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Fundamente der Zirkadianen Medizin

Ob Herzinfarkt, Depression oder Rheuma: viele Erkrankungen werden vom Takt der inneren Uhr beeinflusst. 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den neuen Sonderforschungsbereich/Transregio 418 „Fundamente der Zirkadianen Medizin“. Die Universität zu Lübeck ist Ko-Sprecherhochschule in dem deutschlandweiten Forschungsverbund. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie die innere Uhr Gesundheit und Krankheiten beeinflusst und dieses Wissen für gezielte, wirksamere Behandlungen in der Medizin nutzbar zu machen.

Ein großer Erfolg für die Forschung in Lübeck: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den Sonderforschungsbereich/Transregio 418 „Fundamente der Zirkadianen Medizin“ bewilligt. Der neue SFB/TRR startet im Oktober 2025 und wird zunächst für drei Jahre und neun Monate gefördert.

Die Universität zu Lübeck ist neben der Koordination durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin Ko-Sprecherhochschule. Im Zentrum des Projekts steht die zirkadiane Medizin, ein aufstrebendes Forschungsfeld, das untersucht, wie tageszeitabhängige biologische Rhythmen (sogenannte zirkadiane Rhythmen) mit der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten zusammenhängen. Ziel des neuen Sonderforschungsbereichs ist es, die zugrunde liegenden Mechanismen dieser Rhythmen besser zu verstehen und daraus neue diagnostische und therapeutische Ansätze abzuleiten.

An der Universität zu Lübeck sind zahlreiche Institute beteiligt, darunter die Rheumatologie, Neurobiologie, Psychiatrie, Psychologie und weitere. Die Ko-Sprecherschaft übernimmt Prof. Dr. Henrik Oster, Leiter des Instituts für Neurobiologie. „Die zirkadiane Medizin bietet verbesserte Ansätze für existierende Therapien in fast allen Bereichen der Medizin – von Immun- und Stoffwechselerkrankungen bis zur Psychiatrie. Sie setzt dabei auf einen effizienteren Einsatz bestehender Diagnostik und Therapien statt auf die aufwendige und zeitintensive Entwicklung neuer Wirkstoffe. Sie ist damit für die Praxis viel schneller ‚ready to go‘“, erläutert Oster. Mitglied des Lenkungsausschusses ist außerdem Prof. Dr. Tanja Lange aus der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie. Weitere Partner im Verbund sind die LMU München, die TU München, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) und die Universität Genf.

Der Sonderforschungsbereich gliedert sich in drei große Forschungsbereiche: zirkadiane Immunologie, Energie-Stoffwechsel und Neuropsychiatrie. In Proof-of-Concept-Studien werden neue diagnostische Verfahren, therapeutische Ansätze und präventive Maßnahmen entwickelt, die den individuellen zirkadianen Rhythmus von Patient*innen berücksichtigen – mit dem Ziel, Therapien präziser, nebenwirkungsärmer und wirksamer zu gestalten. Damit schafft das Konsortium des neuen SFB eine systematische, transdisziplinäre Grundlage, um zirkadiane Prinzipien in die klinische Anwendung zu überführen.

Die Universität zu Lübeck bringt ihre langjährige Forschungsexpertise im Bereich der Chronobiologie ein. Der SFB ergänzt strategisch bestehende Aktivitäten im Bereich Präzisionsmedizin – etwa im Rahmen des Exzellenzclusters Precision Health Schleswig-Holstein.

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Prof. Dr. Henrik Oster
Direktor des Instituts für Neurobiologie
Universität zu Lübeck
henrik.oster@uni-luebeck.de
Tel.: +49 451 3101 4300

Risiken menschlicher Eingriffe in sensible Ökosysteme

Ein Pilz, zwei Arten, Millionen tote Fledermäuse: 

Eine Studie, die am 28.05.2025 in der Fachzeitschrift Nature publiziert wird, hat mehr als 5000 Proben eines Pilzes analysiert, der für das größte dokumentierte Säugetiersterben durch einen Krankheitserreger verantwortlich ist. 

Ein internationales Team von Forschenden, unter Federführung einer Doktorandin der Universität Greifswald, hat in Zusammenarbeit mit Partnern aus Frankreich, Bulgarien, Finnland und der Ukraine und mehreren hundert freiwilligen Helfer*innen die Studie durchgeführt.

Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Risiken menschlicher Eingriffe in sensible Ökosysteme und machen deutlich: 

Höhlenforschung braucht strengere Biosicherheitsstandards – denn sollte eine zweite Pilzart nach Nordamerika gelangen, werden noch viel drastischere Todesraten erwartet.

Krankheiten treffen nicht nur Menschen: 2006 – 2007 wurde in einer Höhle im US-amerikanischen Staat New York ein unerklärliches Massensterben von Fledermäusen beobachtet. Die Tiere wiesen einen weißen Staub auf der Nase auf, der durch den damals unbekannten Pilz Pseudogymnoascus destructans verursacht wurde. Diese Pilzkrankheit, die sogenannte Weißnasenkrankheit, breitete sich in den folgenden Jahren rasch in Nordamerika aus. Sie dezimierte die überwinternden Fledermaus-Populationen mit jährlichen Sterblichkeitsraten von über 90 Prozent und verursachte den Tod von mehreren Millionen Fledermäusen. Die Forschenden fanden heraus, dass der Pilz ursprünglich aus Eurasien stammte. Dort koexistierte er mit Fledermäusen, ohne ein Massensterben zu verursachen. Seine versehentliche Einschleppung in Nordamerika löste allerdings eine der verheerendsten Epidemien aus, die jemals bei wild lebenden Säugetieren dokumentiert wurde.

Fast 20 Jahre lang glaubte man, dass die Geschichte dieses Krankheitserregers relativ einfach sei: ein einziger Erreger, ein identifizierter geografischer Ursprung (Europa) und gut verstandene Verbreitungsmechanismen. Doch neue genetische Daten offenbaren eine weitaus komplexere Geschichte und stellen unsere Gewissheit über den Ursprung, die Vielfalt und die evolutionäre Dynamik dieses pathogenen Pilzes infrage.

Nicht eine, sondern zwei Pilzarten verursachen die Krankheit
Bis vor kurzem galt Pseudogymnoascus destructans als der einzige Erreger der Weißnasenkrankheit. Die jüngst in Nature open access publizierte Studie, die auf der Analyse von 5479 Proben aus 27 Ländern und drei Kontinenten (Europa, Asien und Nordamerika) beruht, macht jedoch deutlich, dass es zwei verschiedene Pilzarten gibt, die die Krankheit verursachen können.

Allerdings wurde bislang nur eine der beiden Arten nach Nordamerika eingeschleppt. „Diese Entdeckung eröffnet neue Einblicke in die Entwicklung von Virulenz und in die Art und Weise, wie diese Krankheitserreger mit ihren Wirten in verschiedenen geografischen Kontexten interagieren“, sagt Dr. Nicola Fischer, Erstautorin der Arbeit. Sie schrieb ihre Doktorarbeit zu diesem Thema an der Universität Greifswald und der Universität Montpellier in Frankreich. „Wir dachten, wir kennen unseren Feind, aber jetzt entdecken wir, dass er doppelt so groß und potenziell komplexer ist als zunächst angenommen“, fasst Dr. Nicola Fischer zusammen.

Fledermäuse erheblich bedroht, sollte die zweite Pilzart nach Nordamerika gelangen
Die Entdeckung eines zweiten pathogenen Pilzes, der die Weißnasenkrankheit auslösen kann und eine andere Wirtsspezialisierung als die ursprünglich beschriebene Art aufweist, stellt ein erhebliches Risiko für den Schutz und die Erhaltung von Fledermäusen dar. Obwohl die zweite Art derzeit nicht in Nordamerika vorkommt, könnte ihre Einführung dort Fledermausarten bedrohen, die bisher noch nicht von der ersten Art betroffen waren. Darüber hinaus könnten selbst Fledermausarten, die sich allmählich von der Exposition gegenüber dem ersten Pathogen erholen, vor neuen Herausforderungen stehen, sollte sich die zweite Art ausbreiten.

Ursprung der Einschleppung nach Nordamerika geklärt
Durch die genetische Analyse von mehr als 5400 Proben, die in Eurasien und Nordamerika gesammelt wurden, identifiziert die Studie das Ursprungsgebiet, die für den nordamerikanischen Ausbruch der Weißnasenkrankheit verantwortlich ist: die Region Podillia in der Ukraine. Dieses Gebiet, das einige der größten Höhlensysteme der Welt beherbergt, ist seit dem Ende der Sowjetunion ein beliebtes Ziel für internationale, insbesondere nordamerikanische, Höhlenforschende.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die zufällige Einschleppung des Pilzes nach Nordamerika – wahrscheinlich über den Austausch mit Forschenden aus dem Bundesstaat New York, wo die Krankheit erstmals nachgewiesen wurde – auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen ist. „Diese Arbeit beendet fast zwei Jahrzehnte andauernde Spekulationen über den Ursprung der Weißnasenkrankheit und veranschaulicht eindrucksvoll, welche Auswirkungen ein einzelnes Translokationsereignis auf Wildtiere haben kann“, so Dr. Sébastien Puechmaille, Koordinator der Studie an der Universität Montpellier.

Gefahr aus der Dunkelheit: Biosicherheit bei der Höhlenforschung zur Prävention von Krankheiten zentral
Diese Entdeckung verdeutlicht die großen Risiken, welche Höhlenforschungsaktivitäten für die Verbreitung von Krankheitserregern darstellen, und unterstreicht die Dringlichkeit einer besseren Kenntnis der „biologischen Verschmutzung“ im Zusammenhang mit menschlichen Reisen. „Die Verhinderung des unbeabsichtigten Transports von pathogenen Pilzen wie Pseudogymnoascus destructans muss zu einer Priorität in den Strategien zum Artenschutz und zum Gesundheitsmanagement werden, sowohl für die Tierwelt als auch für den Menschen“, sagt Dr. Sébastien Puechmaille. Die systematische und rigorose Reinigung der Höhlenforschungsausrüstung bietet sich als wesentliche Maßnahme an: Studien zeigen, dass sie das Vorhandensein lebensfähiger Pilzsporen drastisch reduziert und so die Ausbreitung des Pilzes, der die Weißnasenkrankheit verursacht, einschränkt.

