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Unser Kinderwunsch kontra Geburtenrate

Die Geburtenrate in Deutschland ist zwischen 2021 und 2024 deutlich von 1,58 auf 1,35 Kinder pro Frau gesunken. 

Dahingegen blieb die – darüber liegende - Anzahl der gewünschten Kinder im gleichen Zeitraum stabil.

Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die auf Basis des familiendemografischen Panels FReDA beruht. 

Frauen wünschen sich demnach im Schnitt 1,76, Männer 1,74 Kinder – und damit deutlich mehr als aktuell geboren werden. 

Die Forschenden sehen darin einen Hinweis, dass geplante Geburten zunächst aufgeschoben werden.

Fertility Gap“ vergrößert sich

„Die durchschnittliche Anzahl der Kinder, die junge Erwachsene bekommen möchten, ist in den letzten Jahren konstant geblieben und liegt deutlich über der aktuellen Geburtenrate“, erklärt die Bevölkerungsforscherin Dr. Carmen Friedrich vom BiB. Dadurch hat sich der sogenannte „Fertility Gap“ – also die Lücke zwischen gewünschter Kinderzahl und Geburtenrate – zuletzt kräftig erhöht, bei Frauen verdoppelte er sich auf 0,41. Gleichzeitig ist neben der Geburtenrate auch die konkrete Intention, in naher Zukunft ein Kind zu bekommen, spürbar zurückgegangen. Zwischen 2021 und 2024 sank der Anteil der 30- bis 39-Jährigen, die in den nächsten drei Jahren ein (weiteres) Kind planen bei Frauen von 28 % auf 24 %, bei Männern von 28 % auf 25 %. „Kinder zu bekommen bleibt ein zentrales Lebensziel für die meisten jungen Menschen. Der derzeitige Geburtenrückgang zeigt also keinen Rückgang der Familienorientierung, sondern weist vielmehr auf ein Aufschieben von Geburten hin“, schlussfolgert Friedrich. Mit der aktuellen Geburtenrate liegt Deutschland im Mittelfeld der europäischen Staaten. In anderen Industrienationen, wie beispielsweise Südkorea, liegt die Geburtenrate deutlich unter dem deutschen Wert.

Multiple Krisen als eine Ursache des Geburtenaufschubs

Einen zentralen Erklärungsfaktor vermuten die Autoren der Studie in einer subjektiv empfundenen Unsicherheit bei jungen Erwachsenen, die sich aus der Kombination von internationalen Krisen (Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawandel) und ungewissen wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen ergibt. „Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Familienplanung aus. Verlässliche Kindertagesbetreuung, bezahlbarer Wohnraum und politische Handlungsfähigkeit sind essenziell, um jungen Menschen Sicherheit zu geben“, meint Mitautor Prof. Martin Bujard vom BiB. „Dies kann dazu beitragen, dass vorhandene Kinderwünsche häufiger umgesetzt und nicht dauerhaft aufgeschoben werden.“

Über FReDA
Die Analyse beruht auf Daten des familiendemografischen Panels FReDA. Befragt wurden repräsentativ ausgewählte Menschen im Alter von 18 bis 52 Jahren, die in Deutschland wohnen. Zweimal im Jahr erhebt die Studie Daten zu partnerschaftlichen und familiären Lebenssituationen in Deutschland. Durch FReDA werden der Forschung repräsentative, belastbare und qualitativ hochwertige Daten zur Verfügung gestellt und somit aktuelle Analysen zu Familie und Bevölkerung im jungen und mittleren Erwachsenenalter ermöglicht. Mehr Informationen unter www.freda-panel.de.

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Prof. Dr. Martin Bujard 

martin.bujard@bib.bund.de

Dr. Carmen Friedrich 

carmen.friedrich@bib.bund.de

Originalpublikation:
Friedrich, Carmen und Bujard, Martin: Stabile Kinderwünsche trotz Geburtenrückgang.
Werden Geburten wegen der Krisen aufgeschoben? In: BiB.Aktuell 6/2025


http://https:www.bib.bund.de/Publikation/2025/BiB-Aktuell-2025-6

Falsche Verordnungen

Bei konservativ zu behandelnden Verletzungen und Brüchen an der Wirbelsäule gibt es bislang wenig Evidenz für Hilfsmittel wie Bandagen und Orthesen. Warum trotzdem ein sehr großes Potenzial in ihnen liegt und was dabei differenziert zu betrachten ist, darüber referiert Prof. Dr. med. Bernd Greitemann, Orthopäde und Sportmediziner (Bad Rothenfelde) auf dem 16. Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie (ZKOS).

Eine Hauptgruppe Betroffener, denen bestimmte Orthesen gut helfen, sind Menschen ab 60/65 Jahren mit Osteoporose-Brüchen (Sinterungsfrakturen). „Zwar heilt der Bruch durch die Orthese nicht schneller, aber den Patienten wird besser der Schmerz genommen“, so Prof. Greitemann.

Durch eine spezielle Drei-Punkt-Abstützung erfolgt eine Haltungsaufrichtung und damit eine Entlastung der Strukturen. Die Betroffenen können sich besser bewegen und fallen durch das aufrechte Gehen nicht in fehlerhafte Haltungs-Muster. Alle zwei Wochen sollte hierbei der Heilungsfortschritt vom Arzt kontrolliert werden. Wird es schlimmer, muss doch noch eine Stabilisierungs-OP erfolgen. Wenn nicht, können die Patienten meist nach drei Monaten die Orthese wieder zur Seite legen.

Eine weitere Gruppe, denen Bandagen und Orthesen helfen, sind ältere Menschen, die beim Laufen nach vorn fallen. Sie neigen häufiger zu Stürzen, was wiederum Frakturen mit sich bringt. Auch hier kann häufig mit aufrichtenden Orthesen konservativ sehr gut behandelt werden.

Eine dritte Gruppe sind Menschen aus allen Altersgruppen, die sich mit chronischen Rückenschmerzen in der unteren Lendenwirbelsäule plagen. Dass es hier für die Hilfsmittel keine ausreichende Evidenz gibt, liegt daran, dass sich immer noch zu wenige Mediziner mit Orthesen auskennen und deren biomechanische Wirkprinzipien nicht kennen.

So gibt es häufig falsche Verordnungen, zum Beispiel einfach Rückengürtel, wo eigentlich entlordosierende Orthesen benötigt würden. Oder auch Orthesen, wo die Stützpelotten an völlig falschen Punkten sitzen.
Greitemann betont, wie wichtig die Genauigkeit der Verordnung bei dem großen Portfolio an modernen Bandagen und Orthesen ist. Seit Fazit: das große Potenzial dieser Hilfsmittel ist lange nicht ausgeschöpft. Die konservative Ausbildung der Orthopäden muss dringend intensiviert werden.

Je nach Ursache die spezielle Orthese

Ob Orthesen oder Bandagen, rein flexible, mit Rückenpelotte oder Seitenstützen. Grundsätzlich gilt: je mehr die Ursache im Muskel zu finden ist, desto weicher und flexibler muss die Unterstützung sein. Im Gegensatz zu knöchernen Ursachen, wo Festigkeit gefragt ist. Laien, die sich selbst für ihren Sport oder für den Alltag eine Bandage oder Orthese anschaffen wollen, rät er, dies nicht sofort und ohne Beratung im Internet zu tun. Man braucht einen guten Orthopäden, der nach dem Wirkprinzip des Heilmittels und nach dem Ziel, welches erreicht werden soll, gefragt werden muss. Das Gleiche gilt für Sanitätshäuser, deren Mitarbeiter exakt die spezielle Wirkung erklären können müssen.

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.zkos.de/

Der Keuchhusten

Stiftung Kindergesundheit: Die starke Zunahme von Infektionen bedroht vor allem Babys und ihre Familienangehörigen

So hoch waren die Zahlen seit zehn Jahren noch nie: Mit 25 271 Fällen wurden im letzten Jahr mehr als doppelt so viele Keuchhusten-Erkrankungen in Deutschland gemeldet wie im Jahr 2014. Am häufigsten betroffen waren Säuglinge in Alter von unter einem Jahr. Dabei haben gerade Babys und Kleinkinder das bei Weitem größte Risiko eines schweren oder sogar tödlichen Verlaufs der Krankheit, berichtet die Stiftung Kindergesundheit in ihrer aktuellen Stellungnahme.

In den Jahren zuvor waren aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie auch die Infektionszahlen an Keuchhusten (medizinisch: Pertussis) stark rückläufig. Aktuell ist jedoch erneut eine massive Zunahme zu verzeichnen: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts Berlin wurde 2024 die bisher höchste jährliche Fallzahl seit Einführung der bundesweiten Meldepflicht für Keuchhusten gemeldet. In jenem Jahr starben sechs Menschen an der Krankheit.

Auch Erwachsene werden angesteckt

Zwar gilt Keuchhusten als eine typische Kinderkrankheit, doch seit einigen Jahren verlagert sie sich immer mehr ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter. Etwa 60 Prozent der Keuchhustenfälle treten heute bei Erwachsenen auf. So lag das Durchschnittsalter im Jahr 1995 noch bei 15,1 Jahren und stieg bis zum Jahr 2008 schon auf 41,7 Jahre an.

Nach Hochrechnungen müssen in Deutschland mindestens 1.100 Erwachsene pro Jahr wegen Keuchhusten stationär behandelt werden.

So können auch Mütter und Väter, ja sogar Großeltern mit ihren Keimen ihre Kinder oder Enkel anstecken und in höchste Lebensgefahr bringen. Nahezu jeder Kontakt zu einer erkrankten Person führt zu einer Ansteckung.

Bei Erwachsenen zeigt sich Keuchhusten oft mit dem alleinigen Symptom „lang anhaltender Husten“ und dauert im Mittel 48 Tage, als Maximum aber auch mal 72 Wochen! (RKI 2009: Epidemiologische Bulletin Nr. 31). Ein hoher Anteil der Pertussis-Erkrankungen indes verläuft eher milde und wird deshalb nicht erkannt.

Die Bakterien der Krankheit verbreiten sich beim Husten, Niesen oder Sprechen über winzige Tröpfchen aus Mund und Nase und können bis zu einen Meter in der Luft weiterverbreitet und schließlich eingeatmet werden.

Babys haben oft noch keinen „Nestschutz“

Von einer „harmlosen“ Kinderkrankheit kann dabei nicht die Rede sein, betont die Stiftung Kindergesundheit: Etwa jedes zweite keuchhustenkranke Kind muß in einem Krankenhaus stationär behandelt und überwacht werden.

Das Besondere ist bei dieser hoch ansteckenden Infektionskrankheit laut Stiftung Kindergesundheit: Neugeborene Kinder sind nicht durch den so genannten Nestschutz, also durch die Antikörper ihrer Mütter vor Keuchhusten geschützt. Junge Babys sind deshalb besonders gefährdet, sich bei ihren erkrankten Geschwistern oder bei anderen Personen anzustecken.

Der Husten fängt ganz harmlos an

Die Symptome des Keuchhustens setzen häufig in der Nacht ein und sind zunächst ganz harmlos: Ein bis zwei Wochen nach der Ansteckung beginnt die Krankheit mit einem zunächst ganz normal klingenden Husten, der sich allerdings mit den üblichen Hustenmitteln nicht bessern lässt. Allmählich wird der Husten immer stärker und heftiger und nimmt dann anfallähnliche Formen an.

Nach diesem Stadium kommt es dann zu den eigentlichen Keuchhustenanfällen: Ganze Serien kurzer, harter Hustenstöße folgen hintereinander, dabei entsteht zunehmend Atemnot. Das Kind läuft rot, manchmal auch blau an und zieht die Luft mühsam, von einem lauten, krähenden „Hi“ begleitet, durch die verkrampfte Stimmritze ein. Meist folgt gleich der nächste Anfall. Die Anfälle werden oft erst durch Erbrechen beendet.

Die krampfartigen Hustenstöße können sehr quälend sein und treten bei vielen Kindern häufiger nachts als tagsüber auf. Sie führen oft zum Herauswürgen von zähem, glasigem Schleim und zum anschließenden Erbrechen.

Heimtückisch und extrem langwierig

Die Krankheit ist ein tückisches, extrem langwieriges Leiden: Ihr Rückbildungsstadium setzt erst nach drei bis sechs Wochen ein. Bei manchem Kind kann in diesem Stadium jeder unbedeutende Reiz schon zu einem neuen Hustenanfall führen, viele Kinder entwickeln sogar einen regelrechten „Keuchhusten-Tic“.

Das Problem dabei: Die an Keuchhusten erkrankten Jugendlichen und Erwachsenen sind sich meist nicht bewusst, dass ihr hartnäckiger, trockener Husten ein ansteckender Keuchhusten sein könnte. Bei ihnen fehlen nämlich häufig die typischen Pertussis-Symptome wie die Attacken eines bellenden Hustens oder das laute, krächzend-juchzende „Einziehen“ beim Atmen, das zu neuen Hustenstößen führen kann.

Eltern sollten wissen: Keuchhusten lässt sich durch Impfungen verhindern, betont die Stiftung Kindergesundheit. Die ständige Impfkommission STIKO beim Robert-Koch-Institut empfiehlt eine Grundimmunisierung gegen Pertussis im Alter von zwei, vier und elf Monaten.

Schwangere sollten unabhängig von ihrem Impfstatus im dritten Trimenon der Schwangerschaft geimpft werden, um ihr Kind frühzeitig vor Keuchhusten zu schützen. Für enge Kontaktpersonen von Babys - also für Eltern, Großeltern und für das medizinische Personal - wird eine Auffrischimpfung alle zehn Jahre empfohlen.

Frühgeburt und Sprachentwicklung

Die frühe Sprachentwicklung spielt eine zentrale Rolle für spätere kommunikative, soziale und schulische Fähigkeiten. Eine aktuelle Meta-Analyse der Universität Zürich zeigt, dass die Sprachfähigkeiten von Frühgeborenen in den ersten 18 Monaten im Durchschnitt geringer ausfallen als die von termingeborenen Kindern.

Weltweit kommt etwa jedes zehnte Kind vor der 37.::

Schwangerschaftswoche zur Welt.

Das gilt als Frühgeburt. Diese Kinder sind bei der Geburt biologisch noch unreif und haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsverzögerungen in verschiedenen Bereichen. Studien zeigen beispielsweise, dass frühgeborene Kinder im Kindergarten- und Schulalter bei Sprachtests im Durchschnitt niedrigere Werte erzielen als termingeborene Kinder. Tritt das schon im Säuglings- und Kleinkindalter auf?

Unterschiede im Sprachverständnis und Sprechen
Forschende der Universität Zürich sind dieser Frage nachgegangen und haben untersucht, ob sich Sprachunterschiede bereits in den ersten 18 Lebensmonaten nachweisen lassen. Für ihre Meta-Analyse werteten sie 21 Studien aus neun Ländern mit insgesamt über 1 800 Kindern aus. Dabei stellten sie fest, dass frühgeborene Kinder im Alter von drei bis 18 Monaten im Sprachverständnis und im sprachlichen Ausdruck durchschnittlich niedrigere Werte erzielten.

Vor allem bei sehr frühen Frühgeburten
«Die Ergebnisse sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden», sagt Erstautorin Miriam Löffler. 

«Denn die in der Studie untersuchten Frühgeborenen kamen im Schnitt in der 30. Schwangerschaftswoche zur Welt.» 

Tatsächlich werden rund 75 Prozent aller Frühgeborenen erst zwischen der 34. und 37. Woche geboren – also etwas später. 

Die Meta-Analyse der Forschenden zeigte: 

Je früher die Geburt und je geringer das Geburtsgewicht, desto weniger gut schnitten die Kinder im Sprachverständnis ab. 

«In einer repräsentativeren Stichprobe wären die Unterschiede möglicherweise weniger stark ausgeprägt», so die Entwicklungspsychologin.

Frühe Sprachentwicklung erfassen und fördern::


Die Meta-Analyse unterstreicht, wie wichtig es ist, mögliche sprachliche Entwicklungsverzögerungen bereits in den ersten Lebensmonaten zu erkennen. Auch wenn sich viele Auffälligkeiten mit der Zeit abschwächen, können sie auf spätere Entwicklungsrisiken hinweisen. Deshalb sollte die frühe Sprachentwicklung im Rahmen der regulären Vorsorgeuntersuchungen – insbesondere bei Frühgeborenen – gezielt erfasst und bei Bedarf durch rechtzeitige Förderangebote unterstützt werden. «Auch Eltern können viel zur Sprachentwicklung ihres Kindes beitragen», betont Löffler. «Indem sie von Anfang an oft mit ihrem Kind sprechen, auf seine Laute reagieren oder gemeinsam Bücher anschauen, fördern sie wichtige Grundlagen. Bei Unsicherheiten ist es sinnvoll, frühzeitig Kinderärzt:innen oder Fachstellen zur Sprachförderung einzubeziehen.»

Literatur
Loeffler, M. T., Daikeler, J., Wagner, L., Natalucci, G., & Daum, M. M. (2025). Early expressive and receptive language development in preterm vs full-term children: A meta-analysis. Pediatrics, 156(2). 23 July 2025. DOI: https://publications.aap.org/pediatrics/article/doi/10.1542/peds.2024-070477/202...

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Miriam Löffler
Universität Zürich
Psychologisches Institut
Entwicklungspsychologie: Säuglings- und Kindesalter
E-Mail: miriam.loeffler@jacobscenter.uzh.ch

Originalpublikation:
Loeffler, M. T., Daikeler, J., Wagner, L., Natalucci, G., & Daum, M. M. (2025). Early expressive and receptive language development in preterm vs full-term children: A meta-analysis. Pediatrics, 156(2). 23 July 2025. DOI: https://publications.aap.org/pediatrics/article/doi/10.1542/peds.2024-070477/202...

Schwerhoerigkeit

Neue Leitlinie zur Zytomegalievirus-In

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Meilenstein zur Prävention frühkindlicher Schwerhörigkeit


Frühkindliche Schwerhörigkeit bleibt für viele betroffene Familien eine lebenslange Herausforderung. Dabei kann eine der häufigsten Ursachen – die konnatale Zytomegalievirus-Infektion (cCMV) – in vielen Fällen heute nicht nur frühzeitig erkannt, sondern auch behandelt werden. Erstmals zeigt eine neue medizinische Leitlinie, die maßgeblich an der Universität Regensburg (UR) mitentwickelt wurde, nun auf, wie die Infektion verhindert oder therapiert werden kann.

„Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel: Zum ersten Mal gibt es klare Empfehlungen, wie man eine der häufigsten infektiösen Ursachen frühkindlicher Schwerhörigkeit gezielt angehen kann“, betont Prof. Dr. Peter Kummer, Phoniater und Pädaudiologe der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Universitätsklinik Regensburg (UKR) sowie langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP e.V.). Für seine Fachgesellschaft war er federführend an der Leitlinienerstellung beteiligt.

Die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) im April 2025 veröffentlichte S2k-Leitlinie „Prävention, Diagnostik und Therapie der CMV-Infektion bei Schwangeren und der konnatalen CMV-Infektion bei Neugeborenen und Kindern“ bietet erstmals einen interdisziplinär abgestimmten, evidenzbasierten Handlungsrahmen für ein bislang unterschätztes gesundheitliches Risiko. Die Empfehlungen richten sich an Fachkräfte aus den Bereichen Gynäkologie, Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Phoniatrie und Labormedizin – mit dem Ziel, betroffene Kinder frühzeitiger zu erkennen und gezielter zu versorgen.

Das Zytomegalievirus (CMV) gehört zur Familie der Herpesviren und ist in der Bevölkerung weit verbreitet – rund 50 % der Erwachsenen in Deutschland tragen es in sich. Während eine Infektion für gesunde Menschen meist harmlos verläuft, birgt sie für das ungeborene Kind oft gravierende Risiken: Infiziert sich eine Frau während der Schwangerschaft oder reaktiviert sich eine frühere Infektion, kann das Virus über die Plazenta übertragen werden. Die mögliche Folge: eine konnatale CMV-Infektion (cCMV), die zu neurologischen Schäden, schweren Entwicklungsstörungen oder – oft zunächst unbemerkt – zu Hörstörungen führen kann.

Etwa 0,2 bis 0,6 % aller Neugeborenen in Deutschland sind schätzungsweise betroffen, 1.500 bis 4.500 Fälle pro Jahr. Die neue Leitlinie bündelt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und formuliert praxisorientierte Empfehlungen – von Hygienemaßnahmen über die Labordiagnostik bis zur antiviralen Therapie. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Neugeborenen-Hörscreening, das in Bayern erstmals in Regensburg pilotiert wurde. Auffällige Hörtests sollen künftig Anlass für eine gezielte CMV-Testung geben.

„Wenn wir CMV-Infektionen in den ersten Lebenstagen erkennen, können wir sie gezielt behandeln und Folgeschäden verhindern. Die antivirale Therapie – meist mit Valganciclovir – zeigt in bis zu 50 % der Fälle einen deutlichen Nutzen,“ so Peter Kummer. Die Leitlinie betont zudem die Bedeutung frühzeitiger Aufklärung für Schwangere. Bereits einfache Hygienemaßnahmen, wie das Vermeiden von Speichelkontakt mit Kleinkindern, können das Infektionsrisiko deutlich senken. Auch ein CMV-Screening zu Beginn der Schwangerschaft ist empfohlen – insbesondere für besonders gefährdete Gruppen.

„Die neue Leitlinie ist ein Meilenstein – aber ihr Nutzen hängt davon ab, dass sie auch flächendeckend umgesetzt wird,“ erklärt Prof. Kummer. „Dazu brauchen wir gezielte Fortbildungen, interdisziplinäre Netzwerke und ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung frühkindlicher Prävention.“

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Prof. Dr. Peter Kummer
Leiter Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Universitätsklinikum Regensburg
Regensburg
Tel.: +49 (0)941 / 944-9471
E-Mail: peter.kummer@ukr.de
www.ukr.de/hno

Originalpublikation:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/093-003

Mangelernaehrung

Warum ältere Menschen oft mangelernährt sind und was dagegen hilft

Viele ältere Menschen essen zu wenig oder zu einseitig – mit erheblichen Folgen für ihre Gesundheit. Prof. Dr. Dorothee Volkert vom Lehrstuhl für Innere Medizin (Geriatrie) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erklärt, warum das Thema Mangelernährung im Alter so relevant ist, wie man das Phänomen erkennt und was man dagegen tun kann.

Frau Prof. Volkert, warum ist Mangelernährung im Alter ein so großes Problem?

Ältere Menschen sind besonders anfällig für Mangelernährung. 

Viele altersbedingte Veränderungen und Begleiterscheinungen des Alterns erschweren eine ausreichende Ernährung. Zudem nimmt der Anteil hochaltriger Menschen – also ab etwa 80 Jahren – in der Bevölkerung weiter zu, es gibt also immer mehr Betroffene. Die Folgen sind gravierend: Mangelernährte Menschen haben ein höheres Risiko für Infektionen, schlechtere Heilungschancen, verlängerte Krankenhausaufenthalte und insgesamt eine reduzierte Lebensqualität. Auch die Kosten für das Gesundheitssystem steigen dadurch erheblich.

Warum essen viele ältere Menschen zu wenig oder nicht mehr ausgewogen?

Die Gründe sind sehr vielfältig. Es ist selten eine einzelne Ursache, meist kommen mehrere Faktoren zusammen. Altersbedingt lassen Appetit und Durstgefühl nach. Viele Menschen haben Kau- oder Schluckprobleme. Gleichzeitig können Mobilitätseinschränkungen, akute und chronische Krankheiten, bestimmte Medikamente, psychische Belastungen wie Einsamkeit oder Depression sowie soziale oder kognitive Probleme eine Rolle spielen. Insgesamt werden über hundert Einflussfaktoren diskutiert – körperlich, psychisch, sozial, kognitiv und medizinisch. Diese Komplexität macht die Diagnose und Behandlung so anspruchsvoll.

Kann Mangelernährung bei so vielen möglichen Ursachen überhaupt diagnostiziert werden?

Für eine Mangelernährung gibt es klare Kriterien. 

Dazu zählen ein ungewollter Gewichtsverlust oder ein niedriges Körpergewicht bzw. eine reduzierte Muskelmasse in Verbindung mit einer reduzierten Nahrungsaufnahme oder erhöhtem Bedarf durch Krankheit oder Stress. In der Praxis kommen kurze, standardisierte Fragebögen zum Einsatz, mit denen diese Aspekte abgefragt werden, sogenanntes Screening-Instrumente. Diese Früherkennung sollte idealerweise zur Routine gehören, vor allem in der Versorgung älterer Patientinnen und Patienten.

Was können Angehörige von älteren Menschen tun, wenn sie den Verdacht auf Mangelernährung haben?

Wenn Angehörige eine ungewollte Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit oder auch einen nicht mehr so gut gefüllten Kühlschrank bemerken, sollten unbedingt die dahintersteckenden Ursachen geklärt werden. Mögliche medizinische Ursachen müssen durch den Hausarzt abgeklärt werden. Bei ungenügender oder einseitiger Ernährung ohne frische Lebensmittel oder auch ohne die tägliche warme Mahlzeit sollte Unterstützung beim Einkaufen und Kochen oder auch ein Mahlzeitenlieferdienst organisiert werden.

Was passiert nach der Diagnose – wie wird Mangelernährung behandelt?

Zunächst wird geschaut, was genau hinter dem Problem steckt: Wir haben dafür ein Modell entwickelt, das die wichtigsten Einflussfaktoren systematisch ordnet und damit hilft, die Ursachen besser zu erfassen. Gibt es funktionelle Einschränkungen? Eine zugrunde liegende Erkrankung? Psychische Belastungen? Je nach Ursache kann zum Beispiel eine logopädische Behandlung bei Schluckstörungen helfen oder Unterstützung im Alltag notwendig sein. Die Ernährungstherapie selbst umfasst dann verschiedene Maßnahmen: eine hochwertige und ausgewogene Lebensmittelauswahl, angereichert mit besonders nährstoffreichen Zutaten wie Nüssen, Eiern, Pflanzenölen oder Sahne. Auch Eiweißpulver, Trinknahrung oder – in schweren Fällen – künstliche Ernährung können sinnvoll sein. Wichtig ist, dass die Maßnahmen individuell angepasst werden und realistisch in den Alltag integrierbar sind.

Wird Mangelernährung im medizinischen Alltag aus Ihrer Sicht ausreichend beachtet?

