Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gekommen, um zu bleiben:
Wie das Herpesvirus HCMV seine Wirtszellen austrickst
Einmal infiziert – immer infiziert:
- Herpesviren schlummern im Körper und können durch bestimmte Umstände reaktiviert werden.
- Das Herpesvirus HCMV ist besonders weit verbreitet, gut verträgliche und effektive antivirale Medikamente oder Impfungen gibt es nicht.
Doch ein Forscherteam von FMP und Charité hat jetzt einiges über die Interaktion zwischen HCMV und seinen Wirtszellen herausgefunden, was auch für die Entwicklung antiviraler Wirkstoffe nützlich sein könnte. Die Arbeit ist soeben im Fachmagazin „Nature Microbiology“ im erschienen.
Modell herpesviraler Virionen im Querschnitt (zentral) und ungeschnitten
(oben rechts). An der Oberfläche befinden sich virale Glykoproteine
(rot) die in eine Membran (transparent) integriert sind. Die Membran
umschließt verschiedene Tegumentproteine des Virus (grau) und
assimilierte Wirtsproteine (rosa). Das virale Tegumentprotein UL32 ist
gelb hervorgehoben. Im Zentrum des Virion befindet sich DNA (nicht
dargestellt) die vom Nukleokapsid (blau) umschlossen ist.
Modell herpesviraler Virionen im Querschnitt Yueheng Zhou, Absea Biotechnology
Herpesviren sind tückisch:
Wer sich einmal damit infiziert, wird das Virus nie wieder los.
Denn Herpesviren schlummern latent in bestimmten Wirtszellen im Körper und das ein Leben lang.
Praktisch jeder Erwachsene trägt mindestens eines der neun verschiedenen humanen Herpesviren in sich, ohne es zu wissen.
Durch Alter, Stress oder eine Abwehrschwäche kann das Virus reaktiviert werden und zu teils schweren Krankheiten führen.
- Herpesviren sind so erfolgreich, weil sie sich dem Menschen gut angepasst und effektive Strategien entwickelt haben, dem Immunsystem zu entkommen.
- Proteine, die der infizierten Zelle vortäuschen, dass sie gar nicht infiziert oder bedroht ist, spielen bei der Tarnung eine zentrale Rolle.
- So weiß man, dass jedes Herpesvirus ein schlagkräftiges Proteom, also ganz viele dieser Proteine, besitzt, das abgestimmt auf den Wirt seine effiziente Vermehrung direkt nach der Ansteckung ermöglicht.
Das komplexe Proteom sorgt außerdem dafür, dass in der bereits infizierten Zelle mehrschichtige Partikel aufgebaut werden.
Diese neu gebildeten Viren – auch Virionen genannt - enthalten sowohl zahlreiche virale Proteine als auch Wirtsproteine.
Im Zentrum der Partikel befindet sich
die virale DNA, die von einem Nukleokapsid umschlossen wird. Um dieses
Kapsid wird eine Schicht zahlreicher weiterer Proteine gebildet, die man
Tegument nennt.
Partikel kommen bei der Reaktivierung des Virus zum Zug
Die Partikel sind entscheidend dafür, dass sich das Virus nach einer
wodurch auch immer ausgelösten Reaktivierung wieder vermehren und sich
systemisch im Körper ausbreiten kann.
- Sie sind also zentral für den Ausbruch von Krankheiten – nach einer langen Schlummerphase (Latenz).
Über die innere Organisation dieser Partikel, insbesondere der Protein-Protein Interaktionen innerhalb des Teguments ist bislang aber nur wenig bekannt. Forschende vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben sich darum die Partikel genauer angeschaut, und zwar beim Humanen Zytomegalievirus. HCMV oder HHV-5 kommt besonders häufig in der Bevölkerung vor und kann vor allem für Transplantatempfänger und ungeborene Kinder, die sich über die Mutter infizieren, richtig gefährlich werden.
- Trotz intensiver Forschung gibt es derzeit keine antivirale Therapie, die das Virus effektiv kontrollieren oder gar beseitigen könnte.
- Eine Impfung gegen diesen Virustyp gibt es ebenfalls nicht.
Karte zeigt, welche Proteine miteinander interagieren
In der aktuellen Arbeit hat das Team um Fan Liu (FMP) und Lüder Wiebusch
(Charité) erstmals eine detaillierte Karte der räumlichen Interaktionen
zwischen viralen und Wirtszellproteinen innerhalb der HCMV-Partikel
erstellt. Dabei kam unter anderem heraus, dass bestimmte
Wirtszellproteine von viralen Proteinen rekrutiert werden und eine Rolle
bei der Virusvermehrung spielen. Ein virales Protein namens UL32 holt
zum Beispiel ein zelluläres Protein (die Protein-Phosphatase , PP1) in
den Partikel, um eine Bindung von anderen, unerwünschten,
Wirtszellproteinen zu umgehen.
„HCMV selbst besitzt gar keine Phosphatasen wie PP1, daran kann man
sehen, dass sich das Virus bestimmte Wirtszellproteine zu Nutze macht,
um sich effizient zu vermehren“, erläutert FMP-Virologe Boris Bogdanow
eine maßgebliche Strategie, wie HCMV seinen Wirt austrickst.
Um die Interaktionen zwischen den verschiedenen Proteinen in intakten
HCMV-Partikeln Schicht für Schicht zu untersuchen, verwendeten die
Forschenden eine Technik namens Cross-Linking-Massenspektrometrie.
„Diese Methode erlaubt auch Rückschlüsse auf die Identität der
Proteine“, betont Fan Liu, Expertin für Massenspektrometrie am FMP.
„Das Besondere und einzigartige am Cross-Linking ist aber, dass wir sehen können, welche Proteine wo miteinander interagieren.“
Noch nie zuvor wurde diese innovative Technologie genutzt, um die räumliche Organisation von Interaktionen innerhalb herpesviraler Partikel zu kartografieren.
Mit den so gewonnenen Daten wurde an der FU Berlin von Mohsen Sadeghi
anschließend ein Computer-Modell des HCMV Partikels erstellt. Das
virtuelle Modell ermöglicht die Simulation jedes einzelnen Proteins
innerhalb des Partikels und visualisiert die biophysikalischen Prozesse
auf anschauliche Weise.
„Die identifizierten Protein-Protein Interaktion sind wichtig, um den
komplexen Lebenszklus von HCMV besser zu verstehen“, ordnet Boris
Bogdanow die Ergebnisse ein. „Und das wiederum ist wichtig, um
Kandidaten für anti-virale Medikamente gegen HCMV zu finden.“
Prof. Dr. Fan Liu
Forschungseinheit: Structural Interactomics
Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
fliu@fmp-berlin.de
Tel.: 0049 30 94793-141
https://leibniz-fmp.de/liu
Silke Oßwald Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
Robert-Rössle-Str. 10
13125 Berlin
Deutschland
Berlin
Fax: 030 / 94793 - 109
E-Mail-Adresse: osswald@fmp-berlin.de
Originalpublikation:
Boris Bogdanow, Iris Gruska,
Lars Mühlberg, Jonas Protze, Svea Hohensee, Barbara Vetter, Jens Bosse,
Martin Lehmann, Mohsen Sadeghi, Lüder Wiebusch, Fan Liu (2023) Spatially
resolved protein map of intact human cytomegalovirus virions.
Nature Microbiology DOI: 10.1038/s41564-023-01433-8
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