein Schwachstellen sind.
„Die Gründe dafür kennen wir nicht – vielleicht hängt das mit den mechanischen Gegebenheiten und dem dortigen Blutfluss zusammen, vielleicht ist die veränderte Genaktivität an diesen Stellen von Geburt an angelegt“, erklärt Daniela Wenzel.
Letzteres erscheint plausibel, da sich die Aorta auf verschiedenen Höhen aus unterschiedlichen embryonalen Vorläuferzellen entwickelt.
„Wenn dann noch Risikofaktoren hinzukommen – etwa Rauchen und Bluthochdruck – sind diese Stellen für die Bildung einer Gefäßaussackung besonders anfällig“, erklärt die Medizinerin.
Sie hofft, durch die Grundlagenforschung die Prozesse, die zur Bildung eines Aneurysmas führen, besser verstehen zu können, und so irgendwann zu Ansätzen für eine medikamentöse Behandlung zu gelangen.
Kooperationspartner
An der Studie waren Forschende der Abteilung Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum, des Life & Brain Centers am Institut für Physiologie der Universität Bonn, des Instituts für Physiologie der Universität Lübeck, des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung Lübeck sowie des Herzzentrums des Universitätsklinikums Bonn beteiligt.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 259.
Aortenaneurysma
Drei bis vier Prozent der Bevölkerung zwischen 65 und 75 Jahren leiden etwa an einer Gefäßaussackung der Hauptschlagader.
Männer sind sechsmal häufiger betroffen als Frauen.
Es gibt zurzeit keine Therapieoption, die das Fortschreiten eines Aneurysmas aufhalten kann.
Lediglich ein Stent kann das Gefäß stabilisieren.
Platzt ein Aneurysma, besteht Lebensgefahr.
Viele Betroffene verbluten, bevor sie medizinische Hilfe erhalten können.
Gelangt ein Patient schnell genug ins Krankenhaus, muss offen operiert werden – ein risikoreicher Eingriff.
Prof. Dr. Daniela Wenzel
Institut für Physiologie
Lehrstuhl für Systemphysiologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29100
E-Mail: daniela.wenzel@ruhr-uni-bochum.de
Webseite der Abteilung
Prof. Dr. Bernd K. Fleischmann
Institut für Physiologie I des Universitätsklinikums Bonn
Medizinische Fakultät Universität Bonn
Tel.: +49 228 6885 200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de
Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Postfach 10 21 48
44780 Bochum
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
E-Mail-Adresse: info@ruhr-uni-bochum.de
Meike DrießenTelefon: +49 234 32 26952
E-Mail-Adresse: meike.driessen@rub.de
Originalpublikation:
Alexander Brückner, Adrian Brandtner, Sarah Rieck, Michaela Matthey, Caroline Geisen, Benedikt Fels, Marta Stei, Kristina Kusche‑Vihrog, Bernd K. Fleischmann, Daniela Wenzel: Site‑specific genetic and functional signatures of aortic endothelial cells at aneurysm predilection sites in healthy and AngII,ApoE−/− mice, in: Angiogenesis, 2024, DOI: 10.1007/s10456-024-09933-9
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen