Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Diabetes-Medikament aus der Gruppe der SGLT2-Hemmer normalisiert Insulinwirkung im Gehirn
Übergewicht, eine ungünstige Verteilung von Fett im Körper und Typ-2-Diabetes sind häufig mit einer verminderten Wirkung des Hormons Insulin in vielen Organen einschließlich des Gehirns verbunden.
Bislang gibt es noch keine Therapie, um die Insulin-Empfindlichkeit im Gehirn wiederherzustellen, das eine Schlüsselrolle in der Stoffwechselkontrolle ausübt.
Forschende des DZD, des Universitätsklinikums Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen bei Helmholtz Munich konnten jetzt erstmals zeigen, dass mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin die Insulin-Resistenz des Gehirns behandelt werden kann – mit positiven Effekten auf den Stoffwechsel des gesamten Körpers.
Das Diabetes-Medikament Empagliflozin normalisiert die Insulinwirkung im Gehirn, verbessert die Nüchternglukose-Werte, senkt den Fettgehalt der Leber und reduziert den Körperfettgehalt. DZD
- Das Gehirn hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Essverhalten und damit auch auf das Körpergewicht sowie den Stoffwechsel.
- Reagiert das Gehirn empfindlich auf Insulin, isst man weniger, speichert Fett weniger stark am Bauch und die Insulin-Empfindlichkeit des ganzen Körpers verbessert sich.
Bei Menschen mit Übergewicht bzw. Typ-2-Diabetes wirkt das Hormon im Gehirn jedoch nicht mehr.
- Diese Insulin-Resistenz führt zu einem gestörten Stoffwechsel.
- Bislang lässt sich Insulin-Resistenz im Gehirn nicht mit Medikamenten behandeln.
Die Forschenden untersuchten, ob ein Diabetes-Medikament der Gruppe der SGLT2-Hemmer auch die Insulin-Resistenz im Gehirn aufheben kann.
SGLT2-Hemmer senken den erhöhten Blutzucker bei Diabetes durch vermehrte Ausscheidung von Zucker mit dem Urin und haben einen günstigen Einfluss auf das Herz, den Kreislauf und die Nieren.
Bei Studienteilnehmenden
mit einer Vorstufe des Diabetes (Prädiabetes) wurde hierzu die Wirkung
des SGLT2-Hemmers Empagliflozin auf die Insulin-Empfindlichkeit des
Gehirns untersucht.
In einer prospektiven, randomisierten, verblindeten Studie erhielten 40
Menschen mit Prädiabetes (Alter: 60 ± 9 Jahre; BMI: 31,5 ± 3,8 kg/m²)
acht Wochen das Medikament Empagliflozin oder ein Placebo. Mit einer
funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT) überprüften die
Forschenden die Insulin-Empfindlichkeit des Gehirns vor und nach der
Behandlung. Dazu bekamen die Untersuchten über ein Nasenspray Insulin.
Wird das Hormon über die Nase aufgenommen, gelangt es direkt ins Gehirn.
Außerdem wurde mit einer Ganzkörper-Kernspintomographie (MRT) die
Fettverteilung bestimmt.
SGLT2-Hemmer erhöht die Insulin-Empfindlichkeit des Gehirns
„Während die Placebo-Gabe keinen Einfluss auf die Insulinwirkungen im
Gehirn hatte, verbesserte die Empagliflozin-Behandlung die Wirkung des
Hormons auf die Gehirnaktivität signifikant“, fasst die Erstautorin PD
Dr. Stephanie Kullmann die Ergebnisse der Studie zusammen.
- Durch die Gabe von Empagliflozin verbesserte sich auch der Nüchternglukose-Wert und der Fettgehalt der Leber nahm ab.
- Obwohl der SGLT2-Hemmer das Gewicht nicht senkte, reduzierte sich der Körperfettgehalt.
Erster pharmakologische Ansatz zur Umkehr der Insulin-Resistenz im Gehirn
„Unsere Untersuchungen bestätigen die Insulin-Resistenz im Gehirn bei
Menschen mit Prädiabetes“, sagt Letztautor Prof. Martin Heni vom
Universitätsklinikum Tübingen.
„Die Behandlung mit Empagliflozin konnte die Insulin-Empfindlichkeit wiederherstellen.
Diese Ergebnisse positionieren SGLT2-Hemmer als ersten möglichen pharmakologischen Ansatz zur Behandlung einer Insulin-Resistenz im Gehirn.
Die erhöhte
Insulin-Sensitivität trägt auch zu einem verbesserten Stoffwechsel des
Körpers bei.“
Im nächsten Schritt wollen die Forschenden untersuchen, ob die
verbesserte Insulinwirkung im Gehirn auch an den günstigen Effekten von
SGLT2-Inhibitoren an Herz und Niere beteiligt ist.
SGLT2-Hemmer
SGLT2-Inhibitoren (SGLT = Sodium [Natrium]-Glucose-Transporter) sind
Arzneistoffe aus der Gruppe der Antidiabetika.
- Sie senken den Blutzucker, indem sie das SGLT2-Transportprotein in den Nieren blockieren.
- Dadurch kann die Glukose nicht zurück in die Gefäße befördert werden und wird mit dem Urin ausgeschieden.
Prof. Dr. med. Martin Heni
Institut für Diabetes und Metabolismus Forschung bei Helmholtz Munich an der Universitätsklinik Tübingen
E-Mail-Adresse: martin.heni@med.uni-tuebingen.de
Birgit Niesing Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
Deutschland
Bayern
E-Mail-Adresse: contact@dzd-ev.de
Dr. Astrid Glaser
Telefon: 089-3187-1619
Fax: 089-3187-191619
E-Mail-Adresse: glaser@dzd-ev.de
Telefon: 089 31873971
E-Mail-Adresse: niesing@dzd-ev.de
Originalpublikation:
Kullmann, St. et al.: Empagliflozin Improves Insulin Sensitivity of the Hypothalamus in Humans With Prediabetes: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Phase 2 Trial. Diabetes Care 2021, DOI: https://doi.org/10.2337/dc21-1136
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