Freiwillige im Zentrum wissenschaftlicher Entdeckungen
Diese Studie wäre ohne eine außergewöhnliche Mobilisierung freiwilliger Helfer nicht möglich gewesen. Die Forschenden konnten einen außergewöhnlichen Datensatz auswerten, da sie in der gesamten nördlichen Hemisphäre über 360 Freiwillige – vor allem Chiropterologen – an der Beprobung beteiligten.
„Dieses Projekt zeigt die Stärke der partizipativen Wissenschaft. Gut ausgebildete Freiwillige im richtigen Netzwerk können dazu beitragen, Daten von außergewöhnlicher Qualität in Größenordnungen zu generieren, die sonst unmöglich zu erreichen sind“, schließt Dr. Sébastien Puechmaille.

Publikation: Nicola M. Fischer, Sebastien J. Puechmaille et al: Two distinct host-specialized fungal species cause white-nose disease in bats (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09060-5.

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Dr. Nicola Fischer
Nicola.Fischer@forst.bwl.de

Hauptverursacher luftverschmutzungsbedingter Gesundheitsgefahren

Forschende eines internationalen Konsortiums, geleitet von der AG Professor Ralf Zimmermann am Helmholtz Zentrum München und der Universität Rostock, haben in einer aktuellen Studie erstmals nachgewiesen, dass die modernen EURO 6d-Partikelfilter zwar die direkten Feinstaubemissionen von Fahrzeugen deutlich reduzieren, jedoch die Bildung von sekundärem Feinstaub in der Atmosphäre nicht verhindern können – ein Faktor, der erhebliche gesundheitliche Risiken birgt.

Schon heute sind Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid als Hauptverursacher luftverschmutzungsbedingter Gesundheitsgefahren anerkannt. 

Moderne Benzinfahrzeuge mit Direkteinspritzung und Partikelfilter erreichen in Abgasmessungen auf Rollenprüfständen Filtereffizienzen von über 90 Prozent. Dennoch können flüchtige organische Kohlenwasserstoffe und Stickoxide durch photochemische Reaktionen zu sekundärem Feinstaub umgewandelt werden.

In der vorgestellten Untersuchung wurden menschliche Lungenzellen (A549-Alveolar- und BEAS-2B-Bronchialepithelzellen) sowohl direkten Abgasen als auch im Labor photochemisch gealterten Abgasen eines EURO 6d-Fahrzeugs mit Partikelfilter ausgesetzt. Während frische Abgase kaum eine messbare Partikelkonzentration und keine toxischen Effekte zeigten, erzeugte die Photochemie der Atmosphäre („atmosphärische Alterung“) reaktive Sauerstoffverbindungen wie Hydroxylradikale (OH·) und Ozon (O3), die die Abgase oxidierten und sekundären Feinstaub bildeten. Dieser übertrifft die Konzentrationen im direkten Abgas um ein Vielfaches und löst sowohl DNA-Schäden als auch oxidative Zellschädigung aus.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Partikelfilter allein nicht ausreichen, um Gesundheitseffekte von Verkehrsemissionen zu minimieren“, erklärt Erstautorin Dr. Mathilde N. Delaval vom Helmholtz Zentrum München. Die atmosphärische Alterung von Abgasen kann toxikologisch relevante Prozesse hervorrufen – vergleichbar mit bekannten Reaktionen wie der Umwandlung von Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid oder der Ozonbildung durch photochemischen Abbau flüchtiger organischer Verbindungen. Die Forschenden empfehlen, bei zukünftigen Emissionsprüfungen nicht nur die primären Partikel, sondern auch die Abgaszusammensetzung, insbesondere aromatischer Kohlenwasserstoffe, detailliert zu analysieren. Diese Stoffe sind maßgeblich an der Bildung von sekundärem Feinstaub beteiligt. „Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen der Art und Weise, wie wir Fahrzeugemissionen im Labor messen, und dem Verhalten dieser Emissionen in der realen Welt“, sagt Zweitautor Dr. Hendryk Czech von der Universität Rostock und dem Helmholtz-Zentrum München. „Wenn wir ignorieren, was mit den Abgasen passiert, nachdem sie in die Atmosphäre gelangt sind, laufen wir Gefahr, die wahren gesundheitlichen Auswirkungen der verkehrsbedingten Luftverschmutzung zu unterschätzen.“

Diese Erkenntnisse könnten dazu führen, dass zukünftige Abgasnormen stärker an gesundheitsbezogenen Kriterien ausgerichtet werden, was sowohl die EU-Richtlinie 2008/50/EG als auch WHO-Leitlinien für Feinstaub deutlich verbessern könnte.
Diese Arbeit wurde von der Helmholtzgemeinschaft (HGF) durch das Deutsch-Israeli International Lab „aeroHEALTH“ (Interlabs-0005) sowie der Europäischen Union durch das H2020 Projekt „ULTRHAS“ (955390) gefördert.

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Dr. Hendryk Czech
Universität Rostock
Institut für Chemie
Tel.: +45 381 498-6532
E-Mail: hendryk.czech@uni-rostock.de

Originalpublikation:
Originalpublikation M. N. Delaval, H. Czech, et al., „The efficiency of EURO 6d particulate filters is compromised by atmospheric aging: In vitro toxicity of gasoline car exhaust”, Science Advances, doi 10.1126/sciadv.adq2348

Die Impfquoten gegen Humane Papillom-Viren (HPV)

Die Impfquoten gegen Humane Papillom-Viren (HPV) zeigen keine Fortschritte: 

Einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zufolge lag die Impfquote bei AOK-Versicherten im dritten Quartal 2024 bei 15-jährigen Mädchen bundesweit bei nur 49,5 Prozent. 

Damit ist der Wert knapp einen Prozentpunkt niedriger als im dritten Quartal 2023 (50,2 Prozent). 

Er liegt damit nur leicht über dem Niveau vor der Corona-Pandemie (2019: 45,3 Prozent).

WIdO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen sagt: „Unsere Analysen zeigen erneut: Die Bundesrepublik ist noch sehr weit von dem erklärten Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entfernt, nach welchem bis 2030 mindestens 90 Prozent der 15-jährigen Mädchen gegen HPV geimpft sein sollen.“

Die Impfung schützt vor Infektionen mit Hochrisiko-Stämmen der HP-Viren, die überwiegend bei sexuellem Kontakt übertragen werden und bei anhaltender Infektion im Verlauf der Zeit Gebärmutterhalskrebs auslösen können. 

Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen, in Deutschland erkrankten laut Zentrum für Krebsregisterdaten 2022 4.388 Frauen neu, 1.413 Frauen starben daran.
Da die Impfung besonders dann effektiven Schutz bietet, wenn sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgt ist, sind die Impfquoten der 15-Jährigen besonders relevant. Für einen vollständigen Schutz sind in der Gruppe der 9- bis 15-Jährigen zwei Impfungen nötig. Eine verpasste Nachholimpfung ist auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen aber bis zum 18. Geburtstag möglich.

Scheller-Kreinsen: „Wenn man nicht nur auf die WHO-Zielmarke der 15-Jährigen vollständig geimpften schaut, sondern den Blick etwas erweitert, fallen die Zahlen etwas positiver aus. Nimmt man die „nur einmal“ Geimpften hinzu, betrachtet also jene Gruppe mit begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Impfungen, liegt die Impfrate bei den 15-Jährigen immerhin bei 61 Prozent. Hier muss darauf hingearbeitet werden, dass bis zum 18. Lebensjahr noch Impfserien abgeschlossen bzw. nachgeholt werden.“

Impfniveau bei Jungen weiterhin niedrig

Um Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen, wurde 2018 auch die HPV-Impfung für Jungen als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt. Sie trägt einerseits zum Schutz von Frauen und Mädchen vor einer Übertragung von Hochrisiko-Viren durch Geschlechtsverkehr bei. Andererseits schützt die Impfung die Jungen selbst vor der Entstehung von Anal-, Penis- und bösartigen Schleimhauttumoren des Mundrachenraumes.
Vollständig geimpft waren im dritten Quartal 2024 der WIdO-Auswertung zufolge jedoch nur 30 Prozent der Jungen, mindestens einmal geimpft waren immerhin 40 Prozent.

Entwicklung der Impfaktivität nicht ausreichend

Mit 49,5 Prozent liegt die Impfquote von Mädchen um 0,7 Prozentpunkte niedriger als im Vergleich mit dem dritten Quartal 2023 (50,2 Prozent). Er liegt damit nur leicht über dem Niveau vor der Corona-Pandemie (2019: 45,3 Prozent). Das liegt daran, dass jetzt Jahrgänge 15 Jahre alt werden, die während der Pandemie weniger Impfungen erhalten haben als die Jahrgänge vor der Pandemie.

„Im Gegensatz zur Impfquote bei 15-Jährigen beobachten wir bei der Anzahl der Impfungen insgesamt einen Anstieg auf das Niveau vor der Corona-Pandemie, während der es zu einem Einbruch in der Impfaktivität (jährliche Anzahl abgerechneter Impfungen) insgesamt gekommen ist. Diese aktuelle Entwicklung der Impfaktivität wirkt sich aber weniger auf vergangene Kohorten 15-Jähriger aus, sondern stärker auf die kommenden. Und obwohl sich die Impfaktivität wieder dem Niveau vor Corona annähert und sich auch die Impfquote entsprechend entwickeln wird, ist das nicht ausreichend, um dem WHO-Ziel deutlich näher zu kommen“, so Scheller-Kreinsen.

Für Jungen gibt es seit 2018 eine Impfempfehlung, die ab 2019 zunächst zu einem Anstieg der Impfquote geführt hat. So stieg die Impfquote von 2019 auf 2024 von 3,2 Prozent auf 30 Prozent. Jedoch ist auch bei den Jungen die Impfaktivität während der Corona-Pandemie deutlich eingebrochen und erholt sich erst langsam wieder.

Erhebliche Varianz zwischen den Bundesländern

Die WIdO-Auswertung zeigt zudem, wie stark die Impfquoten auf Ebene der Bundesländer variieren. So waren in Bremen im dritten Quartal 2024 nur 32,9 Prozent der 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV geimpft, während in Sachsen-Anhalt die Quote mit 65,7 Prozent nahezu doppelt so hoch war. Scheller-Kreinsen: „Insgesamt zeigt sich, dass die Impfquoten in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) mit mindestens 60 Prozent deutlich höher sind als in den westlichen. Hier liegt die Impfquote im Schnitt bei nur 47 Prozent.“

Bei der Entwicklung der Impfquoten für Mädchen zwischen 2019 und 2024 unterscheiden sich die Bundesländer ebenfalls deutlich. Einen Rückgang der Impfquote verzeichnete das Saarland (-2 Prozentpunkte), während in Brandenburg ein deutlicher Anstieg verzeichnet wurde (+10 Prozentpunkte).