Leider nicht. Das liegt unter anderem daran, dass Ernährung in der medizinischen Ausbildung kaum eine Rolle spielt. Viele Ärztinnen und Ärzte sind nicht geschult, Mangelernährung zu erkennen oder gezielt zu behandeln. Zudem ist die Behandlung oft zeitaufwändig und langwierig und das wird in unserem Gesundheitssystem leider nicht entsprechend honoriert.

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Prof. Dr. Dorothee Volkert
Lehrstuhl für Innere Medizin (Geriatrie)
dorothee.volkert@fau.de

Dieses Auszehrungssyndrom, bekannt als Kachexie....und die Leber

Viele an Krebs erkrankte Menschen verlieren dramatisch an Muskel- und Fettmasse. Forschende haben jetzt einen bislang übersehenen Treiber der Kachexie erkannt: die Leber.

Viele an Krebs erkrankte Menschen verlieren dramatisch an Muskel- und Fettmasse. 

Oft ist sogar der Herzmuskel betroffen, was die Betroffenen zusätzlich schwächt. 

Dieses Auszehrungssyndrom, bekannt als Kachexie, betrifft rund die Hälfte aller Patient:innen. 

Es führt häufig zu Therapieresistenz, Komplikationen und erhöhter Sterblichkeit. Forschende von Helmholtz Munich haben jetzt gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg, der Technischen Universität München und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung einen bislang übersehenen Treiber der Kachexie erkannt: die Leber. Sie reagiert systemisch auf Tumore in anderen Organen – etwa im Darm oder in der Bauchspeicheldrüse – und trägt über spezifische Botenstoffe zum Gewebeabbau bei.

Das abgeschaltete Zeitgeber-Gen

Bei Kachexie wird der Leberstoffwechsel grundlegend umprogrammiert. 

So funktioniert insbesondere ein Gen nicht mehr, das normalerweise die Aktivität der Leber im Tagesverlauf reguliert. 

Die Forschenden fanden im Mausmodell heraus, dass diese „innere Uhr“ nahezu vollständig abgeschaltet war. „Nachdem wir das als REV-ERBα bezeichnete Gen gezielt in der Leber der betroffenen Mäuse reaktiviert hatten, hat sich der Körperabbau deutlich abgeschwächt“, sagt Dr. Doris Kaltenecker, die gemeinsam mit Dr. Søren Fisker Schmidt Erstautorin der Studie ist und am Institut für Diabetes und Krebs bei Helmholtz Munich forscht.

Leber-Botenstoffe treiben Kachexie voran

Die Forschenden konnten zeigen, dass REV-ERBα die Aktivität mehrerer Gene steuert, die für die Produktion bestimmter Leber-Botenstoffe verantwortlich sind. Fällt das Zeitgeber-Gen aus, produziert die Leber vermehrt krankheitsfördernde Signalproteine. Drei dieser sogenannten Hepatokine (LBP, ITIH3 und IGFBP1) stehen im Zentrum des neu entdeckten Mechanismus. Sie lösen in Zellkulturen katabolische, also abbauende Prozesse in Muskel- und Fettzellen aus – genau jene Vorgänge, die zur körperlichen Auszehrung führen. Auch im Blut kachektischer Patient:innen mit verschiedenen Tumorarten war die Konzentration dieser Proteine stark erhöht. In präklinischen Modellen konnte ihre schädliche Wirkung durch gezielte Hemmung abgeschwächt werden.

Perspektiven für Diagnose und Therapie

„Wir konnten erstmals zeigen, dass die Leber nicht nur passiv auf Kachexie reagiert, sondern aktiv zum Fortschreiten der Krankheit beiträgt“, sagt Dr. Mauricio Berriel Diaz, der die Studie bei Helmholtz Munich leitete. „Unsere Erkenntnis eröffnet neue Möglichkeiten, um das Syndrom genauer zu diagnostizieren und therapeutisch anzugehen.“ Zudem liefert die Studie eine umfassende Datenbasis zur Rolle der Leber bei Kachexie – von molekularen Netzwerken über zelltypspezifische Veränderungen bis hin zu funktionellen Auswirkungen in präklinischen Modellen. Damit steht der Forschungsgemeinschaft erstmals ein Datensatz zur Verfügung, der über das untersuchte Modellsystem hinaus nutzbar ist.

Langfristig könnten die identifizierten Faktoren als Biomarker für das Kachexie-Risiko dienen – oder als Ansatzpunkt für neue Therapien. „Gerade weil es bislang keine zugelassene Behandlung gegen Kachexie gibt, braucht es solche neuen Ansätze“, betont Prof. Stephan Herzig, Leiter des Helmholtz Diabetes Centers und des Instituts für Diabetes und Krebs bei Helmholtz Munich sowie Professor an der Technischen Universität München. „Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, wie zentral systemische Wechselwirkungen zwischen Organen für den Verlauf von Krebserkrankungen sind.“

Über die Forschenden
Dr. Doris Kaltenecker, Wissenschaftlerin am Institut für Diabetes und Krebs (IDC) bei Helmholtz Munich, am Joint Heidelberg-IDC Translational Diabetes Program des Universitätsklinikums Heidelberg sowie am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD).
Dr. Mauricio Berriel Diaz, stellv. Leiter des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) bei Helmholtz Munich, Wissenschaftler am Joint Heidelberg-IDC Translational Diabetes Program des Universitätsklinikums Heidelberg sowie am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD).
Prof. Stephan Herzig, Leiter des Helmholtz Diabetes Centers und des Instituts für Diabetes und Krebs bei Helmholtz Munich, sowie Inhaber des Lehrstuhls für Molecular Metabolic Control an der Technischen Universität München (TUM). Er ist Wissenschaftler am Joint Heidelberg-IDC Translational Diabetes Program des Universitätsklinikums Heidelberg sowie am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD).

Über Helmholtz Munich
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren sich auf umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt rund 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-munich.de

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Dr. Mauricio Berriel Diaz
mauricio.berrieldiaz@helmholtz-munich.de

Originalpublikation:
Kaltenecker et al., 2025: Functional liver genomics identifies hepatokines promoting wasting in cancer cachexia. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2025.06.039
https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.06.039
http://cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(25)00741-X

Die Sepsis und die Haut

Sepsis, früher auch oft als „Blutvergiftung“ bezeichnet, zählt zu den gefährlichsten medizinischen Notfällen überhaupt. 

Die Erkrankung ist die Folge einer fehlgeleiteten Immunreaktion auf eine Infektion, die rasch zu Organversagen und Tod führen kann. Jede Stunde zählt – doch gerade die frühzeitige Erkennung gestaltet sich in der klinischen Praxis schwierig. Eine neue Studie aus Heidelberg stellt nun einen innovativen Ansatz vor: Künstliche Intelligenz und hyperspektrale Bildgebung der Haut ermöglichen eine sofortige und nicht-invasive Sepsis-Diagnose direkt am Krankenbett.

Forschende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) berichten in ihrer aktuellen Publikation von einem neuen Ansatz, eine Sepsis mit hoher Genauigkeit zu erkennen. Sepsis ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und eine der schwerwiegendsten Komplikationen bei onkologischen OPs. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich mithilfe der hyperspektralen Bildgebung und KI-gestützter Analysen eine Sepsis schnell und sogar ohne Blutabnahme diagnostizieren lässt“, erklärt Lena Maier-Hein, Abteilungsleiterin am DKFZ und Direktorin am NCT Heidelberg, die die Studie gemeinsam mit zwei Kollegen vom UKHD leitete.

Unter hyperspektraler Bildgebung verstehen Experten eine Kameratechnik, die verschiedene Bereiche des elektromagnetischen Spektrums auch jenseits der sichtbaren Wellenlängen abbildet und dadurch Unsichtbares sichtbar machen kann.

Haut als Spiegel der Mikrozirkulation

„Ein kritischer Aspekt der Sepsisbehandlung ist die frühzeitige und genaue Diagnose, bevor anhaltende Organfunktionsstörungen auftreten“, erklärt Markus A. Weigand, Direktor der Klinik für Anästhesiologie des UKHD und Generalsekretär der Deutschen Sepsis Gesellschaft, der die Studie gemeinsam mit Lena Maier-Hein und seinem Kollegen Maximilian Dietrich leitete. 

Diese Herausforderung wird durch die unspezifischen Anzeichen und Symptome des Sepsis-Syndroms erschwert, da zuverlässige Biomarker, die eine Sepsis eindeutig anzeigen, bislang fehlen.

„Die Durchblutung kleinster Blutgefäße – die sogenannte Mikrozirkulation – verändert sich bereits in einem sehr frühen Stadium einer Sepsis. Gleichzeitig führt die Entzündungsreaktion im Körper dazu, dass die Wände der Blutgefäße durchlässiger werden, sodass Flüssigkeit ins umliegende Gewebe austritt. Diese Prozesse lassen sich mit der entwickelten Technologie innerhalb weniger Sekunden sichtbar machen. Da sie ähnlich wie eine Fotoaufnahme funktioniert, bedeutet sie keine Belastung für die Patientinnen und Patienten“, so Maximilian Dietrich, Intensivmediziner der Klinik für Anästhesiologie des UKHD.

Die Forschenden setzten in der Studie ein speziell entwickeltes KI-basiertes Kamerasystem ein, das die Lichtreflexion der Haut an Handflächen und Fingern erfasst. Das reflektierte Licht lässt sich zur Beurteilung der Mikrozirkulation nutzen, da es sensitiv auf Änderungen in der Konzentration von Wasser, Blut und Sauerstoff reagiert. So lassen sich die hochdimensionalen – nicht von Menschen interpretierbaren – Messdaten mittels neuronaler Netze in klinisch relevante Information überführen.

Besser als etablierte Scores und Biomarker

In einer prospektiven Studie auf der interdisziplinären operativen Intensivstation des Universitätsklinikums Heidelberg wurden bei über 480 kritisch kranken Patientinnen und Patienten hyperspektrale Bilder der Handflächen und Finger aufgenommen. Eine darauf trainierte KI konnte Sepsis anhand dieser Daten mit hoher Genauigkeit identifizieren: Die Vorhersagegüte* lag bei 0,80. Wurden zusätzlich einfach verfügbare klinische Daten wie Vitalparameter in die Analyse einbezogen, stieg der Wert auf 0,94. Auch die Vorhersage der 30-Tage-Sterblichkeit gelang mit hoher Genauigkeit.

„Im Vergleich zu klassischen klinischen Bewertungsinstrumenten, die auf Parametern wie mentalem Status, Atmungsfrequenz und Blutdruck beruhen (z. B. qSOFA), oder auf Entzündungs-Biomarkern wie C-reaktivem Protein und Procalcitonin, bietet das neue Verfahren Vorteile. Besonders in zeitkritischen Situationen oder bei hohem Patientenaufkommen können KI-gestützte Tools ein schnelles und zuverlässiges Sepsis-Screening ermöglichen“, erklärt Silvia Seidlitz, Wissenschaftlerin am DKFZ und Erstautorin der Veröffentlichung.

Breites Anwendungspotenzial – auch außerhalb der Intensivstation

Die Arbeit belegt erstmals, dass eine schnelle, objektive und nicht-invasive Sepsis-Erkennung mittels KI und hyperspektraler Hautbildgebung im klinischen Alltag möglich ist.

Ziel ist es, die Technologie für den Routineeinsatz nutzbar zu machen – etwa in Notaufnahmen, im Rettungsdienst oder zur Früherkennung von Komplikationen nach größeren chirurgischen Eingriffen. Die eingesetzte Technik ist mobil, ressourcenschonend, kosteneffizient und erfordert keine invasiven Maßnahmen.

Die Forschenden sehen großes Potenzial, mit KI-Anwendungen die weiterhin hohe Sterblichkeit der Sepsis, einer der weltweit führenden Todesursachen, zu reduzieren. Die Ergebnisse sollen nun in weiterführenden Studien zur klinischen Wirksamkeit überprüft werden – insbesondere auch im Zusammenhang mit daraus folgenden Therapieentscheidungen sowie bei weiteren Patientengruppen wie Kindern.

Die Arbeit wurde größtenteils durch Mittel des ERC Consolidator Grants NEURAL SPICING, des Projekts Hidss4Health sowie durch den Andreas-Hoeft-Grant der European Society of Anaesthesiology and Intensive Care (ESAIC) finanziert.

* Vorhersagegüte gemessen an der Fläche unter der Receiver-Operating-Characteristic-Kurve (AUROC): Der Wert 0,80 bedeutet, dass die Methode mit 80% Wahrscheinlichkeit beim Vergleich einer septischen und einer nicht-septischen Hand das Bild der septischen Hand identifizieren kann.

Publikation:
Silvia Seidlitz, Katharina Hölzl, Ayca von Garrel, Jan Sellner, Stephan Katzenschlager, Tobias Hölle, Dania Fischer, Maik von der Forst, Felix C. F. Schmitt, Alexander Studier-Fischer, Markus A. Weigand, Lena Maier-Hein*, Maximilian Dietrich*: AI-powered skin spectral imaging enables instant sepsis diagnosis and outcome prediction in critically ill patients
*geteilte Letztautorschaft
Science Advances 2025, DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adw1968

Die Krankenhausversorgung für chronisch Schmerzerkrankte in Deutschland

BARMER, Techniker Krankenkasse und Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. verbessern die Krankenhausversorgung für chronisch Schmerzerkrankte in Deutschland

... Das mit der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. entwickelte Konzept für Qualitätsverträge zur interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) kann ab sofort bundesweit in einem Netz von elf Krankenhäusern genutzt werden... Langfristig sind bis zu 20 Standorte geplant. Die IMST umfasst umfangreichere Leistungen sowie einen intensiveren Austausch der beteiligten Fachdisziplinen der Rheuma-, Physio- und Psychotherapie. Sie erfolgt tagesklinisch oder vollstationär über sieben bis 28 Tage..


Berlin, 21.7.2025 Mit einer umfangreicheren und zielgerichteten Therapie wollen BARMER und Techniker Krankenkasse chronisch Schmerzerkrankten eine bessere Behandlung ermöglichen. Das mit der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. entwickelte Konzept für Qualitätsverträge zur interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) kann ab sofort bundesweit in einem Netz von elf Krankenhäusern genutzt werden. Langfristig sind bis zu 20 Standorte geplant. Die IMST umfasst umfangreichere Leistungen sowie einen intensiveren Austausch der beteiligten Fachdisziplinen der Rheuma-, Physio- und Psychotherapie. Sie erfolgt tagesklinisch oder vollstationär über sieben bis 28 Tage. BARMER und Techniker Krankenkasse haben gemeinsam mehr als 20 Millionen Versicherte.

Prof. Dr. Frank Petzke, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.: „In Deutschland leiden Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Für viele von ihnen bedeutet das eine jahrelange Odyssee ohne adäquate Behandlung.“ Das neue Konzept soll das nun ändern. „Mit der Ausgestaltung der neuen Qualitätsverträge setzen wir einen weiteren Meilenstein in der multimodalen stationären Schmerztherapie. Die Leitplanken der Qualitätssicherung werden zudem patientenorientiert ausgebaut“, so Petzke.

„Die zusätzlich zur Regelversorgung vereinbarten Leistungen tragen dazu bei, die medizinische Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten gezielt zu stärken. Davon können beispielsweise Menschen profitieren, die an chronischen Schmerzen leiden. Durch die erfolgreiche Behandlung können sie deutlich an Lebensqualität gewinnen und im Idealfall weiterhin ihren Beruf ausüben“, so Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse Thomas Ballast: „Die Schmerzpatientinnen und -patienten benötigen eine umfangreiche Diagnostik und Therapie. Mit dem neuen Vertrag können die beteiligten Kliniken unsere Versicherten intensiver behandeln. Dadurch sollen mehr Patientinnen und Patienten die Therapieziele erreichen. Vor allem sollen die Betroffenen körperliche Schwächen abbauen und Bewegungsängste verringern oder beseitigen.“

Die von der BARMER und Techniker Krankenkasse gemeinsam mit der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. entwickelten Qualitätsverträge sind bisher einmalig in Deutschland. Der Beitritt zu den vorliegenden Verträgen ist auch anderen gesetzlichen Krankenkassen möglich.

Derzeit vertraglich vereinbarte Standorte für die IMST sind:
• Universitätsklinikum Freiburg
• Asklepios Klinik St. Georg (Hamburg)
• Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (Berlin)
• Universitätsmedizin Göttingen
• OsteMed Klinik Bremervörde
• Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Standort Lübeck
• St. Vincenz Hospital Brakel (NRW)
• Universitätsklinikum Jena
• Universitätsklinikum Würzburg
• RHÖN Klinikum Frankfurt (Oder)
• St. Josef-Stift Sendenhorst

Im Vergleich zu den bisherigen Standardanforderungen einer stationären multimodalen Schmerztherapie (gemäß OPS 8-918 bzw. 8-91c), beinhalten die neuen Qualitätsverträge folgende zusätzliche Qualitätsmerkmale:

• Weitere Einzeltermine in der Bewegungstherapie
• Integration der Bewegungstherapie in die Teambesprechungen
• Abschlussgespräch mit der Patientin oder dem Patienten unter Einbeziehung aller beteiligten Berufsgruppen
• Erstellung eines verbesserten Abschlussberichtes für die Patientin oder den Patienten unter Einbezug aller beteiligten Berufsgruppen
• Teilnahme der Klinik am Schmerzregister der Deutschen Schmerzgesellschaft und somit verpflichtende Nutzung der Kerndokumentation und Qualitätssicherung in der spezialisierten Schmerzmedizin (KEDOQ-Schmerz: Schmerzregister der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.)

Rechtsgrundlage der neuen Qualitätsverträge ist § 110a SGB V in Verbindung mit den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 26. Juli 2022, in denen dieser erstmalig die multimodale Schmerztherapie im Auftrag des Gesetzgebers als neuen Leistungsbereich für das Instrument der Qualitätsverträge aufgenommen hat.

Etwa 23 Millionen Menschen (28 Prozent) berichten in Deutschland über chronische Schmerzen. Bei 95 Prozent der Betroffenen sind die chronischen Schmerzen nicht durch Tumorerkrankungen hervorgerufen. Sechs Millionen Menschen erfüllen die Kriterien eines chronischen, nicht tumorbedingten, beeinträchtigenden Schmerzes. 2,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen mit starker Beeinträchtigung und assoziierten psychischen Beeinträchtigungen (Schmerzkrankheit).

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. ist mit rund 3.700 persönlichen Mitgliedern die größte wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft im Bereich Schmerz in Europa.

Diagnose und Vorhersage von schweren Nierenentzündungen

MHH-Forschende suchen im Projekt stopBKV nach Biomarkern für Diagnose und Vorhersage von schweren Nierenentzündungen und entwickeln T-Zell-Therapie für geschwächtes Immunsystem.


Wenn die Nieren nicht mehr funktionieren, ist eine Transplantation die bevorzugte Behandlung. Sie bietet Schwerkranken im Vergleich zur Dialyse höhere Überlebenschancen und eine bessere Lebensqualität. Allerdings steht weniger als einem Drittel der Betroffenen mit Nierenerkrankungen im Endstadium ein funktionierendes Spenderorgan zur Verfügung. Das liegt auch an der begrenzten Lebensdauer der Transplantate, etwa aufgrund akuter oder chronischer Abstoßungsreaktionen. Diese lassen sich zwar mit Hilfe von Medikamenten in Schach halten, die das Immunsystem unterdrücken. Aber die Immunsuppressiva haben schädliche Nebenwirkungen etwa auf die Niere und erhöhen auch die Infektanfälligkeit. Weil die gesamte Immunabwehr geschwächt ist, können so auch Krankheitserreger aus vergangenen Infektionen, die seit langem im Körper schlummern, wieder aktiviert werden.

Dazu gehört das BK-Virus (BKV), welches die meisten Menschen in sich tragen und das zu einer Entzündung der Niere führen kann. Eine solche BKV-Nephropathie betrifft bis zu zehn Prozent der Nierentransplantate und kann das Organ so stark schädigen, dass es nicht mehr funktioniert. Derzeit gibt es keine wirksamen Biomarker, um das Risiko für eine Nierenentzündung festzustellen und diese zu überwachen. Die Behandlungen konzentrieren sich hauptsächlich darauf, die Immunsuppression anzupassen – eine Gratwanderung zwischen drohender Abstoßung des Transplantats und seiner Zerstörung durch die BKV-Infektion. Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) will nun Vorhersagemodelle für das individuelle Risiko einer BKV-Nephropathie entwickeln, Biomarker für bessere Diagnostik und Überwachung der Infektion finden und mit neuen zellulären Therapien das Virus direkt bekämpfen. Das Projekt „stopBKV“ wird im Rahmen des Förderprogramms zum Ausbau der personalisierten Medizin vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung über vier Jahre mit rund einer Million Euro unterstützt.

Biomarker im Urin messen

Das Forschungsteam nutzt dafür molekulare Techniken in Kombination mit neuesten Ansätzen der Bioinformatik und Datenwissenschaft. Grundlage ist das einzigartige Nierenregister der MHH, das klinische Daten, Nierengewebe-, Blut- und Urinproben von mehr als 1800 Patientinnen und Patienten bereitstellt, die an der MHH eine Nierentransplantation erhielten. „Weil zwar fast alle Transplantierten das BK-Virus im Körper haben, aber nur ein Teil von ihnen eine schwere Niereninfektion entwickelt, suchen wir zunächst nach Biomarkern für die verschiedenen Krankheitsverläufe“, sagt Professor Dr. Wilfried Gwinner, der das Register an der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen aufgebaut hat. Im zweiten Schritt machen sich die Forschenden auf die Suche nach Gewebe-Biomarkern, die speziell von BK-Viren verursachte Transplantatschädigung erkennen und von anderen Schädigungsursachen wie etwa einer Abstoßungsreaktion unterscheiden. „Wir konzentrieren uns dabei auf Biomarker, die wir ganz einfach im Urin messen können“, erklärt Professor Dr. Christian Hinze. Mit Hilfe von Spatial Transcriptomics, die Einzelzell-RNA-Sequenzierung mit bioinformatischer Geweberekonstruktion kombiniert, lässt sich wie in einem Puzzle feststellen, an welcher Stelle in der Niere die gemessene Schädigung auftritt. „So ersparen wir den Patientinnen und Patienten belastende Gewebeentnahmen, die eine BK-Virusinfektion in einem Teil der Fälle nicht einmal sicher entdecken können“, sagt der Oberarzt.

Zelluläre Immunität übertragen

Außerdem will das Forschungsteam herausfinden, welche Transplantatempfänger in der Lage sind, trotz ihres heruntergefahrenen Immunsystems die BK-Viren selbst zu beseitigen und welche nicht. Dabei richten Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering und Professorin Dr. Britta Maecker-Kolhoff aus der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie den Blick auf die BKV-spezifischen T-Zellen. Das sind Immunzellen, die das Virus gezielt erkennen und beseitigen. „Patientinnen und Patienten mit schwachen T-Zell-Reaktionen und einer beträchtlichen BKV-bedingten Nierenschädigung könnte eine sogenannte adoptive T-Zelltherapie eine neue Behandlungsmöglichkeit bieten“, stellt Oberärztin Professorin Maecker-Kolhoff fest. Bei diesem Verfahren werden lebende Immunzellen von Gesunden isoliert und dann dem Patienten mit Hilfe einer Transfusion verabreicht. T-Zellen sind vielversprechende Kandidaten, da sie die krankmachenden Antigene passgenau erkennen und ihre Zielzellen töten können. Auf diese Weise soll eine spezifische zelluläre Immunität von gesunden Menschen auf Kranke übertragen werden.

T-Zell-Therapie bereits erfolgreich angewendet

Das Verfahren haben die beiden Wissenschaftlerinnen bereits erfolgreich bei schweren Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus angewendet. Die Immunzellen stammen aus dem deutschlandweit einmaligen T-Zell-Spenderregister alloCELL der MHH. Dies besteht seit 2013 und führt inzwischen mehr als 4.500 potenzielle Spenderinnen und Spender. „Dank unserer Erfahrung sind wir in der Lage, die T-Zellen innerhalb weniger Tage herzustellen“, sagt Professorin Eiz-Vesper. Das gelingt so zügig, weil im alloCELL-Register nicht nur die für die Wirksamkeit und Verträglichkeit wichtigen HLA-Gewebemerkmale der Blutzellen gespeichert sind, sondern gleichzeitig auch die Anzahl spezifischer T-Gedächtniszellen gegen die unterschiedlichen Viren. „So können wir für eine Zelltherapie sehr schnell wirksame und verträgliche T-Zellen von Spendern verwenden, auch wenn sie mit den potenziellen Empfängern nicht verwandt sind.“

Personalisierte Diagnose und Behandlung

Das Forschungsteam will nun untersuchen, welche viralen Antigene und welche HLA-Marker ausgewählt werden müssen, um eine wissenschaftlich nachgewiesene, optimale Spenderauswahl für die personalisierte T-Zell-Therapie von Nierentransplantierten mit schwacher BK-Virusabwehr zu ermöglichen. Gesamtziel des Projektes ist es, ein genau auf die jeweiligen Patientinnen und Patienten zugeschnittenes klinisches Diagnose- und Behandlungsschema zu entwickeln. „Dieser Ansatz der personalisierten Medizin soll für die klinische Praxis geeignet sein und kann dann in einer zukünftigen klinischen Studie getestet werden“, sagt Professor Hinze.

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Professor Dr. Christian Hinze, 

hinze.christian@mh-hannover.de.

Schwer behandelbare Form der Herzschwäche

Forschende des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) identifizierten ein Schlüsselmolekül für eine bislang schwer behandelbare Form der Herzschwäche.

Herzschwäche trotz normaler Pumpleistung – die sogenannte Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) – betrifft immer mehr Menschen, insbesondere wenn Adipositas oder Bluthochdruck vorliegen. 

Doch während es für andere Formen der Herzschwäche bewährte Therapien gibt, fehlen bei HFpEF bislang gezielte Behandlungsansätze.

Ein Forscherteam um Prof. Johannes Backs am Universitätsklinikum Heidelberg und der Medizinischen Fakultät Heidelberg hat nun einen entscheidenden Mechanismus identifiziert, der zur Entstehung von HFpEF beiträgt: 

Das Enzym NNT (Nicotinamid-Nukleotid-Transhydrogenase), es sitzt in den Mitochondrien – den „Kraftwerken“ unserer Zellen. Dort reguliert es das Gleichgewicht zwischen Energieproduktion und Schutz vor schädlichem Stress durch ein Übermaß an freien Radikalen.

