Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson zu lindern
„Hauptsache Bewegung!“ –
So lässt sich ein aktueller Cochrane Review deutscher Autor*innen zusammenfassen, der die Wirksamkeit von Bewegungsangeboten für Menschen mit Morbus Parkinson untersucht.
Die im Review ausgewertete Evidenz aus 156 randomisierten Studien spricht für günstige Auswirkungen solcher Angebote auf den Schweregrad von Bewegungssymptomen und die Lebensqualität.
Die genaue Art der Bewegung scheint dabei zweitrangig zu sein.
Die Autor*innen des Reviews konnten 156 randomisierte kontrollierte
Studien (RCTs) auswerten, die ein Bewegungsangebot mit keiner Bewegung
oder mit anderen Bewegungsangeboten verglichen. Insgesamt wurden 7939
Personen aus der ganzen Welt in die Übersichtsarbeit eingeschlossen, was
sie zum größten und umfassendsten systematischen Review über die
Auswirkungen verschiedener Bewegungsangebote bei Menschen mit Morbus
Parkinson macht.
Die Arbeit an dem Review wurde von Elke Kalbe, Professorin für
Medizinische Psychologie an der Universität zu Köln, geleitet.
- Die Auswertung der verfügbaren Evidenz aus RCTs ergab, dass strukturierte Bewegungsangebote - von Tanzen, Bewegung im Wasser (z.B. Gangtraining oder Wassergymnastik), Krafttraining und Ausdauertraining bis hin zu Tai Chi, Yoga und Physiotherapie - leichte bis starke Verbesserungen des Schweregrads von Bewegungssymptomen und der Lebensqualität bewirken.
- „Der Morbus Parkinson ist eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns, von der meist Menschen über 60 betroffen sind“, erklärt Kalbe.
- „Die Symptome beginnen nach und nach und umfassen vor allem Probleme mit der Bewegung wie z.B. Bewegungsverlangsamung, Zittern, Muskelsteifheit und Probleme mit dem Gleichgewicht und der Koordination.
- Die Betroffenen können auch Depressionen, Stimmungsschwankungen, erhöhte Müdigkeit, Schlafstörungen und kognitive Beeinträchtigungen, wie z.B. Schwierigkeiten beim Denken oder mit dem Gedächtnis, haben.
Parkinson kann nicht geheilt, aber die Symptome können gelindert werden, wobei auch Physiotherapie oder andere Bewegungsangebote helfen können.
Bislang
war unklar, ob bestimmte Arten von Bewegung besser wirken als andere.
Wir wollten herausfinden, welche Bewegungsangebote am besten geeignet
sind, um den Schweregrad der Bewegungssymptome und die Lebensqualität zu
verbessern.“
Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen in den in die Untersuchung
eingeschlossenen Studien lag zwischen 60 und 74 Jahren. Die meisten von
ihnen waren leicht bis mittelschwer erkrankt und hatten keine schweren
kognitiven Beeinträchtigungen. Die statistische Auswertung der
Studienergebnisse ergab, dass den Teilnehmer*innen die meisten
Bewegungsangebote im Vergleich zu keiner Bewegung halfen.
Der Erstautor des Cochrane Reviews, Moritz Ernst, ist Mitglied von
Cochrane Haematology und stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe für
evidenzbasierte Medizin, die von der Mitautorin der Studie, Professorin
Nicole Skoetz von der Uniklinik Köln, geleitet wird. Er sagt:
„Wir
beobachteten klinisch bedeutsame Verbesserungen im Schweregrad
motorischer Symptome für die meisten Bewegungsangebote. Dazu gehörten
Tanzen, Gang-, Gleichgewichts- und Funktionstraining, multimodales
Training, also eine Kombination mehrerer Bewegungsformen, und
Körper-Geist-Training wie z.B. Tai Chi oder Yoga.“
Ähnliche Verbesserungen beim Schweregrad der Bewegungssymptome erzielten
Bewegung im Wasser, Krafttraining und Ausdauertraining. Die Datenlage
reiche jedoch nicht aus, um das genaue Ausmaß der Symptomverbesserungen
zu bestimmen. Somit sei auch nicht gesichert, inwieweit diese
Verbesserungen klinisch bedeutsam seien.