Bei den Jungen fällt die Entwicklung der Impfquote in den Bundesländern ebenfalls sehr heterogen aus. Während die Impfquote in Sachsen-Anhalt zwischen 2019 und 2024 von 7 Prozent auf 47 Prozent stieg, hat sie im gleichen Zeitraum in Bremen nur von einem Prozent auf 18 Prozent zugenommen.

Auch europäischer Vergleich zeigt Potenzial auf

Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland 2023 mit dem 19. Platz eher schlecht ab. Die vorderen Plätze mit einer vollständigen HPV-Impfung bei 15-jährigen Mädchen wurden 2023 von Island, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden mit einer Impfquote von 96 bis 85 Prozent erreicht. „Sowohl die Varianz in Europa wie auch innerhalb Deutschlands zeigt, dass für HPV-Impfungen als Präventionsmaßnahme noch viel Luft nach oben ist“, so Scheller-Kreinsen.

Das Menstruationsblut und die Binder

Forschende der ETH Zürich haben erstmals eine Technologie entwickelt, die Biomarker im Menstruationsblut erkennen kann – direkt in der Binde. MenstruAI verspricht eine einfache, nicht-invasive Methode, um Gesundheitsdaten im Alltag zu erfassen.

Die Anwendung ist denkbar einfach: die Binde mit dem integrierten nicht-elektronischen Sensor tragen, mit dem Smartphone ein Bild der gebrauchten Binde aufnehmen und mit der App auswerten. MenstruAI soll es Nutzerinnen ermöglichen, ihren Gesundheitszustand regelmässig und ohne grossen Aufwand zu überprüfen. 

Eine neue Technologie der ETH Zürich bringt erstmals überhaupt ein Früherkennungsinstrument dorthin, wo es kaum jemand vermutet: in die Binde.

Menstruationsblut nicht Abfall sondern Informationsquelle

Weltweit menstruieren über 1,8 Milliarden Menschen und dennoch spielt Menstruationsblut in der Medizin kaum eine Rolle. «Das ist Ausdruck eines systemischen Desinteresses an frauenspezifischer Gesundheit», sagt Lucas Dosnon, Erstautor und Doktorand in der Gruppe von Inge Herrmann, Professorin an der Universität Zürich, an der Universitätsklinik Balgrist, an der Empa und akkreditiert am Departement für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich.

«Menstruationsblut wurde bislang als Abfall betrachtet. 

Wir zeigen, dass es eine wertvolle Informationsquelle ist», sagt Dosnon. Menstruationsblut enthält Hunderte von Proteinen, deren Konzentrationen oft mit jenen im venösen Blut vergleichbar sind. 

Zahlreiche Erkrankungen, darunter Tumore wie Eierstockkrebs oder Endometriose, führen dazu, dass bestimmte Proteine im Blut messbar sind – sogenannte Biomarker, die Hinweise auf eine Erkrankung geben können.

Die ETH-Forschenden haben für MenstruAI drei Biomarker als Ausgangspunkt verwendet. Erfasst werden aktuell das C-reaktive Protein (CRP) als genereller Entzündungsmarker, der Tumormarker CEA, der typischerweise bei allen Krebsarten erhöht ist, und CA-125, ein Protein, das bei Endometriose und Eierstockkrebs erhöht sein kann. Derzeit untersuchen die Forschenden viele weitere proteinbasierte Biomarker und fügen sie der Liste hinzu, um andere Gesundheitsaspekte eines Menschen widerzuspiegeln.

Gleiche Funktionsweise wie ein Covid-Test

MenstruAI nutzt einen papierbasierten Schnellteststreifen, einem Prinzip, das auch von Covid-Selbsttests bekannt ist, allerdings wird dieses Mal Blut statt Speichel analysiert. 

Kommt der Biomarker im Menstruationsblut mit einem spezifischen Antikörper auf dem Teststreifen in Kontakt, erscheint ein Farbstreifen. 

Dieser ist je nach Konzentration des entsprechenden Proteins in der Farbintensität unterschiedlich. 

Je höher die Konzentration, desto dunkler die Farbe. 

Die Testfläche ist dabei in eine neuartige kleine flexible Silikonkammer eingebettet, die sich mit einer handelsüblichen Binde kombinieren lässt. Dank seiner innovativen Bauweise gelangt nur eine kontrollierte Menge Blut zum Sensor, ohne zu verschmieren oder den Test zu verfälschen.

Die Ergebnisse lassen sich von blossem Auge, oder mit einer eigens entwickelten App ablesen, die auf maschinellem Lernen basiert und die Farbintensität auswertet. «Die App erkennt auch feine Unterschiede wie zum Beispiel die Menge der vorhandenen Proteine und macht das Resultat objektiv messbar», erklärt Dosnon.

Funktioniert es im Alltag?

Nach einer ersten Machbarkeitsstudie mit freiwilligen Teilnehmerinnen planen die Forschenden nun eine grössere Feldstudie mit über hundert Personen. 

Ziel ist es, die Alltagstauglichkeit von MenstruAI unter realen Bedingungen zu prüfen und die gemessenen Werte mit etablierten Labormethoden zu vergleichen.

Ein weiterer Fokus liegt auf der biologischen Vielfalt des Menstruationsbluts: Die Zusammensetzung variiert je nach Zyklustag und zwischen Personen. Diese Heterogenität muss erfasst und ausgewertet werden – ein zentraler Schritt für die klinische Validierung. Im Hinblick auf eine mögliche Marktzulassung müssen zudem regulatorische Anforderungen geprüft werden, beispielsweise muss die Biokompatibilität bewerten werden, die verwendeten Materialien gelten jedoch als unbedenklich.

Parallel dazu arbeitet das Team mit Designexpertinnen und -experten der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zusammen. Ziel ist es, das Nutzungserlebnis weiter zu optimieren und so die Hemm-schwelle möglichst tief zu halten. «Es geht auch darum, die Technologie so zu gestalten, dass es sowohl technisch als auch sozial akzeptiert wird», sagt Herrmann.

Kostengünstig, aber kein Ersatz für medizinischen Rat

Die Technologie, die in der Binde integriert wurde, funktioniert ohne Laborgeräte. «Das Ziel war von Anfang an, eine Lösung zu entwickeln, die auch in Regionen mit schwacher Gesundheitsversorgung einsetzbar und möglichst kostengünstig ist, um eine bevölkerungsweite Vorsorgeuntersuchung zu ermöglichen», sagt Herrmann.
MenstruAI kann damit als Frühwarnsystem dienen – bei auffälligen Werten können Nutzerinnen ärztlichen Rat einholen. Es soll keine etablierten Diagnosen ersetzen, sondern Hinweise geben, wann ein Besuch in der Praxis sinnvoll sein könnte. Zudem könnten langfristig auch Gesundheitsverläufe beobachtet und Veränderungen besser nachvollzogen werden.

Für Herrmann und Dosnon ist MenstruAI mehr als ein technisches Projekt. Es ist ein Beitrag zu einem gerechteren Gesundheitswesen. «Wenn wir über das Gesundheitswesen sprechen, dürfen wir die Hälfte der Menschheit nicht ausblenden», sagt Herrmann. Die Forschenden waren erstaunt, wie stark das Thema Menstruation selbst im akademischen Umfeld noch immer stigmatisiert wird und dass viele ihre Idee als eklig oder unpraktikabel erklärten. Dosnon ist aber überzeugt: «Es braucht mutige Projekte, um bestehende Muster aufzubrechen, damit die Frauengesundheit endlich den Platz erhält, den sie verdient.»

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Prof. Inge Herrmann, ETH Zürich, ingeh(at)ethz.ch

Originalpublikation:
Dosnon L, Rduch T, Meyer Ch, Herrmann IK: A wearable in-pad diagnostic for the detection of disease biomarkers in menstruation blood, Advanced Science (2025), doi: 10.1002/advs.202505170

Die Gefaessalterungen

Die Alterung der innersten Zellschicht von Blutgefässen führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Nun konnten Forschende der UZH erstmals nachweisen, dass Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukte direkt zur Gefässalterung beitragen. 

Im Alter verändert sich die Bakterienzusammensetzung im Darm so, dass weniger «verjüngende» und mehr schädliche Substanzen im Körper zirkulieren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten als weltweit häufigste Todesursache. 


Selbst wenn klassische Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck behandelt werden, verschlimmert sich die Krankheit in der Hälfte aller Fälle – insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten. 

Nun konnten Forschende der UZH erstmals nachweisen, dass Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukte Blutgefässe schneller altern lassen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen können.

Phenylessigsäure löst Zellalterung aus

30 bis 100 Billionen Bakterien besiedeln die verschiedenen Organe des menschlichen Körpers. 


Neunzig Prozent davon leben im Darm und verarbeiten die zugeführte Nahrung zu Stoffwechselprodukten, die wiederum unsere Körper beeinflussen. «Von der Hälfte dieser Stoffe kennen wir weder die chemische Struktur noch die Funktion», sagt Soheil Saeedi. Seine Forschungsgruppe am Center for Translational and Experimental Cardiology des Universitätsspitals und der Universität Zürich untersucht, wie sich die Zusammensetzung des Mikrobioms im Alter verändert und ob das Herzkreislaufsystem dadurch beeinträchtigt wird.

Anhand der Daten von 7303 gesunder Personen zwischen 18 und 95 Jahren und entsprechenden Mausmodellen stellten die Forschenden fest, dass sich im Alter das Abbauprodukt der Aminosäure Phenylalanin – die sogenannte Phenylessigsäure – anhäuft. In mehreren Experimentreihen konnte Saeedis Team nachweisen, dass Phenylessigsäure zur Zellalterung der Endothelzellen führt, welche die Blutgefässe innen auskleiden. 

Die Zellen vermehren sich nicht mehr und scheiden Entzündungsmoleküle aus. 

Die Gefässe versteifen zunehmend und ihre Funktion wird beeinträchtigt.

Verantwortliches Bakterium gefunden

Eine umfassende bioinformatische Analyse des Mikrobioms von Mäusen und Menschen führte die Forschenden schliesslich zum Bakterium Clostridium sp. ASF356, das Phenylalanin zu Phenylessigsäure verarbeiten kann. Besiedelten die Forschenden junge Mäuse mit diesem Bakterium, zeigten sie anschliessend erhöhte Phenylessigsäure-Werte sowie Zeichen der Gefässalterung. Wurden die Bakterien jedoch mit Antibiotika abgetötet, sank die Konzentration an Phenylessigsäure im Körper. «So konnten wir zeigen, dass die Darmbakterien für die erhöhten Werte verantwortlich sind», erklärt Saeedi.

