Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Endoprothetik mit minimalem Blutverlust
Orthopäden am Universitätsklinikum Leipzig nutzen im Operationssaal neue Methoden, um Blutungen erfolgreich zu minimieren
- Häufigkeit von Transfusionen auf nur drei Prozent gesenkt
Prof. Andreas Roth (2.v.r.) während einer Operation. Der leitende UKL-Chirurg und sein Team der Endoprothetik setzen auf neueste Verfahren, die wesentlich seltener zu hohem Blutverlust bei Patient:innen führen. Stefan Straube / UKL
Blutungsarm Endoprothesen einsetzen – diesem Ziel hat sich die Orthopädie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) sehr erfolgreich verschrieben.
- Nach verschiedenen Umstellungen der Abläufe während und nach der Operation können die Chirurgen um Prof. Andreas Roth nicht nur den teilweise hohen Blutverlust beim Einsetzen einer Knie- oder Hüftprothese und Folgeprobleme wie Infektionen vermeiden, sondern so auch den Patient:innen schneller wieder auf die Beine helfen.
Hinter Prof. Andreas Roth und seinem Team liegen vier Jahre voller Umstellungen.
So lange hat es gedauert, bis aus der ersten Anpassung der Abläufe im Operationssaal der Orthopäden im Universitätsklinikum Leipzig die heute fast blutverlustfreie Endoprothetik geworden ist. Jahre, in denen viele Fachrichtungen zusammengearbeitet haben und Neuerungen schrittweise eingeführt wurden.
Das Ergebnis: „Wir brauchen heute kaum noch Transfusionen, um den Blutverlust bei einer Hüft- oder Knieprothesen-Operation wieder aufzufangen“, beschreibt Prof. Roth, Leiter des Bereichs Endoprothetik/ Orthopädie.
Dabei galt und gilt sein
Fach als eher „blutige“ Chirurgie, bei der es im Gegensatz zu anderen
eben nicht minimal-invasiv zugeht, das eine oder andere Gefäß betroffen
ist und so manche Blutkonserve benötigt wird. „Endoprothetische
Operationen waren oft mit einem beträchtlichen Blutverlust verbunden und
führten dazu, dass bis zu 46 Prozent der Patient:innen während oder
nach der Operation eine Bluttransfusion benötigten“, erläutert der
erfahrene Orthopäde.
Für die Patient:innen bedeutet das eine längere Erholungszeit nach dem
Eingriff, denn auch der Kreislauf muss erst wieder auf die Beine kommen.
„Zudem hat sich über die üblichen Drainagen zur Kontrolle, ob es vielleicht doch noch blutet, der Flüssigkeitsverlust oft auch in den folgenden Tagen fortgesetzt“, beschreibt Roth. Moderne Chirurgie, davon ist er überzeugt, sollte hier andere Lösungen suchen. Und er wurde fündig: Zum einen bei Verfahren zur subtilen Blutstillung während der Operation, die von den plastischen Chirurgen am UKL eingesetzt werden.
„Dabei werden die Gefäße während des Eingriffs mit speziellen Methoden direkt verschlossen“, erklärt Roth. Dadurch dauere die Operation zwar bis zu 15 Minuten länger, aber „im Nachgang gibt es sehr viel weniger Hämatome, Schwellungen oder auch Infektionen im Operationsgebiet“.
Roth lernte von den Kolleg:innen und stellte seine Technik bei den Patient:innen, wo dies möglich war, um. Andere Operateure folgten, so dass heute die überwiegende Mehrheit der Endoprothesen am UKL mit minimalem Blutverlust eingesetzt wird.
Die Folge: Nur noch bei minimalen
drei Prozent der endoprothetischen Operationen wird eine
Bluttransfusion benötigt!
Blutwert- und Gerinnungskontrolle
- Um das zu ermöglichen, mussten allerdings auch viele weitere Faktoren vor, während und nach der Operation wie die Kontrolle der Blutwerte, der Gerinnung, Anpassungen der Narkose bis hin zur Schmerzbehandlung verändert werden.
- So wird während der Operation Tranexamsäure (TXA) eingesetzt, ein spezielles Mittel, dass die Gerinnungsneigung kurzzeitig steigert und so Blutungen verhindert.
