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Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt: Herzerkrankungen - Herzschwäche und Produktion des Schlafhormons Melatonin (Zirbeldrüsen-Herzpatienten und Neurologen)

Medizin am Abend Berlin - MaAB - Fazit: Ursache für Schlafstörungen bei Herzschwäche gefunden

  • Rund ein Drittel der Menschen mit Herzschwäche hat Schlafprobleme. 

Im Fachmagazin „Science“ zeigt ein Team der Technischen Universität München (TUM), dass Herzerkrankungen sich auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin in der Zirbeldrüse auswirken. 

  • Die Verbindung zwischen beiden Organen bildet ein Nervenknoten (Ganglion) im Hals. 

Die Studie belegt eine bislang unerkannte Rolle der Ganglien und zeigt Therapieansätze auf. 

Das obere Halsganglion einer Maus. Hier liegen Nervenzellennen, die den Herzmuskel steuern (pink) in direkter Nähe zur Nervenzellen, die die Zirbeldrüse steuern (blau).

Das obere Halsganglion einer Maus. Hier liegen Nervenzellennen, die den Herzmuskel steuern (pink) in direkter Nähe zur Nervenzellen, die die Zirbeldrüse steuern (blau). Karin Ziegler / TUM

  • Dass der Melatonin-Spiegel bei Erkrankungen des Herzmuskels, etwa nach einem Herzinfarkt, sinken kann, ist schon länger bekannt. 
  • Bislang wurde dies eher als Beispiel dafür gesehen, wie Herzschwäche sich als Systemerkrankung auf den gesamten Körper auswirkt. 

Ein Team um Stefan Engelhardt, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der TUM und Erstautorin Dr. Karin Ziegler, konnte jedoch nachweisen, dass es eine direkte Ursache für Schlafstörungen von Menschen mit Herzerkrankungen gibt.

Nervenknoten als Schaltkasten


„Wir zeigen in unserer Arbeit, dass sich die Probleme des Herzmuskels auf ein Organ auswirken, zu dem es auf den ersten Blick keine direkte Verbindung gibt“, sagt Stefan Engelhardt. 

Melatonin wird in der Zirbeldrüse produziert, die im Inneren des Gehirns liegt.
Wie das Herz wird diese über das vegetative Nervensystem gesteuert, das automatische Abläufe im Körper regelt.
Die beteiligten Nerven haben ihren Ursprung unter anderem in den Ganglien.
Für Herz und Zirbeldrüse ist besonders das obere Halsganglion wichtig.

„Um sich unsere Ergebnisse zu verdeutlichen, kann man sich das Ganglion als elektrischen Schaltkasten vorstellen. 

Bei einer Herzerkrankung kann es bildlich gesprochen vorkommen, dass ein Problem mit einer Leitung zu einem Feuer im Schaltkasten führt, das schließlich auf eine andere Leitung überspringt“, sagt Stefan Engelhart.

Nervenverbindung zur Zirbeldrüse bei Mäusen und Menschen zerstört

Das Team stellte fest, dass sich im Halsganglion von Mäusen mit Herzschwäche Fresszellen, die Makrophagen, ansammeln. Die genauen Mechanismen dahinter sind noch nicht bekannt.  

  • Die Fresszellen führen dazu, dass sich in dem Ganglion Entzündungen und Vernarbungen bilden und Nervenzellen zerstört werden. 

Lange Ausläufer dieser Nervenzellen, die Axone, führen bei Mäusen wie bei Menschen zur Zirbeldrüse. 

Bei fortgeschrittener Krankheit war die Zirbeldrüse durch deutlich weniger Axone an das Nervensystem angebunden.
Die Menge von Melatonin im Körper der Tiere war verringert, zudem waren ihre Tag-Nacht-Rhythmen gestört.
Vergleichbare organische Auswirkungen zeigten sich bei Menschen. 

Das Team untersuchte Zirbeldrüsen von neun Herzpatient:innen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe waren deutlich weniger Axone zu finden. Wie bei den Mäusen war das obere Halsganglion von Menschen mit Herzerkrankungen vernarbt und deutlich vergrößert.

Ansatz für neue Medikamente

Die Forschenden nehmen an, dass die negativen Auswirkungen der abgestorbenen Axone in einem fortgeschrittenen Stadium permanent sind. „In einem frühen Stadium konnten wir bei den Mäusen die Melatoninproduktion wieder auf den ursprünglichen Stand bringen, indem wir die Makrophagen im oberen Halsganglion mit Medikamenten zerstört haben“, sagt Karin Ziegler. „Das belegt einerseits die Rolle des Ganglions für dieses Phänomen. Andererseits weckt es Hoffnungen, dass wir Medikamente entwickeln können, die irreparable Schlafstörungen nach einer Herzerkrankung verhindern.“ Das ist eine der Aufgaben, denen sich das Team in den kommenden Jahren widmen wird.

Ganglien auf andere Verbindungen untersuchen

Neben neuer Hoffnung für eine große Zahl von Herzpatient:innen auf eine Therapie gegen Schlafstörungen sieht Stefan Engelhardt die Studie auch als Grund, die Nervenknoten aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. 

„Neue Methoden wie das Spatial Single Cell Sequencing machen es möglich, Nervenzellen viel genauer zu untersuchen. 

Unsere Studie könnte ein Anlass sein, systematisch nach Verbindungen zwischen anderen Erkrankungen in Organen zu suchen, die durch Ganglien als Schaltstationen verbunden sind, und Ganglien als Ansatzpunkte für neue Wirkstoffe in den Blick zu nehmen.“

Auch in der Diagnose könnten Ganglien aus Engelhardts Sicht wichtig werden. 

Da jedes der untersuchten Halsganglien von Herzpatient:innen deutlich vergrößert war, nehmen die Forschenden an, dass es sich als Indikator für Herzversagen eignen könnte. 

Die Größe des Nervenknotens lässt sich mit einem herkömmlichen Ultraschallgerät leicht überprüfen. 

Falls weitere Studien die Ergebnisse bestätigen, könnten bei einem vergrößerten Halsganglion aufwendigere Untersuchungen des Herzens sinnvoll sein.

Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt

 Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt Andreas Heddergott / TUM

Weitere Informationen:

Professorenprofil Stefan Engelhardt: https://www.professoren.tum.de/engelhardt-stefan
Institut für Pharmakologie und Toxikologie: https://ipt.med.tum.de/de
Forschungsgruppe Karin Ziegler: https://ipt.med.tum.de/en/research/group-ziegler

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Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt
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https://ipt.med.tum.de

Arcisstr. 21
80333 München
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Bayern 


Originalpublikation:

K.A. Ziegler, A. Ahles, A. Dueck, D. Esfandyari, P. Pichler, K. Weber, S. Kotschi, A. Bartelt, I. Sinicina, M. Graw, H. Leonhardt, L. Weckbach, S. Massberg, M. Schifferer, M. Simons, L. Hoeher, J. Luo, A. Ertürk, G.G. Schiattarella, Y. Sassi, T. Misgeld, S. Engelhardt. “Immune-mediated denervation of the pineal gland underlies sleep disturbance in cardiac disease”. Science (2023). DOI: https://doi.org/10.1126/science.abn6366


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