Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Subtypen bei Vorstufe des Diabetes entdeckt
Prädiabetes ist nicht gleich Prädiabetes:
Bei Menschen im Vorstadium des Typ-2-Diabetes gibt es sechs klar abgrenzbare Subtypen, die sich in der Krankheitsentstehung, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen unterschieden.
Das zeigt eine Studie des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen, des Universitätsklinikums Tübingen und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
Die Ergebnisse sind jetzt in ´Nature Medicine´ erschienen.
Bei Menschen mit Prädiabetes gibt es sechs klar abgrenzbare Subtypen (Cluster), die sich in der Krankheitsentstehung, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen unterscheiden. Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM
Diabetes ist eine weltweite Pandemie. Seit 1980 hat sich die Zahl der Menschen mit Diabetes weltweit vervierfacht. Allein in Deutschland leiden 7 Mio. Menschen daran. Tendenz weiter steigend. 2040 könnte sich die Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes auf bis zu 12 Mio. erhöhen.
Doch Typ-2-Diabetes entwickelt sich nicht von einem Tag auf den anderen.
Oft durchlaufen die Personen eine längere Vorstufe des Diabetes, in der die Blutzuckerwerte bereits erhöht, aber die Menschen noch nicht krank sind.
„Bisher konnte man bei Menschen mit Prädiabetes nicht vorhersehen, ob sie einen Diabetes entwickeln und Risiken zu schweren Folgeerkrankungen wie Nierenversagen haben, oder nur eine harmlose Form von leicht höheren Blutzuckerwerten ohne bedeutsames Risiko aufweisen“, erläutert Prof. Dr. Hans-Ulrich Häring, der die Studie vor 25 Jahren initiiert hat.
Eine solche Unterscheidung ist jedoch wichtig, um der Stoffwechselerkrankung gezielt vorbeugen und so der Diabetes-Pandemie entgegenwirken zu können.
Forschenden aus Tübingen ist jetzt ein wichtiger Durchbruch gelungen.
Sie haben mit Hilfe der Clusteranalyse*
bei Menschen mit Prädiabetes sechs verschiedene Subtypen mit
unterschiedlichem Diabetes-Risiko entdeckt. Eine differenzierte
Einteilung des Prädiabetes und des Diabetes ermöglicht es, eine an die
Krankheitsentstehung angepasste individuelle und frühe Prävention und
Therapie von Diabetes und seinen Folgeerkrankungen zu betreiben.
Prädiabetes: Sechs unterschiedliche Cluster identifiziert
Die Arbeitsgruppe um Prof. Häring und Prof. Fritsche im
Universitätsklinikum in Tübingen hat den Stoffwechsel von noch als
gesund geltenden Personen mit Prädiabetes detailliert untersucht. Die
Probanden (n=899) stammen aus der Tübinger Familienstudie und der Studie
des Tübinger Lebensstilprogramms, die in den vergangenen 20 Jahren in
Tübingen wiederholt intensiv klinisch, laborchemisch,
kernspintomografisch und genetisch untersucht wurden. Anhand von für den
Stoffwechsel wichtiger Kerngrößen wie u.a. Blutzuckerwerten, Leberfett,
Körperfettverteilung, Blutfettspiegel und genetisches Risiko konnten
die Forschenden sechs Subtypen des Prädiabetes identifizieren.
„Wie beim
manifesten Diabetes gibt es auch im Vorstadium des Diabetes
unterschiedliche Krankheitstypen, die sich durch Blutzuckerhöhe,
Insulinwirkung und Insulinausschüttung, Körperfettverteilung, Leberfett
sowie genetischem Risiko unterscheiden“, fasst Erstautor Prof. Dr.
Robert Wagner vom DZD Institut für Diabetesforschung und Metabolische
Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität
Tübingen das Ergebnis der Untersuchung zusammen.
Drei dieser Gruppen (Cluster 1, 2 und 4) zeichnen sich durch ein
niedriges Diabetes-Risiko aus.
Die Probanden des Cluster 1 und 2 waren gesund.
Dabei gehören dem Cluster 2 vor allem schlanke Menschen an.
Sie haben ein besonders niedriges Risiko, an Komplikationen zu erkranken.
Das Cluster 4 bilden übergewichtige Menschen, deren Stoffwechsel jedoch noch relativ gesund ist.
Die drei übrigen Subtypen (Cluster 3, 5 und 6) gehen mit einem erhöhten Risiko für Diabetes und / oder Folgeerkrankungen einher.
Menschen, die dem Subtyp 3 angehören, bilden zu wenig Insulin und haben ein hohes Risiko an Diabetes zu erkranken. Menschen aus dem Cluster 5 weisen eine ausgeprägte Fettleber und ein sehr großes Diabetesrisiko auf, weil ihr Körper resistent gegen die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin ist. B
Beim Subtyp 6 treten bereits
vor einer Diabetesdiagnose Schädigungen der Niere auf. Hier ist auch
die Sterblichkeit besonders hoch.
