Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Natürliche Antibiotika, die in Wunden produziert werden, fördern den Schlaf und das Überleben nach Verletzungen
Wenn unser Körper verwundet wird, löst er eine komplexe Immunantwort aus.
Als Teil davon produziert die Wunde kleine antimikrobielle Moleküle, um die Krankheitserreger lokal abzuwehren.
Forschende des Biotechnologischen Zentrums (BIOTEC) der TU Dresden und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Zusammenarbeit mit dem Centre d'Immunologie de Marseille-Luminy (CIML) in Frankreich haben herausgefunden, dass diese natürlichen Antibiotika auch als weitreichende molekulare Botenstoffe wirken können.
- Sie signalisieren die Wunde von der Verletzungsstelle zum Gehirn, erhöhen dadurch die Schlaf-Menge, und fördern so die Überlebenschancen nach der Verletzung.
C. elegans-Wurm, der ein Gen exprimiert (in grün), das die Produktion der antimikrobiellen Moleküle (AMP) fördert. © Henrik Bringmann
Diese Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht.
Schlaf ist die beste Medizin, wie ein altes Sprichwort sagt.
Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass längerer Schlaf zu einer besseren Erholung führt.
Es ist keine Überraschung, dass unser Gehirn auf eine Verletzung reagiert, indem es unseren Schlaf verlängert.
Aber wie geschieht das?
Wie erfährt das Gehirn von der Verletzung? Wird von der Wunde eine Art
weitreichende Nachricht an das Gehirn gesendet?
Ein Wissenschaftlerteam untersuchte diese Fragen anhand von Verletzung
und Schlaf bei Würmern. „Der Wurm C. elegans ist das einfachste Tier, an
dem wir den Schlaf untersuchen können. Es ist ein Modell, das ein
breites Spektrum molekularbiologischer Techniken erlaubt, um
grundlegende biologische Prozesse im Detail zu erforschen“, erklärt
Prof. Bringmann, Forschungsgruppenleiter am Biotechnologiezentrum
(BIOTEC) der TU Dresden und Gastgruppenleiter am Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie.
Ein Team unter der Leitung von Prof. Bringmann hat damit begonnen, nach
Genen zu suchen, die für die Verlängerung des Schlafes bei Würmern
verantwortlich sind. Sie haben ein großangelegtes genetisches Screening
durchgeführt und über 4.500 verschiedene Genmutationen analysiert. Eines
der gefundenen Gene hat ihre besondere Aufmerksamkeit erregt. Die
Steigerung der Aktivität dieses Gens führte zu einem enormen Anstieg der
Produktion von antimikrobiellen Peptiden (AMPs). Bei den AMPs handelt
es sich um natürliche Antibiotika, die der Körper im Inneren der Wunde
produziert, um die Krankheitserreger lokal abzuwehren.
Um den Zusammenhang zwischen den antimikrobiellen Peptiden und der
Schlafsignalisierung herauszufinden, haben die Dresdner
Wissenschaftler:innen mit den Immunolog:innen Dr. Nathalie Pujol und Dr.
Jonathan Ewbank vom Centre d'Immunologie de Marseille-Luminy (CIML) in
Frankreich zusammengearbeitet. Gemeinsam hat das Team die Genexpression
von Würmern manipuliert. Sie haben die Produktion der natürlichen
Antibiotika ausgeschaltet und sich angesehen, was mit den verletzten
Würmern geschieht. Was sich anhört, als würde man einfach einen Schalter
umlegen, war in Wirklichkeit gar keine einfache Aufgabe. Es hat sich
herausgestellt, dass antimikrobielle Peptide hochgradig redundant sind.
Die Wissenschaftler:innen haben festgestellt, dass insgesamt 19 verschiedene Gene, die für die Produktion von AMPs verantwortlich sind, gleichzeitig ausgeschaltet werden mussten, um einen erstaunlichen Unterschied zu beobachten.
„Wir haben gesehen, dass die Würmer, die
keine antimikrobiellen Peptide produzieren, nach einer Verletzung viel
weniger schlafen“, erklärt Prof. Bringmann. „Normalerweise überleben
Würmer Verletzungen recht gut. Wir haben jedoch beobachtet, dass der
Schlafverlust die Anzahl der Würmer erhöhte, die eine scheinbar nicht
bedrohliche Verletzung nicht überlebten“, fügt Prof. Bringmann hinzu.
- Die Forscher konnten zeigen, dass die AMPs, einmal aus der Hautwunde freigesetzt, als Botenstoff wirken und Rezeptoren im Gehirn aktivieren.
- Diese Aktivierung wirkt als Schalter und schaltet Schlaf-Neuronen an, die dann die Schlaf-Menge steigern.
„Es ist seit langem bekannt, dass
AMPs lokal wirken, aber unsere Studie hat gezeigt, dass sie auch als
Botenmoleküle mit grosser Reichweite wirken, die dem Nervensystem den
Schlafbedarf von Wunden signalisieren“, sagt Prof. Bringmann.
Diese Ergebnisse stärken die Rolle des Schlafs bei der Erholung von
Verletzungen weiter.
„Da Schlaf bei praktisch allen Tieren vorkommt,
deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Schlaf nicht nur für
C.-elegans-Würmer, sondern auch für andere Tiere und möglicherweise
sogar für den Menschen entscheidend für die Erholung und das Überleben
nach einer Verletzung sein könnte“, folgert Prof. Bringmann. Seine
Gruppe wird durch den Starting Grant SLEEPCONTROL des Europäischen
Forschungsrates (ERC) finanziert.
Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC) wurde 2000 als zentrale
wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden mit dem Ziel gegründet,
modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den
in Dresden traditionell starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden.
Seit 2016 ist das BIOTEC eines von drei Instituten der zentralen
wissenschaftlichen Einrichtung Center for Molecular and Cellular
Bioengineering (CMCB) der TU Dresden. Das BIOTEC nimmt eine zentrale
Position in Forschung und Lehre im Forschungsschwerpunkt Molecular
Bioengineering ein und verbindet zellbiologische, biophysikalische und
bioinformatische Ansätze miteinander. Es trägt damit entscheidend zur
Profilierung der TU Dresden im Bereich Gesundheitswissenschaften,
Biomedizin und Bioengineering bei.
www.tu-dresden.de/biotec
www.tu-dresden.de/cmcb
Prof. Henrik Bringmann
Tel.: +49 (0) 351 463-40330
Email: henrik.bringmann@tu-dresden.de
Webpage: www.tu-dresden.de/biotec
01062 Dresden
Deutschland
Sachsen
Konrad Kästner
Telefon: 0351 463-32427
E-Mail-Adresse: konrad.kaestner@tu-dresden.de
Originalpublikation:
Marina P. Sinner, Florentin
Masurat, Jonathan J. Ewbank, Nathalie Pujol, Henrik Bringmann: Innate
immunity promotes sleep through epidermal antimicrobial peptides.
Current Biology (November 2020)
doi: 10.1016/j.cub.2020.10.076
URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982220316535
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