Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie Lymphknoten mit Blut versorgt werden
Droht eine Infektionskrankheit, läuft unser Immunsystem auf Hochtouren:
Es setzt Antikörper, weiße Blutkörperchen und Fresszellen in Bewegung.
Doch wie das funktioniert, ist noch nicht komplett verstanden – etwa bei den Lymphknoten, wichtigen Elementen des Immunsystems.
So war bisher unklar, wie im Detail die Blutversorgung der Knoten aussieht.
Dieses Rätsel hat nun ein Forschungsteam unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Hereon gelöst:
Mit einem speziellen Röntgenverfahren gelangen 3D-Aufnahmen, die das Gefäßsystem der Knoten mit unerreichter Auflösung zeigen – und der gängigen Lehrbuchmeinung widersprechen.
Das Team stellt seine Ergebnisse im Fachmagazin Frontiers in Immunology vor.
Die Forscher können das System von Lymphknoten und deren Blutgefäßen nun besser verstehen. Bild: Paul Schütz
Wie Lymphknoten mit Blut versorgt werden
Jeder Mensch besitzt rund 600 bis 700 Lymphknoten.
Sie sind über den ganzen Körper verteilt und messen zwischen 3 und 30 Millimeter.
Für unsere Immunabwehr spielen diese Knoten eine wesentliche Rolle:
Sie aktivieren weiße Blutkörperchen, die Lymphozyten, und enthalten zudem Makrophagen, also Fresszellen.
„Dennoch wissen wir längst nicht alles
über diese wichtigen Teile des Immunsystems“, erklärt Dr. Jörg Hammel,
Biologe am Institut für Werkstoffphysik, das an der Hereon-Außenstelle
bei DESY in Hamburg beheimatet ist. „Unter anderem war noch nicht im
Detail bekannt, wie das Blutgefäß-System aussieht, das die Knoten mit
Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und das auch eine wichtige Funktion
beim Beherbergen von Immunzellen in den Lymphknoten übernimmt.“
Die Arbeitsgruppe nutzte eine besondere Analysemethode – die
Mikrotomographie. Vom Prinzip her funktioniert sie genauso wie ein
CT-Scanner im Krankenhaus, der dreidimensionale Röntgenaufnahmen aus dem
Körperinneren macht. Doch anders als beim Standardverfahren verwendete
das Team keine konventionelle Röntgenröhre als Strahlungsquelle, sondern
den hochintensiven und stark gebündelten Strahl aus dem Speicherring
PETRA III des DESY. „Damit erreichen wir einen besseren Kontrast sowie
eine höhere Bildauflösung“, erläutert Hammel. „Wir können deutlich
detaillierter in eine Probe hineinschauen, als es im Krankenhaus möglich
ist.“
Blutgefäße im Röntgenblick
Bei ihren Experimenten durchleuchteten die Fachleute die Lymphknoten
gesunder Mäuse. Dabei verwendeten sie eine besondere Variante der
Mikrotomographie, Phasenkontrast-Verfahren genannt. Hier passiert das
Röntgenlicht, bevor es auf die Probe trifft, ein zweidimensionales
Gitter. Dieses fungiert als eine Art Raster, das ein definiertes
Beleuchtungsmuster erzeugt. Das Muster wird dann systematisch über die
Probe bewegt. Gleichzeitig nehmen empfindliche Detektoren jene Strahlung
auf, die durch die Probe hindurchtritt. Anschließend lässt sich per
Computer rekonstruieren, wie die Probe im Einzelnen beschaffen ist.
Besonders vorteilhaft: „Im Gegensatz zu den üblichen Methoden brauchen
wir kein Kontrastmittel“, sagt Hammel. „Dadurch konnten wir die
Lymphknoten für die Untersuchung nahezu in ihrem natürlichen Zustand
belassen.“
Das Ergebnis sind beeindruckende 3D-Röntgenaufnahmen der Knoten. Auf
ihnen ist das Geflecht der Blutgefäße bis auf knappe zwei Mikrometer
genau zu erkennen. Bei der Auswertung stieß das Team auf eine
Überraschung: Bislang hatte die Fachwelt angenommen, dass die Blutgefäße
nur an einer einzigen Stelle in die Lymphknoten hinein- und
hinaustreten – ähnlich wie eine Wand, in der es nur eine Steckdose gibt.
Dagegen zeigen die neuen Aufnahmen, dass der Eintritt der Gefäße über
einen deutlich größeren Bereich erfolgt. Die Wand besitzt mehrere
Steckdosen, verteilt über eine gewisse Fläche – das bisherige
Lehrbuchwissen dürfte damit widerlegt sein.
- „Das erscheint insofern sinnvoll, als dass die Lymphknoten, wenn sie bei einer Infektion aktiv werden, um ein Mehrfaches ihres Ursprungsvolumens anschwellen“, beschreibt Jörg Hammel.
- „Indem die Gefäße an mehreren Stellen eintreten statt nur an einer, kann das Gefäßsystem der Lymphknoten effektiver und selektiver auf die Schwellung im aktivierten Zustand reagieren.“
Die Studie ist eine Gemeinschaftsarbeit der
Arbeitsgruppe für interdisziplinäre neurobiologische Immunologie
(INI-Research), einem Kooperationspartner der Universität Hamburg, des
Helmholtz-Zentrums Hereon, der TU München, sowie der Universitäten
Hamburg und Duisburg-Essen.
Weitere Untersuchungen geplant
Für die Zukunft verspricht die Methode einiges mehr:
So könnten sich die Gefäße von Lymphknoten untersuchen lassen, die durch eine Infektion aktiviert sind und auf ein Mehrfaches ihrer Größe angeschwollen sind.
„Die Knoten sind ja über den ganzen Körper verteilt“, sagt Hammel.
„Und wir könnten nachschauen, wie die Lymphknoten an verschiedenen Körperstellen auf eine Infektion reagieren.“
Interessant wäre es auch, die Reaktion der Knoten auf eine Corona-Infektion zu analysieren.
Schließlich ist mittlerweile bekannt, dass die Viren nicht nur die Lunge, sondern auch Blutgefäße in Mitleidenschaft ziehen.
Und ebenfalls spannend könnte sein, ob sich womöglich geschlechterspezifische Unterschiede bei den Lymphknoten finden – ein derzeit hochaktuelles Forschungsthema.
Über Google: Medizin am Abend Berlin
Dr. Jörg U. Hammel I Helmholtz-Zentrum Hereon I Institut für Werkstoffphysik I T: +49 40 (0)8998 5303 I joerg.hammel@hereon.de
Dr. Torsten Fischer Helmholtz-Zentrum Hereon
Max-Planck-Straße 1
21502 Geesthacht
Deutschland
Schleswig-Holstein
Telefon: 04152 87-1677
Fax: 04152-87 1640
Originalpublikation:
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2022.947961/full
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.hereon.de/institutes/materials_physics/index.php.de
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