Erstautor Dr. Mark Pepin vom Institut für Experimentelle Kardiologie am Universitätsklinikum Heidelberg sagt: „Unsere Studie ist die erste, die zeigt, dass kardiometabolische HFpEF nicht nur eine Folge von Systemerkrankungen wie Übergewicht und Bluthochdruck ist, sondern dass es auch Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt gibt.“

Zentrale Rolle bei krankhaftem Umbau

In einem Tiermodell konnten die Forschenden zeigen, dass Mäuse ohne funktionierendes NNT deutlich besser vor der Entwicklung von HFpEF geschützt sind – obwohl sie wie ihre Artgenossen Übergewicht, Bluthochdruck und Glukoseintoleranz entwickelten. Die Studie weist damit erstmals nach, dass NNT eine zentrale Rolle bei der krankhaften Umgestaltung des Herzmuskels spielt.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht allein die Stoffwechselkrankheiten entscheidend sind – sondern wie das Herz auf den daraus entstehenden Stress reagiert“, so Pepin. Besonders auffällig war dabei die Rolle des Wachstumshormons FGF1, das durch NNT aktiviert wird und mit einer Versteifung des Herzmuskels assoziiert ist.

Neue Perspektiven für eine bislang therapieresistente Krankheit

Die Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung gezielter Therapien gegen HFpEF – etwa durch die Hemmung von NNT. „Das ist ein vielversprechender Ansatz, um eine der häufigsten und am schwersten behandelbaren Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zukunft besser zu verstehen und zu therapieren“, so Backs.

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Prof. Dr. Johannes Backs, Institut für Experimentelle Kardiologie, Universitätsklinikum Heidelberg und Medizinische Fakultät Heidelberg, johannes.backs@cardioscience.uni-heidelberg.de

Originalpublikation:
Pepin ME, Konrad PJM, Nazir S, et al. Mitochondrial NNT Promotes Diastolic Dysfunction in Cardiometabolic HFpEF. Circulation Research, Mai 2025, https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.125.326154

Die Pflege - MaAB Reflexionen

Was bedeutet Pflege für mich?
Was sind meine täglichen Beobachtungen?

Selbstreflexion durchgeführt. 

Pflege braucht Perspektive Menschlichkeit, Verantwortung und gute Bedingungen für alle Pflegeberufe

Pflege ist mehr als ein Beruf. Sie ist Beziehungsarbeit, Verantwortung und eine tägliche Auseinandersetzung mit Leben, Krankheit, Schmerz und Sterben. Wer sich für die Pflege entscheidet, sei es in der Ausbildung oder nach Jahren im Beruf tut das meist aus Überzeugung und mit dem Wunsch, einen sinnvollen Beitrag für andere Menschen zu leisten. Doch dieser Idealismus gerät zunehmend unter Druck. 
Die Realität sieht oft anders aus: chronische Überlastung, fehlende Anerkennung, unklare Verantwortungsstrukturen und Ausbildungsbedingungen, die viele entmutigen, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben.

Bedürfnisse und Nöte im Pflegeberuf

Pflegende wünschen sich vor allem eines: 

Zeit für gute Pflege. Zeit, um zuzuhören. Um Schmerzen zu lindern, Angehörige einzubeziehen, Autonomie zu ermöglichen und Entscheidungen auf Augenhöhe zu treffen. Stattdessen dominiert vielerorts der Druck: Dokumentation im Akkord, Dienstpläne am Limit, Personalmangel auf allen Ebenen. Wer sich engagiert, wird schnell zur „Lückenbüßerin“, die einspringt, Aufgaben übernimmt, die eigentlich nicht zu bewältigen sind oft unter der ständigen Angst vor Fehlern oder Überlastung.

Pflege bedeutet Verantwortung. Aber sie darf nicht zur permanenten Überforderung werden.

Pflegeausbildung: Anspruch trifft auf Überforderung

Die generalistische Pflegeausbildung wurde eingeführt, um den Beruf attraktiver, vielfältiger und anschlussfähiger zu machen. Im Kern ist das richtig: Pflege braucht ein breites Fachwissen, braucht interdisziplinäres Denken und die Fähigkeit, in unterschiedlichsten Settings professionell zu agieren. Doch die Umsetzung wirft erhebliche Probleme auf:
Viele Auszubildende fühlen sich überfordert und unzureichend begleitet, insbesondere bei wechselnden Einsätzen in den verschiedenen Versorgungsbereichen.
Es fehlt an Praxisanleitung, an Zeit zur Reflexion und an pädagogisch geschultem Personal.
Besonders belastend sind häufige Sprünge zwischen Einrichtungen, mangelnde Struktur und die ständige Umstellung auf neue Teams und Arbeitsbedingungen.
Die Abbrecherquote bleibt hoch, nicht selten aus Frust, Angst oder schlicht Erschöpfung.

Diese jungen Menschen wollen lernen, Verantwortung übernehmen und wachsen – aber sie brauchen dafür Rahmenbedingungen, die Entwicklung ermöglichen statt sie zu behindern.

Pflegefachassistenz: Mitdenken statt abgrenzen

Die Einführung der Pflegefachassistenz ist ein sinnvoller Baustein zur Entlastung und Differenzierung in der Pflege. Doch ihre Integration gelingt nur, wenn Rollen und Zuständigkeiten klar definiert und wertschätzend kommuniziert werden. Es darf nicht zu Abwertung oder Hierarchisierung kommen, sondern zu echter Teamarbeit auf Augenhöhe. Pflegefachassistenz kann dann eine wichtige Brücke sein – für Menschen, die in die Pflege einsteigen, sich entwickeln wollen und Verantwortung übernehmen möchten, ohne direkt eine dreijährige Ausbildung zu absolvieren.

Doch auch hier braucht es:

verlässliche Anleitung,
klare Delegationsregeln,
und berufliche
Anschlussmöglichkeiten auch im Sinne der Durchlässigkeit im System.

Verantwortung braucht Struktur – nicht nur guten Willen

Pflegende übernehmen täglich Verantwortung für Menschen in Krisen, für komplexe Situationen, für Sicherheit und Würde. Dieses Verantwortungsbewusstsein ist eine große Stärke des Berufs – aber es darf nicht zur Last werden, wenn die Strukturen fehlen, die es tragen.

Was die Pflege heute braucht, ist nicht nur ein Appell an Berufsethos oder Resilienz, sondern politische und gesellschaftliche Rückendeckung:
-verlässliche Personalschlüssel,
  -faire Ausbildungsbedingungen,
  -Integration statt Abgrenzung im    Berufsgefüge
-und ein klarer gesetzlicher Rahmen, der professionelle Pflege stärkt und schützt.

Meine persönliche Haltung:

Ich bin Praxisanleiterin.
Ich bin für Euch da, weil ich an Euch glaube.
Ich sehe Eure Stärke, Eure Fragen, Eure Unsicherheiten – und Euren Willen, diesen Beruf mit Würde und Kompetenz auszuüben. Aber das System, in dem wir arbeiten, lässt mich oft hilflos zurück. Es verlangt von mir, Euch gut auszubilden – aber es gibt mir kaum Zeit, kaum Raum, kaum Unterstützung.
Ich stehe für Ausbildung – und gleichzeitig gegen ein System, das gute Ausbildung erschwert.
Nicht, weil ich es will, sondern weil ich muss.
Weil ich Verantwortung trage – für Euch, für unsere Zukunft in der Pflege.
Ich stelle mich gegen die Strukturen, weil ich an die Pflege glaube.
Weil ich will, dass Ihr bleibt. Und weil Ihr Besseres verdient.

Pflege ist ein Beruf mit Kopf, Herz und Haltung.
Was er braucht, sind Strukturen, die ihm gerecht werden.
Denn wer Pflege will, muss Bedingungen schaffen, in denen Pflege möglich ist menschlich, professionell und zukunftsfähig.

Erinnerung- 🫶🏽
#Idref

Ein Lied das mich seit Jahren trägt, geprägt hat.

Danke, an Ferdi Cebi!

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Prof.Dr. Bettina Heidecker

Neue W3-Professur für Bettina Heidecker am DHZC stärkt Forschung zu Herzinsuffizienz


PD Dr. med. Bettina Heidecker, Kardiologin an der DHZC-Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin, wurde jetzt auf eine neu eingerichtete W3-Professur für Kardiomyopathien berufen.

Damit würdigt die Charité – Universitätsmedizin Berlin die herausragende wissenschaftliche Leistung der international renommierten Kardiologin, die bereits seit vielen Jahren am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) tätig ist.

Fokus auf entzündliche Kardiomyopathien
Bettina Heideckers Berufung stärkt das Forschungsprofil des DHZC in einem klinisch und gesellschaftlich hochrelevanten Bereich: Im Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit stehen entzündliche und nicht-ischämische Kardiomyopathien, insbesondere die Myokarditis – eine häufig unterschätzte Erkrankung, die zur Herzinsuffizienz oder zum plötzlichen Herztod führen kann, gerade bei jungen Menschen.

Bettina Heidecker forscht an innovativen diagnostischen Verfahren wie der Magnetokardiographie (MKG), die eine schonende, schnelle und belastungsfreie Diagnostik ermöglichen könnte. Ergänzend untersucht sie zelluläre Signalstoffe wie Zytokine, um neue therapeutische Ansätze zu entwickeln.

Internationale Laufbahn und Auszeichnungen
Bettina Heidecker stammt aus Oberösterreich. Sie studierte in Innsbruck, forschte an der Johns Hopkins University in Baltimore und absolvierte ihre Facharztausbildung für Innere Medizin an der University of Miami, Miller School of Medicine. Ihre Ausbildung zur Fachärztin für Kardiologie schloss sie an der University of California in San Francisco ab.

Vor ihrem Wechsel an die Charité im Jahr 2018 leitete sie am Universitätsspital Zürich u.a. eine Spezialsprechstunde und Forschungsgruppe für Myokarditis. In diesem Bereich unterstützt sie im Board of Directors auch die Myocarditis Foundation, eine internationale Stiftung zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer rund um die Myokarditis.

Am DHZC hat sie seither maßgeblich die Versorgung und Forschung im Bereich Herzinsuffizienz und Kardiomyopathien mitgeprägt. Ihre Arbeiten wurden in weltweit führenden Fachzeitschriften wie dem European Heart Journal veröffentlicht und vielfach ausgezeichnet.

Ihre wissenschaftliche Laufbahn wurde erheblich durch die Teilnahme am BIH Advanced Clinician Scientist Programm unterstützt – eine Förderlinie des Berlin Institute of Health, die es ausgewählten klinisch tätigen Forscher:innen ermöglicht, eigene wissenschaftliche Projekte parallel zur Patientenversorgung gezielt voranzubringen.

Persönliches Engagement für Forschung und Nachwuchs
„Ich sehe meine neue Aufgabe als große Chance, gemeinsam mit meinen Kolleg:innen am DHZC die Forschung im Bereich der Kardiomyopathien weiter auszubauen – mit dem Ziel, Erkenntnisse möglichst rasch in die Versorgung unserer Patient:innen zu überführen“, sagt Prof. Heidecker. „Mein besonderer Dank gilt allen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben. Ich möchte insbesondere junge Wissenschaftlerinnen und Ärztinnen motivieren, ihre Leidenschaft für einen individuellen Bereich eines Fachgebietes zu entdecken und darin Expertise zu entwickeln – mit dem Ziel, Forschung mit spürbarem gesellschaftlichem Nutzen zu betreiben und vor allem auch die nächste Generation zu stärken, damit Wissen weitergegeben wird und kontinuierlich wachsen kann.“

Würdigung durch Klinikdirektor Prof. Landmesser
„Die Berufung von Frau Professor Heidecker würdigt nicht nur ihre exzellenten wissenschaftlichen Leistungen“, sagt Prof. Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin (CBF) und Stellvertretender Ärztlicher Direktor des DHZC. „Sie unterstreicht auch die zentrale Bedeutung der Herzinsuffizienzforschung für das DHZC – und die hohe Wertschätzung für Frau Heideckers Engagement in Klinik, Forschung und Nachwuchsförderung. Ich freue mich im Namen des gesamten Teams über diese verdiente Auszeichnung.“

Unterstützung durch die Stiftung DHZB
Die Stiftung Deutsches Herzzentrum Berlin (DHZB) beteiligt sich an der Ausstattung der Professur. „Professorin Heidecker trägt mit ihrem persönlichen Einsatz wesentlich zur Weiterentwicklung der klinischen Versorgung am DHZC bei”, sagt Prof. Dr. Hans Maier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung DHZB. „Zudem gehört sie zu den führenden Expert:innen in der Magnetokardiographie, einem innovativen Verfahren, das großes Potenzial für die Diagnostik und Verlaufskontrolle von Herzmuskelerkrankungen bietet.“

Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland

Neuer Forschungsbericht zeigt: Spezielle Unterstützungsprogramme verbessern Wohlbefinden, Selbstfürsorge und Alltagsstruktur

Trotz des anhaltenden Fachkräftemangels bleibt Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland ein drängendes soziales und auch gesundheitliches Problem: Rund ein Drittel aller Arbeitslosen ist seit mehr als einem Jahr ohne Beschäftigung (Stand Oktober 2024) – mit weitreichenden Folgen für die psychische Gesundheit der Betroffenen. Die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ist daher nicht nur ein Ziel der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, sondern auch ein zentrales Anliegen der Gesundheitsförderung. Hier setzt die „Initiative für nachhaltige Gesundheit im Erwerbsleben“ (INGE) an, die von der Gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Dienste (GGSD) seit 2020 umgesetzt wird. Ziel ist die gesundheitliche Stabilisierung und, wenn möglich, die Rückkehr ins Berufsleben. Die Teilnehmenden besuchen im Programm freiwillig an zwei bis fünf Tagen pro Woche Einzelcoachings, Gruppenseminare zu Gesundheit und beruflicher Orientierung sowie kreative oder handwerkliche Projektarbeiten.

Wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Bamberg

Begleitet und wissenschaftlich evaluiert wird das Programm von einem Team des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Gefördert durch die DAA-Stiftung Bildung und Beruf analysieren die Forscherinnen Prof. Dr. Astrid Schütz, Melissa Schütz und Dr. Iris Gauglitz die Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer Gesundheit – und untersuchen, wie Programme wie INGE dazu beitragen können, gesundheitliche Belastungen zu mindern und Perspektiven für die Teilnehmenden zu schaffen. Der nun vorliegende Forschungsbericht liefert nicht nur neue Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit, sondern zeigt auch die konkreten Auswirkungen des INGE-Projekts auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Teilnehmenden auf. Ergänzend wird auch das Schwesterprojekt „Gesundheitsfürsorge und Nachhaltigkeit in deinem Arbeitsleben“ (GUNDA) im Forschungsbericht betrachtet, das sich an kurzzeitarbeitslose Menschen richtet.

Positive Effekte auf psychische Gesundheit und Selbstfürsorge

Das Fazit ist positiv: INGE kann messbare Verbesserungen der psychischen Gesundheit und des psychosozialen Wohlbefindens bei langzeitarbeitslosen Menschen bewirken. „Unsere quantitative Evaluation zeigt eine signifikante Reduktion schwerer depressiver Symptome sowie insgesamt geringere Depressionssymptome bei den Teilnehmenden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Langzeitarbeitslosen, die nicht an INGE teilnahmen“, erläutert Astrid Schütz. Auch im Bereich der Selbstfürsorge stellten die Wissenschaftlerinnen positive Effekte fest: Sechs Monate nach Teilnahmebeginn berichteten die Teilnehmenden über eine deutlich höhere Selbstfürsorgekompetenz. In qualitativen Interviews hoben die Teilnehmenden zudem selbst hervor, wie sehr sie vom strukturierten Projektalltag, der intensiven individuellen Unterstützung sowie vom sozialen Austausch profitierten. „Viele berichteten von einer verbesserten Alltagsstruktur, einem gestärkten Selbstwert und einer stabilisierten psychischen Verfassung“, sagt Astrid Schütz.

In anderen Bereichen wie beruflicher Selbstwirksamkeit oder Stressverarbeitung zeigten sich hingegen keine statistisch signifikanten Veränderungen – was laut den Forschenden auch an der begrenzten Stichprobengröße liegen könnte. Frühere Studien zu vergleichbaren Programmen weisen jedoch ebenfalls auf nur moderate Effektgrößen hin. Dennoch: „Selbst kleine Fortschritte bedeuten für die Betroffenen oftmals einen erheblichen Zugewinn an Lebensqualität und Motivation“, betont Lena Wolf, Projektleitung INGE und GUNDA der GGSD.

GUNDA für ALG-I-Beziehende

Seit 2023 ergänzt das Projekt GUNDA unter Trägerschaft der GGSD das bestehende INGE-Angebot. GUNDA richtet sich an Menschen im ALG-I-Bezug. Es kombiniert Einzel- und Gruppenmaßnahmen an drei bis fünf Tagen pro Woche. Nach drei Monaten folgt ein vierwöchiges Praktikum, um den Übergang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Sowohl INGE als auch GUNDA werden über Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS) nach dem Sozialgesetzbuch finanziert. Die vollstände Evaluation zu GUNDA läuft aktuell noch. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass die Maßnahmen zur psychischen Stabilisierung, Alltagsstruktur und Selbstwirksamkeit der arbeitslosen Menschen beitragen können. Gleichzeitig wurden Verbesserungsbedarfe unter anderem bei der Projektkommunikation sowie der individuellen Betreuung deutlich.

Programme weiterentwickeln und für mehr Menschen öffnen

Die Forscherinnen der Universität Bamberg kommen zu dem Schluss, dass Programme wie INGE und GUNDA einen wichtigen Beitrag zur psychischen Stabilisierung und sozialen Teilhabe arbeitsloser Menschen leisten. Angesichts der positiven Effekte – vor allem in der Reduktion psychischer Belastungen und der Förderung von Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit – sprechen sie sich dafür aus, die Angebote langfristig abzusichern, weiterzuentwickeln und möglichst vielen Betroffenen zugänglich zu machen. „Wer langfristig arbeitslosen Menschen eine realistische Chance auf berufliche Teilhabe geben will, muss auch ihre psychosozialen Belastungen in den Blick nehmen“, sagt Dr. Till Werkmeister, Referatsleiter Bildungspolitik von der DAA-Stiftung. „Deshalb ist es wichtig, dass Unterstützungsangebote wie INGE und GUNDA weiterentwickelt und wissenschaftlich begleitet werden.“ Neben dem individuellen Nutzen für die Teilnehmenden können die Projekte auch gesellschaftlich und wirtschaftlich zur Entlastung des Sozial- und Gesundheitssystems beitragen.

Der vollständige Forschungsbericht ist zu finden unter:

https://ggsd.de/inge-forschungsbericht

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Prof. Dr. Astrid Schütz
Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik
Tel.: 0951/863-1870
astrid.schuetz@uni-bamberg.de

Lena Wolf
Projektleitung INGE und GUNDA der GGSD
Tel.: 0951/99398061
lena.wolf@ggsd.de

Dr. Till Werkmeister
Referatsleiter Bildungspolitik DAA-Stiftung
Tel.: 040/350 94 108
till.werkmeister@daa-stiftung.de

Pflegekräfte

Bei der jüngsten Mitgliederversammlung der RAL-Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e. V. (GAPA) in Berlin wurden ein neuer Vorstand und ein neuer Güteausschuss gewählt. 

Die GAPA fördert durch die Vergabe des Gütezeichens „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ eine faire Anwerbung und Vermittlung von internationalem Pflegepersonal aus dem Ausland.

Die Mitglieder der GAPA engagieren sich ehrenamtlich. Im Vorfeld der Mitgliederversammlung hatten sich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl gestellt - ein klares Zeichen für eine aktive Mitgliedschaft, der es ein Anliegen ist, das Gütezeichen durch ihr Engagement weiter voranzubringen.

Die beiden Gremien setzen sich künftig wie folgt zusammen

Vorstand Gütegemeinschaft:
Dr. Alexia Zurkuhlen (Kuratorium Deutsche Altershilfe Wilhelmine-Lübke-Stiftung e. V.), Vorsitzende der 
Ina Gean (BSB Deutschland GmbH), stellvertretende Vorsitzende 
Petra Lütkewitte (MEDWING), Schatzmeisterin 
Leon Bauer (Onea Care GmbH), Obmann des Güteausschusses 
 
Güteausschuss: 
Axel Lottermoser (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege ), Dr. René Herrmann (Vivantes Forum für Senioren), Dzenana Rovcanin (GoodCare Recruitment GmbH), Dr. Alexander Rhode (GLOBOGATE concept AG), Simon Jäger (RE-ALIS) und Urte Hildbrand (CWC Recruitment). 
 
Den bisherigen Gremienmitgliedern, Dr. Jenny Wortha (Klinikum Frankfurt / Oder), Matthias Geisler und Uta Rasche (TalentOrange GmbH), wurde nochmals besonderer Dank ausgesprochen.  

Die GAPA, deren Geschäftsstelle beim Kuratorium Deutsche Altershilfe eingerichtet ist, hat vor allem folgende Aufgaben:   

Umsetzung der Gütesicherung, Beratung zur Vorbereitung der Beantragung des Gütezeichens, Beauftragung von externen Prüfpersonen, Erteilung des RAL- Gütezeichens auf Grundlage der Prüfberichte
Schulung unabhängiger Prüfender 
Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Regelungsinhalte auf Grundlage der Umsetzungserfahrungen
Überwachung der Einhaltung des Satzungswerks durch die Gütezeichenbenutzer

Die Gütegemeinschaft besteht aus 74 Mitgliedern, neben privaten Personalvermittlern auch institutionelle Mitglieder wie das KDA, BGW, DKG - alle mit dem Ziel, die Anwerbung von Pflegekräften ethisch vertretbar und fair zu gestalten.

Das Gütezeichen "Faire Anwerbung Pflege Deutschland”, das die operative Umsetzung des staatlichen, gleichnamigen Gütesiegels des Gesundheitsministeriums darstellt, nutzen aktuell 61 Unternehmen und selbstanwerbende Einrichtungen.

MaAB-Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT

Ann-Christin Wedeking, Leitung Geschäftsstelle der Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e.V.: 

ann-christin.wedeking@kda.de

Originalpublikation:
https://kda.de/gapa-hat-einen-neuen-vorstand-und-gueteausschuss/
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.faire-anwerbung-pflege-deutschland.de/

Schwangerschaftsdiabetes

Etwa jede 7. Schwangere entwickelt hierzulande einen Schwangerschaftsdiabetes. 

Bisher wurde dieser zwischen 24 und 28 Schwangerschaftswochen (SSW) untersucht – oft zu spät, um Komplikationen zu vermeiden. Neuester Evidenz zufolge, sollte ein Screening für Schwangerschaftsdiabetes zwischen 11 und 13+6 Schwangerschaftswochen durchgeführt werden. 

Diese Empfehlungen sind im Amendment (Ergänzung) zur Leitlinie „AWMF S2e LL 085-002 Ersttrimester Diagnostik und Therapie @ 11-13+6 Schwangerschaftswochen“ festgehalten, das unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) verfasst wurde

„Der Gestationsdiabetes gehört zu den häufigsten Komplikationen während der Schwangerschaft. Er ist keine Spätkomplikation, sondern entsteht häufig bereits zu Beginn der Schwangerschaft“, erklärt Professor Dr. med. Constantin von Kaisenberg, Leitlinienbeauftragter der DEGUM und Hauptautor. „Mit modernen Screeningmethoden, die Risikofaktoren gezielt beleuchten, Ultraschall und dem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) in Risikogruppen kann eine Population identifiziert werden, die von einer frühen Intervention profitiert.“ Aus diesen Gründen sei das Amendment der Leitlinie notwendig geworden. Der Wechsel von 24-28 SSW auf 11-13+6 SSW stellt einen Paradigmenwechsel in der GDM Therapie dar.

Ultraschall ermöglicht individualisierte Vorsorge:::

Die Integration des Screenings auf GDM in das Ersttrimester Screening @ 11-13+6 SSW ermöglicht es, früh ein viertes Schwangerschaftsproblem – nämlich den GDM - zu identifizieren. „Patientinnen profitieren hier sehr von einer frühen Intervention. Gleichzeitig wird ein Screening auf Fehlbildungen, Chromosomenstörungen und auf eine Präklampsie / Wachstumsrestriktion durchgeführt“, erläutert der DEGUM-Experte. Eine frühzeitige Intervention gegen den Gestationsdiabetes mellitus bereits am Ende des ersten Trimenons impliziert eine Diät, die Anleitung zu körperlicher Aktivität, ein Glukoseselbstmonitoring sowie gegebenenfalls die Gabe von Insulin.
„In Hochrisikogruppen kann so die Häufigkeit eines extrem großen und schweren Neugeborenen - (Makrosomie) halbiert werden. Zudem können Atemprobleme, die Babys von Schwangeren mit GDM, durch eine gezielte Intervention um die Hälfte reduziert werden“, betont von Kaisenberg.
Im Fokus stehen insbesondere Schwangere mit Risikofaktoren wie Übergewicht, familiärer Diabetesbelastung oder vorangegangenen Geburtskomplikationen. Bei diesen Frauen empfiehlt die Leitlinie einen sogenannten oralen Glukosetoleranztest (oGTT) bereits zwischen 11-13+6 Schwangerschaftswochen. Dieser dient der Frühdiagnostik eines Gestationsdiabetes. Hierbei trinkt die Schwangere ein Glas mit 75g Zuckerlösung, es werden insgesamt drei Messungen aus dem Blut der Schwangeren durchgeführt. Damit soll herausgefunden werden, wie ihr Körper eine größere Menge an Zucker verarbeiten kann – ein entscheidender Indikator für einen Gestationsdiabetes.

