Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Bakterielle Fußfessel:
Bewegungshemmende Wirkstoffe gegen den Magenkeim Helicobacter pylori
Helicobacter pylori ist einer der am weitesten verbreiteten bakteriellen Krankheitserreger und weltweit verantwortlich für jährlich hunderttausende Fälle von Magengeschwüren und Magenkrebs.
Aufgrund von zunehmenden Resistenzen des Bakteriums gegen aktuell verfügbare und therapeutisch eingesetzte Antibiotika werden dringend neue Wirkstoffe benötigt.
Einer Gruppe von Wissenschaftler:innen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist es gelungen, Substanzen zu identifizieren, die die Fortbewegungsfähigkeit der Bakterien hemmen und damit ihrer Vermehrung und pathogenen Aktivität vorbeugen könnten.
Die EM-Aufnahme (violett) zeigt das Ende eines stäbchenförmigen Helicobacter pylori-Bakteriums, an dem ein Flagellum angeheftet ist. Bildausschnitt links: Schema einer Bakterienzelle mit Propellerflagellen. Christine Josenhans and Shin-Ichi Aizawa, LMU
„Die Fähigkeit, sich im zähflüssigen Milieu des Magenschleims bewegen zu können, ist für das Überleben und die Vermehrung von H. pylori essenziell“, erklärt Professorin Christine Josenhans, Wissenschaftlerin am Max von Pettenkofer-Institut der LMU und im DZIF.
Diese Fähigkeit des Bakteriums machen sich die Forschenden nun zunutze,
um alternative Therapien zu entwickeln.
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am
Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, der
Medizinischen Hochschule Hannover und der Berliner Charité testeten sie
dazu annähernd 4.000 chemische Substanzen auf ihre mögliche Wirkung auf
die Bewegungsmaschinerie der Bakterien. H. pylori trägt an einem Ende
der Bakterienzelle ein Bündel von rotierenden Geißeln, die wie
Schiffsschrauben agieren und die Bakterien im Magenschleim antreiben.
Mit Hilfe eines speziell entwickelten Screening-Verfahrens konnten die
Wissenschaftler:innen mehrere Substanzen identifizieren, die den Aufbau
dieser bakteriellen Propeller hemmen und dem Bakterium quasi eine
Fußfessel anlegen.
Für eine der Substanzen konnten sie in Mäusen, die mit H. pylori
infiziert sind, eine starke Reduktion der bakteriellen Vermehrung im
Magen beobachten, ohne dass dabei die normale bakterielle Darmflora
signifikant geschädigt wurde.
„Das wäre ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Antibiotika, die häufig auch die unverzichtbaren „guten“ Darmbakterien dauerhaft angreifen“, erklärt Prof. Josenhans, die Letztautorin der Studie.
- Für eine erfolgreiche Behandlung einer H. pylori-Infektion müssen derzeit mehrere Klassen von Antibiotika kombiniert werden, was zum Teil zu schweren Nebenwirkungen sowie weiter zunehmenden Antibiotikaresistenzen der Bakterien führt.
„Die von uns Antimotiline
genannten Substanzen könnten eine Ergänzung oder Alternative zu
konventionellen Antibiotikatherapien darstellen und langfristig dazu
beitragen, die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu reduzieren“,
betont Prof. Sebastian Suerbaum, Lehrstuhlinhaber für Medizinische
Mikrobiologie am Max von Pettenkofer-Institut und Erstautor der
Publikation.
Als nächstes soll, wie Prof. Josenhans hinzufügt, die genaue Wirkweise
der aktiven Substanzen identifiziert sowie diese als neue
antibakterielle Therapie weiterentwickelt werden.
Die Forschungsstudie wurde im Rahmen eines Projekts des Deutschen
Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) durchgeführt, und die Studie
sowie die Entwicklung des neuen Mausmodells wurden auch von der DFG
gefördert. Die Publikation erschien Anfang März im Fachjournal mBIO.
Prof. Dr. Christine Josenhans
Max von Pettenkofer Institut der LMU und
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
T +49 89218072826
Email: josenhans(at)mvp.lmu.de
Karola Neubert Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Inhoffenstraße 7
38124 Braunschweig
Deutschland
Niedersachsen
Telefon: 0531 6181 1170
Originalpublikation:
Identification of antimotilins,
novel inhibitors of Helicobacter pylori flagellar motility that inhibit
stomach colonization in a mouse model.
Sebastian Suerbaum, Nina Coombs, Lubna Patel, Dimitri Pscheniza,
Katharina Rox, Christine Falk, Achim D. Gruber, Olivia Kershaw, Patrick
Chhatwal, Mark Brönstrup, Ursula Bilitewski, Christine Josenhans. mBio
(2022); DOI: 10.1128/mbio.03755-21.
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