- „Was die Lebensqualität betrifft, beobachteten wir klinisch bedeutsame positive Effekte für Bewegung im Wasser und wahrscheinlich auch für andere Arten von Übungen, wie Ausdauertraining, Körper-Geist-Training, Gang-, Gleichgewichts- und Funktionstraining sowie multimodales Training. Auch hier reichte die Datenlage jedoch nicht, um das genaue Ausmaß der Verbesserungen zu bestimmen“, sagt Moritz Ernst.
Die Autor*innen räumen ein, die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für
diese Ergebnisse sei in vielen Fällen nicht groß. Dies liege vor allem
daran, dass viele Studien sehr klein waren und häufig nicht alle
Informationen über den Schweregrad motorischer Symptome und die
Lebensqualität aller Teilnehmer*innen berichtet waren. In ihrem Fazit
betonen die Autor*innen, dass die Daten dennoch darauf hinweisen, dass
die meisten Bewegungsangebote zu bedeutenden Verbesserungen führen, und
dass es dabei kaum Anzeichen von Unterschieden zwischen den
verschiedenen Übungsarten gibt.
„Unsere Ergebnisse sind eine gute Nachricht, denn sie zeigen, dass
Patient*innen mit Morbus Parkinson von verschiedenen strukturierten
Bewegungsprogrammen profitieren können, um den Schweregrad der
motorischen Symptome und die Lebensqualität zu verbessern“, sagt Elke
Kalbe. „Unsere Übersichtsarbeit unterstreicht die Bedeutung von
strukturierter körperlicher Bewegung im Allgemeinen, während die genaue
Art der Bewegung zweitrangig sein könnte. Deshalb sollten die
persönlichen Vorlieben von Menschen mit Parkinson besonders
berücksichtigt werden, um sie zu motivieren, überhaupt an einem
Bewegungsprogramm teilzunehmen. Hauptsache Bewegung!“
Kalbe weist darauf hin, die Ergebnisse schlössen nicht aus, dass
bestimmte motorische Symptome am wirksamsten durch speziell für Menschen
mit Parkinson konzipierte Programme wie Physiotherapie behandelt werden
können.
Die Aussagen der aktuellen Arbeit bezögen sich eben auf den
insgesamt eingeschätzten Schweregrad von Bewegungssymptomen.
„Auf diesem Gebiet wird bereits viel geforscht. Wir möchten die
Forscher*innen aber ermutigen, größere Studien mit klar definierten
Stichproben durchzuführen. Auf diese Weise könnten wir in Zukunft
Schlussfolgerungen mit noch größerer Vertrauenswürdigkeit ziehen“, sagt
Moritz Ernst. „Außerdem sollten sich Studien vermehrt auf Menschen mit
fortgeschrittener Krankheit und mit kognitiven Einschränkungen
konzentrieren, damit wir beurteilen können, inwieweit strukturierte
Bewegungsangebote auch für diese Menschen von Vorteil ist.“
Originalpublikation:
Ernst M, Folkerts A-K, Gollan R, Lieker E, Caro-Valenzuela J, Adams A, Cryns N, Monsef I, Dresen A, Roheger M, Eggers C, Skoetz N, Kalbe E. Physical exercise for people with Parkinson’s disease: a systematic review and network meta‐analysis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2023, Issue 1. Art. No.: CD013856. DOI: 10.1002/14651858.CD013856.pub2
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.cochrane.de/news/bewegung-hilft-die-schwere-von-bewegungssymptomen-b... News auf www.cochrane.de
https://www.bbc.co.uk/sounds/play/m001k0rf Beitrag von BBC 4 Radio, inkl. Interviews mit zwei Ko-Autor*innen des Reviews
Georg Rüschemeyer Cochrane Deutschland
Berliner Allee 2
79110 Freiburg
Deutschland
Baden-Württemberg
Georg Rüschemeyer
Telefon: +49(0)761 203 54294
E-Mail-Adresse: rueschemeyer@cochrane.de
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