Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Entzündungswerte aus dem Spektrometer
Quantifizierung von Akute-Phase-Entzündungsproteinen mit NMR
Die Analyse der Gesamtheit aller kleinen Moleküle eines Organismus, des
Metaboloms, hat ein großes Potenzial für die medizinische Diagnostik.
Ein deutsches Forschungsteam nutzt dafür Kernresonanz-Spektroskopie (NMR).
In ihrer in der Zeitschrift Angewandte Chemie vorgestellten Studie quantifizierten sie Akute-Phase-Proteine aus Serumproben, die als Marker für entzündliche Krankheiten dienen können.
Mehrere diagnostische Parameter können so aus einer einzigen kurzen NMR-Messung erhalten werden.
Entzündungswerte aus dem Spektrometer (c) Wiley-VCH
- Neben Genomik und Proteomik etabliert sich die Metabolomik als weitere Säule für die biomedizinische Forschung und Diagnostik.
Körperflüssigkeiten, z.B. Blut, sind jedoch sehr komplexe Mischungen nur zum Teil bekannter Verbindungen – entsprechend schwierig und aufwändig ist eine metabolomische Analyse.
Das Team um Ulrich L. Günther und
Alvaro Mallagaray verwendet fortgeschrittene NMR-Techniken, um das
Metabolom von Zellen und Organismen mit Krankheiten in Verbindung zu
bringen.
Die NMR-Spektroskopie (NMR: nuclear magnetic resonance) basiert auf dem –
je nach chemischer Umgebung unterschiedlichen – Verhalten magnetisch
aktiver Atomkerne, vor allem Wasserstoff (1H) und Kohlenstoff (13C),
unter dem Einfluss eines starken äußeren Magnetfeldes. Darauf basierend
lassen sich Messwerte und charakteristische Spektren erhalten. In der
Diagnostik wird das Prinzip auch in Form der MRT
(Magnet-Resonanz-Tomographie) genutzt, um Gewebestrukturen abzubilden.
- NMR-Untersuchungen von Blutserum hatten in anderen Studien Signale von speziellen Kohlenhydrat-Bausteinen ergeben (Acetyl-Resonanzen von N-acetylierten Kohlenhydraten), die mit Akute-Phase-Glycoproteinen in Zusammenhang stehen.
- Diese kohlenhydrathaltigen Proteine treten im Rahmen starker Immunreaktionen bei akuten Entzündungen auf.
Neben ihrer
Konzentration im Blut ändert sich auch ihr Glycosylierungsmuster, d.h.
die Art, Anzahl und Anordnung ihrer Kohlenhydrat-Bausteine kann sich in
einer für die vorliegende Krankheit spezifischen Weise ändern.
Das Team setzte eine Reihe von NMR-Verfahren ein, mit denen ihnen eine
umfassende Zuordnung der NMR-Signale von menschlichem Serum gelang.
Dabei kommen sie u.a. zu der Schlussfolgerung, dass die beiden stärksten
Signale, als Glycoprotein A und B bezeichnet, von
N-Acetylneuraminsäure- bzw. N-Acetylglucosamin-Bausteinen stammen – und
widersprechen damit einer in einer anderen Studie aufgestellten Theorie.
Mittels sog. diffusionseditierter NMR-Experimente wiesen sie nach, dass
die Komponenten dieser Signale mit spezifischen Akute-Phase-Proteinen
in Verbindung gebracht werden können.
„Die NMR kann simultan mehrere Akute-Phase-Entzündungsproteine in
Blutserum quantifizieren,“ so Ulrich L. Günther.
„In nur 10 bis 20 min wird eine NMR-Signatur der Metabolomik mit signifikantem diagnostischem Potenzial erhalten.“
Das Team von den Universitäten Lübeck und Oldenburg, den Universitätskliniken Greifswald und Lübeck, dem Herzzentrum Lübeck sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (Greifswald und Lübeck) konnte dies am Beispiel von Serumproben von Patient*innen mit COVID-19 oder mit kardiogenem Schock, einer gefährlichen Begleiterscheinung z.B. von Herzinfarkten, zeigen.
Im Vergleich zu Gesunden fanden sie signifikante Änderungen bei verschiedenen spezifischen Akute-Phase-Proteinen in den Blutproben.
„Im Fall der Parkinson'schen Krankheit liefert unsere Methode geradezu eine Ja-Nein-Diagnose, da an Parkinson Erkrankte eine ganz bestimmte Glycosylierung im Blut aufweisen, die bei Gesunden nicht vorkommt,“ ergänzt Günther.
Autor/-in: Ulrich L. Günther, Universität Lübeck (Germany).
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die "Angewandte Chemie" ist eine Publikation der GDCh.
Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.
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Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.202306154
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