Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue und frühe Nachweismethode für Nebenwirkungen auf den Herzmuskel bei Immuntherapie zur Krebsbehandlung
Neuartige Immuntherapien mit „Checkpoint-Hemmern“ (Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI)) haben die Behandlung von Krebserkrankungen revolutioniert und zu verbesserten Therapieergebnissen geführt.
Die Therapie soll das patienteneigene Immunsystem „entfesseln“, so dass Krebszellen besser erkannt und angegriffen werden können.
Die Studie einer interdisziplinären Forschergruppe des Universitätsklinikums Bonn (UKB) konnte zeigen, dass die neuartige Krebstherapie den Herzmuskel in bisher unbekanntem Ausmaß subklinisch beeinträchtigen kann.
v. l. n. r. Prof. Dr. med. Jennifer Landsberg (Klinik und Poliklinik
für Dermatologie und Allergologie), Dr. med. Katjana Schwab
(Medizinische Klinik und Poliklinik III), PD Dr. med. Julian Luetkens
(Klinik für Diagnostische und Interventionelle UKB/J.F. Saba UKB
Die Ergebnisse der prospektiven Herz-MRT Studie sind in der renommierten Fachzeitschrift Radiology erschienen.
- Das Hauptaugenmerk der Studie lag auf dem Auftreten einer Herzmuskelentzündung (sog. Myokarditis) unter ICI-Therapie.
- Diese kann (zunächst) asymptomatisch und subklinisch – also für die Patienten nicht spürbar – verlaufen.
- In seltenen Fällen jedoch kann ein fulminanter, also sehr rascher und schwerwiegender Verlauf vorliegen.
Bisher war unbekannt, inwieweit die ICI-Therapie auch bei asymptomatischen Patienten zu entzündlichen Veränderungen im Herzmuskel führt.
- Bei den Studienteilnehmern waren nach Beginn einer ICI-Therapie zur Krebsbehandlung insbesondere MRT-spezifische Entzündungsmarker des Herzmuskels erhöht und Anzeichen einer systolischen Dysfunktion (Beeinträchtigung der Herzverformung) vorhanden.
Normalerweise verhindern die sogenannten Immun-Checkpoints eine
überschießende Reaktion des Immunsystems (sogenannte Autoimmunreaktion)
gegen körpereigene, gesunde Zellen.
- Manche Tumoren aktivieren gezielt solche Immun-Checkpoints, so dass Immunzellen, die den Tumor eigentlich erkennen und bekämpfen könnten, stark geschwächt werden.
- Bei der
ICI-Therapie wirken sogenannte Checkpoint-Hemmer oder
Immun-Checkpoint-Inhibitoren dem entgegen:
- Sie verhindern die Unterdrückung der Immunantwort und bewirken so, dass das Immunsystem den Tumor besser erkennt und verstärkt angreift.
Veränderungen im Herzmuskelgewebe
Ziel der Studie war es zu untersuchen, inwieweit die ICI-Behandlung
Veränderungen des Herzmuskels hervorruft, die mit modernen
Herz-MRT-Techniken nachgewiesen werden können, wie z.B. Entzündung,
Fibrose (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) oder Funktionsstörungen
des Herzens.
In der Studie wurden erstmals Krebspatienten, bei denen eine ICI-Therapie geplant war, unmittelbar vor und 3 Monate nach Beginn der ICI-Therapie mit hochsensitiven quantitativen Herz-MRT-Techniken untersucht.
Die ICI-Therapie war die einzige Krebsbehandlung, die
während des Studienzeitraums angewandt wurde. Die Ergebnisse sollen dazu
beitragen, dass schwerwiegende Nebenwirkungen unter Immuntherapie
frühzeitig erkannt werden, um diesen möglicherweise auch rechtzeitig
vorbeugen zu können.
