Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Blick in das betrunkene Hirn - - neue molekulare und zelluläre Mechanismen des Suchtgedächtnisses
In einer aktuellen Publikation in PNAS suchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Düsseldorf, Heidelberg, Mannheim und Köln nach anhaltenden Veränderungen im Gehirn nach einer einzigen Gabe von Alkohol.
Falls sich Veränderungen im Hirn nach Alkoholeinfluss manifestieren, so könnten diese Veränderungen die Signatur oder zumindest die Vorstufen eines Suchtgedächtnisses sein.
Wenn man daher die molekularen und zellulären Mechanismen einer solchen Signatur besser versteht, dann könnte man möglicherweise in Zukunft dem Entstehen einer Sucht pharmakologisch entgegenwirken.
Man weiß inzwischen, dass molekulare und zelluläre Mechanismen, die für das normale Gedächtnis wichtig sind, auch beim ‚Suchtgedächtnis‘ eine zentrale Rolle spielen.
Das bedeutet auch, dass unserem Gehirn die Bildung positiver Assoziationen mit Drogen und Alkohol in jüngeren Jahren leichter fällt, genau wie auch die normale Gedächtnisleistung bei jüngeren Menschen besser ist.
- Daher - je früher Kinder und Jugendliche ihren ersten intensiven Kontakt mit Alkohol haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter alkoholabhängig zu sein.
Durch hochauflösende Zwei-Photonen Mikroskopie konnten derartige
zelluläre Mechanismen live im lebenden Maushirn während und nach der
Trunkenheit beobachtet werden. Eine zentrale Entdeckung des
Forscherteams um Dr. Sidney Cambridge war, dass eine einzige Alkoholgabe
im Gehirn von Mäusen zu Änderungen an Synapsen führte und dass diese
Änderungen deutlich länger existierten, als der Alkohol im Blut
vorhanden war.
Solche anhaltenden Änderungen an Synapsen bilden die
Grundlage von normalen Lernen und Gedächtnis und könnten somit auch die
Grundlage des Suchtgedächtnisses darstellen.
Nach Einmalgabe von Alkohol war außerdem eine Erhöhung der
Mitochondrien-Mobilität in Nervenzellen im lebenden Hirn zu beobachten -
und auch diese Veränderung war nach dem vollständigen Abbau des
Ethanols noch messbar.
In Drosophila Fruchtfliegen hingegen führte die gezielte Blockade dieser
Mitochondrien-Mobilität dazu, dass die Fliegen keine positiven
Assoziationen mit Alkohol aufbauen konnten. Normalerweise gewöhnen sich
Fliegen sehr schnell an den Genuss von Alkohol, aber nach Blockade der
Mitochondrien-Mobilität hatten die Fliegen kein Interesse mehr.
Da die Mobilität der Mitochondrien sowohl bei Fliegen als auch bei
Mäusen eine wichtige Rolle bei Alkohol bedingten Veränderungen des
Gehirns zu spielen scheint, vermuten die Wissenschaftler, dass beim
Menschen dieser zelluläre Mechanismus ebenso von maßgeblicher Bedeutung
ist.
Abschließend konnten auch bei Verhaltensexperimenten mit Mäusen
länger anhaltende Veränderungen beobachtet werden, da die Tiere bis zu
zwei Tage nach einmaliger Alkoholgabe Schwierigkeiten hatten, korrekte
Entscheidungen zu treffen.
Zusammenfassend konnten die Wissenschaftler also zeigen, dass ein
einmaliger intensiver Alkoholgenuss zu anhaltenden Veränderungen im
Gehirn führt, welche wiederum die Grundlage des Suchtgedächtnisses
darstellen könnten.
Dr. Sidney Cambridge, Institute of Anatomy II, Heinrich-Heine University Düsseldorf
SidneyBoris.Cambridge@med.uni-duesseldorf.de
Susanne Dopheide Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Universitätsstraße 1
40225 Düsseldorf
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Telefon: 0211 81 04173
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E-Mail-Adresse: susanne.dopheide@med.uni-duesseldorf.de
Originalpublikation:
Originalpublikation: Johannes Knabbe et al.: Single-dose ethanol intoxication causes acute and lasting neuronal changes in the brain, PNAS, June 14, 2022, https://doi.org/10.1073/pnas.2122477119
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