Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Fortschritte im Kampf gegen Gallengang- und Gallenblasenkrebs
Internationales Expertenkomitee um Professor Arndt Vogel aktualisiert ESMO-Behandlungsleitlinien für biliäre Karzinome
Professor Dr. Arndt Vogel hat in einer Grafik die genetischen Veränderungen von Gallenwegkrebs dargestellt, für die heute schon zielgerichtete Therapien zur Verfügung stehen. Foto: Maike Isfort /MHH
- Biliäre Karzinome (engl. „biliary tract cancer“, BTC) betreffen Krebserkrankungen der Gallengänge und Gallenblase.
BCT sind selten und machen weniger als ein Prozent der bösartigen Neubildungen beim Menschen aus.
Insgesamt haben BCT eine schlechte Prognose.
Fünf Jahre nach der Diagnose leben nur noch 10 bis 20 Prozent der Betroffenen.
Hoffnung
machen jedoch Fortschritte in der Medizin und Forschung, die zur
Aktualisierung der Behandlungsleitlinien der European Society for
Medical Oncology (ESMO) geführt haben. Die Leitlinien wurden nun in der
Fachzeitschrift Annals of Oncology veröffentlicht.
Gastroenterologe Professor Dr. Arndt Vogel der Medizinische Hochschule
Hannover (MHH) und Mitglied des ESMO-Lenkungsausschusses hat maßgeblich
an der Aktualisierung mitgewirkt: „Aus systemischer Sicht gibt es drei
bedeutende Änderungen, die alle Ebenen der Behandlung betreffen. Wir
können erstmals klare Empfehlungen für adjuvante Therapien geben.
- In der Erstlinienbehandlung setzt sich die Immuntherapie durch, und in der Zweitlinie bestehen mittlerweile zugelassene Optionen für die zielgerichteten Therapien mit der Empfehlung, sehr frühzeitig die molekulare Testung zu machen.“
Erstmals Empfehlungen für adjuvante Therapie
„Eine Chance auf Heilung besteht derzeit nur bei einer Operation im
Frühstadium, wobei leider viele Patienten bei Erstdiagnose nicht
operabel sind“, erklärt Professor Vogel, der als leitender Oberarzt in
der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie tätig
ist.
Trotz radikaler Resektion bestünde zudem ein hohes Rückfallrisiko der Krebserkrankung.
- Um nach einer Operation mögliche, aber bisher noch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen unterstützend zu bekämpfen, sei zunehmend ergänzende Behandlungsmaßnahmen, sogenannte adjuvante Therapiekonzepte, diskutiert worden.
„Lange Zeit gab es keine klaren Empfehlungen für adjuvante Therapien nach Operation biliärer Tumoren.
Nun haben wir dank der BILCAP-Studie eine Empfehlung für eine
postoperative Chemotherapie mit dem Zellwachstum hemmenden Arzneistoff
Capecitabin, wodurch das Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten
verbessert wird.“
Immuntherapie in der Erstlinienbehandlung
„Weiterhin können wir auf eine positive Studienlage zur Immuntherapie
beim Gallengangskrebs blicken“, sagt Vogel.
Bei einer Immuntherapie wird die körpereigene Immunabwehr gezielt aktiviert, um Krebszellen aufzuspüren und anzugreifen.
Zum Einsatz kommen verschiedene Methoden wie beispielsweise Immuncheckpoint-Inhibitoren. „Die TOPAZ-1-Studie zeigt hier Verbesserungen beim Gesamtüberleben durch das Hinzufügen des Immuncheckpoint-Inhibitors Durvalumab zu den zwei Chemotherapeutika Cisplatin-Gemcitabin.
- Bei fortgeschrittenen biliären Karzinomen sollte damit Cisplatin-Gemcitabin-Durvalumab für die Erstlinienbehandlung in Betracht gezogen werden.
Zudem wird eine Immuntherapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit nachgewiesener Mikrosatelitten-Instabilität (MSI) basierend auf der einarmigen KEYNOTE-158 Studie empfohlen.“
Für beide
Therapien gibt es bereits eine Empfehlung der Europäischen
Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency).
Durchbruch in der molekularen Sequenzierung
Die Suche nach genetischen Veränderungen mithilfe molekularer
Sequenzierung hat in der Vergangenheit zu bedeutenden Erfolgen bei der
Behandlung von Krebs geführt.
„In den vergangenen fünf Jahren sind wir hier auch bei den biliären Tumoren im Durchbruch“, betont Vogel.
„Fast 40 Prozent der Patienten mit Gallenwegstumoren weisen genetische Veränderungen auf, die potenzielle Ziele für die Präzisionsmedizin darstellen und für die wir heute zielgerichtete Therapien haben.“
Den Empfehlungen des ESMO-Expertenkomitees zufolge sollen diese Patienten frühzeitig, noch vor oder während der Erstlinientherapie, eine umfassende genetisch Analyse bekommen und mit den bereits zugelassenen Medikamenten der Food and Drug Administration (FDA) und der EMA behandelt werden.
Hierzu zählt beispielsweise Pemigatinib bei Patienten mit sogenannten FGFR2 Fusionen.
FGFR2 ist ein Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-2. Bei Gallenwegstumoren ist FGFR2 aufgrund einer genetischen Fehlbildung mit anderen Genen sozusagen verschmolzen.
Diese Fusionsumlagerungen führen zu einer dauerhaften
Aktivierung von Signalwegen, die zum Tumorwachstum beitragen.
„Die zielgerichtete molekulare Sequenzierung ist ein ganz essenzieller
Baustein“, betont Vogel.
Wichtig sei, dass die Patientinnen und Patienten in einem Molekularen Tumorboard besprochen werden. Aufgabe eines solchen organübergreifenden, interdisziplinären Tumorboards ist es, Therapiemöglichkeiten für schwer an Krebs erkrankte Menschen nach Ausschöpfung der leitliniengerechten Behandlung aufzuzeigen.
Das Molekulare Tumorboard ist das zentrale Instrument der Personalisierten Medizin und wird in spezialisierten Zentren wie dem Comprehensive Cancer Center der MHH angeboten.
Stefan Zorn Medizinische Hochschule Hannover
arl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Postfach Hannover
30623 Hannover
Deutschland
Niedersachsen
Fax: 0511 / 532-3852
E-Mail-Adresse: zorn.stefan@mh-hannover.de
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen