Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kachexie: Wie spielen Immunsystem und Stoffwechsel zusammen?
Kachexie nennt sich eine „Begleiterkrankung“ zahlreicher chronischer Krankheiten.
Obwohl sie ernsthafte Auswirkungen auf unseren Gesundheitszustand hat und zum frühzeitigen Tod beiträgt, ist bis dato wenig darüber bekannt.
Dementsprechend sind auch die derzeitigen Therapiemöglichkeiten begrenzt.
Den Bedarf nach mehr Forschung betonen ForscherInnen der Forschungsgruppe von Andreas Bergthaler am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW in ihrer aktuellen Veröffentlichung in Nature Reviews Immunology.
Um der Kachexie und zahlreichen verwandten Erkrankungen entgegenwirken zu können, braucht es ein besseres Verständnis über das Zusammenspiel zwischen Immunsystem und Stoffwechsel.
Andreas Bergthaler und Hatoon Baazim am CeMM CeMM
Kachexie nennt sich eine „Begleiterkrankung“ zahlreicher chronischer Krankheiten.
Sie bezeichnet den durch Abbau von Muskel- und Fettgewebe induzierten Gewichtsverlust.
- Kachexie tritt bei PatientInnen mit chronischen Infekten wie HIV, Tuberkulose und Malaria, Autoimmunerkrankungen und auch häufig auch jenen mit fortgeschrittener Krebserkrankung auf.
- Betroffene verlieren dabei ungewollt Körpergewicht und Kraft, Reserven an Fett und Skelettmuskelmasse werden zunehmend aufgebraucht.
CeMM Forschungsgruppenleiter Andreas Bergthaler erklärt:
„Kachexie könnte evolutionär betrachtet eigentlich ein Teil der Immunantwort sein.
- Wir gehen von der Hypothese aus, dass unser Körper bei Erkrankungen alle Energie Richtung Immunsystem leitet, also Reserven aus energiereichen Stoffwechselorganen aufbraucht bzw. umleitet, um die eigentliche Krankheit zu bekämpfen.“
Allerdings ist bei Erkrankungen wie Krebs bislang kein positiver Effekt von Kachexie erkennbar.
Im Gegenteil:
Kachexie zählt mitunter zu den häufigsten Todesursachen, insbesondere Krebs-PatientInnen sind davon betroffen, ihnen stiehlt die Kachexie wertvolle Therapiezeit.
Zudem mindert sie die Lebensqualität der Betroffenen, sie verursacht Appetit- und Kraftlosigkeit sowie Abgeschlagenheit.
Der aktuelle
Übersichtsartikel in Nature Reviews Immunology befasst sich nicht nur
mit dem aktuellen Stand der Forschung zu Kachexie, sondern formuliert
Schlüsselfragen für wichtige zukünftige Forschungsarbeiten.
CD8-Killerzellen Auslöser von Kachexie
Trotz der Häufigkeit von Kachexie weiß man immer noch wenig über die
molekularen Prozesse dahinter, weshalb es auch noch keine wirksamen
Behandlungen gibt. 2019 konnte Bergthalers Forschungsgruppe rund um
Erstautorin Hatoon Baazim einen neuen zentralen Akteur der Kachexie
während Virusinfektionen identifizieren – sogenannte CD8-T-Killer Zellen
des Immunsystems.
Ähnlich wie bei Kachexie im Zusammenhang mit Krebs
konnte der Gewichtsverlust im Infektionsmodell durch Nahrungsergänzung
nicht verhindert werden. Darüber hinaus zeigte die damalige Studie, dass
die Virusinfektion zu einer gravierenden Reorganisation der Architektur
des Fettgewebes führte. Diese Erkenntnisse ermöglichen die Erforschung
neuer Fragen rund um die Kachexie. „Wir wollen verstehen, wie Kachexie
initiiert wird, welche Faktoren vom Immunsystem und Stoffwechsel dabei
wesentliche Rollen spielen. Dabei bietet der Vergleich zwischen
Infektions- und Krebsinduzierter Kachexie eine wertvolle Möglichkeit, um
die molekularen Mechanismen aufzuklären und neue therapeutische Ansätze
zu entwickeln“, erklärt Studienautorin Hatoon Baazim.
Mehr Austausch zwischen den Fachbereichen
Unterschiedlichste Grunderkrankungen können die gleichen für Kachexie
charakteristischen Begleiterscheinungen hervorrufen. Klar ist, dass das
Zusammenspiel zwischen Immunsystem und Stoffwechsel dabei eine zentrale
Rolle spielt. „Wir wissen heute, dass manche Botenstoffe Kachexie
begünstigen oder hemmen – je nach Krankheitskontext. Zudem gibt es
vermehrt Hinweise, dass Immunzellen dabei eine große Rolle spielen.
Botenstoffe, Immunzellen und das betroffene Gewebe beeinflussen
einander“, so Bergthaler. Die hohe Komplexität des Krankheitsbildes
unterstreicht auch Studienautorin Hatoon Baazim. „Während der Kachexie
schrumpfen Fettgewebe und Muskeln und geben einen großen Teil der
Energie frei, die in Form von Fett und Proteinen gespeichert wurde. Die
Folgen dieser Entwicklung sind im Zusammenhang mit der Kachexie noch
nicht gut erforscht. Hierbei helfen uns neueste Erkenntnisse aus der
Immunstoffwechsel Forschung, die zeigen, wie diese Moleküle die Funktion
des Immunsystems beeinflussen können.“
Die Übersichtsarbeit in Nature Reviews Immunology unterstreicht
insbesondere die Wichtigkeit, Kachexie durch verstärkte
interdisziplinäre Zusammenarbeit an den Schnittstellen von
Grundlagenforschung und klinischer Forschung in den Bereichen
Immunologie, Onkologie, Infektionsforschung, Pathophysiologie und der
Stoffwechselforschung besser zu verstehen.
Die dadurch gewonnenen
Erkenntnisse werden die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte gegen die
Kachexie unterstützen und darüber hinaus auch grundlegende Fragen zum
Immunsystem beantworten. „Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit wird
helfen, die einzelnen Puzzle-Teilen zusammenzufügen und damit
hoffentlich auch neue Türen für eine Therapie gegen Kachexie zu öffnen“,
so Bergthaler.
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Andreas Bergthaler hat Veterinärmedizin in Wien studiert. Nach seinem
Doktorat bei Hans Hengartner und Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel an
der Universität Zürich und der ETH Zürich folgten postdoktorale
Forschungsaufenthalte an der Universität Genf und am Institute for
Systems Biology in Seattle. Seit 2011 ist er Forschungsgruppenleiter am
CeMM und ERC Start Preisträger.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und
interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter
wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert
sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert
Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative
diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu
entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen,
Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen. Das
Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der
Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
www.cemm.at
Originalpublikation:
Der Artikel „The interplay of immunology and cachexia in infection and cancer“ erschien in Nature Reviews Immunology am 4. Oktober 2021. DOI: 10.1038/s41577-021-00624-w.
Lazarettgasse 14, AKH BT 25.3
1090 Wien
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Wien
Anna Schwendinger
Telefon: 0043-1/40160-70 092
E-Mail-Adresse: aschwendinger@cemm.at
Telefon: +43 1 40160-70057
E-Mail-Adresse: lalvarez@cemm.at
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