Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Multiple-Sklerose-Therapie beeinflusst die Darmflora positiv
Ein bestimmtes Medikament gegen MS verändert auch die Zusammensetzung der Darmflora auf positive Weise, berichten Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel. Zudem spielt umgekehrt die Darmflora eine Rolle dabei, welche Nebenwirkungen bei der Therapie auftreten.
Seit einigen Jahren häufen sich die Hinweise:
- Was dem Nervensystem bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) widerfährt, hängt mit der Mikrobengemeinschaft im Darm zusammen.
- Das Darmmikrobiom beeinflusst das Immunsystem und weist bei MS-Betroffenen eine Zusammensetzung auf, die sich von Gesunden unterscheidet.
Bisher kaum erforscht ist, wie sich MS-Therapien auf die Darmflora
auswirken und welche Rolle deren Zusammensetzung bei Wirkung und
Nebenwirkungen der Therapien spielt.
Ein Forschungsteam der Universität
Basel und des Universitätsspitals Basel hat dies nun bei einer Gruppe
von 20 MS-Betroffenen untersucht, deren Erkrankung mit Dimethylfumarat
behandelt wird. Von ihren Ergebnissen berichtet das Team um Prof. Dr.
Anne-Katrin Pröbstel, Leitende Ärztin in der Neurologie und
Forschungsgruppenleiterin, und Prof. Dr. Dr. Adrian Egli, der seit
kurzem an der Universität Zürich forscht, im Fachjournal «Gut Microbes».
- Das Medikament, das unter dem Namen Tecfidera auf dem Markt ist, verringert die Zahl der Krankheitsschübe bei MS, indem es in den Stoffwechsel bestimmter Immunzellen eingreift.
- Allerdings ist die Therapie mit Nebenwirkungen verbunden, darunter Hitzewallungen und Magen-Darm-Beschwerden, in vielen Fällen auch eine Lymphopenie, ein Mangel an Lymphozyten wie B- und T-Zellen im Blut. Dies kann selten zu schweren Komplikationen führen.
Mehr «gute» Bakterien
Für ihre Studie untersuchten die Forschenden Stuhl- und Blutproben der
Teilnehmenden vor Beginn und während der ersten zwölf Monate der
Therapie.
Im Fokus stand die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft im
Darm. Ausserdem bestimmten Pröbstel und ihr Team die Anzahl Lymphozyten
im Blut, um Patientinnen und Patienten mit Lymphopenie als Nebenwirkung
zu identifizieren.
Bereits nach den ersten drei Monaten der Therapie stellte das
Forschungsteam eine Verschiebung im Darmmikrobiom fest: «Wir konnten
zeigen, dass sich Darmbakterien bei Patientinnen und Patienten unter der
Therapie wieder mehr hin zu der Zusammensetzung von Gesunden
verändern», fasst Pröbstel die Ergebnisse zusammen.
- Die Behandlung mit Dimethylfumarat senkte den Anteil an entzündungsfördernden Bakterienarten, die mit MS in Zusammenhang gebracht werden, und förderte «gute» Bakterien.
Ausserdem konnten die Forschenden die Zusammensetzung des Darmmikrobioms mit dem Auftreten von Lymphopenie in Zusammenhang bringen:
Das Vorhandensein des Bakterienstamms Akkermansia muciniphila in Kombination mit dem Fehlen des Bakterienstamms Prevotella copri entpuppte sich als Risikofaktor für diese Nebenwirkung.
Womöglich komme P. copri also eine
schützende Wirkung zu, vermuten die Studienautorinnen und –autoren.
Wechselspiel zwischen Therapie und Darmflora
«Unsere Daten deuten darauf hin, dass immunmodulatorische Therapien
nicht nur auf Immunzellen wirken, sondern auch das Darmmikrobiom positiv
beeinflussen», erklärt die Neurologin Pröbstel.
Der Zusammenhang zwischen Darmbakterien und klinischen Nebenwirkungen der Therapie könnte Möglichkeiten eröffnen, frühzeitig Patientinnen und Patienten mit einem Risiko für eine Lymphopenie zu identifizieren.
Mikrobiologe Egli
ergänzt: «Dieses relativ neue Feld der Mikrobiologie erlaubt es
vielleicht in Zukunft bei einer Vielzahl von Medikamenten die Wirkungen
und Nebenwirkungen im Kontext der Darmbakterien besser zu verstehen und
Therapien zu personalisieren».
«Noch handelt es sich um eine Pilotstudie mit einer relativ kleinen
Anzahl an Teilnehmenden», betont Pröbstel. Grösser angelegte Erhebungen
müssten die Ergebnisse bestätigen und das Potenzial untersuchen, die
Wirksamkeit von MS-Therapien via der Darmflora zu unterstützen sowie
Risiken für Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.
Das Forschungsteam an den Departementen Neurologie, Biomedizin,
Klinische Forschung und dem «Research Center for Clinical
Neuroimmunology and Neuroscience» der Universität Basel und des
Universitätsspitals Basel erhielt Finanzierung für die Studie durch die
Stiftung Propatient des Universitätsspitals Basel, die
Goldschmidt-Jacobson Stiftung, Biogen, die «National Multiple Sclerosis
Society» und den Schweizerischen Nationalfonds.
Prof. Dr. Anne-Katrin Pröbstel, Universität Basel, Departement Biomedizin, Departement Klinische Forschung, Universitätsspital, Klinik für Neurologie, Tel.: +41 61 556 57 98, E-Mail: anne-katrin.proebstel@unibas.ch
Dr. Angelika Jacobs Universität Basel
Originalpublikation:
Martin Diebold, Maroc Meola et al.
Gut microbiota composition as a candidate risk factor for dimethyl fumarate-induced lymphopenia in multiple sclerosis.
Gut Microbes (2022), doi: 10.1080/19490976.2022.2147055
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