Medizin am Abend Berlin Fazit: Nationales Netzwerk soll Versorgung von Lungenkrebs-Patienten verbessern
Über ein bundesweites Netzwerk sollen in Deutschland künftig alle Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs Zugang zu molekularer Diagnostik und innovativen Therapien erhalten.
Dafür schließen sich 15 universitäre Krebszentren im „nationalen Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs“ zusammen – darunter alle 13 onkologischen Spitzenzentren, die aktuell von der Deutschen Krebshilfe gefördert werden.
Diese unterstützt das Vorhaben, das am 1. April 2018 gestartet ist, mit insgesamt 2,94 Millionen Euro.
Das Leitunggremium - Uniklinik Köln
Das Leitungsgremium des neuen Nationalen Netzwerkes Genomische Medizin: (v.l.) Sprecher Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter CIO/Uniklinik Köln, Prof. Dr. Christof von Kalle, Direktor Nationalen Tumorcentrums und Leiter Abteilung für Translationale Onkologie/DKFZ Heidelberg, und Prof. Dr. Reinhard Büttner, Direktor Pathologie/Uniklinik Köln.
Das nNGM ist eine Weiterentwicklung des regionalen Netzwerkes NGM, das im Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln angesiedelt ist und sich seit 2010 erfolgreich für die Implementierung personalisierter Therapien in der Routineversorgung von Patienten mit Lungenkrebs einsetzt. Ziel des bundesweiten Netzwerkes ist es, den schwer kranken Patienten Zugang zu modernster molekularer Diagnostik und neuesten Therapien zu ermöglichen – auch im Rahmen klinischer Studien.
Lungenkrebs (auch Bronchialkarzinom genannt) ist weltweit die häufigste Krebserkrankung und die häufigste Krebstodesursache.
- Jahrzehntelang standen Patienten im fortgeschrittenen Stadium außer Chemotherapien und Bestrahlungen keine weiteren Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.
Dank der Fortschritte im Bereich der Genomforschung können nun mehr und mehr personalisierte, das heißt maßgeschneiderte, Therapien zum Einsatz kommen.
Diese setzen eine umfassende molekulare Untersuchung vor der Therapie voraus. Hierauf basierend können dann bei einem Teil der Patienten sogenannte Treibermutationen gezielt angegangen werden.
Aber auch für die Immuntherapie werden zunehmend prädiktive molekulare Marker charakterisiert, die einen gezielteren Einsatz dieser neuen Therapieform ermöglicht. Bei der häufigen Form des nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) existieren mittlerweile für circa 25 Prozent der Patienten in inoperablen Tumorstadien zielgerichtete Therapien – hochgerechnet für Deutschland entspricht dies mehr als 7.000 Patienten, die von diesen Therapien profitieren könnten.
„Durch eine konsequente Diagnostik der molekularen Veränderungen und der Therapie mit den entsprechenden Inhibitoren können wir bei vielen Patienten im fortgeschrittenen Stadium ein um Jahre verlängertes Überleben erreichen.
Wir müssen diese komplexen Innovationen deshalb schnell zu den Patienten bringen und dafür brauchen wir überall in Deutschland kompetente Brückenköpfe“, so nNGM-Sprecher Prof. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des CIO an der Uniklinik Köln, und zusammen mit Prof. Dr. Reinhard Büttner, Direktor der Pathologie an der Uniklinik Köln, Gründer und Sprecher von NGM. Beide bilden mit Prof. Dr. Christof von Kalle, Direktor des Nationalen Tumorcentrums und Leiter der Abteilung für Translationale Onkologie am DKFZ in Heidelberg, das Koordinationsteam des neuen Nationalen Netzwerkes Genomische Medizin.
- Bei den richtigen Patienten angewendet sind die neuen Therapien der Chemotherapie hinsichtlich Tumorkontrolle, Verträglichkeit, progressionsfreiem Überleben und Gesamtüberleben deutlich überlegen.
Für Nicht-Lungenkrebsspezialisten sind Therapiemöglichkeiten beim Lungenkrebs aber unübersichtlich und ihre Zahl steigt stetig:
Aktuell stehen – je nach genomischem Profil des Tumors – für einen Teil der Patienten bereits zugelassene Medikamente zur Verfügung, für einen weiteren Teil kommen Off-Label-Therapien zum Einsatz (also Medikamente, die zwar zugelassen sind, allerdings für andere Indikationen).
Weitere Möglichkeiten sind personalisierte Therapien im Rahmen klinischer Studien.
Und für Erkrankungen ohne Treibermutationen drängen die Immuncheckpoint-Inhibitoren in die klinische Anwendung. „Wir werden künftig auch immer häufiger prädiktive diagnostische Verfahren wie zum Beispiel Genmutationssignaturen anwenden, um bereits vor Verabreichung einschätzen zu können, bei wem die Substanzen besonders gut wirken“, sagt Prof. Büttner.
Ausgehend von den universitären Spitzenzentren sollen für den angestrebten Know-How-Transfer regionale Netzwerke aufgebaut werden, die möglichst umfassend Kliniken und Praxen zusammenführen, in denen Lungenkrebspatienten versorgt werden. Die Spitzenzentren beziehungsweise entsprechend qualifizierte universitäre Zentren führen in diesen Netzwerken eine dezentrale, aber deutschlandweit harmonisierte molekulare Multiplex-Diagnostik durch und beraten die Kooperationspartner bezüglich der therapeutischen Relevanz der Ergebnisse. Die Behandlung der Patienten erfolgt immer möglichst heimatnah bei den Kooperationspartnern.
Die Deutsche Krebshilfe unterstützt die Anschubfinanzierung der molekularen Diagnostik, die Koordination der regionalen Netzwerke, das Datenmanagement und die Qualitätssicherung der NGS-basierten Diagnostik.
Die Krankenkassen und der Medizinische Dienst der Kassen sind im Beirat von nNGM vertreten, um die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen schrittweise in die Regelversorgung zu überführen. Das Projekt nNGM soll außerdem Strukturen zur Implementierung und Weiterentwicklung personalisierter Krebstherapien in Deutschland beispielhaft etablieren, um diese später auf andere Krebserkrankungen übertragen zu können. Offizieller Projektstart war der 1. April 2018.
Der Aufbau der Netzwerke soll letztlich aber den schwer kranken Patienten zu Gute kommen: „Vorrangiges Ziel von nNGM ist die Verbesserung der Versorgung Betroffener mit innovativen, besser wirksamen und weniger toxischen Medikamenten und damit letztlich die Verlängerung der Überlebenszeiten von Patienten mit Lungenkrebs“, fasst Prof. Kalle zusammen.
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