Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Von der Sucht ins Erwerbsleben:
Medizinische und berufliche Rehabilitation stärker verknüpfen
Alkoholsucht und Arbeitslosigkeit bilden einen Teufelskreis:
Wer keine Erwerbstätigkeit hat, ist nachweislich anfälliger für Suchterkrankungen – und wer suchtkrank ist, läuft wiederum Gefahr, seinen Job zu verlieren.
„In der Rehabilitation von Erkrankten, die alkoholabhängig sind, ist die Erwerbstätigkeit deshalb ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Aber nur ein geringer Teil von ihnen beantragt nach der medizinischen auch eine berufliche Rehabilitation“, erklärt Prof. Dr. Joachim Thomas, Inhaber der Professur für Psychologische Diagnostik und Intervention an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU).
Welche Hürden es für die Betroffenen nach der Entwöhnung gibt, um vorhandene Hilfen auf dem Weg ins Erwerbsleben zu nutzen, wird er gemeinsam mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dr. Fanny Loth und Prof. Dr. Dr. Janusz Surzykiewicz, Lehrstuhl Sozialpädagogik an der KU, untersuchen.
Gefördert wird das zweieinhalbjährige Projekt
„RehaConnect“ von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland.
Kooperationspartner ist das Berufsförderungswerk Thüringen GmbH.
Nur ein kleiner Teil der Betroffenen findet nach der
Entwöhnungsbehandlung den Weg in die berufliche Rehabilitation und
darüber zurück ins Erwerbsleben – trotz der sehr guten und
ausdifferenzierten Angebote an Beratungsstellen und stationären
Einrichtungen in Deutschland.
Dies belegt etwa eine Erhebung des
Fachverbandes Sucht, in dem sich bundesweit Einrichtungen der
Behandlung, Versorgung und Beratung von Suchtkranken zusammengeschlossen
haben. Der Verband befragt regelmäßig Patientinnen und Patienten ein
Jahr nach Abschluss ihrer medizinischen Rehabilitation. Von 4000
befragten Personen des Entlassjahres 2017 – mehr als 90 Prozent von
ihnen wurden wegen einer Alkoholstörung behandelt – war fast die Hälfte
ein Jahr später noch erwerbslos bzw. nicht erwerbstätig. Über ein
Viertel war nach einem Jahr akut rückfällig. Gerade einmal zwei Prozent
dieses Jahrgangs befand sich zwölf Monate später in einer beruflichen
Rehabilitationsmaßnahme, die offiziell als „Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben“ (LTA) bezeichnet werden. Ein zentraler Anbieter solcher
Leistungen sind die Berufsförderungswerke. Sie sind gemeinnützige,
außerbetriebliche Bildungseinrichtungen zur Aus- und Weiterbildung von
Erwachsenen.
„Die Datenanalyse in einer Fachklinik zeigte, dass nicht einmal zehn
Prozent der Patientinnen und Patienten einen LTA-Antrag stellen“,
berichtet Professor Surzykiewicz. Ziel und Anliegen des Projektes ist es
deshalb, an der Schnittstelle von medizinischer und beruflicher
Rehabilitation zu untersuchen, wie sich Barrieren senken und Übergänge
zwischen diesen beiden Phasen glätten lassen.
„Ein Faktor dabei ist zum
Beispiel die Wartezeit bis zum Beginn einer beruflichen Rehabilitation.
Obwohl diese nachweislich mit einer Abstinenz von bis zu 80 Prozent
verbunden ist, müssen Betroffene zum Teil neun Monate auf den Beginn
einer solchen Maßnahme warten“, schildert Dr. Fanny Loth.
Bei ihrer Forschung wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
nicht nur untersuchen, wie sich dieses Verfahren raffen lassen könnte,
sondern auch gezielt auf die Patientinnen und Patienten von zwei Akut-
und vier Rehakliniken zugehen, um diese zu befragen: Welche persönlichen
Faktoren der Betroffenen und welche Aspekte in ihrem Umfeld führen
dazu, dass sie trotz bestehender Motivation keine berufliche
Rehabilitation beantragen? Wie lässt sich die Bereitschaft fördern? Wie
wirkt sich die Dauer der Übergangszeit von der Entwöhnung bzw.
medizinischen Rehabilitation bis zur erfolgreichen Teilnahme an der
beruflichen Rehabilitation aus?
Professor Thomas betont: „Eine bessere Wahrnehmung von
Unterstützungsangeboten sowie ein träger- und einrichtungsübergreifendes
Schnittstellenmanagement stellen zentrale Bedingungen für eine
nachhaltige Abstinenz und erfolgreiche Wiedereingliederungen der
Zielgruppe in das Erwerbsleben dar.“ Die wissenschaftliche Analyse der
Schnittstellen solle konkrete Schlussfolgerungen für die Praxis des
Systems der beruflichen Rehabilitation erbringen: Von einer Verbesserung
des Übergangsmanagements durch frühzeitige und an die individuellen
Bedürfnisse der Zielgruppe angepasste Angebote über die Beschleunigung
von Antragsprozessen bis hin zu einer Identifikation „kritischer
Phasen“, um den Teufelskreis von Sucht und Arbeitslosigkeit zu
durchbrechen. „Die von uns erwarteten Forschungsergebnisse sollen
wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des Versorgungssystems im Bereich
der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geben. So können die im
Rahmen dieses Projektes generierten Ansätze in einem nächsten Schritt
evaluiert und bei entsprechend positiven Ergebnissen im Sinne aller
Beteiligten multipliziert und bundesweit verstetigt werden“, ergänzt
Professor Surzykiewicz.
Dr. Fanny Loth (fanny.loth@ku.de)
Prof. Dr. Joachim Thomas (joachim.thomas@ku.de) sowie
Prof. Dr. Dr. Janusz Surzykiewicz (janusz.surzykiewicz@ku.de)
Dipl.-Journ. Constantin Schulte Strathaus Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
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85072 Eichstätt
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