Doch lässt sich die Einteilung in sechs Prädiabetes-Subtypen auch in
anderen Kohorten bestätigen? Um das zu untersuchen, haben die
Forschenden das Verfahren auf beinahe 7000 Probanden der Whitehall II
Kohorte in London ausgeweitet und dort ebenfalls die sechs Untertypen
des Prädiabetes identifiziert.
Gezielter vorbeugen
Die Forschenden planen schon weiter. „In den nächsten Schritten werden
wir zuerst in prospektiven Studien prüfen, wie weit die neuen
Erkenntnisse für die Einteilung von einzelnen Personen in Risikogruppen
anwendbar sind“, berichtet Prof. Dr. Andreas Fritsche vom
Universitätsklinikum Tübingen. Sollte dies der Fall sein, könnten
Menschen mit hohem Risikoprofil künftig früh erkannt und spezifisch
behandelt werden.
„Ein Ziel des DZD ist es, präzise Präventions- und Therapiemaßnahmen zu
entwickeln, d. h. die passende Prävention oder Behandlung für die
richtige Personengruppe zur richtigen Zeit. Die Verbindung aus
tiefgehender klinischer und molekularer Forschung mit modernster
Bioinformatik hat dieses auch international wichtige Ergebnis
ermöglicht. Die Identifizierung von Subtypen im Vorstadium des
Typ-2-Diabetes ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer
Präzisionsmedizin bei der Prävention des Diabetes und seiner
Begleiterkrankungen“, sagt DZD-Vorstand Prof. Martin Hrabě de Angelis.
Über die Studie
Diese Ergebnisse basieren auf der seit über 25 Jahre andauernden Arbeit
der Diabetesforschung in der Universitätsklinik Tübingen, Menschen mit
erhöhtem Diabetesrisiko zu charakterisieren. Die Arbeit wurde von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und
Forschung sowie vom Land Baden-Württemberg gefördert.
* Clusteranalyse:
Die Clusteranalyse ist ein Verfahren, mit dem man anhand von
vorgegebenen Kriterien und Merkmalen die Untersuchungsobjekte (z.B.
Personen) gruppieren kann. Die so gefundenen Gruppen – auch Cluster
genannt – enthalten dann jeweils Fälle, die sich ähnlich sind. Ein
gebildetes Cluster soll in sich maximal homogen sein, sich aber
gleichzeitig von den anderen Clustern so stark wie möglich
unterscheiden. Hier konnten bei Probanden mit Prädiabetes anhand von
acht für den Stoffwechsel wichtigen Kerngrößen (u.a. Blutzuckerwerte,
Leberfett, Körperfettverteilung, Blutfettspiegel und genetisches Risiko)
sechs unterschiedliche Cluster identifiziert werden.
Weitergehende Informationen
In der Deutschen Diabetes Studie haben Forschende des Deutschen Zentrums
für Diabetesforschung (DZD) und der Universität Lund in Schweden
verschiedene Cluster entdeckt, die die Aufteilung des Diabetes in
Subtypen ermöglichen. Mithilfe der Clusteranalyse wurden fünf
verschiedene Subtypen mit unterschiedlichen Risiken für
Folgeerkrankungen identifiziert.
https://www.dzd-ev.de/aktuelles/news/news/article/eine-neue-diabetesklassifikati...
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der
sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten
auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und
Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche
Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut
für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz
Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte
Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und
München sowie weitere Projektpartner. Weitere Informationen: http://www.dzd-ev.de
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum
für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die
Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie
Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür
untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und
Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden
Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300
Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18
naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische
Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. http://www.helmholtz-muenchen.de
Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen gehört zu den
führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Als eines der 33
Universitätsklinika in Deutschland trägt es zum erfolgreichen Verbund
von Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre bei. Weit über 400 000
stationäre und ambulante Patienten aus aller Welt profitieren jährlich
von dieser Verbindung aus Wissenschaft und Praxis. Die Kliniken,
Institute und Zentren vereinen alle Spezialisten unter einem Dach. Die
Experten arbeiten fachübergreifend zusammen und bieten jedem Patienten
die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten
Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für
bessere Diagnosen, Therapien und Heilungschancen, viele neue
Behandlungsmethoden werden hier klinisch erprobt und angewandt. Neben
der Diabetologie sind die Neurowissenschaften, Onkologie, Immunologie,
Infektionsforschung und Vaskuläre Medizin Forschungsschwerpunkte in
Tübingen. Das Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der
Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung
verlässlicher Partner. http://www.medizin.uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Robert Wagner
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des
Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Otfried-Müller-Str. 10
72076 Tübingen
Telefon: 07071/29-82910
robert.wagner@uni-tuebingen.de
Birgit Niesing Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
Deutschland
Bayern
E-Mail-Adresse: contact@dzd-ev.de
Dr. Astrid Glaser
Telefon: 089-3187-1619
Fax: 089-3187-191619
E-Mail-Adresse: glaser@dzd-ev.de
Telefon: 089 31873971
E-Mail-Adresse: niesing@dzd-ev.de
Originalpublikation:
Robert Wagner et al: Pathophysiology-based subphenotyping of individuals at elevated risk for type 2 diabetes. Nature Medicine. DOI: https://doi.org/10.1101/2020.10.12.20210062
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