Körpereigener Jungbrunnen

Das Mikrobiom im Darm produziert jedoch auch Stoffe, die für die Gesundheit der Blutgefässe von Vorteil sind. Kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, die durch Fermentation von Nahrungsfasern und Polysacchariden im Darm entstehen, wirken als natürliche Verjüngungsmittel. In In-vitro-Versuchen konnte die Forschungsgruppe zeigen, dass die Zugabe von Natriumacetat die Funktion von gealterten Endothelzellen wiederherstellen kann. In der Analyse der Darmbakterien stellten sie fest, dass die Anzahl Bakterien, die solche Verjüngungsmittel produzieren, im Alter schwindet.

«Der Alterungsprozess des Herzkreislaufsystems lässt sich somit über das Mikrobiom regulieren», fasst Saeedi zusammen. Der Pharmakologe und sein Team untersuchen nun, welche Ernährung das komplexe Zusammenspiel zwischen Bakterien und Mensch positiv beeinflussen kann. Ballaststoffe und Nahrungsmittel mit antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften kurbeln den körpereigenen Jungbrunnen an. Der Verzehr von phenylalanin-reichen Lebensmitteln und Getränken wie rotem Fleisch, Milchprodukten und einigen künstlichen Süssstoffen sollte hingegen eingeschränkt werden, um die Gefäßalterung zu verlangsamen. Die Forschenden arbeiten zudem an Möglichkeiten zur medikamentösen Senkung von Phenylessigsäure im Körper. Erste Versuche, die Entstehung von Phenylessigsäure mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien einzudämmen waren vielversprechend.

Literatur
Seyed Soheil Saeedi Saravi, Benoit Pugin, Florentin Constancias et al. Gut microbiota-dependent increase in phenylacetic acid induces endothelial cell senescence during aging. Nature Aging. 12. Mai 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-025-00864-8

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Dr. Soheil Saeedi
Center for Translational and Experimental Cardiology (CTEC)
Universität Zürich
+41 76 701 77 24
soheil.saeedi@uzh.ch

Originalpublikation:
Literatur
Seyed Soheil Saeedi Saravi, Benoit Pugin, Florentin Constancias et al. Gut microbiota-dependent increase in phenylacetic acid induces endothelial cell senescence during aging. Nature Aging. 12. Mai 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-025-00864-8

Der Wald und Deine Gesundheit

Wälder haben immer eine positive gesundheitliche Wirkung auf Menschen – wie stark diese ausfällt, hängt aber unter anderem von der Waldstruktur und der Artenvielfalt ab. 

Das zeigt eine Studie des internationalen Forschungsprojekts „Dr. Forest“, das von der Universität Freiburg koordiniert wurde. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin „Nature Sustainability“ erschienen. Die Studie bietet politischen Entscheidungsträger*innen und Waldbewirtschaftenden konkrete Strategien für die Gestaltung von Wäldern, die auf die unterschiedlichen Gesundheitsbedürfnisse verschiedener Regionen abgestimmt sind.

Wälder spielen eine wichtige Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen. Aber nicht alle Arten von Wäldern bieten denselben Nutzen: Bestimmte Waldmerkmale wie etwa ein dichtes Kronendach und eine große Vielfalt an Baumarten wirken sich positiv auf gesundheitliche Effekte aus – können aber auch einzelne Risikofaktoren befördern. Wie dies genau geschieht und welchen Einfluss dabei die Waldbewirtschaftung je nach lokalen Bedingungen hat, zeigt eine groß angelegte Studie. Sie entstand im Rahmen des internationalen und interdisziplinären Forschungsprojekts „Dr. Forest“, koordiniert von der Universität Freiburg. Untersucht wurden hierfür von der belgischen Universität Gent und zahlreichen Partnern 164 Wälder in fünf europäischen Ländern. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Nature Sustainability“ erschienen.

Baumkronendichte als Faktor

„Unsere Studie zeigt eindrücklich, dass die Gesundheitswirkung von Wäldern sehr stark von den Eigenschaften der jeweiligen Waldökosysteme abhängt und dass Waldbewirtschaftende anhand der lokalen Bedingungen und Bedürfnisse den Wald so gestalten können, dass neben anderen Waldfunktionen auch die Gesundheits- und Erholungsfunktion von Wäldern gefördert werden kann“, sagt Prof. Dr. Michael Scherer-Lorenzen, Professor für Geobotanik an der Universität Freiburg und Koordinator des Projekts. „Das ist gerade für die Entwicklung und Gestaltung von sogenannten Kur- und Heilwäldern von besonderer Bedeutung.“

Die Wissenschaftler*innen konnten zeigen, dass die Waldstruktur der einflussreichste Faktor für die Gesundheitswirkung ist, hier insbesondere die Baumkronendichte und das Verhältnis von Stammfläche zur Grundfläche eines Waldes. Allerdings gibt es keinen idealen Dichtegrad – denn mit einem besonders dichten Wald sind neben den gesundheitlichen Vorteilen auch Nachteile verbunden.

Bessere Luftqualität, weniger Feinstaub, mehr Zecken

So reduziert ein dichtes Blätterdach den Hitzestress, indem es mehr Schatten spendet und ein stabileres Mikroklima schafft. Dieser Effekt ist besonders in städtischen Gebieten wichtig, wo Hitzewellen häufiger auftreten. Es verbessert außerdem die Luftqualität, indem es die Blattoberfläche für die Ablagerung von Feinstaub vergrößert, was nachweislich zu einer Verringerung von Luftschadstoffen führt. Ein dichtes Blätterdach hat aber auch zur Folge, dass weniger Licht den Waldboden erreicht, was das Wachstum von gesundheitsfördernden Heilpflanzen behindern kann. Und es erhöht das Risiko einer Übertragung von Borreliose, weil die höhere Luftfeuchtigkeit im Wald das Auftreten von Zecken begünstigt.

Eine zwar eher schwache, aber positive Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden hat laut der Studie die Baumartenvielfalt. Den Reichtum an Baumarten zu erhöhen, ist daher eine sichere und vorteilhafte Maßnahme für Waldbewirtschafter*innen, die über die menschliche Gesundheit hinaus zahlreiche weitere Vorteile bietet, wie etwa die Förderung der damit verbundenen biologischen Vielfalt auch außerhalb von Bäumen. Die wahrgenommene Artenvielfalt eines Waldes hat wiederum einen erheblichen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden von Menschen – sie erleben einen Wald als gesünder, wenn sie ihn als vielfältig wahrnehmen, selbst wenn dies nicht durch die tatsächliche Baumartenvielfalt erfasst wird.

Gesundheitlicher Nutzen hängt von lokalen Prioritäten ab

Das Freiburger Team um Scherer-Lorenzen konnte unter anderem zur Bestimmung der Gesundheitswirkungen von sogenannten Soundscapes, also Klanglandschaften beitragen und zeigen, dass strukturreiche Wälder eine vielfältige Soundscape aufweisen, die sich wiederum positiv auf die Erholungsfunktion auswirkt. „Insgesamt war es für uns besonders spannend, ein solch vielfältiges und interdisziplinäres Team an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu koordinieren und die unterschiedlichen Perspektiven aus Naturwissenschaften, Psychologie und Medizin in die Projektplanung und die Auswertung der Ergebnisse einfließen zu lassen“, sagt Scherer-Lorenzen.

Die Studie bietet praktische Hinweise für Waldwirtschaft und Stadtplanung und liefert politischen Entscheidungsträger*innen und Waldbewirtschaftenden konkrete Strategien für die Gestaltung von Wäldern, die auf die spezifischen Gesundheitsbedürfnisse verschiedener Regionen abgestimmt sind. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es keinen ‚idealen Wald‘ gibt – der gesundheitliche Nutzen eines Waldes hängt immer von den lokalen Prioritäten ab“, erklärt Scherer-Lorenzen. So können in städtischen Umgebungen die Verringerung der Hitze und die Verbesserung der Luftqualität zu den Prioritäten gehören, während in ländlichen Landschaften der Fokus zum Beispiel stärker darauf liegen kann, die Prävalenz der Borreliose zu verringern und den Ertrag von Heilpflanzen zu steigern.

Weitere Informationen:

Originalpublikation: Gillerot, L., Landuyt, D., Bourdin, A. et al.: Forest biodiversity and structure modulate human health benefits and risks. In: Nature Sustainability (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41893-025-01547-3

Prof. Dr. Michael Scherer-Lorenzen ist Professor für Geobotanik an der Fakultät für Biologie der Universität Freiburg und Principal Investigator des ab 2026 geförderten Exzellenzclusters Future Forests. Zu seinen Forschungsinteressen gehört die Ökologie des globalen Wandels. Seit 2020 koordinierte er das internationale Forschungsprojekt „Dr. Forest“.

Am Forschungsprojekt waren neben der Universität Freiburg die folgenden Partner beteiligt: Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur, Wien (Österreich); Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin, Medizinische Universität Wien (Österreich); Umweltwissenschaften, Université Catholique de Louvain- Louvain-la-Neuve (Belgien), BOS+ Vlaanderen, Gontrode (Belgien); Forest & Nature Lab, Universität Gent, Melle-Gontrode (Belgien), Forest, Nature & Landscape, Katholische Universität Löwen (Belgien), Biodiversity, Genes and Communities (BIOGECO), INRAE, Cestas (Frankreich); Institut für Psychologie, Universität Leipzig; Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig; Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg; Geobotanische Station Białowieża, Universität Warschau, (Polen)

Die Studie wurde gefördert durch das ERA-Net BiodivERsA-Projekt „Dr. Forest“, die Derutsche Forschungsgemeinschaft DFG (no. 428795724), die Französische Nationale Forschungsagentur ANR, die Forschungsgemeinschaft Flandern FWO, den Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und das Nationale Wissenschaftszentrum Polen NCN (project no. 2019/31/Z/NZ8/04032) im Rahmen des BiodivERsA call for research proposals 2018-2019.

Projektwebsite: 


https://www.dr-forest.eu

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4302


Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41893-025-01547-3

Soziale Netzwerke

YouGov und Hochschule Macromedia veröffentlichen aktuelle Studie zur Social Media-Nutzung in Deutschland

Soziale Netzwerke sind für die meisten nur einen Swipe entfernt – sie unterhalten, informieren und lenken vom Alltag ab. Doch wie stark ist der Einfluss wirklich? 