"Mittels hochsensitiver MRT-Marker konnten wir bei den
Studienteilnehmern Veränderungen im Herzmuskelgewebe nachweisen, welche
auf eine entzündliche Mitreaktion im Rahmen der Therapie hindeuten“,
erklärt PD Dr. Anton Faron. Der Mediziner ist Facharzt der Klinik für
Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum
Bonn (UKB). Interessanterweise liefen diese Veränderungen bei den
meisten Patienten ohne begleitende Symptome ab.
- „Diese Beobachtung zeigt uns, dass wir mit dem Herz-MRT ein wichtiges Instrument in der Hand haben, das beispielsweise dazu beitragen kann, mögliche Therapienebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und Therapien so besser und genauer steuern zu können“, betont Faron.
Studie eröffnet womöglich Möglichkeit, Therapien genauer zu steuern
Die ICI-bedingte Herzmuskelentzündung ist eine seltene, aber potenziell
ernsthafte Nebenwirkung, die am ehesten innerhalb der ersten 3 Monate
nach Behandlungsbeginn auftritt.
Daher haben die Ergebnisse wichtige
Implikationen für die klinische Praxis und die zukünftige Forschung.
Die hochsensitiven MRT-Techniken liefern einen bedeutenden Beitrag. Sie
bieten die Möglichkeit einer fortgeschrittenen Gewebecharakterisierung:
"Wir konnten zeigen, dass sich eine diffuse Entzündung gerade mit den modernen quantitativen MRT-Techniken nachweisen lässt.
- Dies hat einen unmittelbaren Bezug, auch für die Entdeckung schwerer Verläufe einer ICI-assoziierten Herzmuskelentzündung bei symptomatischen Patienten“, erklärt PD Dr. Julian Luetkens.
Er leitet die kardiale MRT-Diagnostik
und mit dem QILaB (Quantitative Imaging Lab Bonn) zudem eine
Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Bonn, die sich mit der Entwicklung
und dem Einsatz innovativer quantitativer Verfahren in der MRT
beschäftigt.
An der interdisziplinären Studie des Universitätsklinikums Bonn waren
dessen Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, die
Medizinische Klinik und Poliklinik III der Inneren Medizin sowie die
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie beteiligt.
Publikation: Anton Faron, MD* • Alexander Isaak, MD* • Narine Mesropyan,
MD • Matthäus Reinert, MD • Katjana Schwab, MD • Judith Sirokay, MD •
Alois M. Sprinkart, MD • Franz-Georg Bauernfeind, MD • Darius Dabir, MD •
Claus C. Pieper, MD • Annkristin Heine, MD • Daniel Kuetting, MD •
Ulrike Attenberger, MD • Jennifer Landsberg, MD • Julian A. Luetkens, MD
https://pubs.rsna.org/doi/pdf/10.1148/radiol.2021210814
Zum Universitätsklinikum Bonn:
Im UKB werden pro Jahr über 400.000 Patient*innen betreut, es sind 8.300
Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt über 1,3 Mrd.
Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden
pro Jahr rund 600 junge Menschen in anderen Gesundheitsberufen
ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter
den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix
Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 das
wirtschaftlich erfolgreichste Jahresergebnis aller 35 deutschen UKs und
die einzige positive Jahresbilanz aller UKs in NRW.
PD Dr. med. Julian A. Luetkens
Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Tel.: 0228 287-11831; E-Mail: julian.luetkens@ukbonn.de
Elke Pfeifer Universitätsklinikum Bonn
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
E-Mail-Adresse: elke.pfeifer@ukbonn.de
Originalpublikation:
Publikation: Anton Faron, MD* •
Alexander Isaak, MD* • Narine Mesropyan, MD • Matthäus Reinert, MD •
Katjana Schwab, MD • Judith Sirokay, MD • Alois M. Sprinkart, MD •
Franz-Georg Bauernfeind, MD • Darius Dabir, MD • Claus C. Pieper, MD •
Annkristin Heine, MD • Daniel Kuetting, MD • Ulrike Attenberger, MD •
Jennifer Landsberg, MD • Julian A. Luetkens, MD
https://pubs.rsna.org/doi/pdf/10.1148/radiol.2021210814
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