Medizin am Abend Fazit: Das „Fitnesshormon“ Irisin ist ein Mythos
Ein internationales Wissenschaftlerteam entzaubert den Traum vom leichten Abnehmen
Ein kürzlich entdecktes, scheinbares Fitnesshormon, das weißes Fettgewebe abschmelzen lässt, gehört ins Reich der Mythen. „Methodische Probleme bei der Entdeckung und Messung von Irisin führten auf eine falsche Spur, wie in unserer kürzlich erschienenen Studie gezeigt wurde“, sagte Steffen Maak (Foto), Leiter des Instituts für Muskelbiologie und Wachstum am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN). Die Ergebnisse der internationalen Studie wurden jetzt im Scientific Reports* veröffentlicht.
Prof. Dr. Steffen Maak, Foto: FBN
Im Jahr 2012 sorgte ein Artikel in der Zeitschrift Nature mit der Beschreibung eines bis dahin unbekannten Faktors, der weißes in braunes Fettgewebe umwandelt und gespeichertes Fett „verbrennt“, weltweit für großes Aufsehen. Dieses in Anlehnung an die griechische Götterbotin Iris „Irisin“ genannte Hormon soll durch Abspaltung eines Teils von einem schon länger bekannten Membranprotein vor allem nach sportlicher Betätigung in den Blutkreislauf gelangen. Damit schien Irisin eine Verbindung zwischen körperlicher Aktivität und metabolischer Gesundheit herzustellen und ein großes therapeutisches Potenzial im Kampf gegen Übergewicht und Diabetes zu besitzen. Besonders verlockend erschien die Möglichkeit, durch Gabe einer „Irisin-Fitness-Pille“ und ohne größere Anstrengungen Fettpolster zum Schmelzen bringen zu können.
Widersprüchliche Studienergebnisse hatten erste Zweifel aufkommen lassen
Innerhalb von drei Jahren erschienen mehr als 200 wissenschaftliche Publikationen, die sich mit dem neuen Hormon, oft in Verbindung mit Krankheitsbildern wie Diabetes, Adipositas und chronischen Nierenerkrankungen auseinandersetzten. Die dabei publizierten Ergebnisse ergaben ein durchaus widersprüchliches Bild, so dass einige Zweifel an der Relevanz von Irisin zumindest für den Menschen aufkamen. In den meisten Studien wurden kommerziell angebotene ELISAs (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) verwendet, ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren. Die bei dieser Methode verwendeten Antikörper zur Bindung des im Blut zirkulierenden Irisins wurden nur mit reinem, künstlich hergestellten Irisin getestet, jedoch wurde nicht berücksichtigt, das zahlreiche Blutserumproteine ebenfalls unspezifisch an den Antikörper binden und falsch positive Signale liefern können. Solche falsch positiven Ergebnisse können die starken Schwankungen in den Angaben zur zirkulierenden Irisinmenge im Blut erklären, die in den zahlreichen Publikationen zu finden sind.
Mit Dr. Elke Albrecht und Prof. Steffen Maak interessierten sich zwei Dummerstorfer Wissenschaftler für Irisin, da es Hinweise gab, dass das Hormon stark von der Muskelmasse abhängig sei. Sie nutzten eine andere, Antikörper-basierte Methode, den Western Blot, um bei Rindern mit hoher oder niedriger Muskelmasse Irisin zu finden. Der Vorteil des Western Blots gegenüber dem ELISA ist die Tatsache, dass die Proteine zunächst nach der Größe aufgetrennt werden und anschließend mit Hilfe eines Markers die Größe des vom Antikörper erkannten Proteins abgeschätzt werden kann. Im Rinderblut konnte jedoch kein Protein in der für Irisin erwarteten Größe gefunden werden.
Kombinierte Blutproben-Untersuchungen von Menschen und Nutztieren liefern keinen Beleg für physiologische Bedeutung
Auf Basis dieser und einer weiteren eigenen Studie wurde eine internationale Kooperation initiiert. Gemeinsam mit weiteren Forschern aus dem Leibniz-Institut, den Gruppen um Harold P. Erickson (Duke University, Durham, USA), Christian A. Drevon (Universität Oslo, Norwegen) und Vincenz Gerber (Universität Bern, Schweiz) wurden verschiedene Methoden zu Untersuchungen an Blutproben von Mensch und Nutztieren kombiniert. Dabei konnte gezeigt werden, dass Irisin
höchstwahrscheinlich keine physiologische Bedeutung bei den untersuchten Spezies hat.
In Zellkulturen erzeugtes, künstliches Irisin wurde mit verschiedenen Antikörpern durchaus schon in geringen Konzentrationen nachgewiesen, wenn es Rinderblutproben zugegeben wurde. Jedoch war in keiner der Proben von den untersuchten Spezies „natürliches“ Irisin vorhanden. „Die Tatsache, dass weder bei Menschen nach Absolvierung eines Trainingsprogrammes noch bei Pferden nach einem Langstreckenrennen über 160 km Irisin im Blutkreislauf zu finden war, zeigt, dass Irisin doch eher ein Mythos als ein Fakt ist“, erklärte Steffen Maak. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass eine umfassende Validierung von Messmethoden im Zielgewebe unverzichtbar ist und tragen hoffentlich zur Beendigung der kontroversen Diskussion um das scheinbare Wundermolekül Irisin bei.“
*Originalveröffentlichung in Scientific Reports
Albrecht E, Norheim F, Thiede B, Holen T, Ohashi T, Scherin L, Lee S, Brenmoehl J, Thomas S, Drevon CA, Erickson HP, Maak S. Irisin – a myth rather than an exercise-inducible myokine. Sci Rep 5, 8889, DOI: 10.1038/srep08889 (2015), http://www.nature.com/srep
Fotos: FBN
Das Institut für Muskelbiologie und Wachstum am FBN leistet einen Beitrag zur Erforschung von Wachstums- und Stoffwechselprozessen bei Nutztieren. Die Erkenntnisse liefern Grundlagen für eine Ressourcen schonende und effiziente Erzeugung von Fleisch für die menschliche Ernährung.
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T +49 38208 68-850
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