Mehr Gesundheit für Mutter und Kind – weniger Komplikationen
„Früherkennung ist der Schlüssel zur Prävention“, betont von Kaisenberg. Studien zeigen: Wenn ein Gestationsdiabetes mellitus bereits vor 14 Schwangerschaftswochen erkannt und behandelt wird, sinkt das Risiko für Komplikationen wie für einen Kaiserschnitt, eine Frühgeburt, eine Schulterdystokie oder für das Atemnotsyndrom des Neugeborenen deutlich. Zudem reduziert sich das Risiko, dass Mutter oder Kind langfristig an einem Typ-2-Diabetes erkranken. Dies ist eine häufige Folge des Gestationsdiabetes.
Die DEGUM fordert daher, die Rolle des Ultraschalls in der Frühschwangerschaft weiter zu stärken. Zudem soll das Screening auf GDM verbindlich im Ersttrimester Screening @ 11-13+6 SSW verankert werden. „Ultraschall ist nicht nur sicher und schmerzfrei, sondern ein sehr aussagefähiges Instrument für die individuelle Betreuung werdender Mütter, wenn intelligent angewendet“, so von Kaisenberg. „Insbesondere im Zusammenspiel mit modernen Labormethoden sowie robusten Algorithmen ermöglicht er eine Pränatalmedizin auf höchstem Niveau – zum Wohle von Mutter und Kind.“


Weitere Informationen finden Sie unter


Aktualisierte Leitlinie

Risiko-Gene für lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Trainingskonzept für mehr Sicherheit: Deutsche Herzstiftung fördert Forschungsprojekt

Wer Risiko-Gene für lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen in sich trägt, soll trotzdem sicher Sport treiben und von den vielen positiven Effekten für die Gesundheit profitieren können. Darauf zielt ein neues Trainingskonzept ab, das Münchner Herzspezialisten derzeit mit Unterstützung der Deutschen Herzstiftung entwickeln.
Mehr Lebensqualität dank Sport: Die allermeisten Menschen mit Herzproblemen profitieren von regelmäßiger Bewegung. Doch wer an der Erbkrankheit ARVC leidet, der steckt in einem großen Dilemma: Denn falsches Training kann tödlich enden. „Im schlimmsten Fall kann es zu heftigen Herzrhythmusstörungen kommen, die zum plötzlichen Herztod führen können. Doch zugleich haben insbesondere viele junge ARVC-Patienten das Bedürfnis, sich sportlich zu betätigen. Sie möchten nicht darauf verzichten“, weiß Professor Dr. Martin Halle, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie im TUM Klinikum (Technische Universität München). Mit seinem Team aus Herzspezialisten und Sportwissenschaftlern arbeitet der Kardiologe derzeit an einem neuartigen Konzept, das Menschen mit dieser Erbkrankheit ein sicheres Training ermöglicht. Geplant sind konkrete Trainingsprogramme und eine APP, um die Belastung optimal dosieren zu können. Die Deutsche Herzstiftung fördert das Forschungsprojekt mit 100.000 Euro (Titel: „Evaluierung eines neuen Trainingskonzeptes auf Machbarkeit und Sicherheit bei Patienten mit Arrhythmogener (Rechtventrikulärer) Kardiomyopathie [ARVC/AVC]“).
„Mit ihrer Forschungsarbeit zu Trainingsformen für Patienten mit ARVC leisten Professor Halle und sein Team einen sehr wichtigen Beitrag sowohl zur Prävention des plötzlichen Herztods als auch zu einer besseren Lebensqualität der meist jungen Patienten mit ARVC“, erklärt der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, zur Förderung des Forschungsprojekts am TUM Klinikum.

Konkrete Handlungsempfehlungen gegen häufige Verunsicherung
Gerade junge Betroffene sind sehr häufig verunsichert. Sie fragen sich, ob sie sich im Alltag überhaupt belasten und Sport treiben können – und falls ja wie. „Für diese Patienten möchten wir konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Sie zielen darauf ab, ihnen die Unsicherheit zu nehmen, ihre Lebensqualität und psychisches Wohlbefinden zu verbessern und Begleiterkrankungen zu verhindern“, erläutert Herzstiftungs-Experte Halle.

Elektrische Turbulenzen im Herzen
ARVC ist eine Erbkrankheit, die in Deutschland etwa jeden 5000. Menschen betrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an die Kinder weitergegeben wird, beträgt unabhängig vom Geschlecht etwa 50 Prozent. Der wissenschaftliche Hintergrund: ARVC steht für arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. „Die Erkrankung resultiert aus Fehlbildungen der Wand der rechten Herzkammer. Dadurch verliert der Herzmuskel an seiner rechten Seite an Muskulatur, es lagert sich zunehmend Fettgewebe ein und es bilden sich Vernarbungen. Der Herzmuskel wird zunehmend geschwächt. Durch diesen chronischen Prozess kommt es zu elektrischen Turbulenzen im Herzen und Fehlfunktionen. Diese können im fortgeschrittenen Stadium lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen zur Folge haben“, erläutert Halle.
Bisherigen Forschungen zufolge geht die Erbkrankheit auf eine Störung der Zellverbindungen im Herzmuskel zurück. „Sie sind über bestimmte Brücken miteinander verbunden. Bei ARVC driften diese Brücken auseinander, die Verbindung der Zellen verliert sich“, erklärt Halle.
Weil sich die Erkrankung meistens in der Pubertät auspräge, stelle sie die jungen Menschen vor eine große Herausforderung, so der Kardiologe. „Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind oft stark verunsichert. Sie treiben Fragen um wie diese: Kann ich am Schulsport teilnehmen? Kann ich zum Wandern und Skifahren gehen? Kann ich im Fitnessstudio trainieren oder joggen?“ Hierzu halte sich in der Ärzteschaft noch immer hartnäckig die Meinung, ARVC-Patienten sollten sicherheitshalber lieber grundsätzlich auf Sport verzichten, berichtet Sportkardiologe Halle. Diese Empfehlung sei allerdings nicht zielführend, weil sie viele junge Menschen frustriere und ihrer Lebenswirklichkeit diametral entgegenstehe. Zudem stehe einem kontrollierten moderat-intensiven Training meistens nichts im Wege. Allerdings seien genaue Pläne mit konkreten Empfehlungen zwingend erforderlich.

Sportkardiologe Prof. Halle: „Die Art der Belastung macht den Unterschied“
Nach den Erkenntnissen der Münchner Kardiologen und Sportwissenschaftler kommt es bei ARVC-Patientinnen und -Patienten entscheidend auf die Art der körperlichen Belastung sowie auf das individuelle Risikoprofil an. Die aktuelle DGPK-Leitlinie (1) bleibt allgemein in ihrer Empfehlung (Krafttraining wird nicht explizit erwähnt) und unterscheidet zwischen „Genträgern ohne typische Befunde“ und solchen mit ausgeprägten Merkmalen der Herzmuskelerkrankung („phänotypische Ausprägung“). Für beide Gruppen gilt: Leistungssport und hochintensiver Freizeitsport sollten vermieden werden. Bei einer phänotypischen Ausprägung sind milde bis moderate körperliche Aktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen möglich – etwa wenn keine belastungsinduzierten Rhythmusstörungen, keine Synkopen oder kein Kreislaufstillstand vorliegen.
Prof. Halle und Kollegen postulieren, dass kurze Belastungen und Krafttraining wahrscheinlich eher unproblematisch sind. „Die Patienten sollten beispielsweise davon absehen, eine halbe Stunde zum Laufen zu gehen. Sie können aber durchaus mal eine Treppe hochsprinten, einen kurzen Power-Walk einlegen oder auch isometrische Übungen durchführen, beispielsweise Wandsitzen oder Hanteltraining. Mit dem von der Deutschen Herzstiftung unterstützten Forschungsprojekt wollen wir spezielle Trainingsprogramme entwickeln, die im Idealfall auch in eine APP integriert werden können.“

Literatur
(1) Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) (Hg.), Dubowy K.-O. et al., S2k-Leitlinie „Sport bei angeborenen Herzfehlern und erworbenen Herzerkrankungen“, 23.11.2022

Forschung zum plötzlichen Herztod (Früherkennung – Diagnose – Therapie)
Das Forschungsprojekt von Prof. Dr. Martin Halle am TUM Klinikum ist eines von insgesamt 11 wegweisenden Forschungsinitiativen im Bereich der Forschung zum Plötzlichen Herztod, für die die Deutsche Herzstiftung 2023 eine Fördersumme von einer Million Euro bereitgestellt hat. Nähere Infos unter: 

https://herzstiftung.de/forschung-herztod

Expertenform Kindersportkardiologie
Haben Ärztinnen und Ärzte Fragen im Bereich der Kindersportkardiologie bietet ihnen das Expertenforum Kindersportkardiologie der Herzstiftung eine Anlaufstelle bei spezifischen Fragen – auch zu Fragen bei Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) – unter: 

https://herzstiftung.de/expertenforum-kindersportkardiologie

Info-Service für Betroffene
Informationen für betroffene Familien, medizinische Fachkreise und Interessierte bietet die Deutsche Herzstiftung unter

https://herzstiftung.de/junge-herzen-retten

Herzstiftungs-Podcast über den plötzlichen Herztod bei jungen Menschen: Der Podcast „Herzstillstand bei Teenagern – Schicksal oder vermeidbar?“ mit der Molekularbiologin und Rechtsmedizinerin Prof. Dr. Silke Kauferstein (Universitätsklinikum Frankfurt am Main) vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung ist abrufbar unter

https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/herzstillstand-teenager

Dein Rezept für Deine GesundheitsAPP

Deutschland war 2020 das erste Land weltweit, das einen strukturierten Erstattungsweg für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt hat. Damit wurde ein neues Geschäftsmodell für Gesundheits-Apps geschaffen. Eine neue Studie des ZEW Mannheim untersucht erstmals die Auswirkungen dieses Vergütungsmodells auf den Gesamtmarkt für Gesundheits-Apps, also nicht nur auf die zugelassenen DiGAs selbst. Die Studie zeigt zwar einen deutlichen Anstieg in der Zahl deutschsprachiger Gesundheits-Apps, allerdings nicht bei qualitativ hochwertigen Apps, die als DiGA zugelassen werden könnten.

„Seit bekannt geworden ist, dass es die Abrechnung von Apps auf Rezept in Deutschland geben wird, zeigen die Daten im Vergleich zu anderen Märkten einen deutlichen Anstieg bei Anwendungen, die für den deutschsprachigen Markt verfügbar sind. Die anfängliche Begeisterung hat aber nicht zu einer höheren Diversität an Apps oder einer Zunahme an Anwendungen geführt, die weniger Daten sammeln. Der Anstieg wurde außerdem fast ausschließlich von Apps getrieben, die Patientendaten für Werbezwecke nutzen“, erklärt Sabrina Schubert, Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW und Ko-Autorin der Studie.

Zu hohe Einstiegshürden

„Auffällig ist auch, dass die Anzahl an Apps, zu denen es wissenschaftliche Publikationen gibt, kaum gestiegen ist. Genau das wäre aber das Qualitätssignal, das sicherstellt, dass Gesundheits-Apps auch tatsächlich einen Mehrwert bieten. Für viele App-Entwickler scheinen die Hürden für eine Erstattung durch die Krankenversicherung immer noch zu hoch zu sein, weswegen sie sich auf andere Geschäftsmodelle, wie die Nutzung von Daten zu Werbezwecken, fokussieren. Dadurch gibt es für die Versicherten weniger qualitativ hochwertige und datensparende digitale Gesundheitsangebote. Das System könnte von niedrigeren Einstiegshürden – bei ebenfalls niedrigerer Vergütung – profitieren“, ergänzt Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW und Ko-Autor der Studie.

Über Gesundheits-Apps und die Studie

Ärztinnen und Ärzte können DiGAs verschreiben, wenn die Gesundheits-Apps nach erfolgreicher Prüfung zugelassen wurden. Für App-Entwickler ist eine solche Verschreibung finanziell attraktiv: im ersten Jahr nach der Zulassung erhalten sie im Durchschnitt 135 Euro pro Verschreibung pro Monat.

Die ZEW-Studie untersucht mithilfe von Daten zu allen Gesundheits-Apps im Apple App Store, ob seit der Einführung der Möglichkeit, Applikationen vom Arzt verschreiben zu lassen, mehr digitale Anwendungen gezielt für den deutschsprachigen Markt entwickelt wurden.

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Sabrina Schubert
Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“
E-Mail: sabrina.schubert@zew.de

Prof. Dr. Simon Reif
Leiter der ZEW-Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“
E-Mail: simon.reif@zew.de

Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp25034.pdf

Die schnelle Schlaganfall Versorgung

Das Klinikum Nürnberg leitet in Kooperation mit dem Universitätsspital Basel eine europaweite Studie, um die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten zu verbessern. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „GET-FAST“ prüft, ob sich Patienten von einem schweren Schlaganfall besser erholen, wenn sie nach dem schnelleren „One-Stop“-Prinzip behandelt werden.

Inwiefern profitieren Patienten mit einem schweren Schlaganfall von einem innovativen Behandlungsablauf, bei dem die radiologische Bildgebung und die anschließende Therapie im selben Raum stattfinden? Diese

 Frage untersucht ab August 2025 die internationale Studie „One-Stop-Management für einen schnellen Behandlungsbeginn der endovaskulären Schlaganfalltherapie“ unter Leitung des Klinikums Nürnberg, der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) und des Universitätsspitals Basel.

Die Initiatoren der Studie sind Univ.-Prof. Dr. Jan Liman (Chefarzt Neurologie Klinikum Nürnberg), Prof. Marios Psychogios (Leiter Neuroradiologie Universitätsspital Basel) und Dr. Markus Holtmannspötter (Chefarzt Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie Klinikum Nürnberg). „Am Klinikum Nürnberg versorgen wir jährlich 2.000 Schlaganfälle in einer der größten Stroke Units Deutschlands. Mit unserer großen Erfahrung in der Schlaganfallforschung wollen wir die Versorgung weiter verbessern“, erklärt Prof. Liman. „Unser Ziel ist es, die Zeit bis zum Behandlungsbeginn zu minimieren, ohne die diagnostische Sicherheit zu gefährden“, ergänzt Dr. Holtmannspötter.