Eine aktuelle Studie von YouGov und der Hochschule Macromedia, anlässlich des Starts der re:publica heute, am 26. Mai 2025 in Berlin, zeigt: Besonders junge Menschen tun sich schwer, das Smartphone wieder aus der Hand zu legen.

Laut der aktuellen Befragung aus dem Mai 2025 zeigen 15 Prozent der Deutschen typische Anzeichen einer Social Media-Sucht. Besonders auffällig ist der Unterschied zwischen den Altersgruppen: In der Generation Z liegt der Anteil sogar bei 25 Prozent. Bei den Millennials sind es ebenfalls 26 Prozent, in der Generation X 12 Prozent. Selbst unter den Baby Boomern geben bis zu 5 Prozent entsprechende Hinweise auf ein problematisches Nutzungsverhalten.

Grundlage für diese Einstufung ist die anerkannte „Bergen Social Media Addiction Scale“, die mittels sechs verschiedener Einzelabfragen eine Gesamteinschätzung für die persönliche Social-Media-Gefährdungsstufe ermittelt.

Auswirkungen auf Job und Studium
Obwohl 85 Prozent der Befragten, die arbeiten oder studieren, zumindest ein soziales Netzwerk mehrmals täglich nutzen, sieht die Mehrheit von ihnen (60 Prozent) keine negativen Auswirkungen auf ihre Tätigkeit.
Auch hier fällt ein klarer Unterschied zwischen den Generationen auf: Bei der GenX und den Baby Boomern sehen mehr als zwei Drittel keine negativen Auswirkungen durch Social Media auf ihren Job. Unter Millennials sind nur etwa die Hälfte (51 Prozent) unbeeinträchtigt. Noch deutlicher ist es in der GenZ: Nur 34 Prozent haben noch keinen negativen Einfluss durch ihre Social-Media-Nutzung auf ihren Job / ihr Studium erlebt. Entsprechend haben zwei Drittel der jungen Leute bereits zumindest ab und an negative Auswirkungen auf ihren Job / ihr Studium wahrgenommen.

Besonders schwer fällt das Aufhören bei Instagram und TikTok
Am häufigsten fällt es den Befragten auf, dass es ihnen schwerfällt aufzuhören, wenn sie Instagram und TikTok nutzen. Auf einer Skala von „nie“ (0) bis „jedes Mal“ (100) erreicht TikTok mit einem Wert von 58 Punkten den höchsten Score, dicht gefolgt von Instagram mit 55 Punkten. Beide Plattformen liegen damit signifikant über dem Skalenmittelpunkt. Das weist auf ein erhöhtes Suchtpotenzial hin. Diese Werte unterstreichen die besondere Anziehungskraft der visuell geprägten, auf kurze Aufmerksamkeitsspannen optimierten Plattformen.

Unter den Nutzerinnen und Nutzern aus der Gen Z kommen die gleichen Dienste auf nochmals deutlich höhere Werte von 70 (TikTok) und 65 (Instagram). Bei den Millennials kommen immer noch ähnlich hohe Werte zustande (62 für TikTok und 63 für Instagram). In den älteren Generationen ist der Zug zum Dranbleiben sichtbar schwächer. Bei beiden genannten Diensten fällt ebenfalls auf, dass Frauen hier häufiger am Bildschirm hängen bleiben als Männer (siehe Grafik).

Die Ergebnisse der YouGov-Studie in Kooperation mit der Hochschule Macromedia unterstreichen, dass gerade Instagram und TikTok darauf ausgelegt sind, die Aufmerksamkeit ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu binden. Das kann auch handfeste negative Auswirkungen auf Beruf oder Studium haben, wie die Selbsteinschätzungen der Befragten zeigen.

Prof. Dr. René Arnold, Professor für Management an der Hochschule Macromedia: „Etwa ein Viertel der Gen Z und Millennials zeigt problematische Social-Media-Nutzung: Viele flüchten sich in soziale Medien, um dem Alltag zu entkommen und scheitern oft beim Versuch, ihren Konsum zu begrenzen. Das zeigt ein Blick in die einzelnen Aspekte der von uns verwendeten Sucht-Skala.“

Sven Runge, Head of Research bei YouGov Deutschland: „TikTok und Instagram machen es leicht, die Zeit zu vergessen. Das ist Teil ihres Erfolgs. Aber: Intensive Nutzung ist nicht gleich problematisch. Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, zwischen Vielnutzung und Sucht zu unterscheiden und Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen.“

Zur Methodik:
Diese Umfrage wurde von YouGov Deutschland als YouGov Surveys Eigenstudie in Kooperation mit der Hochschule Macromedia durchgeführt. Die Daten dieser Befragung basieren auf Online-Interviews mit Mitgliedern des unternehmenseigenen YouGov Panels. Die Mitglieder des Panels haben der Teilnahme an Online-Interviews zugestimmt. Insgesamt 2.033 Personen wurden im Zeitraum 9. bis 12. Mai 2025 befragt. Die Erhebung wurde nach Alter, Geschlecht und Region quotiert und die Ergebnisse anschließend entsprechend gewichtet. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Wohnbevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren.

Definition der Generationen und die Stichprobengrößen:
Generation Z (Gen Z): 18-28 Jahre (n=160), Millennials (Generation Y): 29-44 Jahre (n=536), Generation X (Gen X): 45-60 Jahre (n=606), Baby Boomer: 61-79 Jahre (n=686).

Die Bergen Social Media Addiction Scale (BSMAS) ist ein psychologisches Messinstrument, das entwickelt wurde, um problematischen oder süchtigen Gebrauch von sozialen Medien zu erfassen und zu bewerten. Sie wurde von Forschern der Universität Bergen in Norwegen entwickelt, basierend auf früheren Arbeiten zur Internet- und Spielsucht.
Die Skala besteht aus 6 Fragen/Items, hierbei wird jedes Item auf einer 5-Punkte-Skala bewertet (von „sehr selten“ bis „sehr oft“).
Dimensionen: Die Fragen decken die sechs Kernkomponenten von Verhaltenssucht ab:

- Salienz (gedankliche Beschäftigung mit sozialen Medien)
- Stimmungsveränderung (Nutzung sozialer Medien, um Stimmung zu verbessern)
- Toleranz (zunehmende Nutzung, um gleiche Wirkung zu erzielen)
- Entzugserscheinungen (unangenehme Gefühle bei Nicht-Nutzung)
- Konflikt (negative Auswirkungen auf andere Lebensbereiche)
- Rückfall (Tendenz, nach Abstinenz in alte Nutzungsmuster zurückzufallen)

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Prof. Dr. René Arnold r.arnold@macromedia.de

Mehrfach-ungesättigte Omega-3-Fettsäuren

Große Studien zum Einfluss von mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben in der Vergangenheit gegensätzliche Ergebnisse ergeben. 

Lange war deshalb unklar, inwiefern diese Fettsäuren einen positiven Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko haben. 

Düsseldorfer Forschende haben mit einer internationalen Studie nun einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Einfluss von Omega-3-fettsäurehaltigen Präparaten zu verstehen. Ihre Ergebnisse stellen sie in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine vor.

Kardiovaskuläre Erkrankungen, zu denen Herzinfarkte und Schlaganfälle gehören, sind eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland und eng mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Lebensstil und Ernährung verknüpft. Insbesondere die Zufuhr von Fetten ist hier ein Faktor.

Vor allem mehrfach-ungesättigte Omega-3-Fettsäuren können im Vergleich zu gesättigten Fettsäuren unterstützend wirken. 

Häufig werden Betroffenen diese in Form von Präparaten verschrieben. Eine Schwierigkeit ist jedoch, dass die Funktionsweise und Wirksamkeit von Omega-3-fettsäurehaltigen Präparaten in Studien nie eindeutig geklärt werden konnte. Bisherige Studienergebnisse waren häufig gegensätzlich und konnten nicht eindeutig aufzeigen, ob oder in welchen Zusammensetzungen oder Dosierungen Omega-3-fettsäurehaltige Präparate das kardiovaskuläre Risiko positiv beeinflussen können.

Im Rahmen einer Studie, die nun in Science Translational Medicine erschien, konnte eine Forschungsgruppe rund um Dr. med. Philipp Mourikis und Prof. Dr. Amin Polzin von der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) einen Beitrag dazu leisten, die Wirkung von Omega-3-fettsäurehaltigen Präparaten im Körper zu verstehen und abzubilden.

In ihrer Arbeit konnten Dr. Mourikis und Prof. Polzin einen bisher unbekannten, schützenden Mechanismus darstellen, den mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren auf die Funktion der Blutplättchen haben. 


 Diese wird durch die Omega-3-Fettsäuren gehemmt, was sich positiv auf das Risiko auswirkt, kardiovaskulär zu erkranken.

Entscheidend ist dabei, dass dieser Effekt nur bei einer bestimmten Omega-3-Fettsäure, der Eicosapentaensäure (EPA) und nur in einer hohen Konzentration erzielt wird. 


EPA hemmt dabei einen zentralen Schritt der Blutplättchen-Aktivierung, sodass diese weniger dazu neigen, Gerinnsel zu bilden. 


Dadurch lassen sich also Rückschlüsse auf eine vorteilhafte Dosierung und Zusammensetzung von Omega-3-Fettsäure-Präparaten ziehen, die kardiovaskulären Erkrankungen vorbeugen sollen.

„Durch unsere Studie konnten wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten zu verstehen, wodurch ein schützender Effekt durch Omega-3-Fettsäuren erfolgt und welche Zusammenstellung und Dosierung nötig zu sein scheinen, um einen Schutz vor Herzinfarkten und Schlaganfällen zu erreichen“, erklärt Prof. Dr. Amin Polzin die aktuellen Studienergebnisse.

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Dr. Philipp Mourikis, Prof. Dr. Amin Polzin

Originalpublikation:
P. Mourikis, M. Benkhoff, L. Wildeis, M. Barcik, C. Helten, C. Coman, F. A. Solari, D. Krahn, L. Dannenberg, S. Ahlbrecht, D. Zikeli, A. Utz, K. Trojovky, H. Richter, G. Al Kassis, R. M’Pembele, S. Zako, T. Huckenbeck, S. Bauer, D. Schmitz, S. Pfeiler, N. Gerdes, C. Dücker, J. Pircher, Z. Zhe, M. Thienel, Q. Ul Ain, P. Keul, N. Kirkby, D. Sohn, W. Budach, T. Hohlfed, K. Schrör, B. Levkau. T. Zeus, S. H. L. Verhelst, R. Ahrends, A. Sickmann, J. Mitchell, S. Mora, J. E. Manson, D. L. Bhatt, U. Landmesser, S. Massberg, M. Kelm, T. Petzold, A. Polzin. Icosapent ethyl reduces arterial thrombosis by inhibition of cyclooxygenase-1–induced platelet reactivity. Science Translational Medicine (2025)


Weitere Informationen finden Sie unter
http://dx.doi.org/10.1126/scitranslmed.ado0610

TOP: Zwei Behandlungen – chirurgischer Klappenersatz und TAVI-Katheterintervention – verglichen

Herzklappenverkalkungen sind häufige Erkrankungen des Alters, v.a. bei Frauen. 

