Medizin am Abend Berlin - MaAB -Fazit: Telemedizin unabhängig von Herzpumpfunktion wirksam
Die prästratifizierte Sekundärauswertung der TIM-HF2-Studie durch das DZHI am Universitätsklinikum Würzburg, das Deutsche Herzzentrum der Charité in Berlin und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zeigt, dass ein Telemonitoring auch Herzinsuffizienzpatientinnen und -patienten mit erhaltener oder nur leicht reduzierter Pumpfunktion zu Gute kommt.
Der Schlüssel zum Erfolg der telemedizinischen Betreuung sind spezialisierte Herzinsuffizienzschwestern und -pfleger. Arnika Hansen UKW / DZHI
Rund 64 Millionen Menschen weltweit leiden an einer Herzinsuffizienz, davon mehr als 3 Millionen in Deutschland.
Eine große Hoffnung in der Behandlung dieser Volkskrankheit liegt in der Telemedizin – also der regelmäßigen Fernüberwachung von Vitalparametern, die dem medizinischen Fachpersonal eine frühere Reaktion bei Hinweisen auf Verschlechterung ermöglicht.
Im Dezember 2020 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die telemedizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche in das ambulante Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen mit aufzunehmen.
- „Allerdings haben bisher nur Patientinnen und Patienten mit einer deutlich reduzierten linksventrikulären Pumpfunktion diesen gesetzlichen Versorgungsanspruch, also erst, wenn die so genannte LVEF weniger als 40 Prozent beträgt,“ erläutert Dr. Fabian Kerwagen, Clinician Scientist am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) und Erstautor einer neuen wegweisenden Publikation im European Journal of Heart Failure.
Darin
zeigt der angehende Kardiologe in Zusammenarbeit mit Prof. Stefan Störk,
Leiter der Klinischen Forschung am DZHI, und Prof. Friedrich Köhler,
Leiter des Arbeitsbereichs Kardiovaskuläre Telemedizin am Deutschen
Herzzentrum der Charité (DHZC), dass Telemonitoring unabhängig von der
Pumpfunktion wirksam ist.
- Hoher Bedarf an Therapien für Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion
Neben der Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion, in der
Fachsprache HFrEF (Heart Failure with reduced Ejection Fraction)
genannt, gibt es die Herzinsuffizienz mit leichtgradig reduzierter
Pumpfunktion und Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion, kurz
HFpEF für Heart Failure with preserved Ejection Fraction.
„Ausgerechnet für die beiden bisher von der telemedizinischen Versorgung ausgeschlossenen Formen gibt es deutlich weniger evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten als für die HFrEF.
Der Bedarf an wirksamen
Therapien für diese beiden Formen ist daher besonders hoch“, bemerkt
Fabian Kerwagen zu den Hintergründen seiner Analyse.
TIM-HF2 legte Grundstein für neue Telemedizin auf Rezept
Die neuen Einsichten beruhen auf einer Sekundärauswertung der im Jahr
2018 im Journal The Lancet veröffentlichten TIM-HF2-Studie (Telemedical
Interventional Management in Heart Failure II). Diese kontrollierte
multizentrische Versorgungsforschungsstudie wurde unter der Leitung von
Friedrich Köhler an der Charité Berlin deutschlandweit unter
Einbeziehung von 1.538 Patientinnen und Patienten durchgeführt. „TIM-HF2
zeigte, dass sich im deutschen Gesundheitssystem das Leben von
Herzinsuffizienzpatienten durch telemedizinische Unterstützung
verlängern und die Krankenhauswiederaufnahme reduzieren lässt. Damit
haben die Ergebnisse von TIM-HF2 entscheidend dazu beigetragen, dass der
neue Versorgungsansatz als erstes digitales Behandlungsprogramm
überhaupt in die Regelversorgung aufgenommen wurde“, berichtet der
Studienleiter der TIM-HF2 Studie, Friedrich Köhler.
In der prästratifizierten Sekundärauswertung wurde untersucht wie sich
die zwölfmonatige telemedizinische Betreuung auf die Zahl der
ungeplanten Krankenhaustage und Todesfälle bei den drei Formen der
Herzinsuffizienz auswirkt:
Also bei Herzinsuffizienz mit höhergradig reduzierter, mit leicht reduzierter oder mit erhaltener Pumpfunktion.
Die statistische Auswertung der Studie erfolge am Institut für Biometrie
und Epidemiologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
„Wir konnten zeigen, dass alle Patientinnen und Patienten von einer telemedizinischen Mitbetreuung profitieren – unabhängig von der Pumpfunktion“, konstatiert Fabian Kerwagen erfreut.„Das hochkomplexe Krankheitsbild benötigt eine umfassende Betreuung“
Stefan Störk, Letztautor der Studie, freut sich über dieses wichtige Ergebnis und hofft, dass die telemedizinisch unterstützte Versorgung bald für alle Herzinsuffizienz-Patientinnen und Patienten zugänglich sein wird. „Wir setzen uns schon sehr lange für diesen Versorgungsansatz ein. Denn das hochkomplexe Krankheitsbild Herzinsuffizienz benötigt eine umfassende Betreuung.“ Um drohende Entgleisungen frühzeitig zu erkennen und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, das Leben zu verlängern und die Lebensqualität zu verbessern, wurde am DZHI auf dem Gelände des Universitätsklinikums Würzburg das Versorgungsprogramm HeartNetCare-HFTM entwickelt. Der Schlüssel zum Erfolg dieses Programms, das in abgewandelter Form auch in TIM-HF2 zur Anwendung kam, sind spezialisierte Herzinsuffizienzschwestern und -pfleger.
Über die telemedizinische Mitbetreuung im Rahmen der TIM-HF2 Studie
Die Fernüberwachung bestand aus einer ärztlich geleiteten telemedizinischen Unterstützung rund um die Uhr durch das telemedizinische Zentrum (TMZ) am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).
Das TMZ-Team bestand aus Ärztinnen und Ärzten sowie spezialisierten Herzinsuffizienz-Pflegekräften.
Alle Patientinnen und Patienten erhielten ein Telemonitoring-System für zu Hause, das ein Mobiltelefon, ein digitales Tablet und vier externe Geräte für die Messung eines Dreikanal-Elektrokardiogramms (EKG), der peripheren kapillaren Sauerstoffsättigung (SpO2), des nicht-invasiven Blutdrucks und des Körpergewichts umfasste.
Nach Installation und Einweisung in das Telemonitoring-System vor Ort wurden alle Studienteilnehmenden von den spezialisierten Herzinsuffizienz-Pflegekräften geschult.
Das TMZ nutzte die als Medizinprodukt zertifizierte telemedizinische Analysesoftware "Fontane". Damit wurden Patientendaten übermittelt, die elektronische Gesundheitsakte überwacht und die Kommunikation zwischen TMZ, Studienteilnehmenden und ihrer hausärztlichen oder kardiologischen Praxis durchgeführt. Die Patientendaten einschließlich der Vitalparameter und Medikation wurden täglich überprüft. Darüber hinaus kontaktierten die Pflegekräfte die Patientinnen und Patienten monatlich oder bei Bedarf auch häufiger, um ein strukturiertes Telefongespräch zu führen, das Lehr- und Überwachungselemente enthielt. Die Kombination aus Telemonitoring mit externen Geräten und bedarfsorientiertem Telefonkontakt durch spezialisierte Herzinsuffizienz-Pflegekräfte gewährleistete eine mehrdimensionale, individualisierte Behandlung inklusive emotionaler Unterstützungsfunktion, Aufdosierung von Herzinsuffizienz-Medikamenten oder Einleitung eines Krankenhausaufenthalts, falls erforderlich.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Studien
Spezielle mit Sensoren ausgestattete Messgeräte übertragen die Gesundheitswerte der Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten täglich drahtlos an das Telemedizinzentrum der Charité, sodass bei auffälligen Messwerte sofort reagiert werden kann. DHZC
Prof. Dr. Stefan Störk, stoerk_s(at)ukw.de
Prof. Dr. Friedrich Köhler, friedrich.koehler(at)dhzc-charite.de
Josef-Schneider-Str. 2
Haus D3
97080 Würzburg
Deutschland
Bayern
Susanne Just
Telefon: 0931/201-59447
Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse: just_s@ukw.de
Kirstin Linkamp Universitätsklinikum Würzburg
Originalpublikation:
Remote patient management of heart failure across the ejection fraction spectrum: a pre-specified analysis of the TIM-HF2 trial.
Fabian Kerwagen, Kerstin Koehler, Eik Vettorazzi, Verena Stangl,
Magdalena Koehler, Martin Halle, Friedrich Koehler, Stefan Störk.
European Journal of Heart Failure (2023)
https://doi.org/10.1002/ejhf.2948
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(18)31880-4.pdf TIM-HF2 Studie
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