„Dabei wird das individuelle
Risiko der Patienten sorgfältig abgewogen und unter anderem auch
entschieden, ob wir das Mittel systemisch oder nur lokal direkt am zu
operierenden Gelenk einsetzen“, erläutert Privatdozent Dr. Christian
Pfrepper. Der Gerinnungsspezialist hat die Orthopäden bei ihrem Vorhaben
unterstützt und die Voraussetzungen geprüft, unter denen die dafür
nicht explizit zugelassene medikamentöse Blutstillung zum Einsatz kommen
kann. „Wir haben dann festgestellt, dass wir auf diese Weise sowohl
eine hohe Patientensicherheit gewährleisten als auch effektiv Blutungen
verhindern können.“ Die Risikoprüfung vorab fällt den Anästhesisten zu,
die auch beurteilen, welche Narkose zum Einsatz kommen kann –
Vollnarkose oder nur Teilnarkose des zu operierenden Beins. Zum Konzept
gehört auch, die Nachwirkungen der Narkose so zu steuern, dass die
Patienten schnell aufstehen und in Bewegung kommen können. „Das hat
alles Vor- und Nachteile“, sagt der Anästhesist Prof. Robert
Werdehausen, „deshalb wägen wir genau ab, was für den Einzelnen am
besten ist.“ Denn wirksam ist das Maßnahmenpaket auf jeden Fall.
Transfusionsfrequenz von nur noch drei Prozent
- So wirksam, dass derzeit nur noch bei bestimmten Risikopatienten vorsorglich Blutpräparate vor der Operation vorbereitet und bereitgestellt werden – statt für jeden, wie das vorher der Fall war.
Bei bis zu 400 Operationen im Jahr macht das einen großen Unterschied. „Wir konnten die internen Richtlinien dazu anpassen, weil wir mit unserem Verfahren die Transfusionshäufigkeit bei endoprothetischen Operationen auf drei Prozent gesenkt haben“, erklärt Orthopädin Dr. Christina Pempe.
Sie hat den Prozess von Anfang an begleitet und versucht ihn, weiter voranzutreiben: Auch vor der Operation kann dafür gesorgt werden, dass Transfusionen überflüssig werden.
„Der Hämoglobinwert HB gibt uns dafür
wichtige Hinweise.“ Bei einer Blutarmut, also einer Anämie, steigt trotz
aller Maßnahmen das Risiko für Transfusionen, haben Auswertungen
gezeigt. Also prüfen die UKL-Orthopäd:innen bereits in der Sprechstunde
vor der Operation die Blutwerte und den HB-Wert. „Ist dieser zu niedrig,
bitten wir die Hausärzte, bis zur OP die damit verbundene Anämie der
Patient:innen zu behandeln“, erklärt Pempe. Klappt das, trägt auch
dieser Baustein dazu bei, perfekte Bedingungen für das Gelingen der
aufwändigen Implantation der Kunstgelenke zu schaffen.
Verzicht auf Drainagen
„Inzwischen nutzen wir das neue Verfahren zunehmend auch für die
komplizierteren Operationen zum Wechsel einer Endoprothese“, so Dr.
Christina Pempe weiter. Denn die Abläufe haben sich gut eingespielt –
auch die nach dem Eingriff.
- Denn eine weitere Neuerung ist der Verzicht auf Drainagen, also die Ableitung von Flüssigkeit aus dem Gewebe über einen Katheter.
„Da wir die Gefäße verschließen, benötigen wir diesen Schlauch unter der Haut nicht mehr“, beschreibt Prof. Andreas Roth.
Dieser sollte bisher Schwellungen verhindern, aber auch eine Kontrolle möglicher Nachblutungen sicherstellen.
Das wird nicht mehr gebraucht, dafür sorgt die Blutstillung während der Operation.
Gleichzeitig können so Entzündungen vollständig vermieden werden.
„Dadurch verhindern wir
auch, dass sich Prothesen wieder lockern“, sagt der Orthopäde.
So verändern die Umstellungen bei der Operation auch die Routinen auf
der Station:
- Drainagenkontrollen und -wechsel entfallen, dafür bekommen die Patient:innen eine
- spezielle Kühlung in der Nachbetreuung, stehen viel schneller auf, um wieder in Bewegung zu kommen, und verlassen auch früher das Krankenhaus.
„Das war ein nicht immer leichter gemeinsamer Lernprozess voller Umstellungen“, blickt Roth zurück, „der vermutlich auch nur in einem Klinikum wie dem unseren, wo so viele Expert:innen zusammenkommen, möglich war.“
Profitiert haben seine Patient:innen.
„Wenn ich diese nach der Operation besuche, bin ich immer wieder selbst überrascht, wie gut es ihnen geht und wie schnell sie wieder beweglich sind.“
Dr. Christina Pempe im Gespräch mit einem Patienten. Die Fachärztin für Orthopädie / Unfallchirurgie hat den Prozess zur Etablierung des Verfahrens von Anfang an begleitet. Stefan Straube / UKL
Helena Reinhardt Universitätsklinikum Leipzig AöR
Liebigstr. 18
04103 Leipzig
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Sachsen
Helena Reinhardt
Telefon: 0341 - 97 15905
Fax: 0341 - 97 15906
E-Mail-Adresse: helena.reinhardt@uniklinik-leipzig.de
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