Im europäischen RHEIA-Projekt werden erstmals bei Patientinnen die zwei Behandlungen – chirurgischer Klappenersatz und TAVI-Katheterintervention – verglichen. 

Erste Ergebnisse stellen beiden Methoden ein hervorragendes Zeugnis aus. Je nach Alter und Risikoprofil der Patientinnen ergeben sich jedoch Vor- und Nachteile, wie der chirurgische Studienkoordinator Nikolaos Bonaros von der Medizin Uni Innsbruck berichtet.

Mehr Frauen als Männer leiden unter schwerer Herzinsuffizienz aufgrund einer Klappenverengung. 

In Studien waren sie jedoch stets unterrepräsentiert. 

Die kürzlich veröffentlichte RHEIA Studie ist daher in mehrfacher Hinsicht besonders: Sie ist die erste großangelegte prospektiv randomisierte Herzklappen-Studie mit einem gendermedizinischen Fokus weltweit. Anfang April veröffentlichte das European Heart Journal die Ergebnisse der Intervention nach zwölf Monaten Beobachtungszeit. Diese liefern den BehandlerInnen die erste fundierte Grundlage für eine differenzierte Wahl der Methode beim Klappenersatz, wie Nikolaos Bonaros von der Univ.-Klinik für Herzchirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck erläutert.

Es gibt zwei Möglichkeiten, eine erkrankte Herzklappe zu ersetzen: HerzchirurgInnen entfernen die defekte Klappe und passen eine neue Klappe aus tierischem Material an, die mit Nähten fixiert wird. Eine Operation am komplett offenen Brustkorb ist dafür meistens nicht mehr nötig. Die Eingriffe können bei 95 Prozent der PatientInnen minimalinvasiv über einen kleinen Schnitt am Brustbein durchgeführt werden. Eine Vollnarkose und der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine sind dafür allerdings notwendig. 


Die andere, neuere Option heißt TAVI. 


Dabei führen KardiologInnen und HerzchirurgInnen mittels Katheter die neue, mit einem Drahtrahmen stabilisierte Herzklappe ein und schieben diese über die erkrankte Klappe. Die Katheterklappe wird am Kalk der defekten Klappe - die nicht entfernt, sondern nur verdrängt wird – eingehängt und aufgespannt. Dafür ist lediglich eine örtliche Betäubung, jedoch keine Herz-Lungen-Maschine erforderlich.

Welche Option für Frauen besser ist, wusste bisher niemand. 


Im Rahmen der RHEIA Studie erhielten nun insgesamt 420 Frauen (Durchschnittsalter 73 Jahre) an 48 Zentren im Rahmen der Studie einen Klappenersatz, die Hälfte wurde chirurgisch, die andere Hälfte mit der Kathetermethode TAVI behandelt. 

Die Zuordnung erfolgte randomisiert mittels Zufallsgenerator. In Innsbruck wurden 17 Patientinnen behandelt, österreichweit waren es 63. Die letzte Patientin wurde Ende des Jahres 2022 in die Studie eingeschlossen.

MaAB: 

Die Ergebnisse im Detail:::
Die gesammelten Resultate nach zwölf Monaten Beobachtungszeit zeigen nun, „dass beide Methoden exzellent für Frauen sind“, sagt Bonaros. 


Sowohl die Operation als auch die Katheter-Intervention können mit einem minimalen Risiko durchgeführt werden (Tod innerhalb von 12 Monaten: 0,9 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit, während oder kurz nach dem Eingriff einen Schlaganfall durch sich lösenden Kalk zu erleiden, ist mit drei Prozent sehr gering.

CAVE: 

Bei der Zahl der Wiederaufnahmen in die Klinik ergaben sich jedoch Unterschiede:

Nach einem chirurgischen Eingriff mussten 11,4 Prozent der Frauen im ersten Jahr wiederum im Krankenhaus behandelt werden. 


Demgegenüber schnitt TAVI mit 4,8 Prozent Wiederaufnahmen besser ab. 


„Dieses Ergebnis war erwartbar. 


Eine Operation ist eine größere Manipulation am Gewebe, der Körper reagiert unmittelbar danach. Mehr Frauen hatten Pleuraergüsse oder Herzrhythmusstörungen, die gut behandelbar sind. Für die Patientinnen bedeuten diese wiederholten Krankenhausbesuche, auch wenn sie nur in den ersten Wochen nach dem Eingriff stattfinden, jedoch eine Einschränkung der Lebensqualität“, erklärt Bonaros.

In der Folge von TAVI ist allerdings mit 8,8 Prozent häufiger die Implantation eines Schrittmachers notwendig als nach der Operation (2,9 Prozent). 


Der Grund ist, dass der Impulsgeber des Herz-Reizleitungssystems in unmittelbarer Nähe der Aortenklappe liegt. 


Dieser gibt die elektrische Aktivität an die Herzkammer weiter. 


„Bei einem Eingriff mittels Katheter ist das Reizleitungssystem nicht erkennbar und kann daher abgedrückt werden. 


Wir Chirurgen sehen das System und setzen die Klappe so ein, dass kein Druck entstehen kann.“ 

Die Funktion der Klappe in der Echokardiografie war für die chirurgischen Klappen besser. „Da TAVI über die alte, verkalkte Klappe gedrückt wird, ist sie nicht genau angepasst. 


Dadurch entsteht häufiger ein Rückfluss des Blutes. 


Die Prognose einer undichten Klappe, die nicht richtig schließt, ist schlechter. Dieses Ergebnis war nach der Operation besser“, erläutert der leitende Chirurg.

Diese ersten Ergebnisse des 1-Jahres-Überlebens von Patientinnen können die BehandlerInnen künftig bei den individuellen Abwägungen zur Wahl der Methode berücksichtigen. „Bei einer 70-Jährigen ohne Vorerkrankungen zählt, wie es ihr in den nächsten 15 Jahren geht. Man muss auf Langfristigkeit setzen und wird die klassische chirurgische Methode bevorzugen. Für eine Frau, die älter ist, oder bereits Vorerkrankungen wie Schlaganfall, Diabetes, Adipositas hat oder immobil ist, wird TAVI die bessere Methode sein. Wir können die Vor- und Nachteile der Interventionen für Patientinnen jetzt besser abgrenzen“, folgert Bonaros aus den Resultaten.

Die Auswertungen der RHEIA-Studie sind noch nicht abgeschlossen. 


Aktuell werden bereits die Ergebnisse für das Fünfjahres-Überleben gesammelt. Relevant wird auch der Outcome beim Zehnjahres-Überleben sein.

Aortenklappenstenosen sind Erkrankungen des Alters und von Frauen:::


Die Wahrscheinlichkeit einer Herzinsuffizienz aufgrund einer Klappenerkrankung steigt ab 65 Jahren (zwei Prozent der Gesamtbevölkerung) stark an. Mit 70 Jahren leiden bereits drei Prozent der Menschen darunter, ab 75 sind es vier Prozent. Die Lebenserwartung von Frauen ist allgemein höher, sie sind daher öfter von Aortenklappenstenosen betroffen als Männer. Mit den Jahren lagert sich Kalk an den Klappen ab, die sich dadurch nicht mehr ganz öffnen können und das Blut nicht mehr richtig durch das Herz schleusen und im Körper verteilen. Atemnot ist das Hauptsymptom – zuerst nur bei Belastung, dann auch in Ruhe. Ein Aortenklappenersatz ist dann lebensnotwendig. Ohne Eingriff stirbt die Hälfte der PatientInnen im Laufe von zwei Jahren.

Innsbrucker ForscherInnen in führenden Sollen


Bei der Durchführung des Projekts kamen den Innsbrucker Universitätskliniken für Herzchirurgie (Direktor: Michael Grimm) und für Innere Medizin III (Kardiologie und Angiologie, Direktor: Axel Bauer) Schlüsselrollen zu. Die Herzchirurgie unter der Leitung von Nikolaos Bonaros war für die Koordination der chirurgischen Eingriffe an allen teilnehmenden Zentren in Europa verantwortlich, die Innsbrucker Kardiologie war wiederum für die TAVI-Koordination der beteiligten österreichischen Kliniken zuständig. Neben der Innsbrucker Med Uni, die die Koordinationsrolle in Österreich übernahm, waren auch die Med Uni Wien, die Med Uni Graz und das Klinikum St. Pölten an der Studie beteiligt.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT


Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. Nikolaos Bonaros
Universitätsklinik für Herzchirurgie
Tel.: +43 50 504 22501
E-Mail: Nikolaos.Bonaros@i-med.ac.at

Originalpublikation:
Didier Tchetche, et al. for the RHEIA Investigators, „Transcatheter vs. surgical aortic valve replacement in women: the RHEIA trial”, European Heart Journal, 2025; ehaf133, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf133

Samstag: 24.05. Ausweitung der Fußballfieber-Studie auf Fans des VfB Stuttgart

Ausweitung der Fußballfieber-Studie auf Fans des VfB Stuttgart

https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/sportwissenschaft/arbeitsbereiche/ab-v/herz-fuer-vfb/

In ganz Deutschland fiebern Fußballfans dem DFB-Pokalfinale am Samstag, 24. Mai, entgegen – vor allem natürlich in Stuttgart und Bielefeld. 


Doch lässt sich das Fußball-Fieber auch objektiv messen? 


Diese Frage stellen Forschende der Universität Bielefeld in Kooperation mit der Wissenswerkstadt Bielefeld. 


Im Rahmen einer ungewöhnlichen Studie wollen sie herausfinden, welchen Einfluss das Spiel auf Vitalfunktionen wie Puls und Stress-Level bei den Fans hat. 

Dafür werden Smartwatches am Handgelenk genutzt. Nachdem eine bereits gestartete Erhebung unter Arminia-Anhänger*innen auch bundesweit auf großes Interesse gestoßen ist, haben die Forschenden beschlossen, für eine Ausweitung der Studie auch Fans des VfB Stuttgart aufzunehmen.

„Uns haben viele Nachfragen dazu erreicht, sodass wir spontan reagiert haben“, berichtet Studienleiter Professor Dr. Christian Deutscher von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft an der Universität Bielefeld. „Uns interessiert, ob sich ein kulturelles Phänomen messbar machen lässt“, sagt Professorin Dr. Christiane Fuchs, Leiterin der Data-Science-Gruppe an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität. Die Forschenden machen es sich zu Nutze, dass viele Menschen inzwischen sogenannte Smartwatches tragen, die Daten zu Herzfrequenz, Bewegung und andere Werte aufzeichnen. Die Daten sollen helfen zu verstehen, wie intensiv Fans den Sport erleben.

So wollen die Forschenden nicht nur herausbekommen, wie sehr Chancen, Tore und Foul-Pfiffe den Puls der Anhänger während der Partie schneller schlagen lassen. 


Sie interessiert auch der Abgleich mit den Daten im Alltag vor und nach der Partie. Und durch die Ausweitung der Studie um VfB-Anhänger*innen ist auch ein Vergleich beider Fan-Lager möglich.

„Jetzt könnten wir ein bisschen ketzerisch fragen, wessen Herz wohl mehr für den eigenen Verein schlägt – das der Arminen oder das der Stuttgarter?“, scherzt Christian Deutscher. 

Bei der körperlichen Reaktion der Fans stellt sich die Frage, ob es einen Unterschied macht, dass die eigene Mannschaft der Favorit oder der krasse Außenseiter ist.

An der Fußballfieber-Studie teilnehmen können alle, die eine Smartwatch des Herstellers Gar-min, einem der Marktführer, besitzen. Das US-Unternehmen bietet Forschenden weltweit einen Zugang, um datenschutzkonform an Daten von Kunden zu gelangen, die sich freiwillig für wis-senschaftliche Studien angemeldet haben. „Andere Smartwatch-Marken mussten bei diesem schlanken Studiendesign leider außen vor gelassen werden“, erklärt Christiane Fuchs.

Alle Teilnehmenden müssen sich einmalig per Link anmelden und brauchen danach nichts mehr zu tun – außer das Spiel zu verfolgen und dabei das Gadget am Handgelenk zu tragen. 


Die für das Studienformat ausgewählten Fitness-Daten werden per Synchronisation mit der Garmin-App an die Forschenden übermittelt.

Knapp 200 Arminia-Fans haben sich bereits für die Studie angemeldet. Unter den VfB-Anhänger*innen würden die Forschenden aufgrund der Kürze der Zeit gern auf 100 Teilnehmende kommen. 


Erste Ergebnisse der Studie werden zeitnah nach dem Pokalfinale veröffentlicht.


MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT


Prof. Dr. Christian Deutscher, Universität Bielefeld
Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft
Telefon 0521 106-2006
E-Mail: christian.deutscher@uni-bielefeld.de

Weitere Informationen finden Sie unter


des VfB Stuttgart können sich auf folgender Website anmelden:


http://www.unibi.de/herz-fuer-vfb

der Arminia können sich weiterhin registrieren unter:


http://www.unibi.de/herz-fuer-arminia

Bei den Abnehmspritzen ....

 GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren könnten nach einer neuen Studie das Alzheimer-Risiko senken. 

Ähnliches hatten auch schon andere Erhebungen gezeigt. 

Allerdings handelt es sich nicht um randomisierte Studien, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Neurologie im Hinblick auf Empfehlungen zur Alzheimer-Prophylaxe zurückhaltend ist. 

Dafür seien mehr Daten erforderlich. Eine vergleichbar hohe Reduktion des Demenzrisikos könne ebenso durch Lebensstilmodifikationen erreicht werden – und zwar mit deutlich weniger Kosten, nebenwirkungsfrei und vor allem nachhaltig. 

Denn was nach Absetzen der „Abnehmspritze“ im Hinblick auf das Demenzrisiko passiert, ist bisher nicht erforscht.

Bei den Abnehmspritzen handelt es sich um sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten, die derzeit für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 (in Kombination mit Antidiabetika) und von krankhaftem Übergewicht (Adipositas) zugelassen sind. Doch auch bei der letzteren Indikation bezahlen die Krankenkassen die Therapie in der Regel nicht, auch, weil es andere nachhaltigere Wege gibt, um Körpergewicht zu reduzieren. „Diese sind aber mit Verzicht und Anstrengung verbunden, weshalb sich die Abnehmspritzen derzeit großer Beliebtheit erfreuen, und zwar auch bei Menschen, die weder unter Diabetes noch unter Adipositas leiden, sondern die einfach nur ein paar Kilo Gewicht verlieren wollen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Den Einsatz als Lifestyle-Medikament sieht die neurologische Fachgesellschaft kritisch, obwohl sich Hinweise mehren, dass GLP-1-Rezeptoragonisten und andere moderne Diabetes-Medikamente wie sogenannte SGLT2-Inhibitoren das Risiko für Alzheimer senken könnten.

Das zeigte kürzlich eine sogenannte Zielversuchsemulationsstudie [1]. In dieser Studienart wird versucht, mit Daten aus Beobachtungsstudien eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) zu simulieren. Zugrunde gelegt wurden elektronische Gesundheitsdaten aus Florida, aus denen zwischen 2014 und 2023 Personen über 50 Jahre mit einem Diabetes Typ 2 und ohne Hinweis auf eine vorbestehende Alzheimer-Erkrankung ermittelt wurden. Diese wurden dann in drei Kohorten unterteilt: Erstens jene, die GLP-1-Rezeptoragonisten vs. andere Glukose-reduzierende Medikamente erhielten (33.358 Personen, Durchschnittsalter 65 Jahre, 55,3 % waren weiblich). Zweitens jene, die SGLT2-Inhibitoren vs. andere Glukose-reduzierende Medikamente erhielten (34.185 Personen, Durchschnittsalter 65,8, 49,3 % weiblich), und, drittens, eine Kohorte bestehend aus 24.117 Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter 63,8, 51,7 % weiblich), in der GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren im Hinblick auf das Alzheimer-Risiko verglichen wurden. Im Ergebnis zeigte sich, dass sowohl die mit GLP-1-Rezeptoragonisten als auch die mit SGLT2-Inhibitoren Behandelten ein signifikant geringeres Alzheimer-Risiko aufwiesen als jene, die mit anderen Glukose-senkenden Medikamenten behandelt worden waren. Es gab im Hinblick auf die vor Alzheimer schützende Wirkung keinen Unterschied zwischen den GLP-1-Rezeptoragonisten und den SGLT2-Inhibitoren. Ein aktuelles Review [2] hingegen zeigte nur für GLP-1-Rezeptoragonisten eine statistisch signifikante Verringerung des Demenz-Risikos.

Was sind die Ursachen für diese erstaunliche (Neben-)Wirkung der neuen Diabetes-Medikamente? „Den genauen Mechanismus kennt man nicht, aber es gibt viele Hypothesen: Zum einen könnten die Medikamente, die beide ähnliche Signalwege aktivieren, die Neuroinflammation hemmen, die auch bei der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielt. Ebenso könnte ihre positive Wirkung auf die Gefäßgesundheit den vor Alzheimer schützenden Effekt mit sich bringen – Hirn- und Gefäßgesundheit hängen eng miteinander zusammen“, erklärt Prof. Berlit.

Wie der Experte weiter ausführt, mehren sich die Hinweise, dass insbesondere die Abnehmspritzen vor Demenz schützen könnten [3, 4], dennoch bleibt er vorsichtig: „Es handelt sich um retrospektiv gewonnene Daten, keine kontrollierten randomisierten Studien. Die Ergebnisse aus laufenden Phase-3-Studien zu den GLP-1-Rezeptor-Agonisten müssen wir abwarten. Die möglichen Risiken einer Langzeittherapie sind auch noch nicht vollständig geklärt.“ Bekannte Nebenwirkungen seien Magen-Darm-Beschwerden, Hypotonie, Synkopen, Arthritis, Nephrolithiasis, interstitielle Nephritis und arzneimittelinduzierte Pankreatitis [5].

Die DGN empfiehlt eine gesunde Lebensführung mit Fokus auf Bewegung, gesunde Ernährung und soziale Kontakte sowie die Korrektur von Seh- und Hörstörungen. „Mit diesen Präventionsmaßnahmen kann das Demenzrisiko um bis zu 45 % gesenkt werden [6] – und das ganz ohne Nebenwirkungen“, betont Berlit.

Der Experte gibt noch eine weitere Limitation der Abnehmspritzen zu bedenken: Sie bekämpfen nicht die Ursache des Problems (Fehlernährung und Bewegungsmangel), sondern das Symptom und müssen entsprechend als Dauertherapie eingenommen werden. Denn, wenn sie abgesetzt werden, ist es wahrscheinlich, dass die Behandelten schnell wieder ihr Ausgangsgewicht erreichen. „Eine aus Wissenschaftssicht spannende Frage ist, was dann im Hinblick auf das Demenzrisiko passiert. Es gibt mehrere Studien [7, 8], die zeigen, dass relevante Gewichtsveränderungen, übrigens in beide Richtungen, im höheren Alter die Demenzentstehung nach 5 und mehr Jahren begünstigen könnten.“

[1] Tang H, Donahoo WT, DeKosky ST et al. GLP-1RA and SGLT2i Medications for Type 2 Diabetes and Alzheimer Disease and Related Dementias. JAMA Neurol. 2025 May 1;82(5):439-449. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.0353. PMID: 40193118; PMCID: PMC11976648.

[2] Seminer A, Mulihano A, O'Brien C et al. Cardioprotective Glucose-Lowering Agents and Dementia Risk: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Neurol. 2025 May 1;82(5):450-460. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.0360. PMID: 40193122; PMCID: PMC11976645.

[3] Wang W, Wang Q, Qi X et al. Associations of semaglutide with first-time diagnosis of Alzheimer's disease in patients with type 2 diabetes: Target trial emulation using nationwide real-world data in the US. Alzheimers Dement. 2024 Dec;20(12):8661-8672. doi: 10.1002/alz.14313. Epub 2024 Oct 24. PMID: 39445596; PMCID: PMC11667504.

[4] De Giorgi R, Koychev I, Adler Al et al. 12-month neurological and psychiatric outcomes of semaglutide use for type 2 diabetes: a propensity-score matched cohort study. EClinicalMedicine. 2024 Jul 10;74:102726. doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102726. PMID: 39764175; PMCID: PMC11701436.

