Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wurmbefall im Darm hat Fernwirkung auf Virenabwehr
Eine neue Studie der Universitäten Kapstadt und Bonn zeigt, dass Parasiten die Immunantwort in der Vagina beeinträchtigen können.
Ausschnitt aus dem Genitaltrakt einer weiblichen Maus. Die genetische
Bauanleitung von Interleukin-33 wurde grün angefärbt. Der Botenstoff
sorgt indirekt für die Heranreifung der Granulozyten. © Pia Vornewald
(CEMIR, IKOM, NTNU; Trondheim, Norway) Pia Vornewald © Pia Vornewald (CEMIR, IKOM, NTNU; Trondheim, Norway)
- Eine Infektion mit parasitischen Eingeweidewürmern, sogenannten Helminthen, kann augenscheinlich dafür sorgen, dass virale Infektionen anderswo im Körper erheblich schwerwiegender verlaufen.
Das zeigt eine Studie unter Federführung der Universitäten Kapstadt und Bonn. Demnach entwickelten Helminthen-befallene Mäuse nach einer Infektion mit Genital-Herpesviren deutlich gravierendere Symptome.
Die Forschenden vermuten, dass sich diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen.
Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift Cell Host &
Microbe erschienen.
In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sind sowohl
Wurminfektionen als auch sexuell übertragene Viruserkrankungen äußerst
häufig.
Die viralen Infekte verlaufen zudem oft besonders schwerwiegend.
Möglicherweise hängen diese Befunde zusammen. Diesen Schluss legen
zumindest die aktuellen Befunde aus Mäusen nahe.
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler haben untersucht, wie sich
in den Tieren ein Befall mit Helminthen auf den Verlauf einer Infektion
des weiblichen Genitaltrakts mit Herpes simplex-Viren auswirkt. „Die
Ergebnisse haben uns in ihrer Deutlichkeit selbst überrascht“, erklärt
Prof. Dr. William Horsnell vom Institut für Infektionserkrankungen und
molekulare Medizin der Universität Kapstadt:
„Genitalherpes-Erkrankungen gehen oft mit Vernarbungen der Vagina einher, sogenannten Nekrosen.
Diese gravierende Symptomatik kam in unserer Studie nach einem
Helminthen-Befall doppelt so häufig vor wie normal.“
Der Befund ist auch deshalb erstaunlich, weil die Würmer selbst nie die
Vagina befallen.
- Es handelt sich um Parasiten, die mit der Nahrung oder durch die Haut aufgenommen werden und schließlich in den Darm wandern.
„Es handelt sich also um eine Fernwirkung der Helminthen-Infektion, die
vorher nicht bekannt war“, erklärt Dr. Laura Layland vom Institut für
Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des
Universitätsklinikums Bonn.
Fehlgeleitete Immunreaktion
Die Forschenden konnten zeigen, dass für die Nekrotisierung eine
bestimmte Gruppe von Immunzellen verantwortlich ist, die eosinophilen
Granulozyten.
- Dabei handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die auf die Bekämpfung von Würmern und anderen Parasiten spezialisiert sind.
Als Waffe dienen ihnen zellzersetzende Enzyme, die sie in ihrem Innern mit sich herumtragen.
Diese liegen aber nicht frei vor - dazu sind sie zu
gefährlich. Stattdessen sind sie in so genannte Granula verpackt (daher
auch der Name „Granulozyten“). Bei Kontakt mit einem Parasiten schleusen
die Zellen diese Granula nach außen, wo sie ihre tödliche Fracht
freisetzen.
„In unserem Fall sorgt der Wurmbefall im Darm aber dafür, dass sich bei
einer gleichzeitigen Genitalherpes-Infektion eosinophile Granulozyten im
weiblichen Genitaltrakt ansammeln“, betont Horsnell.
- „Sie schütten dann dort ihre zellschädigenden Enzyme aus, obwohl gar keine Helminthen vorhanden sind.
- Und diese fehlgeleitete Immunreaktion ist es, die zu den schwerwiegenden Schäden in der Schleimhaut der Vagina führt, die wir beobachtet haben.“
Eine wichtige Rolle scheint bei diesem Prozess ein bestimmter
Immunbotenstoff zu spielen, das Interleukin-33.
Es sorgt indirekt für die beschleunigte Heranreifung der Granulozyten in der Vagina.
„Wir
haben IL-33 mit einem speziellen Wirkstoff gehemmt“, erklärt Horsnell.
„Die Mäuse entwickelten daraufhin deutlich geringere Gewebsschäden im
Genitaltrakt.“ Die Wissenschaftler suchen nun nach möglichen
Medikamenten, die auch für den Einsatz im Menschen geeignet sind und die
sich kostengünstig herstellen lassen.
Erfolgreiches Kooperationsprogramm
Dass die Studie erfolgreich durchgeführt werden konnte, ist auch einem
Kooperationsprogramm zwischen Deutschland und Afrika zu verdanken, das
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird. „Das
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie
der Universität Bonn sieht dabei seine Rolle unter anderem im
Knowhow-Transfer“, erläutert Dr. Laura Layland. „Wir schulen Forschende
in den Ländern vor Ort beispielsweise im Umgang mit Analysetechniken und
wissenschaftlichen Methoden, ein Angebot, von dem gerade auch der
wissenschaftliche Nachwuchs profitiert.“
Dazu führen Layland und ihre Kollegen unter anderem Workshops in
afrikanischen Ländern und in Bonn durch. Ziel ist es, in den betroffenen
Regionen die vorhandene wissenschaftliche Expertise zu stärken und so
die Erforschung und Bekämpfung von Helminthen-Infektionen mittelfristig
deutlich zu verbessern.
Förderung:
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die
südafrikanische Poliomyelitis Research Foundation, sowie die National
Research Foundation in Südafrika finanziell unterstützt. An den Arbeiten
waren neben den Universitäten Kapstadt und Bonn Wissenschaftler aus
Trondheim (Norwegen), Lüttich (Belgien), Birmingham (Großbritannien),
Orléans (Frankreich) und Lomé (Togo) beteiligt.
Dr. Laura Layland
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0151 26624206
E-Mail: Laura.Layland@sbcomputing.de
Prof. Dr. William Horsnell
Institut für Infektionserkrankungen und molekulare Medizin der Universität Kapstadt
Telefon: +27 (0)21 406 6220
E-Mail: wghorsnell@gmail.com
Svenja Ronge Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Poppelsdorfer Allee 49
53115 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Telefon: +49 251 83-22115
E-Mail-Adresse: sronge@uni-bonn.de
Originalpublikation:
Alisha Chetty u.a.: Il4ra -independent vaginal eosinophil accumulation following helminth infection exacerbates epithelial ulcerative pathology following HSV-2 infection. Cell Host & Microbe, https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.02.004
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