Durch weniger Schnittstellen Wege in der Klinik verkürzen

Zeit ist entscheidend bei der Schlaganfallbehandlung. Je früher sie beginnt, desto größer die Chance, dass sich das geschädigte Hirngewebe erholt und die Patienten keine Behinderungen zurückbehalten. Beim ischämischen Schlaganfall – der häufigsten Form, dem sogenannten Hirninfarkt – soll das Zeitfenster vom Eintreffen in der Notaufnahme bis zur mechanischen Thrombektomie (Blutgerinnselentfernung mit Kathetertechnik) nicht mehr als 60 Minuten betragen („Door to groin“-Zeit).

Das Problem: 

Für die Entscheidung zur Thrombektomie braucht es zunächst eine genaue Bildgebung des Gehirns per Computertomographie (CT). Damit lässt sich ein Gefäßverschluss bestimmen und eine Hirnblutung ausschließen, die etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle verursacht. Üblicherweise wird der Patient nach der CT-Untersuchung in eine Angiographieanlage gebracht, wo Neuroradiologen in einem zweiten Schritt das verstopfte Gefäß öffnen. Moderne Angiographieanlagen versprechen hier Zeitgewinn: Sie ermöglichen auch die CT-Diagnostik vor Ort – eine separate CT-Untersuchung mit Transport und Umlagern entfällt also.

Zielmarke: 400 Patienten aus drei Ländern

„Am Klinikum Nürnberg haben wir alle technischen Voraussetzungen für diesen beschleunigten Ablauf. Auch unsere internen Prozesse haben wir gemeinsam mit den Anästhesie-Kollegen schon neu organisiert“, betont Dr. Holtmannspötter. „Wir erwarten, die ,Door to groin’-Zeit um 20 bis 30 Minuten zu verkürzen. Das verbessert die Genesungsaussichten erheblich. Jede Verzögerung um 30 Minuten senkt die Wahrscheinlichkeit um zehn Prozent, dass der Patient nach dem Schlaganfall ohne Hilfe im Alltag zurechtkommen wird.“ Die Studie „GET-FAST“ erfasst den funktionellen Zustand der Teilnehmenden 90 Tage nach dem Schlaganfall.

Einzelstudien haben den positiven Effekt der Umorganisation bereits gezeigt, sagt Prof. Psychogios. Der wissenschaftliche Beleg durch große randomisierte Studien an mehreren Zentren steht jedoch noch aus. Wesentlicher Partner bei „GET-FAST“ ist das Universitätsspital Basel. Acht Kliniken und Universitätskliniken in Deutschland, der Schweiz und Finnland nehmen teil. Sie wollen rund 400 Patienten einbinden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Studie. Nach drei Jahren sollen Ergebnisse vorliegen.

„Sollte sich das ,One-Stop‘-Management als überlegen erweisen, könnten die Studienergebnisse zukünftige Behandlungsprotokolle europaweit beeinflussen“, resümieren die Studienleiter.

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Univ.-Prof. Dr. Jan Liman, E-Mail: neurologie@klinikum-nuernberg.de

Personen mit seltenen Krebsprädispositionssyndromen.

Ambulanz der MHH-Kinderklinik bietet wegweisende Versorgung für Personen mit seltenen Krebsprädispositionssyndromen.

Die genetische Veranlagung ist der bedeutsamste bekannte Risikofaktor für Krebs im Kindes- und Jugendalter, spielt aber auch bei Erwachsenen eine wichtige Rolle. Es wird geschätzt, dass etwa zehn Prozent der Krebspatientinnen und -patienten ein zugrundeliegendes Krebsprädispositionssyndrom (KPS) haben. In Deutschland sind etwa 500.000 Menschen davon betroffen. Die KPS-Ambulanz der MHH-Kinderklinik hat sich das Ziel gesetzt, die klinischen Versorgungspfade für Menschen mit seltenen KPS zu verbessern.

Individuelle Beratung, Früherkennung und Therapie bei Betroffenen maßgebend

Ein KPS ist eine genetische Erkrankung, die das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöht. Betroffene stehen gesundheitlichen Herausforderungen gegenüber, die eine individuelle medizinische Betreuung erfordern. Eine ausführliche Beratung, die Empfehlung und Durchführung von gezielten Früherkennungsuntersuchungen und eine Behandlung nach neuestem Kenntnisstand sind für die Betroffenen entscheidend. „Mit unserer KPS-Ambulanz wollen wir Menschen mit seltenen KPS eine bestmögliche Versorgung anbieten. Aktuell werden bei uns mehrere hundert Kinder, Jugendliche und Erwachsene betreut, wobei die betroffenen Personen aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen.

Wir erheben systematisch Daten, um unsere Empfehlungen kontinuierlich zu verbessern. Aktuelle Forschungserkenntnisse fließen direkt in die klinische Versorgung ein. Darüber hinaus erhalten Betroffene Zugang zu speziellen Früherkennungsuntersuchungen sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an verschiedenen wissenschaftlichen Studien“, erklärt Professor Dr. Christian Kratz, Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der MHH sowie Leiter der KPS-Ambulanz.

„Wir sind dankbar dafür, dass es die KPS-Ambulanz in Hannover gibt“, sagt Tanja Obermeier, stellvertretende Vorsitzende der internationalen Bloom Syndrom Association und zugleich Mutter eines Kindes mit Bloom Syndrom, einer extrem seltenen Erkrankung, die mit Kleinwuchs, Immunschwäche und einem hohen Risiko für eine Krebserkrankung in frühem Alter mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung einhergeht.

Ausreichende interdisziplinäre Versorgungsstrukturen fehlen

Während für Menschen mit erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs sowie familiärem Darmkrebs Versorgungspfade existieren, mangelt es derzeit an adäquaten interdisziplinären Versorgungsstrukturen für Personen mit seltenen KPS. Die KPS-Ambulanz der MHH, die eng mit dem Institut für Humangenetik und dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie zusammenarbeitet, setzt an dieser Stelle an und leistet einen wesentlichen Beitrag, um die klinischen Versorgungspfade für Menschen mit seltenen KPS zu verbessern. Dabei steht nicht nur die Versorgung der Patientinnen und Patienten an der MHH im Fokus. In der Ambulanz werden die Betroffenen in diverse Forschungsprojekte eingeschlossen, mit dem Ziel, das Wissen über KPS und die Versorgung zu verbessern. Eine flächendeckende Versorgung der Betroffenen würde den Aufbau eines deutschlandweiten Netzwerks vergleichbar ausgerichteter KPS-Ambulanzen erfordern.

„Bei den Betroffenen wird die Diagnose KPS manchmal erst nach dem Auftreten einer oder mehrerer Krebserkrankungen gestellt. Die zunehmende Anwendung genetischer Tests bei Krebspatientinnen und -patienten führt dazu, dass KPS häufiger diagnostiziert werden. Eine solche Diagnose ist aber nur sinnvoll, wenn die Betroffenen angemessen beraten werden und wenn die empfohlenen klinischen Konsequenzen in den Bereichen Krebsprävention, Überwachung und Therapie auch umgesetzt werden können,“ erklärt Dr. Valentina Härter, Ärztin in Weiterbildung in der KPS-Ambulanz und in der Kinderklinik der MHH.

MaAB-CAVE:

Ausbau spezialisierter KPS-Ambulanzen deutschlandweit erforderlich:::

Professor Kratz verweist darauf, dass es derzeit nur wenige medizinische Infrastrukturen gibt, die eine angemessene Versorgung von Personen mit einer KPS-Diagnose in Deutschland bieten. „Dieser Rückstand hat mehrere Gründe: Bei den meisten KPS handelt es sich um wenig bekannte seltene Erkrankungen. Zudem sind klinische Versorgungspfade für Personen, die ein erhöhtes Risiko für eine Krankheitsentität, wie zum Beispiel Krebs, aufweisen, aber derzeit gesund sind, nicht gut definiert. Bei einigen KPS ist oft das Fachwissen mehrerer Disziplinen erforderlich. Eine weitere Herausforderung ist, dass die empfohlenen Untersuchungen oft nicht kostendeckend vergütet werden. Hinzu kommt, dass mehrere Generationen einer Familie betroffen sein können, eine familienzentrierte klinische Betreuung jedoch selten existiert“, so Kratz.

Dr. Valentina Härter und das Team um Professor Kratz haben kürzlich ihre Erfahrungen mit den ersten 399 in der KPS-Ambulanz betreuten Patientinnen und Patienten in einem Beitrag in der Fachzeitschrift The Lancet Regional Health – Europe veröffentlicht. 

Das Team wird von der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Kinderkrebsstiftung, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Verein für krebskranke Kinder Hannover e.V. und der Gerdes Stiftung unterstützt. Weitere Informationen zu Krebsprädispositionssyndromen finden Sie auch unter

 https://www.krebs-praedisposition.de.


Weitere Informationen finden Sie unter

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Dr. Christian Kratz

Telefon 0511 532- 6712

Kratz.Christian@mh-hannover.de

Knochenaufbau und Knochenabbau

Osteoblasten sind spezialisierte Knochenzellen, die für den Aufbau und die Regeneration des Knochens zuständig sind. Forschende der Universität Leipzig haben in einer hochrangig publizierten Studie gezeigt, dass ein bestimmter Rezeptor für die Stärke der Knochenzellen verantwortlich ist und wie dieser gezielt aktiviert werden kann. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, perspektivisch neue Medikamente mit geringeren Nebenwirkungen zu entwickeln, um Knochen und Muskulatur bei alternden Patienten zu stärken. Die wissenschaftliche Arbeit aus der Grundlagenforschung ist nun im Nature-Journal „Signal Transduction and Targeted Therapy“ publiziert worden.

Der Bedarf an sicheren und langfristig wirksamen Medikamenten gegen Knochenschwund, in der Fachsprache Osteoporose, ist groß. In Deutschland sind etwa sechs Millionen Menschen, vor allem Frauen, von dieser Volkskrankheit betroffen. Die Entdeckung neuer Ansatzpunkte für Medikamente ist daher die Grundlage zu besseren Therapien mit weniger Nebenwirkungen. Der Adhäsions-G-Protein-gekoppelte Rezeptor GPR133 gehört zu einer noch wenig erforschten Gruppe von Rezeptoren. Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig konnten in einer aktuellen Studie zeigen, dass GPR133 eine zentrale Rolle beim Aufbau und Erhalt gesunder Knochen spielt.

„Ist dieser Rezeptor durch Genveränderungen gestört, entwickeln Mäuse bereits in jungen Jahren Anzeichen von Knochenschwund – ähnlich wie bei Osteoporose beim Menschen. Mit dem Einsatz der Substanz AP503, welche erst kürzlich auf Basis eines computer-gestützten Screens als Stimulator des GPR133 identifiziert wurde, konnte sowohl bei gesunden als auch bei osteoporotischen Mäusen die Knochenfestigkeit deutlich gesteigert werden“, sagt Prof. Dr. Ines Liebscher, Studienleiterin vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie an der Medizinischen Fakultät.

Im Knochengewebe wird GPR133 durch das Zusammenspiel benachbarter Knochenzellen und mechanischer Belastung aktiviert. Dadurch wird ein Signal ausgelöst, das knochenaufbauende Zellen (Osteoblasten) stimuliert und knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) hemmt. Das Ergebnis: stärkere, widerstandsfähigere Knochen. Der neue Wirkstoff AP503 kann diese natürliche Aktivierung nachahmen. So könnten in Zukunft sowohl gesunde Knochen weiter gestärkt als auch geschwächte Knochen – wie etwa bei Osteoporose bei Frauen in den Wechseljahren – wiederaufgebaut werden.

Großes Potential für alternde Bevölkerung

In einer vorangegangenen Untersuchung fanden die Forschenden der Universität Leipzig bereits heraus, dass die Aktivierung mit AP503 auch die Skelettmuskulatur stärkt. „Die nun gezeigte, parallele Stärkung der Knochen beweist einmal mehr das große Potential, die dieser Rezeptor in der Medizin für alternde Menschen hat“, sagt Dr. Juliane Lehmann, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin am Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie. Die Leipziger Wissenschaftler:innen arbeiten bereits an mehreren Folgeprojekten, um die Anwendung von AP503 bei verschiedenen Erkrankungen zu erforschen und die Rolle des GPR133 im Organismus weiter aufzuklären.

Seit mehr als zehn Jahren ist die Untersuchung sogenannter Adhäsions-G-Protein-gekoppelter Rezeptoren im Sonderforschungsbereich 1423 „Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und Signaltransduktion“ ein wichtiger Schwerpunkt an der Universität Leipzig. International gilt Leipzig als führendes Zentrum auf diesem Forschungsgebiet.

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Prof. Dr. Dr. Ines Liebscher
Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie
Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
E-Mail: Ines.liebscher@medizin.uni-leipzig.de
Tel.: 0341/97-22141

Originalpublikation:
Originalpublikation in Signal Transduction and Targeted Therapy: The mechanosensitive adhesion G protein-coupled receptor 133 (GPR133/ADGRD1) enhances bone formation. Doi: https://doi.org/10.1038/s41392-025-02291-y