[5] Xie Y, Choi T, Al-Aly Z. Mapping the effectiveness and risks of GLP-1 receptor agonists. Nat Med. 2025 Mar;31(3):951-962. doi: 10.1038/s41591-024-03412-w. Epub 2025 Jan 20. Erratum in: Nat Med. 2025 Mar;31(3):1038. doi: 10.1038/s41591-025-03542-9. PMID: 39833406.
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[7] Park S, Jeon SM, Jung SY et al. Effect of late-life weight change on dementia incidence: a 10-year cohort study using claim data in Korea. BMJ Open. 2019 May 20;9(5):e021739. doi: 10.1136/bmjopen-2018-021739. PMID: 31110079; PMCID: PMC6530413.

[8] Lee CM, Woodward M, Batty GD et al. Association of anthropometry and weight change with risk of dementia and its major subtypes: A meta-analysis consisting 2.8 million adults with 57 294 cases of dementia. Obes Rev. 2020 Apr;21(4):e12989. doi: 10.1111/obr.12989. Epub 2020 Jan 3. PMID: 31898862; PMCID: PMC7079047.


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Wirkung der sogenannten Abnehmspritze

Adipositas erhöht das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, aber auch psychische Erkrankungen. 

Prof. Dr. Kerstin Stemmer, Professorin für Molekulare Zellbiologie am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Augsburg erklärt die Rolle der Genetik beim Abnehmen und die Wirkung der sogenannten Abnehmspritze. 

Sie forscht zu der Frage, inwiefern Fettzellen direkt mit der Bauchspeicheldrüse kommunizieren können, um die Insulinproduktion anzukurbeln.

Was ist Adipositas?

Adipositas gilt heute als chronische Erkrankung. Der Körper lagert dabei zu viel Fett ein. Medizinisch wird sie ab einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 diagnostiziert und stellt ein ernstzunehmendes gesundheitliches Problem dar. 


Sie erhöht das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Leiden, bestimmte Krebsarten, aber auch für Gelenkprobleme und psychische Erkrankungen. 


Seit 2020 wird Adipositas als eigenständige chronische Erkrankung anerkannt, zuvor galt sie nur als Risikofaktor für die genannten Erkrankungen.

Im Jahr 2024 leben weltweit rund 43 Prozent der Erwachsenen mit Mehrgewicht, darunter 16 Prozent mit Adipositas. 


Besonders alarmierend: Seit 2022 gibt es erstmals weltweit mehr adipöse Kinder und Jugendliche als untergewichtige.

Wie ist es dazu gekommen?

Unsere Umwelt und unser Lebensstil haben sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Hochkalorische Lebensmittel sind jederzeit verfügbar, körperliche Arbeit nimmt ab, Bewegung wird weniger – viele Tätigkeiten finden heute im Sitzen statt. Die Energiezufuhr übersteigt dauerhaft den Verbrauch. Gleichzeitig ist unser Körper noch immer auf das „Überleben“ in Zeiten des Mangels programmiert: Er speichert Energie in Form von Fett und gibt sie nur ungern wieder her.

Welche Rolle spielt die Genetik beim Zunehmen?

Viele denken: „Man muss sich nur zusammenreißen.“ Aber so einfach ist es nicht. Genetik spielt eine wichtige Rolle. In den meisten Fällen liegt jedoch nicht eine einzelne genetische Ursache vor, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Genetik, Umweltfaktoren und Verhalten. Sogar Vorlieben für bestimmte gesunde oder ungesunde Nahrungsmittel, oder ob wir uns gerne sportlich betätigen, liegen in unseren Genen. 


Heute sind mehrere hundert Genvarianten bekannt, also kleine individuelle Veränderungen in den Genen, die einen unterschiedlichen Einfluss auf das Körpergewicht nehmen können. 


So passiert es, dass manche Menschen trotz ähnlichen Lebensstils schneller zunehmen als andere. 


Bis zu einem gewissen Maß können wir unsere genetische Veranlagung beeinflussen, indem wir beispielsweise versuchen, schlechte Ernährungsgewohnheiten zu verändern. Meistens fallen wir nach kurzer Zeit aber wieder in alte Muster zurück, vor allem da wir in einer stark Adipositas-fördernden Umwelt leben. In sehr seltenen Fällen liegt ein genetischer Defekt vor. Auch eine – ebenfalls seltene – Resistenz gegen das Hormon Leptin kann Übergewicht fördern.

Warum ist Abnehmen so schwer – und warum kommt das Gewicht oft wieder?

Langfristig schlank zu bleiben, erfordert daher mehr als Disziplin: Der Körper „merkt“ sich das alte Gewicht und strebt aktiv danach zurück.


Es ist wichtig zu verstehen, dass Personen mit einem BMI über 30 ihr Mehrgewicht nicht dauerhaft durch eine Diät loswerden können. 


Bei einer Diät versucht der Körper, die verlorene Energie wieder zurückzuholen – er senkt den Ruheumsatz, also den Kalorienverbrauch des Körpers im absoluten Ruhezustand, und steigert das Hungergefühl. 


Dieser Mechanismus ist tief im Stoffwechsel verankert und war früher überlebenswichtig. 


Heute führt er dazu, dass viele Menschen nach dem Abnehmen wieder zunehmen – manchmal sogar noch mehr als vorher. 


Diesen Effekt nennt man Jo-Jo-Effekt. 


Er tritt häufig bei sogenannten Crash-Diäten verstärkt auf, bei denen man in sehr kurzer Zeit viel Gewicht verliert. 


In wissenschaftlichen Studien hat man herausgefunden, dass der Ruheumsatz noch Jahre später deutlich niedriger ist und die Betroffenen deshalb wieder schnell an Gewicht zunehmen.

Was kann nun die sogenannte „Abnehmspritze“?

Ein großer Fortschritt in der Adipositastherapie ist die medikamentöse Behandlung mit sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid. 


Dieses Medikament wirkt wie ein natürliches Hormon, das nach dem Essen ausgeschüttet wird. 


Es signalisiert dem Gehirn: 


„Du bist satt.“ 


Semaglutid wirkt auf mehreren Ebenen: 


Es hemmt das Hungergefühl im Gehirn, auch Heißhungerattacken werden seltener. 


Es verlangsamt die Magenentleerung, was auch zur Sättigung beiträgt und es verbessert die Blutzuckerregulation nach dem Essen. 

Studien zeigen: 


Mit einer wöchentlichen Injektion bis maximal 2,4 mg Semaglutid können Betroffene im Schnitt etwa 15 Prozent ihres Körpergewichts verlieren. 


Dabei scheint die Wirkung bei einem hohen BMI stärker zu sein als bei einem niedrigen BMI.

Gibt es Nebenwirkungen?

Ja, wie bei jedem Medikament. 


Die Abnehmspritze darf deshalb nur unter ärztlicher Verordnung eingenommen werden. 


Die häufigsten Nebenwirkungen sind Verdauungsstörungen wie Durchfall, Erbrechen oder Übelkeit.


Diese Beschwerden treten meist am Anfang auf und lassen mit der Zeit nach. 


Ernstere Nebenwirkungen wie Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und der Gallenblase oder allergische Reaktionen sind sehr selten. 


Auch wird untersucht, ob es durch den Wirkstoff zu einem erhöhten Risiko für Schilddrüsentumore beiträgt oder bei Diabetikern zu einer Verschlechterung der diabetischen Retinopathie führen kann.

Wie lange muss man die Spritze nehmen?

Die Wirkung hält nur an, solange das Medikament regelmäßig eingenommen wird. 


Wird es abgesetzt, kehren Appetit und Gewicht oft zurück. 


Heute gehen wir davon aus, dass Adipositas eine chronische Erkrankung ist – also nicht heilbar. 


Das bedeutet: 


Viele Menschen brauchen eine langfristige oder sogar lebenslange Behandlung.

Gibt es auch neue Medikamente?

Ja. Seit 2024 ist mit Tirzepatid ein weiterer Wirkstoff auf dem Markt. 


Dieser kombiniert die Wirkung des GLP-1 mit einem ähnlich wirksamen zweiten Hormon, dem GIP. 


Der Kombinationswirkstoff unterdrückt das Hungergefühl, regt aber durch GIP noch stärker die Insulinproduktion an. 


In klinischen Studien war die Wirkung auf Blutzucker und Gewicht stärker als bei Semaglutid. 


Zudem wird intensiv an Kombinationen mit weiteren Substanzen geforscht, die Fett-, Energie- und Zuckerstoffwechsel positiv beeinflussen, aber aktuell noch nicht zugelassen sind.

Und reicht die Spritze allein aus?

Nein. 


Die Medikamente helfen beim Einstieg – aber entscheidend ist der Lebensstil. 


Damit das Gewicht dauerhaft reduziert bleibt, müssen neue, gesunde Gewohnheiten fest im Alltag verankert werden. 


Dazu gehören vor allem eine ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung. Entscheidend ist aber, dass diese Umstellung mit Hilfe der Abnehmspritze viel häufiger gelingt.

Woran forschen Sie zu diesem Thema?

Adipositas ist ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes, bei dem der Körper zunächst die Fähigkeit verliert, auf das Blutzucker-senkende Hormon Insulin zu reagieren. 


In Folge schüttet die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin aus, um die rückgehende Wirkung auszugleichen. 


Da Adipositas zunächst durch eine Zunahme der Fettmasse charakterisiert ist, interessierte uns in Augsburg die Frage, ob Fettzellen direkt mit der Bauchspeicheldrüse kommunizieren können, um die Insulinproduktion anzukurbeln. 


Wir konnten zeigen, dass dies tatsächlich möglich ist: Fettzellen senden sogenannte extrazelluläre Vesikel aus – winzige Bläschen, die Eiweiße, Fette oder genetische Informationen enthalten. 


Diese Vesikel können die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinflussen – etwa die Insulinproduktion steigern oder verändern.

Ziele unserer Forschung sind: neue Therapieansätze zu entwickeln, z. B. durch gezielte Beeinflussung dieser extrazellulären Vesikel, die Frühzeichen für Diabetes noch früher und genauer zu erkennen sowie Wirkungen und Nebenwirkungen neuer Adipositas- und Diabetes-Medikamente noch besser zu verstehen.

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Prof. Dr. Kerstin Stemmer
Professorin für Molekulare Zellbiologie, Biochemie und Molekularbiologie
Telefon: +49 821 598 - 71116
kerstin.stemmer@med.uni-augsburg.de